Ich möchte kurz auf den Antwortbrief von Herrn Gillo, der, glaube ich, alle erreicht hat, eingehen, den ich ansonsten sehr schätze.
Herr Gillo, ich bin nicht nur erschrocken, sondern ich bin entsetzt, weil ich Sie eigentlich sehr schätze – ich sehe ihn momentan nicht im Saal, ich hoffe aber, er hört es –, mit welcher Nonchalance Sie behaupten, dass die Eltern in den nächsten Jahren doppelte und dreifache Elternbeiträge zu bezahlen haben. Es hat gerade ein Urteil in BadenWürttemberg gegeben, in dem eindeutig eine Obergrenze festgelegt worden ist. Auch unsere Verfassung legt eine Grenze fest. Den Eltern sind maximal 100 Euro zumutbar, in Baden-Württemberg waren es sogar nur 60 Euro.
Aber es wird noch schlimmer. Ich zitiere weiter: „Das wäre dann immer noch ein lohnenswerter Anteil der Eltern an der privaten Schulerziehung ihrer Kinder. Der Vorteil der hoch engagierten Eltern und der Ausschluss möglicher destruktiver Kinder aus der Schule sind ein großer Gegenwert.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte dringend, die Ängste, die Sorgen, die Bedenken, aber auch das Engagement der Schulen in freier Trägerschaft, der Eltern und der Schülerinnen und Schüler ernst zu nehmen. Ich bitte deshalb, dass wir bei der Abstimmung über den Antrag, der sich besonders auf das Sonderungsverbot bezogen hat, eine namentliche Abstimmung durchführen,
Als nächster Redner in der allgemeinen Aussprache spricht für die CDU-Fraktion der Abg. Herr Colditz. Bitte, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann zunächst voranstellen – darüber sind wir uns einig –, dass sich in den zurückliegenden 20 Jahren in Sachsen ein sehr breit gefächertes, leistungsfähiges und vielgestaltiges System von Schulen in freier Trägerschaft entwickelt hat. Ich kann sicherlich konsensual auch davon ausgehen, dass diese Schulen unser Schulsystem bereichern und sinnvoll ergänzen. Ich kann für unsere Fraktion feststellen, dass dies auch in Zukunft so bleiben soll.
Meine Damen und Herren! Ich sage aber auch ganz ehrlich, dass ich es für sehr problematisch halte, dass wir die Finanzierung der freien Schulen, die Verfassungsrang hat und die letztlich auch sehr vielschichtig angelegt ist, im Rahmen eines Haushaltsgesetzes diskutieren. Aber die Gegebenheiten sind, wie sie sind. Wir können anhand des vorliegenden Antrages nicht losgelöst von diesem Haushaltsgesetz bzw. vom Haushalt insgesamt die Diskussion führen und damit gewissermaßen diese notwendige komplexere Diskussion vorwegnehmen.
Deshalb will ich mich relativ kurzfassen. Zunächst zur Rechtslage, die Frau Dr. Stange eben dargestellt hat. Die Schulen haben ein Sonderungsverbot. Das heißt, sie dürfen Kinder nicht aus sozialen Gründen abweisen, den Schulbesuch zu realisieren. Ich gebe Ihnen recht: Natürlich ist es eine staatliche Verantwortung, dafür die Rahmenbedingungen zu schaffen, dieses Sonderungsverbot gestaltbar zu machen.
Es kann nicht Anliegen des Staates sein, dass sozial schwächer gestellte Schülerinnen und Schüler am Besuch von freien Schulen gehindert werden. Auch das ist eine Grundposition, die ich im Vorgriff auf die Diskussion, die wir im Haushalt noch führen werden, darstellen möchte.
An dieser Stelle ein Wort zu Herrn Kollegen Gillo. Sein Schreiben ist breit gestreut worden, warum auch immer.
Ich schätze Herrn Gillo als Menschen persönlich sehr, auch in seiner Funktion als Ausländerbeauftragter schätze ich ihn hoch, aber – das werde ich ihm auch noch persönlich sagen – das, was er dort geschrieben hat, ist einfach Unsinn.
Ich möchte bei diesem Antrag noch auf eines hinweisen: In zwei Punkten war dieser Antrag ein Berichtsantrag. Die Staatsregierung hat zunächst juristisch beleuchtet und bewertet, wie das Sonderungsverbot zu sehen ist. Auf die politische Wertung dieses Sonderungsverbotes habe ich schon Bezug genommen. Das wird, wie gesagt, noch weiter zu diskutieren sein.
Ich halte den Adressaten in Punkt 3, so wie er ausgeführt ist, für den falschen, Frau Dr. Stange. Zum einen ist eine Staatsregierung verpflichtet, die Verfassung einzuhalten – dazu bedarf es keiner gesonderten Aufforderung –, und zum anderen ist zu bedenken, dass die Staatsregierung mit dem Haushaltsbegleitgesetz ihre Vorstellungen vorgelegt hat. Sie ist somit nicht mehr Herr des Verfahrens, denn Herr des Verfahrens ist jetzt das Parlament. Insofern sind wir diejenigen, die mit diesem Thema umgehen müssen.
