Herr Kollege, haben Sie wahrgenommen, dass wir für die Einsatzeinheiten individualisierte Kennzeichen vorschlagen und dass wir das im Änderungsantrag verbal ganz klar präzisiert haben?
Nun zurück. Der Polizeibeamte der geschlossenen Einheit ist im Einsatzgeschehen über die Einsatznachweisführung und über die Dienstführung erkennbar. Die Frage, ob dieses Namensschild tatsächlich ausreichen soll, um den Beamten zu erkennen, ist ein relativ schwieriger und komplexer Sachverhalt. Stellen Sie sich eine Räumkette vor. Dann stellt sich als Erstes die Frage, ob wir das einzelne Polizeischild oder den Helm ebenfalls namentlich kennzeichnen müssen. Dann können wir gleich als Nächstes über den gläsernen Polizeihelm diskutieren.
Die Besorgnis, dass ein Polizeibeamter, der im Dienst fehlerhaft agiert hat, nicht erkannt wird, ist ernst zu nehmen. Deswegen bedarf es einer klaren und konsequenten Nachweisführung. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass wir auch heute schon über diese Nachweisführungssysteme verfügen. Wir haben einen eigenen Bereich Amtsdelikte, der bei Verfehlungen der Polizeibeamten intern agiert. Er ermittelt nicht nur, wenn der einzelne Bürger tätig wird, sondern auch auf Feststellungen, die aus dem Einsatzgeschehen, seitens der Vorgesetzten oder von Kolleginnen und Kollegen kommen. So haben wir entsprechende Verfahren nicht nur auf Anregung von Bürgern, sondern auch aus internen Feststellungen im Bereich der Amtsdelikte geführt. Das heißt, es gibt einen internen Kontrollmechanismus.
Die Nachweisführung ist ganz klar. Der handelnde Polizeibeamte ist an der Tagebuchnummer, am Einsatzgeschehen und an der aktenkundigen Handlungsweise erkennbar. Insoweit ist nach unserer Auffassung die Kennzeichnungspflicht entbehrlich. Wenn wir die Kennzeichnungspflicht wollen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann formulieren wir sie doch im Demonstrationsgeschehen dahin gehend, dass der Teilnehmer an einer Demonstration sich ebenfalls mit Namensschild
auszuweisen hat. Dann lassen Sie uns dafür Sorge tragen, dass Ansätze von Vermummung, wie Sonnenbrillen, der Vergangenheit angehören. Dann bitte ich um offenes Visier auf beiden Seiten.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir beraten heute den Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und ich begrüße diesen Vorstoß der GRÜNEN für eine Kennzeichnungs- und Ausweisungspflicht der Polizeibediensteten in Sachsen. Meine Fraktion und ich sind für eine Namenspflicht im Dienst und eine nachträgliche individualisierbare Kennzeichnung für Einsatzeinheiten. Damit haben wir den Sprachgebrauch übernommen, der im Änderungsantrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN steht.
Ich bin der Auffassung, dass es zu einer bürgernahen und bürgerorientierten Polizei gehört, dass die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, den einzelnen Polizeibediensteten persönlich ansprechen zu können. Wer das Recht hat, sich vom Bürger den Personalausweis zeigen zu lassen und ihn so mit Namen ansprechen zu können, sollte dem Bürger ebenso die Möglichkeit geben, umgekehrt den Polizeibediensteten anreden zu können. Das ist eine Frage des Stils und der Bürgernähe der Polizei.
Die Polizei genießt zu Recht ein hohes Ansehen in der Bevölkerung im Vergleich zu anderen Berufsgruppen. Es geht daher beim Thema Kennzeichnungspflicht weder um einen Generalverdacht noch um eine Vorverurteilung von Polizistinnen und Polizisten, sondern es geht um eine Beziehung auf Augenhöhe zwischen der Bürgerschaft mit und ohne Uniform. Wer mich nach meinem Namen fragen darf, sollte auch selbst sagen, wer er ist.
