Protocol of the Session on February 10, 2011

Weil Sie gerade die Zahlen ansprechen:

(Stefan Brangs, SPD: Verfolgungswahn!)

So kann man es sagen, Kollege Brangs: Verfolgungswahn.

Wir haben, ich hatte es ausgeführt, einen Ausländeranteil von 2,7 % im Freistaat Sachsen. Herr Kollege Gansel, Sie hatten in einem Zwischenruf das Thema Görlitz aufgrund seiner Grenznähe angesprochen. Wie passt es denn zu Ihrer verquasten Ideologie, dass der Ausländeranteil im Landkreis Görlitz 2,1 % beträgt und damit deutlich unter dem sächsischen Durchschnitt liegt?

(Widerspruch des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Wie können Sie denn das erklären?

(Stefan Brangs, SPD: Quak, quak, quak!)

Also, an den Fakten orientieren hilft weiter. Und auch die Engpassanalyse der Bundesagentur, die Sie hier angeführt haben, ist der Staatsregierung nicht nur bekannt, sondern ich habe gestern in der Debatte zum Thema Fachkräfte ausdrücklich darauf Bezug genommen und sehr wohl deutlich gemacht, dass es nach wie vor mehr Ingenieure und Techniker als offene Stellen gibt. Aber – und das ist der entscheidende Punkt – ein Ingenieur ist nicht gleich ein Ingenieur, ein Techniker nicht gleich ein Techniker. Das heißt eben angesichts der eingeschränkten Mobilität, dass es im Einzelfall bei den Unternehmen durchaus zu Engpässen kommt.

Wir haben in Sachsen 410 ausländische Auszubildende, und ich bin sehr froh, dass die Kammern sich sehr stark engagieren, gerade in unseren Nachbarstaaten neue Auszubildende zu finden. Hier möchte ich das Engagement der Handwerkskammer Chemnitz hervorheben. Unsere sächsischen Handwerker arbeiten auch in Tschechien und in Polen. Das ist die Wirklichkeit.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Sebastian Fischer, CDU)

Tschechien hat das Zuwanderungskontingent, was ihr für die Bundesrepublik Deutschland zusteht, nicht einmal ausgeschöpft. Auch das müssen Sie zur Kenntnis nehmen.

Ich bin sehr erfreut, dass die Zahl der ausländischen Studierenden in den letzten zehn Jahren in Sachsen deutlich gestiegen ist. 9,6 % unserer Studierenden an den Hochschulen sind aus dem Ausland. Das ist eine richtige Chance für den Freistaat Sachsen, denn wenn sie bei uns bleiben, helfen sie uns, das Fachkräfteproblem zu lösen. Wenn sie in ihre Heimatstaaten zurückkehren, sind sie gute Botschafter für den Freistaat Sachsen. Das ist eine Entwicklung, die wir weiter unterstützen sollten.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Sie haben angeführt, dass letztendlich zum 01.05.2011 mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit eine Vielzahl von ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nach Deutschland kommen würde.

(Widerspruch des Abg. Andreas Storr, NPD)

Schauen wir uns an, aus welchen Ländern die ausländischen Mitbürger im Freistaat Sachsen kommen. Über

10 % kommen aus Vietnam. Das ist sicherlich kein Land, das jetzt von der Arbeitnehmerfreizügigkeitsregelung betroffen ist. An nächster Stelle folgt die Russische Föderation, danach die Ukraine. Auch diese Länder stehen hier überhaupt nicht in Rede. Wenn man sich das insgesamt anschaut, kommen 60 % unserer ausländischen Mitbürger aus Ländern, die überhaupt nicht für die Freizügigkeitsregelung ab 01.05.2011 in Rede stehen.

(Widerspruch des Abg. Andreas Storr, NPD)

Das macht deutlich, dass wir mit keinem Problem ab dem 01.05.2011 zu rechnen haben. Ich hatte in meiner Amtszeit mehrere Gespräche mit den Kollegen aus Polen sowohl vor Ort als auch hier in Sachsen. Ich war in der letzten Woche in Tschechien, hatte mit meinen Amtskollegen, dem Arbeitsminister und auch dem Wirtschaftsminister, gesprochen. Auch dort geht man davon aus, dass es zum 01.05.2011 keine nennenswerte Wanderungsbewegung nach Sachsen, nach Deutschland geben wird. Auch das sollten wir zur Kenntnis nehmen.

(Andreas Storr, NPD: Das ist doch nur ein Beruhigungsmittel!)

