Herr Schreiber, Sie hatten mich gebeten, schnell zu machen, weil Sie noch zu einer Besuchergruppe wollen. Ich will das versuchen, habe aber trotzdem noch ein paar Bemerkungen zu den hier geäußerten Standpunkten abzugeben.
Vorweg eine Bemerkung zur NPD: Frau Schüßler, es war mitnichten in unserem Sinne, Ihnen als Fraktion irgendeinen Gefallen zu tun. Ich möchte vielmehr darauf hinweisen, dass das „Flexible Jugendmanagement“ unter anderem dafür da ist, braune Gesinnungsgenossen wie die von Ihrer Partei und deren Aktivitäten zu bekämpfen.
Es ist Ihnen sicher bekannt, dass die drei Kreisjugendringe, bei denen dies im Moment modellhaft stattfindet, freie Träger der Jugendhilfe und nicht weltanschaulich ausgerichtet sind.
Wenn wir heute darüber reden, dann schimpfen Sie, dass wir uns mitten in den Haushaltsdebatten befinden und hier einen Haushaltsvorgriff machen würden. Aber, Entschuldigung, wann wollen wir es denn sonst thematisieren, wenn nicht jetzt? Jetzt beginnt ja die Phase, dass jede Fraktion ihre Änderungsanträge stellen und auf Änderungen im Haushaltsentwurf hinwirken kann. Selbstverständlich werden auch wir das tun. Wir werden auch einen Deckungsvorschlag einbringen. Ich hoffe, dass Sie sich Ihrer Verantwortung als jugendpolitische Sprecher genauso bewusst sind und auf eine Änderung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe hinwirken werden.
Wenn es darum geht, einen Deckungsvorschlag zu finden, mache ich gern eine Empfehlung dafür. Wir können gut und gern 700 000 Euro aus dem Einzelplan 08 umschichten, nämlich aus dem Bereich Assistierte Reproduktion. Es ist schon ein bisschen schizophren, auf der einen Seite dort besonders viel Geld auszugeben, wo man zusätzlich für Nachwuchs sorgen will, wenn das auf normalem Weg nicht möglich ist, um dann andererseits bei den älteren Kindern und Jugendlichen zu sparen und sie im Regen stehen zu lassen.
Herr Schreiber, noch eine Bemerkung zum Haushaltsentwurf, weil Sie mich vorhin nicht mehr haben fragen lassen. Der Haushaltstitel Zuschüsse für Demokratie usw., der von 2 auf 1 Million Euro abgesenkt wurde, ist für die Finanzierung von drei Positionen gedacht: nämlich nicht nur für das „Flexible Jugendmanagement“, sondern auch für das „Demokratische Sachsen“ der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung und das Bundesprogramm „Kompetent“.
Herr Homann, die Kritikpunkte, die hier geäußert wurden, teile ich alle, sie sind vollkommen berechtigt. Aber uns geht es nicht darum – und das haben die GRÜNEN auch erkannt –, ein Alternativprogramm oder ein Substitut zu installieren, sondern die Staatsregierung an das zu erinnern, was sie sich vor zwei Jahren selbst ins Buch geschrieben hat und umsetzen wollte.
Herr Homann, Sie hatten für die SPD-Fraktion punktweise Abstimmung beantragt. Ich werde so verfahren.
Wer dem Punkt 1 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Danke. Bei einigen Stimmenthaltungen und einigen Stimmen dafür ist der Punkt 1 mehrheitlich abgelehnt.
Ich rufe Punkt 2 auf. Wer dem Punkt 2 seine Zustimmung erteilen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Vielen Dank. Bei einigen Stimmenthaltungen und
Ich rufe Punkt 3 auf. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einigen Stimmen dafür und einigen Stimmenthaltungen ist Punkt 3 mehrheitlich abgelehnt.
Ich rufe Punkt 4 auf. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei keinen Stimmenthaltungen und zahlreichen DafürStimmen ist Punkt 4 mehrheitlich abgelehnt.
Da keiner der einzelnen Punkte mehrheitlich beschlossen worden ist, erübrigt sich eine Schlussabstimmung. Damit ist die Drucksache 5/3042 nicht beschlossen. Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.
Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde: SPD, CDU, DIE LINKE, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile der SPD als Einreicherin das Wort. Frau Staats – –
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Wöller, vielleicht ein erstes Wort an Sie: Die Schülerinnen und Schüler – so viel kann ich sagen, und es ist eben noch einmal bestätigt worden – waren sehr enttäuscht, dass Sie gerade nicht draußen waren. Sie haben vielleicht mitbekommen – wir hatten uns ja auch kurz verständigt –, dass ein geplanter Flashmob der Schüler an freien Schulen stattgefunden hat. Es waren übrigens hauptsächlich Schülerinnen und Schüler anwesend. Zur Überraschung der Veranstalter selbst war der Platz draußen so gut wie voll. Er war nicht nur bunt von den vielen Luftballons, die symbolisieren sollten, dass die Schullandschaft bunt bleibt, mit einem Ja zu freien Schulen, sondern es war auch eine Demonstration dafür, dass Schülerinnen und Schüler an freien Schulen von ihren demokratischen Rechten Gebrauch zu machen wissen. Das haben sie draußen gezeigt. Schade, dass Sie es nicht gesehen haben. Die Schüler hätten gern mit Ihnen gesprochen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Antrag ist, wie Sie sehen, kein unmittelbarer Haushaltsantrag, sondern er ist ein inhaltlicher Antrag. Die freien allgemeinbildenden Schulen sind – darüber sind wir uns, denke ich, sogar fraktionsübergreifend einig – ein wichtiger Teil unserer Bildungslandschaft in Sachsen. Sie ergänzen und bereichern das öffentliche Schulwesen neben den staatlichen kommunalen Schulen. Die Gründung freier Schulen ist ein im Grundgesetz und in der sächsischen Landesverfassung aus gutem Grund festgeschriebenes Recht. Schulen in freier Trägerschaft sind keine elitären Schulen für Besserverdienende. Sie machen nicht nur unsere Schullandschaft bunter, sie sind zu einer positiven, ja lebendigen Kritik im sächsischen, auch im bundesdeutschen Schulsystem geworden. Darüber hinaus sind freie Schulen oftmals aber auch eine Chance zum Erhalt eines Schulstandortes – gerade im ländlichen Raum.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem vorgelegten Haushaltsentwurf für die Jahre 2011/2012 versucht die CDU/FDP-geführte Staatsregierung, den allgemeinbildenden Schulen in freier Trägerschaft die finanzielle Grundlage zu entziehen, indem sie deren Gestaltungsfreiheit deutlich einschränkt und die Zuschüsse bis 2012 um sage und schreibe 11 %, für einzelne sozial engagierte Schulen sogar durch den Wegfall des Schulgeldes auf bis zu 25 % kürzt. Dabei erhalten freie Schulen heute schon nur circa 60 % der Mittel, die vergleichbaren staatlichen und kommunalen Schulen zur Verfügung stehen. Ich werde auf diese Datenbasis gar nicht weiter eingehen, weil ich davon ausgehe, dass Sie alle die Stellungnahme des Verbandes der Schulen in
freier Trägerschaft erhalten haben, wo dies sehr eindrücklich – auch im Diagramm – dargestellt worden ist.
Meine Damen und Herren von der CDU, aber auch von der FDP-Fraktion, die noch hier im Raum sind, statt den staatlichen Schulen die von uns schon seit vielen Jahren geforderte gleiche Eigenverantwortung und die gleichen Möglichkeiten wie einem freien Träger zu geben, zum Beispiel auch mit dem Haushaltsbudget umzugehen, versucht die Staatsregierung, ein unerwünschtes alternatives Angebot zu beschränken. Sie brüskiert damit übrigens nicht nur die Schülerinnen und Schüler an diesen Schulen, sondern vor allem die zahlreichen engagierten Eltern – das werden Sie in verschiedenen Veranstaltungen sicher gemerkt haben –, die wir uns eigentlich an allen Schulen wünschen. Sie brüskiert die Träger der freien Schulen, die in den vergangenen Jahren den – auch materiell – hohen Aufwand geschultert haben, um diese Schulen auf eigene Füße zu stellen. Aber sie brüskiert damit auch die Eltern, Lehrer und Träger der staatlichen Schulen, weil sie ihnen eben nicht die gleichen wettbewerblichen Freiheiten einräumt.