Viele Menschen, die bei der Polizei arbeiten, halten eine namentliche Vorstellung des Beamten gegenüber dem kontrollierten Bürger für sinnvoll, haben aber Angst, weil die Daten ihres Wohnortes bei Bekanntgabe des Namens zu leicht abgefragt und recherchiert werden könnten, woraus sich Risiken ergeben. Dieses Problem muss nicht nur im Interesse der Polizeibeamten durch Verbesserung des Datenschutzes im Umgang mit den Daten der Bürgerinnen und Bürger gelöst werden: Hier erwarte ich gerade von Ihnen, meine Damen und Herren der Koalition, mehr Aktivitäten. Vielleicht könnte man die Kennzeichnungs- bzw. Namenspflicht in einem von mir aus wissenschaftlich begleiteten Pilotversuch im Bereich einer Polizeidirektion einführen.
Ich baue auf den Abbau von Ängsten durch konkrete Erfahrungen; denn mir kann niemand sagen, wieso es seit Jahrzehnten selbstverständliche Praxis in New York ist, dass Polizisten ein Namensschild tragen, dass das aber zum Beispiel in Dresden oder Leipzig nicht möglich sein soll. Der Polizeidienst ist auf Bürgerkontakt angelegt. Deshalb ist die Einführung eines Namensschildes sinnvoll.
Dass die Kennzeichnungspflicht keine nachteiligen Auswirkungen hat, zeigen uns internationale Erfahrungen sowohl in Europa als auch in den USA. So haben die Polizeibehörden in Los Angeles – Frau Jähnigen sprach darüber – keine negativen Folgen für die Beamtinnen und Beamten festgestellt, sondern sie stellen ganz im Gegenteil eine Stärkung der positiven Einstellung seitens der Bevölkerung gegenüber der Polizei fest.
Die Bürgerinnen und Bürger in Sachsen wissen, dass jeder Polizeibeamte im Einsatz nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handelt. Warum also die Angst vor dem Tragen von Namensschildern? In jeder Sparkassenfiliale weiß der Kunde, mit wem er es zu tun hat. Warum sollte das nicht auch bei der Polizei so sein?
Dass die Kennzeichnungspflicht keine negativen Auswirkungen mit sich bringt, zeigt auch ein Bericht des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages. Ergebnis der Untersuchung war, dass in fast allen Ländern der Europäischen Union die Kennzeichnungspflicht bereits umgesetzt ist. Deutschland ist neben Österreich der einzige Verweigerer. Deshalb stellt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages des Weiteren fest, dass es nirgends Belege für eine damit verbundene Gefährdung von Polizeibeamten gibt. Spanien ist das einzige Land, in dem es – Zitat – „in wenigen Fällen“ zu unberechtigten Anschuldigungen gekommen ist. Ansonsten liegen – Zitat – „keine relevanten Informationen vor, ob die Einführung der Kennzeichnungspflicht zu einem Anstieg unberechtigter Anschuldigungen gegenüber Polizeibeamten oder gar zu persönlichen Übergriffen auf diese geführt hat“.
Grundsätzlich gilt doch: Wenn es einen besonderen Schutz und eine besondere verfassungsrechtliche Stellung für die Polizei gibt, dann muss die Polizei diesem Status auch durch eine Transparenz entsprechen. Die Verwendung von Einheitskennungen an den Helmen der Bereitschaftspolizei gibt nur Auskunft über die Hundertschaft, also den Zug und die Gruppe, welcher der Träger angehört, aber nicht über seine Identität. Ich denke, mit Transparenz hat das nicht viel zu tun.
Leider passiert es immer mal wieder, dass bei Demonstrationen uniformierte und behelmte Polizeibeamte unverhältnismäßig gegen Demonstranten vorgehen. Allerdings kommt es so gut wie nie zu Verurteilungen der Polizeibeamten. Die FU Berlin hat über 100 Fälle von Polizeigewalt untersucht und festgestellt, dass in jedem zehnten Fall die mangelnde Identifizierbarkeit dafür mitverantwortlich ist, dass es zur Einstellung der Ermittlungsverfahren kommt. Natürlich kann eine Namens- und Kennzeichnungspflicht Straftaten nicht verhindern, aber das
An dieser Stelle noch einmal klar für alle: Es geht nicht um einen Generalverdacht gegen die Polizei. Die Polizeivollzugsbeamten verrichten eine wertvolle Arbeit, die dem Bestand unserer Rechtsordnung dient und unsere Demokratie schützt. Zum Schutz unserer Rechtsordnung gehört aber auch, dass polizeiliches Fehlverhalten erfolgreich aufgeklärt werden kann, was durch eine Namens- und Kennzeichnungspflicht erleichtert würde. Das hat, wie anfangs schon gesagt, weder mit einem Generalverdacht noch mit einer Vorverurteilung von Polizistinnen und Polizisten zu tun. Ich denke, dass die individuelle Kennung nichts anderes wäre als der Ausdruck eines demokratischen Rechtsstaates.
