Protocol of the Session on April 20, 2011

Das war für die CDUFraktion Herr Kollege Rohwer. Als Nächstes hat die Fraktion DIE LINKE das Wort durch Herrn Kollegen Scheel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Das Königsrecht des Parlaments ist es, den Haushalt zu beschließen. Das heißt, das Parlament hat die Aufgabe zu sagen, wofür wie viel Geld im Freistaat ausgegeben werden darf. Hier hat der Sächsische Rechnungshof mit seiner dankenswerten Beratenden Äußerung ein Warnsignal für den Landtag gegeben, dass dieses Königsrecht in Gefahr gerät.

Nicht wenige Abgeordnete beschleicht vielleicht das Gefühl: Wenn alle zwei Jahre im Freistaat Sachsen ein Karton vor die Tür gestellt wird, kann ich nicht sicher sein, ob wirklich der Landtag beschließt, wofür wie viel Geld ausgegeben werden darf. Und diese Unsicherheit beim Umgang wird auch durch ein Zitat dokumentiert. Ich nehme auch den Sachverständigen Milbradt, der sinngemäß ausgeführt hat, dass er davon ausgeht, dass 99 % der Ansätze vom Landtag nicht zu übersehen sind, dass 99 % der Ansätze und das, was dort passiert, vom Landtag nicht nachvollzogen werden können.

Es ist auch kein Wunder, dass diese geringe Maß an Nachvollziehbarkeit, dieses geringe Maß an Steuerungsmöglichkeit vorhanden ist angesichts von vom Rechnungshof bemängelten 42 % an Übertragbarkeitsvermerken, 84 % an Deckungsvermerken, 43 % an Kopplungsvermerken.

Der Haushaltsgrundsatz von Klarheit und Wahrheit, das heißt Transparenz und Nachvollziehbarkeit für die Abgeordneten, ist mit 5,6 % aller Ansätze ohne Haushaltsvermerk, gelinde gesagt, nicht mehr zu gewährleisten.

Wir haben es im Freistaat mit einem Wildwuchs zu tun. Dieser Wildwuchs muss überprüft werden. Aber ich will hier nicht den Stiefel an die Staatsregierung richten, denn diesen Wildwuchs haben wir alle miteinander zugelassen. Diesen Wildwuchs haben natürlich vor allen Dingen die regierungstragenden Fraktionen zugelassen; denn sie waren es, die mit jeder Entscheidung über Ermächtigungen, die Möglichkeiten von solchen Vermerken, das Hin- und Herschieben von Finanztiteln, der Staatsregierung die Möglichkeit gegeben haben, im Haushalt die Prioritätensetzung des Sächsischen Landtages umzuinterpretieren.

Diese Uminterpretierung hat natürlich auch eine Entwicklung. Diese Entwicklung hängt mit notwendigen Flexibilisierungen zusammen. Wir haben es in den letzten 20 Jahren mit einer Aufbauphase im Freistaat Sachsen zu tun gehabt, die einherging mit diversen Fördermittelprogrammen, mit Änderungen von Richtlinien, auf die es zu

reagieren galt, mit der Notwendigkeit, schnelle Entscheidungen zu treffen. Aber je mehr wir aus dieser Aufbauphase herauskommen, muss der Haushaltsgesetzgeber, müssen wir alle zusammen dieses Recht, das Budgetrecht, das Königsrecht des Parlaments, wieder zurückerobern.

(Beifall bei den LINKEN)

Ich sage es ganz offen: Es ist zwischen Staatsregierung und Landtag etwas aus dem Gleichgewicht geraten. Der Rechnungshof bringt es auf den Punkt, indem er ausführt – ich zitiere –: „Die haushaltsrechtliche Entscheidungsbefugnis“ – um Entscheidungen geht es am Ende – „wird zunehmend auf die Exekutive verlagert.“ Diese Flexibilisierung, meine Damen und Herren Abgeordneten, die wir hier haben, schränkt unsere Steuerungs- und Kontrollfunktion massiv ein. Das heißt, wir müssen dafür sorgen, dass das, was wir politisch im Land wollen, auch durch den Haushalt und die Möglichkeiten der Staatsregierung abgebildet wird. Wir müssen dafür sorgen, dass wirklich wir die Entscheidungen treffen und die Staatsregierung exekutiert – deswegen heißt sie nämlich auch Exekutive – und nicht sie die Legislativfunktion schleichend übernimmt.

