Protocol of the Session on April 20, 2011

Bei dem Titel „Schuldenaufnahme auf dem sonstigen inländischen Kreditmarkt“ im Einzelplan 15 im Doppelhaushalt 2011/2012, also dem aktuellen, in dem wir uns befinden, heißt es: „Die Schuldenaufnahme reduziert sich um die gegenüber dem Haushaltsvollzug zusätzlich vereinnahmten Steuereinnahmen, Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich sowie Fehlbetrags-Bundesergänzungszuweisungen. Diese können auch für die Zuführung an den Generationenfonds oder den Garantiefonds, für Rücklagen und für unvorhergesehene und unabweisbare Mehrausgaben verwendet werden.“

Dieser Vermerk ist unserer Meinung nach ein Armutszeugnis für die Demokratie. Ohne Not werden durch diesen Vermerk parlamentarische Kompetenzen an die Regierung übertragen, wahrscheinlich nur, um Debatten über die Verwendung von Mehreinnahmen in der eigenen Fraktion zu unterbinden. Verbunden mit der eher vorsichtigen Schätzung von Steuereinnahmen, die ich ja richtig finde, sind Zuflüsse vorprogrammiert, und sie werden vollkommen am Parlament vorbei entschieden.

Dieser Vermerk bewegt möglicherweise mehr als 100 Millionen Euro ohne die Beteiligung des Parlamentes. Die Entscheidung, in welcher Höhe und wohin die Mehreinnahmen fließen, liegt nicht allein in der Hand der Staatsregierung. Ich frage mich: Wieso wollen Sie als Koalition nicht selbst entscheiden, was mit diesem Geld geschehen soll? Schließlich macht es doch einen Unterschied, ob Mehreinnahmen der Kassenverstärkung zufließen, Haushaltsausgleichsrücklagen aufpolstern oder dem Generationenfonds zufließen. Generationen- und Garantiefonds sind zweckgebundene Fonds, darauf hat das Parlament keinen Zugriff. Aus der Haushaltsrücklage aber könnten parlamentarisch gewollte Ausgaben auch der nächsten Jahre fixiert werden. Aufgrund des Ausnahmecharakters von Rücklagen für den kameralen Staatshaushalt sieht der SRH die Notwendigkeit, die Genehmigung zur Rücklagenbildung vollständig im Haushaltsgesetz zu regeln, und dies ist nicht erfolgt.

Die Kritik des Rechnungshofes geht weit über die Kritik einzelner solcher Beispiele hinaus. Ganze Kapitel sind mit Einnahmen gekoppelt, gegenseitig deckungsfähig und übertragbar. In vielen Einzelplänen wurde offensichtlich über globale Vermerke die Stellenplanbindung aufgelöst und eine kapitelübergreifende Besetzung der Planstellen und Stellen eingeräumt. Dieses Vorgehen entspricht faktisch einer Budgetierung, ist aber kameral aufgeschrieben. Allerdings wurde versäumt, eben genau dann, wenn man budgetiert, in der Praxis Instrumente zum Ausgleich des durch die Budgetierung eingetretenen Informations- und Transparenzverlustes zu installieren, und das ist das eigentliche verfassungsrechtliche Vergehen.

Die Staatsregierung nutzt im Prinzip die Vorteile der Budgetierung, ohne den dazugehörigen Wechsel von der Input- zur Outputsteuerung mittels Produkthaushaltes, Zielvereinbarungen und kennzahlengestützten Berichtswesens zu vollziehen und ohne gegenüber dem Parlament eine wirksame Ergebnissteuerung und -kontrolle sicherzustellen. Zu Recht sieht der Rechnungshof das Budgetrecht des Landtages dabei in Gefahr, und die Damen und Herren von der Regierungskoalition schauen eigentlich nur zu, wie die Staatsregierung mehr und mehr die Entscheidungen des Parlamentes trifft. Sie schauen zu, Sie lassen es sich gefallen. Vielleicht unterstützen Sie es, vielleicht nicht. Vielleicht wissen Sie gar nicht, ob Sie es unterstützen könnten, wenn Sie es wüssten. Die Regierung entmachtet und entmündigt Sie als Parlament und Haushaltsgesetzgeber. Das ist es, was darin steht.

