Protocol of the Session on April 19, 2011

Der einzige Kritikpunkt, den ich zu dem Antrag der GRÜNEN hätte, ist der Zeitpunkt. Wir haben derzeit eine sächsische Polizei, die keine Kennzeichnung trägt. Selbstverständlich ist es so – auch wir haben die Anhörung verfolgt –, dass sich viele Kolleginnen und Kollegen in der Polizei Sorgen machen und sich fragen: Ist das wirklich notwendig, ist das wirklich richtig und passiert mir dann im Dienst möglicherweise etwas mehr?

Ich glaube, es gibt gute Argumente zu sagen: Niemand muss sich Sorgen machen. Im Gegenteil, das wird auch

für die Polizei eine gute Hilfe sein. Aber der Zeitpunkt, für eine solche Maßnahme zu werben, ist denkbar schlecht gewählt: Wir haben eine sächsische Polizei, die dank CDU und FDP gerade die Sonderzahlungen gestrichen bekommen hat. Wir haben eine sächsische Polizei, die dank CDU und FDP gerade einen zusätzlichen Stellenabbau aufgesattelt bekommen hat. Wir haben eine sächsische Polizei, der dank CDU und FDP jetzt fast die Hälfte aller Reviere geschlossen wird. Dass da die Beamtinnen und Beamten sagen „Und nun sollen wir auch noch Namensschilder tragen“, das verstehe ich. In solch einer desolaten Situation würde ich mir als Mitarbeiterin auch eine ganze Menge Fragen stellen. Deswegen bin ich nicht sicher, ob heute wirklich der geeignete Zeitpunkt ist, über eine solche Maßnahme zu sprechen und dafür zu werben, oder ob wir nicht vielmehr all unsere Kraft brauchen, um das Schlimmste, was CDU und FDP bei der Polizei vorhaben, noch abzuwenden.

Nichtsdestotrotz: Wir stimmen dem Antrag zu.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Vielen Dank, Frau Friedel. – Nun die FDP-Fraktion, Herr Abg. Karabinski. Sie haben das Wort; bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vorab, Frau Jähnigen, Frau Friedel, Herr Gebhardt, frage ich Sie: Was haben Sie eigentlich für ein Bild von der sächsischen Polizei, was für Polizeibeamte treffen Sie denn? – Immer, wenn ich Polizeibeamte treffe und in der Vergangenheit getroffen habe, begann das Gespräch mit: „Guten Tag, guten Abend, mein Name ist Polizeiobermeister sowieso, Polizeihauptkommissar das und das“ usw. Komisch, dass sie sich mir gegenüber immer vorstellen, aber Ihnen gegenüber anscheinend nicht. Sie schreiben ein Problem an die Wand, das so in der Realität überhaupt nicht vorhanden ist, meine Damen und Herren.

Der Innenausschuss hat sich dank Ihres Gesetzentwurfs am 19. August letzten Jahres mit dem vorliegenden Gesetzentwurf einer öffentlichen Anhörung unterzogen. Zugegen war Herr Prof. Aden von der Hochschule für Wirtschaft und Recht aus Berlin, Fachbereich Polizei und Sicherheitsmanagement. Er zeigte einen Videofilm. Zu sehen war eine Szene vom 1. Mai in Berlin. Aus einer Gruppe Autonomer kommt dabei eine Person zu Fall. Ein Polizeibeamter aus einer der hinterherrennenden Einsatzgruppen stolpert über diese Person und ein zweiter Polizeibeamter tritt auf eine am Boden liegende Person ein.