Damit bin ich wieder bei meinen Eingangsbemerkungen: Dieses wollen wir im Rahmen der anstehenden Haushaltsdiskussion tun. Deshalb lehnen wir den heutigen Antrag ab.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Colditz, es war Ihnen deutlich anzumerken – auch am Dienstag zum Parlamentarischen Abend war es Ihnen anzumerken –, dass es Ihnen schwerfällt, vor dem Hintergrund des Haushaltsbegleitgesetzes und den darin enthaltenen Veränderungen zu sprechen, obwohl wir wissen, dass Sie am derzeitigen Gesetz für Schulen in freier Trägerschaft wesentlich mitgewirkt haben.
Insofern gibt es aus meiner Sicht ein wenig Hoffnung, dass wir zu diesem Thema ein Stück weiterkommen. Der vorliegende Antrag ist ein Berichtsantrag. Er beschäftigt sich vorrangig mit juristischen Fragen. Aber er ist viel tief gehender, wie es Frau Dr. Stange eben dargestellt hat. Deshalb will ich auf die Details nicht näher eingehen, weil ich glaube, dass wir uns diese Zeit sparen können.
Wir werden im Rahmen der Verfahren zum Haushaltsbegleitgesetz in diesem Hohen Haus dazu selbstverständlich Stellung nehmen. Wir haben eine Anhörung zum Haushaltsbegleitgesetz bezüglich der entsprechenden Passagen zu den Schulen in freier Trägerschaft beantragt, die am 05.10.2010 in diesem Hohen Haus stattfinden wird und in der uns die Sachverständigen ihre Auffassung – das sage ich jetzt sehr drastisch – zu diesem Machwerk, was dort aufgeschrieben worden ist, sagen werden.
Ich hoffe – das sage ich heute ganz bewusst –, dass die beantragten Gutachten, die zurzeit an den Juristischen Dienst des Landtages gegangen sind, dazu führen, dass die CDU- und die FDP-Fraktion die Möglichkeit haben werden, Veränderungen für dieses Haushaltsbegleitgesetz einzureichen. Wir als Oppositionsfraktion DIE LINKE werden das auf jeden Fall tun, denn so wie hier mit den freien Schulen umgegangen werden soll, ist es für uns nicht zu akzeptieren.
Dieses Haushaltsbegleitgesetz zeigt sehr deutlich die verfehlte Schulpolitik im Freistaat Sachsen. Sie alle wissen, dass wir als Linke vorrangig für staatliche Schulen einstehen, für Verbesserungen, für selbstbestimmtes Umgehen in staatlichen Schulen und nicht in erster Linie für Schulen in freier Trägerschaft. Das wissen auch die Schulen in freier Trägerschaft.
Aber was Sie hier vorhaben, ist ein Kahlschlag und eine Reduzierung der pädagogischen Tätigkeit an diesen Einrichtungen. Sie haben mit dieser verfehlten Schulpolitik sowohl bei den staatlichen Schulen als auch bei den Schulen in freier Trägerschaft kein Konzept. Sie haben keine Strategie. Sie gehen mit dem Holzhammer hin und entscheiden immer nur nach Kassenlage, was gerade geht oder nicht geht.
Sie alle wissen – insbesondere der Staatsminister für Kultus hat uns das an diesem Punkt sehr häufig gesagt –, Bildung braucht Stabilität und Zuverlässigkeit. Wenn wir
das nicht haben und ständig irgendwelche Wechsel einbauen, dann kann Bildung nicht funktionieren. Das gilt sowohl für die staatlichen als auch für die Schulen in freier Trägerschaft. Dazu stehen wir als Linke.
Sie werden sehen, dass auch die Bürgerinnen und Bürger im Freistaat Sachsen, insbesondere die Eltern und Schüler von Schulen in freier Trägerschaft, sich dieses Verfahren nicht gefallen lassen werden. Sie haben es heute erlebt; Frau Stange hat es soeben dargestellt. Wir waren draußen und haben mit den Schülern gesprochen. Eine sehr große Anzahl von Schülerinnen und Schülern aus Dresden und Umgebung war heute vor dem Landtag. Sie stimmen mit den Füßen ab. Auch wenn sie noch nicht wählen dürfen, aber sie haben Eltern und Großeltern und viele andere Bürger, die das sicher für sie tun werden.
Ich möchte einen Punkt in die heutige Diskussion einbringen: Schauen Sie doch bitte einmal in die Koalitionsvereinbarung. In der Koalitionsvereinbarung von CDU und FDP ist fixiert, dass es für die freien Schulen noch einmal eine Prüfung und ein Gutachten geben soll, bevor es dort zu Entscheidungen kommt. Das hat nicht stattgefunden. Jedenfalls habe ich davon noch nichts in diesem Hohen Haus und auch nichts in den Ausschüssen gehört. Das heißt, hier werden einfach Tatsachen geschaffen und die Koalitionsvereinbarung überhaupt nicht berücksichtigt.