(Beifall des Abg. Horst Wehner, DIE LINKE)

Sind diese Flexibilisierungen notwendig? Ich sage ja. Aber zur Wahrnehmung der Steuerungsfunktion unter den Bedingungen, die Herr Rohwer gerade ausgeführt hat, gehört natürlich, dass wir neu mit der Haushaltsbewirtschaftung umgehen. Das heißt, wir müssen uns befleißigen, mehr Arbeit zu investieren in die Fragen von Haushaltsgestaltung. Das heißt, wir müssen uns mehr darüber Gedanken machen, welche Ziele wir der Staatsregierung mit auf den Weg geben. Wir müssen uns noch mehr Gedanken darüber machen, wie wir diese Ziele kontrollieren können.

Da werden diverse Debatten zu führen sein. Wir werden auch darüber reden, inwiefern wir über Kennzahlensysteme reden. Wir werden darüber reden, inwieweit Steuerungsmodelle möglich sind. Aber, das sage ich auch ganz klar, die Frage der Einführung der Doppik steht am Ende dieser Debatten. Am Anfang steht die Zielvorgabe, dann die Steuerung, dann die Ergebnisprüfung. Wenn dazu eine Doppik notwendig sein sollte, wird sich auch meine Fraktion dieser Debatte nicht verschließen.

Wir haben Ihnen einen Änderungsvorschlag vorgelegt. Ich darf ausdrücklich einen Dank an den Sächsischen Rechnungshof richten, an Herrn Prof. Binus oder Herrn Rix als Stellvertreter, für diese Erarbeitung, da es sich in der Tat um einen deutlichen Warnhinweis des Rechnungshofes handelt. Dieser Warnhinweis des Rechnungshofes hat es verdient, dass der Sächsische Landtag ihn unterstützt auch als selbstkritischen Beitrag des Parlaments für die Form der Ermächtigung, die er in den letzten Jahren der Exekutive übergeben hat. Insofern bitte ich Sie, die Beratenden Äußerungen nicht nur, ich sage einmal, wie es Tradition ist, einfach zur Kenntnis zu nehmen, sondern ihnen ausdrücklich zustimmend die

Kenntnisnahme angedeihen zu lassen und gleichzeitig dem Fazit des Rechnungshofes, das die Gefährdungen beschreibt, beizupflichten.

Dazu darf ich Sie ganz herzlich auffordern. Wie gesagt, nehmen Sie es als selbstkritischen Beitrag dieses Landtages und als Auftakt zur Rückeroberung des Budgetrechts, des Königsrechts des Parlaments.

Vielen Dank für Ihre Zustimmung und für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN und der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Herr Scheel sprach für die Fraktion DIE LINKE. Als Nächster spricht für die SPD-Fraktion Herr Kollege Pecher.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es fällt mir ziemlich schwer, in Anbetracht der vorangegangenen emotionalen Diskussionen zu einer sachlichen Ebene zurückzukommen. Ich will es trotzdem versuchen.

Diese Beratende Äußerung des Rechnungshofes war oder ist, besser gesagt, mutig. Sie ist richtig und sie ist in dieser Zeit auch wichtig – in einer Zeit, in der wir im Haushalt agieren, wo auf der einen Seite immer wieder beschworen wird, wie viele Mittel zurückgehen und wie schlimm das ist. Auf der anderen Seite müssen wir uns damit auseinandersetzen, dass man, wenn man genau in diesen Haushalt hineinschaut, feststellt, wo Gelder liegen, die mit entsprechenden Querverweisen ziemlich universell im Haushalt einsetzbar sind.

Es ist auch nicht die Frage Flexibilität mehr oder weniger und diesen Spagat dort aufzulösen, ich denke, es ist eine Frage der Legislative und der Exekutive.

Wie gehen wir also mit dem Spielraum oder mit der Gestaltung eines Haushaltes als Haushaltsgesetzgeber um? Wie können wir Einfluss nehmen, dass die Mittel in dem Sinne, wie wir es festgelegt haben, auch eingesetzt werden? Da zeigt der Rechnungshof ganz massive Probleme auf. Durch die unterschiedlichen Deckungsvermerke, Deckungsringe, zusammenfassenden Gruppen, durch die teilweise unvorbereitete Budgetierung gibt es so viel Spielraum, dass de facto das, was der Gesetzgeber abschließend hier festlegt, in vielerlei Hinsicht umgestaltbar ist. Da rede ich noch nicht einmal von der Interpretation von Förderrichtlinien oder Verwaltungsvorschriften.