Die Sächsische Staatsregierung wird ihrer Verantwortung für das allgemeinbildende Schulwesen damit nur ungenügend gerecht, weil sie den staatlichen Schulen die vielen guten Ansätze der freien Schulen bewusst vorenthält. Viele Staaten mit besserem Schulwesen zeigen praktisch, wie erfolgreich vom staatlichen Gängelband entlassene Schulen sind und wie freie Schulen in einer solchen Schullandschaft problemlos ihren Platz finden können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist eben so – das kann man gut nachlesen –, dass in unserer Verfassung im Artikel 102 Abs. 4 eindeutig steht: „Ersatzschulen haben einen Anspruch auf Erstattung des Schulgeldes, wenn sie ein solches nicht erheben.“
Ich zitiere nun für diejenigen, die nicht extra noch einmal in unserer Verfassung nachlesen wollen: „Unterricht und Lernmittel an den Schulen in öffentlicher Trägerschaft sind unentgeltlich. Soweit Schulen in freier Trägerschaft, welche die Aufgaben von Schulen in öffentlicher Trägerschaft wahrnehmen, eine gleichartige Befreiung gewähren, haben sie Anspruch auf finanziellen Ausgleich.“
Der Grundsatz, der hier formuliert ist, wird schon mit dem Gesetz über Schulen in freier Trägerschaft durchbrochen, indem auf eine dem „Wesen des Privatschulwesens“ innewohnende wirtschaftliche Beteiligung des Schulträgers abgestellt wird. Der Verfassung des Freistaates – den Autoren sowie denen, die hier noch im Plenum sitzen und sie damals mit beschlossen haben, sei Dank – wohnt genau dieser Geist nicht inne, auch nicht den zahlreichen Nach-Wende-Initiativen, die von allen Parteien durchweg unterstützt worden sind.
Mit aller Deutlichkeit: Wo soll denn, bitte schön, ein freier Träger, der sich zum Beispiel als Elterninitiative in Form eines eingetragenen Vereins gegründet hat, laufende Mittel hernehmen, um, wie es nun noch überzogener in
der Stellungnahme des Kultusministers zum Antrag heißt, „wirtschaftliche Grundlagen für den Schulbetrieb zu legen“? Dieser Träger musste schon vier bzw. drei Jahre – zukünftig wieder vier – Wartezeit finanzieren, die ihm vom Freistaat mit keinem Cent refinanziert werden. Allein dies geht an die Grenzen der Leistungsfähigkeit von Normalverdienern und ist nur zu überstehen, wenn sich Eltern durch Schulgeld, Förderbeiträge – der eine oder andere ist auch in einem Förderverein –, Darlehen sowie Lehrer durch Gehaltsverzicht an der Finanzierung beteiligen. Dabei sind aber – mit gutem Grund – durch die Verfassung Grenzen gesetzt. Artikel 102 Abs. 3 Satz 2 verbietet eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern – aus gutem Grund. Der Schulträger wird in unseren Breiten kaum so vermögende Eltern finden, dass diese ein so hohes Schulgeld in Kauf nehmen, um damit die vielen weniger vermögenden Eltern zu alimentieren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor diesem Hintergrund wird klar, dass die freien Schulen mit dem Wegfall der Erstattung des Schulgeldes und der weiteren Kürzung der Zuschüsse auf solch niedrigem Niveau verfassungsmäßig nicht mehr bzw. nur noch eingeschränkt arbeiten können. Auch freie Schulen können nicht zaubern, auch wenn sie viel leisten. Auch sie können nicht mit der Hälfte der Mittel, die staatlichen Schulen zur Verfügung stehen, auskommen. Sie dürfen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen nicht hinter den Schulen in öffentlichen Trägerschaften zurückstehen, wie es die Verfassung fordert, um zugleich ein soziales Sonderungsverbot einzuhalten und die wirtschaftliche Stellung der Lehrkräfte genügend zu sichern.
Was der Kultusminister an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, geschrieben hat, ist derart unverfroren und dreist – ich muss es leider so krass sagen –, dass einem beim Lesen der Atem stockt. Ich zitiere: „Darüber hinaus können freie Schulträger die Vergütungs- und Arbeitsbedingungen ihrer Lehrer unter anderem mit Blick auf Entgelthöhe, Leistungsprämien, Jahressonderzahlungen, Stundendeputat, Anrechnung und Ermäßigung frei aushandeln, soweit die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrer gesichert bleibt. Eine gesetzliche Verpflichtung, analog dem öffentlichen Tarifrecht zu bezahlen, gibt es – auch für die kirchlichen Schulträger – nicht.
Es ist nicht geboten, Schulträgern, die im Vergleich zu anderen Ersatzschulträgern überdurchschnittlich hohe Entgelte zahlen, die entsprechenden Mehrkosten zu erstatten.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es tut mir leid, Herr Kultusminister, Sie haben keine Kenntnis von den Verhältnissen und Bedingungen der freien Schulen oder Ihr Haus sollte vielleicht einmal eine Hospitation durchführen.