Bitte schüren Sie keine Angst in der Bevölkerung. Sie wollen diese Ängste schüren, weil Sie Ängste für Ihr politisches Geschäft benötigen. Wir als Staatsregierung orientieren uns an den Fakten im Freistaat Sachsen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich schließen mit einem Dank für die Arbeit des Ausländerbeauftragten, Herrn Gillo. Seine Arbeit und die Arbeit seiner Vorgängerinnen und Vorgänger haben erheblich dazu beigetragen, die Interessen unserer ausländischen Mitbürger im Freistaat Sachsen zu befördern und deren Integration zu fördern.

(Andreas Storr, NPD: Und auf die Abschaffung Deutschlands hinzuarbeiten!)

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und vereinzelt bei der SPD und den GRÜNEN)

Für die Staatsregierung sprach Herr Staatsminister Morlok. Ich sehe jetzt keinen weiteren Redebedarf. Diese Debatte ist abgeschlossen und der Tagesordnungspunkt beendet.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 2

1. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst im Freistaat Sachsen

Drucksache 5/4819, Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE

Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums vor, eine allgemeine Aussprache durchzuführen. Es spricht daher nur die einreichende Fraktion DIE LINKE. Sie hat 8 Minuten Zeit. Bitte, Frau Kollegin Bonk.

Vielen Dank. Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Etwa einen Monat ist es nun her, dass wir im Haus über den zurückliegenden Dioxinskandal diskutiert haben, der auch nicht der erste war. In der Zwischenzeit sah das Magazin „Stern“ gar das „Schweinesystem“ in Gefahr. Damit wollten sie allerdings keinen Beitrag zu einer Kommunismusdebatte im Ton der BRD der Sechziger- und Siebzigerjahre leisten, nein, sondern auf die Defizite der herkömmlichen Fleischproduktion in unserem Land hinweisen.

Selbst das Bundeskabinett kam in der Zwischenzeit angesichts der Krise des „Schweinesystems“ nicht umhin, jetzt schärfere Auflagen für die Futtermittelindustrie zu beschließen. Die Rede ist von einem nationalen DioxinFrühwarnsystem. Wie immer in Krisensituationen, können die Buketts schillernder Ankündigungen nicht vollmundig genug sein. Ein nationales Dioxin-Frühwarnsystem klingt erst mal gut, suggeriert generalstabsmäßiges Vorgehen, aber natürlich bedarf der Aktionsplan von Bund und Ländern der Untersetzung, der Verbindlichkeit, um in Zukunft Verunreinigungen von Futtermitteln zu verhindern.

In der vergangenen Aktuellen Debatte zu diesem Thema hat meine Fraktion Ihnen bereits angekündigt, dass wir es nicht bei Diskussionen belassen werden, sondern dass wir eine Änderung der gesetzlichen Grundlage selbst in Angriff nehmen wollen. Diese legen wir Ihnen hiermit vor. Diese Verbindlichkeit wollen wir mittels unseres Gesetzentwurfs nun schaffen, und wir zeigen Ihnen damit auch, dass landesrechtlich durchaus Veränderungsbedarf beim Status quo besteht. Wir geben damit auch allen, die Anhänger dieses Aktionsplanes sind, eine Gelegenheit zur Umsetzung, indem wir einige dieser Schritte nun in Landesrecht umsetzen wollen.

Für die Länder einigten sich die zuständigen Verbraucherminister auf den folgenden wohlklingenden Maßnahmenkatalog. Kurz zusammengefasst: Es soll mehr risikoorientierte Futtermittelkontrollen geben, die Strafverfolgungsbehörden sollen besser in die Lage versetzt werden, Verstöße gegen das Lebensmittel- und Futtermittelstrafrecht zu ahnden, die Rückverfolgbarkeit soll gesichert werden, und Lebensmittelwarnungen sollen auf der genannten Internetplattform lebensmittelwarnung.de veröffentlicht werden – so die Ankündigung.

Wir schlagen in diesem Sinne landesrechtliche Regelungen vor, die in der Verbindlichkeit weit über die bloße Erklärung hinausgehen. Wir wollen mit unserem Entwurf in § 4 zum Beispiel, dass Qualitätskriterien der Lebensmittelkontrolle, die bekanntlich durch die Kreise durchgeführt wird, durch die verantwortliche Landesbehörde trotzdem verbindlich festgeschrieben werden. Sie sollen durch Rechtsverordnung geregelt werden. Dies soll nicht in die Selbstverwaltung der Kreise eingreifen, aber qualitativ die Fäden bei der verantwortlichen Landesbehörde zusammenführen. Das ist im Interesse von Verbrauchern.