Auch das Argument der Gegner der Namens- und Kennzeichnungspflicht, dass die Gefahr von Rachehandlungen bestehe, ist von der Hand zu weisen, weil jeder Straftäter, der daran interessiert ist, allein nach Akteneinsicht seines Verteidigers oder aus den übersandten Anklageschriften der Ladungsliste entnehmen kann, wie der Familienname des Polizeibeamten ist, der Maßnahmen gegen ihn erhebt.
Ich denke, wir sollten die Einführung einer individuellen Namens- und Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte in Sachsen als ein Signal sehen, das den Bürgerinnen und Bürgern Aufgeschlossenheit und Transparenz zeigt, das Vertrauen in die Polizei fördert und deren Ansehen in der sächsischen Bevölkerung weiter stärkt.
In diesem Sinne begrüße ich die Bewegung, die auch das Ja des Berliner Polizeipräsidenten zur Kennzeichnungspflicht in die Debatte gebracht hat. Mittlerweile hat Berlin eine Kennzeichnung beschlossen und auch Brandenburg steht kurz davor. Interessanterweise hat in Brandenburg die CDU die Initiative ergriffen und einen Gesetzentwurf eingebracht. In diesem führt die Brandenburger CDU völlig zu Recht aus, dass eine namentliche Kennzeichnung das Vertrauen in die Polizei durch Transparenz und Bürgernähe stärken könne. Des Weiteren diene die Kennzeichnung – so schreibt die Brandenburger CDU – der Sicherstellung der Rechtsschutzgarantie für die Bürger und gewährleiste außerdem eine schnelle Aufklärung der Fälle von Polizeigewalt.
Deshalb möchte ich schlussfolgernd sagen: Die Einführung einer Namens- und Kennzeichnungspflicht für sächsische Polizeibeamte richtet keinen Schaden an, eignet sich aber dazu, Schaden abzuwenden, indem ermöglicht wird, Täter, die ungerechtfertigt Polizeigewalt anwenden, zu identifizieren und rechtlich zu belangen. Daher sollte eine Kennzeichnung als ein Gewinn für alle Polizistinnen und Polizisten angesehen werden, die im Einsatz nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handeln, und sie sollte auch als eine Möglichkeit verstanden werden, das Vertrauen in die Polizei zu fördern und deren Ansehen weiter zu stärken.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich bei den GRÜNEN für den Antrag bedanken. Das ist ein guter Antrag, den wir vielleicht an der einen oder anderen Stelle etwas anders geschrieben hätten, den wir aber im Kern unterstützen. Bei Kollegin Jähnigen und bei Kollegen Gebhardt möchte ich mich für ihre sachlichen und sehr argumentreichen Vorträge bedanken. Weil all diese Argumente, die hier schon genannt wurden, von uns geteilt werden, muss ich sie nicht noch einmal wiederholen, sondern ich nutze lieber die Gelegenheit, um auf Herrn Kollegen Hartmann von der CDU einzugehen.
Ich habe von den LINKEN und von den GRÜNEN viele Argumente gehört. Nun will ich mir einmal überlegen, welche Argumente ich von Ihnen gehört habe.
Ihr erstes Argument war: Wenn Frau LeutheusserSchnarrenberger Polizistin wird, dann wird das Namensschild zu lang. Das war Ihr erstes Argument. Haben wir so wenig Geld in Sachsen, dass wir uns nur ein 6 cm breites Namensschild leisten können und kein 10 cm breites?