Es ist eine Frage des Selbstbewusstseins des Abgeordneten und auch des Parlaments, dass ich schon davon ausgehe, dass das, was ich hier beschließe oder was mehrheitlich beschlossen wird, dann entsprechend umgesetzt wird. Wir sind der Haushaltsgesetzgeber. Ich würde mir manchmal wünschen, dass, wenn irgendwo in diesem Freistaat mit Haushaltsmitteln etwas errichtet wird, zuerst der Abgeordnete dafür gelobt wird und dann der 7. Staatssekretär oder der 3. Abteilungsleiter.

(Lachen der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Leider ist es nicht so. Das hat auch nichts mit Ego zu tun, das hat einfach etwas mit Selbstverständnis zu tun, wer in diesem Land bestimmt, wofür wie viel Geld ausgegeben wird.

Ich finde es auch gut, dass der Rechnungshof angekündigt hat, dass es einen zweiten Teil geben soll, in dem er das, was er vorschlägt, auch noch einmal untersetzen möchte.

Wir haben bereits im Ausschuss das Finanzministerium und auch die Koalitionsfraktionen eingeladen und aufgefordert, die Initiative zu ergreifen und sich fraktionsübergreifend zusammenzusetzen und einen Maßnahmenplan zu entwickeln: Was bereitet man in dieser Legislatur für den nächsten Haushaltsentwurf vor? Was muss darüber hinaus in Richtung Haushaltsordnung und der weiteren Gestaltung in der nächsten Legislatur gemacht werden?

Ich glaube, es stünde uns gut zu Gesicht, wenn das Finanzministerium gemeinsam mit dem Rechnungshof die Initiative ergreift und auf die Abgeordneten zugeht und sagt: Leute, lasst uns hinsetzen und schauen, was wir in welchen Zeiträumen tun können.

Wir haben auch im Finanzausschuss klargestellt, das es nicht darum geht, innerhalb von 14 Tagen ein vollkommen neues Konzept aufzustellen. Wir wissen, dass das nicht geht und dass das ein langfristiger Prozess ist, in dem viele Dinge abgewogen werden müssen.

Genau diese Maßnahme, die man jetzt ergreifen will, kann nicht die Streichung einer Handvoll von Deckungsvermerken sein. Denn bei den Tausenden, die da drin sind, sind die 200, die die Koalitionsfraktionen gestrichen haben, Peanuts; ganz abgesehen davon, dass viele auch doppelt und dreifach da sind.

Es geht also darum, die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen. Da hätte ich mir schon mehr gewünscht als das, was vonseiten meines Kollegen Rohwer vorgestellt wurde. Ich finde es auch bemerkenswert, dass die Anhörung so gelobt wird, die wir vor den Haushaltsberatungen beantragt hatten. Dann wurde sie auf Januar geschoben. Es wäre hilfreich gewesen, die Erkenntnisse dieser Anhörung vor der Haushaltsberatung zu haben, denn es hätte manche Diskussion während der Haushaltsberatung, denke ich einmal, entlarvt.

Zusammenfassend möchte ich sagen: Wir werden dranbleiben. Wir haben auch aus den Prozessen der letzten Jahre zum Thema Haushalt unsere Lehren gezogen. Ich würde mir manchmal wünschen, dass jeder Abgeordnete, der hier etwas von sich gibt, auch einmal diese Lehren für sich persönlich zieht und dies kundtut. Ich kann das für mich persönlich sehr gern tun. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit dem Rechnungshof, insbesondere auch in Richtung zweiter Teil, und wir werden immer wieder den Finger heben und fragen: Okay, Leute, was können wir jetzt endlich tun? Wir werden es nicht – wie ich leider befürchten muss, dass es dazu kommen wird – bei Lippenbekenntnissen der Koalition belassen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und des Abg. Horst Wehner, DIE LINKE)

Für die SPD-Fraktion sprach Herr Kollege Pecher. – Für die FDP-Fraktion ergreift nun Herr Kollege Prof. Schmalfuß das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wenn es aus meiner Sicht eher unüblich ist, zu Beschlussempfehlung und Berichten der Fachausschüsse das Wort zu ergreifen, möchte ich es dennoch nicht versäumen, die Position der FDP-Fraktion in die Debatte einzubringen.