Dieser Moment des Frustablassens, meine Damen und Herren – er wird von mir keineswegs toleriert –, genau diese Situation ist es doch, die nun als Begründung für den vorliegenden Gesetzentwurf herhalten muss. Ich zitiere: „Gerade bei diesen Einsätzen, in denen die Polizeibediensteten, aber auch unbeteiligte Teilnehmer besonderen Gefahren ausgesetzt sind, können Vorwürfe unzu

lässiger Ausübung unmittelbaren Zwangs in aller Regel nicht aufgeklärt werden.“

Das ist falsch. Herr Dropmann, Vorsitzender des Gesamtpersonalrats der Berliner Polizei, hat es in der Sachverständigenanhörung ausgeführt, meine Damen und Herren. Der Polizeibeamte aus diesem Videofilm hat sich schon am 3. Mai, also nur zwei Tage später, unter dem Druck seiner Kollegen und seiner Vorsitzenden gestellt, und zwar – jetzt kommt es – ohne Namensschild. Aha, ohne Namensschild!

Es gibt nach meiner Überzeugung viele Gründe, die gegen eine gesetzliche Kennzeichnungs- und Ausweispflicht sprechen. Wissen Sie, Frau Jähnigen, was das eigentliche Problem Ihres Vorhabens ist – da können Sie noch so oft sagen, dass Sie das nicht meinen –: Ihr Gesetzentwurf stellt die sächsischen Polizeibeamten unter einen Generalverdacht.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Sie können es noch so oft abstreiten, die Polizeibeamten empfinden eine Kennzeichnungspflicht als Generalverdacht.

Herr Karabinski, Sie gestatten eine Zwischenfrage?

Bitte, Frau Friedel.

Herr Kollege, vielen Dank. – Frau Jähnigen hatte vorhin den FDP-Vorschlag aus den frühen Neunzigern angesprochen, der genau dasselbe beinhaltete: Polizisten mit einem Namensschild zu kennzeichnen. Halten Sie diesen FDP-Vorschlag für falsch?

Frau Friedel, sehen Sie, eine Partei wie die FDP entwickelt sich auch weiter.

(Lachen bei den LINKEN und der SPD – Dr. André Hahn, DIE LINKE: Zurück!)

Es sind seitdem 20 Jahre vergangen. Ich halte in der heutigen Zeit den Vorschlag aus der Zeit Anfang der Neunzigerjahre für nicht mehr gerechtfertigt. Ja.

Meine Damen und Herren! Sofern bei Demonstrationen Straftaten befürchtet werden oder eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung besteht, werden schon jetzt Videoaufnahmen zur Beweissicherung gemacht. Damit kann auch polizeiliches Fehlverhalten geahndet werden. In der Praxis machen die Polizeibeamten häufig Selbstanzeigen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, damit eben nicht der Umkehrschluss einer Anzeige gegen den Beamten eintritt. Eine Kennzeichnung ist also überhaupt nicht nötig.

Zweitens fühlen sich Polizeibeamte mit einer Kennzeichnung der Verfolgung im Privatbereich ausgesetzt. Das ist tatsächlich so. Herr Dropmann hat es in der öffentlichen Anhörung vorgetragen. Es werden nicht nur Polizeibeamte in herausragender Funktion bedroht, auch von einfa

chen Polizeibeamten werden Bilder und Steckbriefe im Internet veröffentlicht. Deshalb sind die Polizeibeamten verständlicherweise gegen eine Kennzeichnungspflicht.

Stringenterweise, Frau Jähnigen, müssten Sie auch eine Kennzeichnungspflicht für die Teilnehmer des Schwarzen Blocks fordern.

(Beifall bei der FDP)

Denn das sind diejenigen – die Vermummten, die mit Sonnenbrillen, die mit Steinen in der Hand –, von denen die Gefahr ausgeht. Es sind doch nicht die sächsischen Polizeibeamten. Das Problem sind gewalttätige Protestierer. Seien Sie doch so ehrlich und sagen Sie das dazu. Eigentlich müssten wir von denen, die die Steine in der Hand haben, erwarten, dass sie Namensschilder tragen, nicht von unseren Polizeibeamten, die dafür sorgen, dass wir in Ruhe und Frieden leben können.