Ich möchte jetzt nicht spekulieren, ob deshalb der Rechnungshof nach Döbeln umziehen soll, aber ich sage einmal: Es ist, gelinde gesagt, starker Tobak, wenn sich ein Rechnungshof eines Landes gezwungen sieht, eine derart gravierende Anmerkung zum Haushaltsrecht eines Bundeslandes zu machen. Das ist meine Einschätzung dieser Situation.

(Beifall des Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE, bei den LINKEN und der SPD)

Sie haben dann den freundlichen, 2 000 Seiten umfassenden, aber doch etwas hilflosen Versuch unternommen, die Anzahl der Vermerke zu reduzieren und uns glauben zu machen, dass so die Kritik des Rechnungshofes geheilt wäre; zumindest wäre es im juristischem Sinn nicht mehr zu beklagen. Ich finde, dass der Versuch gescheitert ist, weil Sie den Kerngedanken des Rechnungshofes damit nicht berührt haben, den er als Kritik vorgetragen hat.

Dem Rechnungshof ging es nicht darum, die Anzahl der Vermerke auf eine unbedenkliche Art zu reduzieren, sondern ihm ging es darum, die schwierige Situation des Staatshaushaltes zu nutzen, um eine neue Generation eines Staatshaushaltes zu schaffen, mit der die Steuerung und Kontrolle der knapper werdenden Mittel gewährleistet werden kann. Sagen wir also: Es wäre gar nicht so schlimm, eine Budgetierung vorzunehmen, aber es muss transparent und nachvollziehbar geschehen. Diese zwei Sprachen, in denen ich im Haushalt immer spreche, verhindern das. Das ist im Prinzip eine Art Enteignung des Parlaments von seinem ursprünglichen Recht.

Wir werden uns in dieser Frage noch öfter unterhalten, das ist mir völlig klar, aber es gibt seit ein paar Jahren diesen Versuch, dass die Kommunen die Doppik einführen. Wenn ich mit Bürgermeistern spreche, erfahre ich in den Gesprächen, dass dies zwar ein mühsamer Vorgang sei, aber im Allgemeinen erkennen sie deutlich plastischer, was sie sich in Zukunft noch leisten und später unterhalten können. So schrumpft ihre Investitionstätigkeit. Ihnen ist klar, dass sie nicht mehr so viel bauen können, weil sie es später nicht unterhalten können. Das ist eine Erkenntnis, die aus der Doppik resultiert. Deswegen finde ich es außerordentlich schwierig, dass sich die Staatsregierung vorgenommen hat, in dieser Legislaturperiode im Finanzministerium keine Doppik einzuführen. Ich halte das für schwierig, denn man muss einen solchen komplexen Verwaltungsvorgang anführen und nicht hinterherkleckern. Das ist meine Meinung dazu.

Zum anderen – finde ich – wirkt es ein bisschen so, als wollten Sie jetzt noch jede Menge Investitionsmittel rausschmeißen und vielleicht noch vor der nächsten Wahl gut dastehen, aber Sie haben nicht die Folgekosten für die nächsten Jahre bedacht. Das finde ich nicht in Ordnung. Sie können nicht plausibel vorlegen, wovon die Unterhaltskosten in den nächsten Jahren bestritten werden.

Meiner Meinung nach kann es mit neuen Steuerungselementen sofort losgehen. Es gibt keinen wirklichen Grund zu warten. Sie argumentieren immer damit, dass Sie

schauen wollten, welche Fehler andere Bundesländer bei der Einführung gemacht haben. Das kann man sich anhören, das ist nicht falsch und auch nicht verkehrt, aber man muss deswegen nicht warten. Jeder wird seine eigenen Fehler machen. Auf dieses Recht verzichten Sie hierbei großmütig. Ich glaube, dass dieses Nichtstun der Staatsregierung enttäuschend ist. Dabei hilft es nicht, jetzt beim Lamentieren stehen zu bleiben. Ich habe meine Kritik vorgetragen.

Der Rechnungshof wird im zweiten Halbjahr dieses Jahres – so hat er es angekündigt – noch einmal Vorschläge unterbreiten, die sicherlich nicht bis zum Jahr 2015 warten sollten. Ich denke, wir, das Parlament, sollten uns sehr schnell dieser neuen Generation von Staatshaushalten zuwenden, um damit diese Budgetfragen wieder in die eigene Hand zu bekommen.