Sie alle kennen die Beratende Äußerung des Sächsischen Rechnungshofes „Transparenz, Haushaltsflexibilisierung, Budgetrecht – Schritte zu einer neuen Haushaltswirtschaft“. Darin wird sehr deutlich aufgezeigt, dass in den vergangenen Jahren eine zunehmende Intransparenz in den Haushaltsplänen erkennbar war. Natürlich tragen Möglichkeiten zu den Grundsätzen des Haushaltsrechts, wie die Übertragbarkeit von Ausgaben, die Ausbringung von Deckungsvermerken oder Verstärkungsmitteln, zu einer flexiblen Haushaltsführung für die Verwaltung bei. Zweifelsohne haben diese Flexibilisierungsmaßnahmen wesentlich zum finanzpolitischen Erfolg des Freistaates Sachsen in den vergangenen Jahren beigetragen. Allerdings führen sie auch dazu, dass die Lesbarkeit des Haushaltes und die parlamentarische Kontrolle darunter gelitten haben. Die Transparenz und Nachvollziehbarkeit waren nur noch schwerlich gegeben.

Die FDP-Fraktion teilt die Auffassung des Sächsischen Rechnungshofes in weiten Teilen. Aus diesem Grund hat die CDU/FDP-Koalition die Anregungen und Verbesserungsvorschläge aufgegriffen und einen entsprechenden Antrag in den Sächsischen Landtag eingebracht. Dieser wurde auch beschlossen. Beim Verfahren zur Aufstellung des Doppelhaushaltes 2011/2012 konnten zahlreiche Titel und Vermerke mit einer Ergänzungsvorlage der Sächsischen Staatsregierung zurückgeführt werden. An dieser Stelle möchte ich mich für die FDP-Fraktion und auch persönlich bei Herrn Finanzminister Prof. Unland und seinen Mitarbeitern bedanken, die es mit ihrer hervorragenden Arbeit ermöglicht haben, dass auch in dieser kurzen Zeit eine derartige gute Umsetzung der Rechnungshofsäußerung möglich war.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE)

Ihr schnelles Arbeiten bei der Ergänzungsvorlage erhöht jedoch nun die Erwartungshaltung an Sie und Ihre Ministerkollegen, bei der Aufstellung des Doppelhaushaltes 2013/2014 weitere Änderungen, wie vom Sächsischen Rechnungshof vorgeschlagen, vorzunehmen.

Meine Damen und Herren! Der FDP-Fraktion ist sehr wohl bewusst, dass es auch in Zukunft eines ständigen Abwägungsprozesses zwischen wünschenswerter Transparenz und notwendiger Flexibilität bedarf. Es gilt, die Rechte des Sächsischen Landtages ebenso wie die Hand

lungsfähigkeit der Staatsregierung durch einen ausreichend flexiblen Haushalt zu wahren.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Für die FDP-Fraktion sprach Herr Kollege Prof. Schmalfuß. – Es folgt die Fraktion GRÜNE mit Frau Kollegin Hermenau.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Es ist schon immer erstaunlich, wie wenig Sie im Sinne des Parlamentes argumentieren, Herr Prof. Schmalfuß, und wie sehr im Sinne der Regierung. Ich halte es immer noch für ein Missverhältnis.

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN)

Der Rechnungshof hat den Doppelhaushalt des Freistaates 2009/2010 stark kritisiert. Hauptkritikpunkt sind die fehlenden rechtlichen Voraussetzungen für die zunehmende Flexibilisierung des Haushaltsvollzuges. Aufhänger und Beleg für die Kritik des SRH war die zunehmende Flexibilisierung des Haushaltsvollzuges als immense Anzahl von Vermerken. Das waren in diesem Doppelhaushalt weit über 4 000 Vermerke.

Die Vermerke erlauben der Staatsregierung, bei der Ausgabensteuerung von primären Vorhaben des Haushaltsplanes und damit auch von den Vorgaben des Haushaltsgesetzgebers abzuweichen. Wenn man überlegt, dass nur 5,6 % der Ausgabentitel ohne Vermerk waren, dann haben Sie dem Gesetzgeber relativ wenig übrig gelassen. Wenn zum Beispiel Ansätze nicht verbraucht werden, entscheidet nicht das Parlament, was mit dem Geld geschehen soll, sondern Vermerke, deren Wirkung aufgrund von Verkettung oftmals schwer nachvollziehbar ist. So kann Geld, das nicht verausgabt wurde, anderen Haushaltstiteln zufließen, es kann in das nächste Haushaltsjahr übertragen werden oder an den Finanzminister zurückfließen.

Wohin letztlich das Geld fließt, entscheiden aber nicht wir, das Parlament, sondern mittels Vermerk die Exekutive, und dies kann ziemliche Blüten treiben. Ein Beispiel, an dem besonders gut deutlich wird, wie Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, sich das Heft des Handelns aus der Hand nehmen lassen, ist die Bildung von Rücklagen. Wir haben das im letzten Jahr diskutiert. Auch hier regelt wiederum ein Vermerk, was zu tun ist.