Wenn ich mich richtig erinnere, hatte Herr Zastrow uns doch gerade gestern erklärt, dass das, was in der Koalitionsvereinbarung steht, natürlich umgesetzt und selbstverständlich so verwendet wird, dass es für die Betroffenen entsprechende positive Ergebnisse geben wird.
Schade, Herr Gillo ist nicht da, aber auch ich kann es mir nicht verkneifen, auf diesen Brief, den wir gestern alle bekommen haben, einzugehen. Offensichtlich wird in der CDU, wo auch immer, vielleicht auch in der Fraktion, über wesentlich drastischere Maßnahmen für Schulen in freier Trägerschaft nachgedacht. Wenn wir von der Verdoppelung oder Verdreifachung der Elternbeiträge hören, dann muss man dazusagen, dass das Summen von 150 bis 200 Euro im Monat sind. Ich weiß nicht, wie weit man dieses System noch treiben kann.
Wir, die Linksfraktion, fordern heute den Staatsminister auf, dazu Stellung zu nehmen, wie weit die Überlegungen oder Planungen in der Regierung für Schulen in freier Trägerschaft gehen, und zwar über die zwei Jahre hinaus, die wir heute schon als Entwurf zur Verfügung haben. Wir fordern Sie, Herr Prof. Wöller, auf, sich heute hier klar zu positionieren, damit die Öffentlichkeit und wir als Abgeordnete wissen, womit wir es in den nächsten Jahren zu tun haben werden.
In meinem Redebeitrag möchte ich auf zwei Konsequenzen – und zwar zum einen für die Schülerinnen und Schüler und zum anderen für die Lehrerinnen und Lehrer,
wenn der jetzt vorliegende Gesetzentwurf mehrheitlich beschlossen wird – kurz eingehen. Die Konsequenz für die Schülerinnen und Schüler, die gerade aus den sozial schwachen Elternhäusern kommen, ist ja nun offensichtlich, dass sie, wenn es denn so passiert, ab 01.08.2011 das Schulgeld nicht mehr erstattet bekommen. Das heißt ganz klar, dass eine große Anzahl von Schülerinnen und Schülern an die staatlichen Schulen gehen muss.
Am Dienstag habe ich mit verschiedenen Vertretern von freien Schulen gesprochen. Sie haben gesagt, dass zum Teil 25 bis 50 % der Schüler an ihren Einrichtungen auf das Schulgeld angewiesen sind. Wenn das passiert, dann werden Sie Schülerinnen und Schüler aus derzeitigen pädagogischen Konzepten, die an freien Schulen anders sind als an staatlichen Schulen, herausreißen und in ein Konzept geben, mit dem sie sich zurzeit überhaupt nicht identifizieren können. Die Konsequenzen, die das für diese Schülerinnen und Schüler haben wird, sind aus pädagogischer Sicht unverantwortlich.
Das ist ganz einfach: kein Geld, zurück oder überhaupt erst mal hin und fertig. Das ist für uns nicht hinnehmbar, denn das geht so nicht. Sie wissen ganz genau, im Bildungsbereich braucht man auch einen langen Atem. Das heißt, Sie können etwas auslaufen lassen oder von unten hochwachsen lassen, aber nicht mitten im System irgendetwas anderes machen. Das funktioniert nicht.
Es geht mir hierbei – nicht nur als Gewerkschafterin – auch um das Einkommen der Lehrerinnen und Lehrer an Schulen in freier Trägerschaft. Wir wissen heute schon, dass das wesentlich schlechter ist als an staatlichen Einrichtungen. Wir wissen auch, dass wir uns gestern darüber verständigt haben, dass wir ein Tarifrecht in Deutschland und in Sachsen haben wollen und wie stark dieses schon an staatlichen Schulen eingeschränkt wird.
Wenn Sie diese Kürzungen wirklich durchführen, dann heißt das für Beschäftigte an freien Schulen, dass ihr Einkommen noch wesentlich schlechter wird als das, was sie jetzt schon haben – und das bei extrem hohem pädagogischem Engagement. Viele von Ihnen waren an Schulen in freier Trägerschaft und haben sich das angeschaut. Das ist nicht hinnehmbar. Es gibt die ersten Aussagen – Herr Minister, vielleicht können Sie sich dazu in Ihrem Redebeitrag noch äußern –, dass das deshalb gemacht wird, weil wir wissen, dass an staatlichen Schulen die Lehrer knapp werden. Wenn die Lehrer an staatlichen Schulen besser bezahlt werden, kommen die Lehrer vielleicht rüber und dann haben wir das Problem nicht mehr so sehr. Diese Diskussion gibt es schon, und das halte ich für sehr, sehr scheinheilig.
Der Sprecher der freien Schulen in Sachsen, Herr Schneider, fordert das Parlament – das sind wir alle, wie wir hier sitzen – auf, jetzt endlich Schritte einzuleiten, um diese Einschnitte, diese drastischen Maßnahmen, die hier eingeleitet werden sollen, zu verhindern. Wir als Linke stehen dazu und wir fordern Sie, die Vertreter der CDU und der FDP, in Ihren Fraktionen auf, dieses Machwerk, was hier aufgeschrieben worden ist, zu verhindern.