Prof. Milbradt – das wurde heute schon erwähnt – hat in der Anhörung zu dieser Beratenden Äußerung des Rechnungshofes gesagt, man könne einen Haushalt nicht über die Ausgabenseite, also den Input steuern, sondern eine Steuerung lässt sich nur über die Ziele, also den Output, steuern. Das ist in Ordnung und das sehe ich genauso.

Sein Rat ist, der Staatsregierung Ziele vorzugeben. Das geht eigentlich nur – da hat der Landtag eine Bringepflicht –, wenn man, wie Prof. Milbradt vorgeschlagen hat, eine Kommission von Experten aus dem Landtag, dem Finanzministerium und den Fachministerien einsetzt, die Vorschläge für eine entsprechende Reform der Sächsischen Haushaltsordnung entwickelt. Das müsste man spätestens nach dem zweiten Teil der Beratenden Äußerung des Landesrechnungshofes auch tun. Damit sollten wir uns auf dem Weg zu einem transparenten Haushalt alle miteinander befassen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Das war für die Fraktion GRÜNE Frau Kollegin Hermenau. – Die NPD hat zu diesem Tagesordnungspunkt keinen Redebedarf angemeldet. Wünscht die Staatsregierung zu sprechen?

(Christian Piwarz, CDU: Wir haben Redebedarf!)

Aha! Wir treten damit in eine weitere Runde ein. Die CDU-Fraktion hat erneut das Wort. Es spricht Herr Abg. Krasselt.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich will in aller Kürze auf dieses Thema eingehen. Viel Redezeit verbleibt mir nicht mehr. Der Sächsische Rechnungshof hat aus seiner Sicht die mangelnde Transparenz, eine überzogene Haushaltsflexibilisierung und die daraus erwachsende Sorge um das Budgetrecht des Parlaments aufgezeigt und mahnt zu Recht, die Haushaltsvermerke in dieser Dimension zu reduzieren.

Sicherlich enthält auch unser Doppelhaushalt 2011/2012 viel zu viele Haushaltsvermerke, auch wenn sich die

Koalitionsfraktionen und der Haushalts- und Finanzausschuss erheblich bemüht haben, sie zu reduzieren, und vieles davon auch durchsetzen konnten.

Bei der Haushaltsaufstellung 2013/2014 ist nicht nur ein weiterer Aufwuchs zu verhindern, sondern entsprechend den Ausführungen des Rechnungshofes eine deutliche Reduzierung vorzunehmen. Ich denke, darin sind wir uns sehr schnell einig.

Der Sächsische Rechnungshof hat seine Verantwortung wahrgenommen und auf mögliche Fehlentwicklungen klar und deutlich hingewiesen. Das haben wir, die Koalitionsfraktionen, zur Kenntnis genommen. Nicht nur die Anhörung zu diesem Thema hat vor überzogenen Forderungen im Sinne des Sächsischen Rechnungshofes gewarnt. Das ist bis jetzt überhaupt noch nicht zum Ausdruck gebracht worden.

Ich darf aus meiner praktischen Erfahrung als Bürgermeister feststellen, dass die überzogene Sorge um die Flexibilität eines Haushalts unweigerlich zu seiner Ineffizienz führt. Es ist jetzt nicht die Zeit, dafür Beispiele anzubringen, aber ich will es gern im Einzelgespräch nachholen. Wir sollten ein Stück weit den Mut haben, anderen Verantwortung zuzutrauen und nicht zu glauben, dass außer uns niemand Verantwortung wahrnehmen kann.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Budgetrecht heißt für mich, die großen politischen Ziele vorzugeben und deren Umsetzung selbstverständlich zu prüfen und in der Hand zu behalten. Letztes Detailwissen scheint mir nicht in jedem Fall wichtig zu sein, wenn ich den anderen Verantwortung zutraue. Die Feststellung des Sächsischen Rechnungshofes, Schritte zu einer neuen Haushaltskürzung zu wagen und eine Effizienzsteigerung des Haushaltsvollzugs zu erreichen, ist wichtig und richtig.