Ihr zweites Argument war: Wenn Herr Wawrzynski ein Namensschild tragen soll, dann könnte es den Leuten schwer fallen, diesen Namen auszusprechen.
Das dritte Argument war – darüber war ich etwas verwirrt, weil das in genau die andere Richtung ging –: Das Namensschild reicht doch gar nicht aus, um Polizisten zu identifizieren. Wenn ihr es richtig machen wollt, liebe GRÜNE, dann dürft ihr nicht nur die Uniform kennzeichnen, sondern auch noch die Helme, vielleicht auch die Schuhe, die Hosen usw. Da ging es plötzlich in die andere Richtung, was mich ein bisschen verwirrt hat. Aber Sie werden sicherlich noch die Gelegenheit ergreifen, das aufzuklären.
Das waren die drei in sich widersprüchlichen Argumente. Ich stelle das all dem gegenüber, was hier vorgetragen worden ist: warum die derzeitige Regelung nicht ausreichend ist, die bereits vor 20 Jahren vorhandene Idee, die Bürgerfreundlichkeit, die damit erreicht werden kann, die selbstbewusste Polizei, die Schutzwirkung nach innen, die Erfahrungen in anderen Bundesländern und international. Wir haben hier juristische Argumente gehört, organisationssoziologische, empirische, demokratietheoretische und dann ganz zum Schluss das wichtigste, nämlich das verfassungsstaatliche Argument: Das Handeln von Men
schen, die im Staatsdienst sind, muss für jeden überprüfbar sein. Deswegen tragen alle Justizwachtmeister Namensschilder, deswegen tragen alle Bundeswehrsoldaten Namensschilder, deswegen tragen alle Mitarbeiter von Finanzämtern Namensschilder, deswegen tragen alle Mitarbeiter von Ausländerbehörden, von ARGEn usw. Namensschilder.
Zu diesen Argumenten habe ich von Ihnen keine fachliche Auseinandersetzung gehört. Warum ist das so? Diese Frage haben Sie am Anfang Ihrer Rede selbst beantwortet. Sie haben sich und uns gefragt: Wo ist denn die Notwendigkeit, dem Gesetzentwurf zuzustimmen? Dann haben Sie sich überlegt, ob es eine Notwendigkeit gibt. Dahinter steht doch Folgendes: Grundsätzlich wollen Sie erst einmal alle Gesetzentwürfe ablehnen. Das ist ja die Erfahrung, die wir in diesem Haus seit vielen Jahren machen. Sie fragen, wo die Notwendigkeit ist, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen, aber die Grundidee von Parlament ist doch eigentlich, sich zu fragen: Gibt es eine Notwendigkeit, den Gesetzentwurf abzulehnen, selbst wenn er von einem anderen kommt? Diese Frage habe ich bei Ihnen nicht gehört.
Stattdessen machen Sie den großen Punkt auf, man würde – das ist das letzte Argument – einen Generalverdacht gegen alle Polizistinnen und Polizisten erzeugen. Ich halte dieses Argument für überzogen. Es steht an einem Pol einer möglichen Denkweise, der eindeutig zu weit außen ist. Was wollen Sie damit eigentlich sagen? Es ist das Gegenteil davon, nämlich das Unfehlbarkeitspostulat. Wollen Sie wirklich sagen, dass die sächsische Polizei unfehlbar ist und dass es deswegen überhaupt keine Notwendigkeit gibt, auch ihr Handeln überprüfbar zu machen? Ich glaube, das wollten Sie nicht sagen, und wenn Sie es sagen wollten, dann wäre das wirklich sehr vermessen; denn auch ich habe, wenn auch nur wenige Jahre, in einem politischen System verbracht, in dem man von politischer Unfehlbarkeit ausging.
Dieser Generalverdachtsvorwurf ist ein Vorwurf, der einfach nicht richtig ist, der auch nicht fair ist, denn er wurde von vielen Seiten durch viele Argumente entkräftet. Wenn Sie diesen Vorwurf weiter äußern, dann zeigt das, dass Sie sich eben nicht in der Sache auseinandersetzen wollen, sondern auf dieser Ebene und auf der Ebene der zu langen Namensschilder.