(Beifall bei den LINKEN)

Wie ich in der Debatte bereits vor einem Monat ausgeführt habe, muss das System freiwilliger Selbstkontrolle der Erzeuger als gescheitert betrachtet werden und bedarf der Überholung. Es waren im Verlauf des letzten Dioxinskandals gesetzliche Regelungslücken deutlich geworden, die nun geschlossen werden müssen. So wollen wir zum Beispiel festschreiben, dass Ergebnisse der von den Erzeugern selbst in Auftrag gegebenen Kontrollen im Fall von Verunreinigungen automatisch auch an die öffentlichen Behörden weitergeleitet werden müssen. Im Fall des Unternehmens in Schleswig-Holstein ist das zum Beispiel nicht der Fall gewesen. Ein solcher Vorgang darf durch die Gesetzeslage nicht ermöglicht werden.

Der Aktionsplan Verbraucherschutz in der Futtermittelkette fördert zwar auch eine wirksamere Kontrollpraxis, aber es handelt sich dort konkret lediglich um eine Verschärfung der Pflicht zur freiwilligen Selbstkontrolle. Auch der neueste Kabinettsbeschluss der Bundesregierung über schärfere Futtermittelauflagen lässt immer noch Schlupflöcher im System offen. Generell sollte gelten: Schadstoffe in der Lebensmittelkette sind kein Betriebsgeheimnis. Auch wenn gesetzliche Grenzwerte nicht ausdrücklich überschritten werden, soll der Verbraucher die Möglichkeit haben, die Erzeugnisse mit der geringsten Belastung auswählen zu können.

Wir wollen, dass die Kontrollbehörden von sich aus die Offenlegung der Untersuchungsdaten sicherstellen. Wir wollen eine Stärkung des Systems öffentlicher Kontrollen und meinen, dass diese Ergebnisse verbindlich weitergemeldet werden müssen, und wir zeigen im Gesetzentwurf auch, wie das geht, denn Lebensmittelsicherheit beginnt hinsichtlich der Fleischproduktion natürlich zuerst am Futtertrog.

Sehen wir uns doch die Zahlen an. Weit über 200 Verordnungen und Gesetze regulieren den Verbraucherschutz im Bereich der Lebensmittel. Trotz dieser Regelungsdichte,

trotz der Inspektionen im Jahr 2009 in rund 545 000 Betrieben und trotz der 387 000 Proben, die da genommen wurden, kam und kommt es in unschöner Regelmäßigkeit zu Problemen – wenn wir nur an die ganzen Diskussionen zum Thema Gammelfleisch erinnern –, die das Vertrauen erschüttern. Infolge der Dioxinvergiftung durch die Firma Harles und Jentzsch, die das belastete Fett an Hersteller von Futtermitteln geliefert hatte, mussten zeitweise 5 500 landwirtschaftliche Betriebe vorsorglich gesperrt werden. Anfang Februar dauerte die Untersuchung noch in 280 Betrieben an, die übergroße Anzahl der Betriebe davon waren in Niedersachsen. Die aktuell diskutierten Verunreinigungen sind trotz der Vielzahl von Gesetzen – –

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ist das üblich?

Ja, das ist üblich, Frau Kollegin. Wenn Sie es gestatten, ist es üblich.

Ja, durchaus.

Bitte.

Sehr geehrte Frau Kollegin Bonk! Haben Sie sich gegebenenfalls bei der Vorbereitung dieser Debatte einmal bei einem landwirtschaftlichen Betrieb informiert, welche Notwendigkeiten zur Maßnahmenplanung er erfüllen und wie er nachweisen muss, was in seinem Futtermittel alles enthalten ist, bis aufs Zehntel Gramm genau?

Herr Kollege, wir befinden uns jetzt nicht in der Debatte, und natürlich haben wir das in unsere Vorbereitungen einbezogen. Ich freue mich schon darauf, in Zukunft mit Ihnen darüber ausführlicher zu diskutieren.

(Beifall bei den LINKEN)

Das Problem ist doch, dass es keine bundeseinheitlichen Richtwerte der Überprüfung gibt, dass diese bei allen Kontrollen, die durchgeführt werden, nach Bundesländern unterschiedlich sind und dass dem zum Beispiel im Rahmen eines Bund-Länder-Staatsvertrages abgeholfen werden muss. Dieser soll jetzt nicht Gegenstand der Behandlung sein. Ich möchte auf das Problem hinweisen. Es lässt sich aber sagen, dass Lebensmittelskandale fast immer die gesamte Branche treffen und dabei auch die Produzenten, die zum Teil gar nichts für die jeweilige Verunreinigung können.