Allerdings, Frau Hermenau, lassen Sie mich eines sagen: Das ist keine Sache, die in ein oder zwei Jahren zu erreichen ist. Sprechen Sie mit den Kommunen, die seit dem Jahr 2008 an diesem Thema arbeiten, was das für eine Herausforderung ist. Wenn wir es tun sollten, dann sollten wir es auch gut tun. Ich warne auch davor zu glauben, dass dies das Allheilmittel schlechthin ist.

Ihre Redezeit läuft ab!

Den Beratenden Äußerungen des Sächsischen Rechnungshofes beizutreten halte ich für überzogen. Sie zur Kenntnis zu nehmen und zu beachten ist allerdings geboten.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Für die CDU-Fraktion sprach Herr Krasselt. – Gibt es weiteren Redebedarf aus den Fraktionen? – Die Fraktion DIE LINKE hätte noch Redezeit. Ich sehe aber keinen weiteren Redebedarf.

Dann geht mein Blick zur Staatsregierung. Herr Staatsminister, Sie möchten sprechen? – Bitte schön, Herr Staatsminister Unland.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu den Inhalten der Beratenden Äußerung „Transparenz, Haushaltsflexibilisierung, Budgetrecht“ des Sächsischen Rechnungshofes haben wir uns am 29. September 2010 an gleicher Stelle schon einmal ausgetauscht. Damals hatte ich angekündigt, dass die Staatsregierung als Konsequenz aus den Feststellungen des Rechnungshofes weitere Vorschläge zur Bereinigung von Haushaltsvermerken für den Doppelhaushalt 2011/2012 vorlegen wird.

Dies hat die Staatsregierung mit der Ergänzungsvorlage zum Doppelhaushalt getan, in der 225 Haushaltsvermerke gestrichen oder gekürzt worden sind. Durch diese Maßnahmen wurde bereits im aktuellen Doppelhaushalt ein Beitrag zur Erhöhung der Transparenz geleistet. Die Staatsregierung wird diesen Prozess bei der Aufstellung des neuen Doppelhaushalts fortsetzen.

Ich möchte gleichwohl darauf hinweisen, dass auf der einen Seite auch künftig ein Zielkonflikt zwischen der erforderlichen Zweckbindung der Mittel und auf der anderen Seite der Zubilligung notwendiger Flexibilität im Haushaltsvollzug bestehen wird.

Ich halte ein gewisses Maß an Flexibilisierung für erforderlich, um der besonderen Situation der sächsischen Haushaltsstruktur gerecht zu werden. Der sächsische Haushalt ist beispielsweise noch maßgeblich geprägt von Bundes- und EU-Zuweisungen, die auch überjährig einer gesonderten Zweckbindung unterliegen.

Kurz ausgedrückt heißt das, dass wir Mittel, die uns von anderen für bestimmte Zwecke zur Verfügung stehen, nur für diese Zwecke einsetzen dürfen. Das müssen wir auch im Haushalt sicherstellen. Allein dieser Umstand erfordert ein hohes Maß an Kopplungs- und Übertragungsvermerken, um die vollständige und zweckentsprechende Verwendung gegenüber den Drittmittelgebern sicherstellen und nachweisen zu können.

Zudem wollen wir die sparsame und wirtschaftliche Mittelverwendung fördern, indem zum Beispiel dem sogenannten Dezemberfieber durch erweiterte Deckungs- und Übertragungsmöglichkeiten entgegengewirkt wird.

Meine Damen und Herren! Ich lade Sie ein, den Prozess der systematischen Prüfung der Haushaltsvermerke unter Berücksichtigung der eben genannten Aspekte aktiv zu begleiten, um gemeinsam die Qualität und Transparenz des sächsischen Haushaltes zu erhöhen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der FDP und des Staatsministers Sven Morlok)

Für die Staatsregierung sprach Herr Staatsminister Prof. Unland. Meine Frage

geht jetzt an den Berichterstatter des Ausschusses, Herrn Michel, ob er das Wort wünscht. – Das ist nicht der Fall.

Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt zu den Abstimmungen. Zunächst stimmen wir über den vorliegenden Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE ab, der Ihnen in der Drucksache 5/5650 vorliegt.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

Herr Scheel, ich hatte das vorhin fast wie eine Begründung verstanden, aber Sie möchten den Änderungsantrag noch einmal begründen.