(Beifall bei der FDP)

Drittens ist eine freiwillige Namenstragung bereits jetzt möglich und selbstverständlich müssen sich Polizeibeamte bereits jetzt ausweisen. Kollege Hartmann hat § 8 des Sächsischen Polizeigesetzes bereits zitiert, deswegen spare ich mir das.

Meine Damen und Herren! Aus den genannten Gründen wird die FDP-Fraktion dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht zustimmen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Die Fraktion der NPD hat ihren Redebeitrag zurückgezogen. – Damit ist die erste Runde seitens der Fraktionen beendet. Gibt es den Wunsch nach einer zweiten Runde? – Das kann ich nicht feststellen. Ich frage die Staatsregierung.

(Zuruf von der CDU: Doch!)

Herr Hartmann, so klein sind Sie gar nicht. Ich bitte um Entschuldigung. Selbstverständlich haben Sie das Wort. Es war eben ein wenig schüchtern. Sie haben das Wort, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie haben mich eben schon als einen sehr schüchternen Menschen kennengelernt.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Das sind ganz neue Züge!)

Herr Hahn, das täuscht. – Frau Friedel hat noch um einige Argumente gebeten und ich möchte ihr auch Gelegenheit geben, noch einmal für sie zusammenfassend das Ganze zu erfassen. Welche Argumente sprechen denn gegen eine Kennzeichnungspflicht? – Dazu sage ich Ihnen eines, was auch etwas mit der Frage des Handelns auf gleicher Augenhöhe zu tun hat: In einer geschlossenen Einheit – ich betone es noch einmal, der Gesetzentwurf zielt genau auf die Frage geschlossene Einheiten ab –

(Andreas Storr, NPD: Genau!)

geht es genau um die Frage: Was passiert dem Polizisten an dieser Stelle? Dieser Polizeibeamte steht in einer Polizeikette, er steht in einem Kontrollpunkt und gegenüber hat er anonymisierte Persönlichkeiten. Da geht es nicht in jedem Fall um eine Identitätsfeststellung, sondern er steht da und nimmt entsprechend staatlicher Weisung seine Aufgaben wahr und er ist namentlich gekennzeichnet. Der ihm Gegenüberstehende ist das nicht. Genau in diesem Punkt haben Sie die erste Schwierigkeit, dass der Polizeibeamte, der nicht als Individuum handelt, sondern als Teil dieser geschlossenen Einheit, erkennbar ist und dass er sich in diesem Augenblick auch in einer gewissen Bedrohungslage sieht. Damit ist die Frage seines polizeilichen Handelns auch völlig anders zu bewerten. Das ist im Übrigen etwas, worauf sowohl die Vertreter der Gewerkschaften als auch der der Anhörung beiwohnende Polizeipräsident hingewiesen haben.

Herr Hartmann, Sie gestatten eine Zwischenfrage?

Frau Friedel.

Herr Hartmann, ich habe einen Gesetzentwurf vorliegen, der genau darauf abhebt, dass in geschlossenen Einheiten keine Namenskennzeichnung erfolgen soll, und ich habe einen Änderungsantrag vorliegen, der darauf abhebt, dass, wenn darüber hinaus im Einzelfall der Zweck der Maßnahme oder Leib, Leben und Freiheit einer Person, also eines Polizisten, unmittelbar gefährdet würden, auf jegliche Kennzeichnung verzichtet werden darf.

(Andreas Storr, NPD: Die Formulierung ist völlig ungeeignet!)

Ich verstehe Ihre Rede aber dahin gehend, als würden Sie darauf abheben, dass Namen immer, also auch in geschlossenen Einsätzen, getragen werden sollten. Haben Sie einen anderen Gesetzentwurf und einen anderen Änderungsantrag als ich vorliegen?

(Beifall bei der SPD)

Frau Friedel, Sie können das Ganze anhand des Diskokriegs in Leipzig fortsetzen, Sie können das Ganze – –

Das ist keine Antwort auf meine Frage. Haben Sie denselben Gesetzentwurf?

– Ja, ich habe denselben Gesetzentwurf.