Protocol of the Session on September 30, 2010

Meine Damen und Herren! Wir beginnen mit der Aussprache zu diesem Antrag. Es beginnt die Fraktion DIE LINKE. Frau Abg. Klepsch, bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die am Dienstag letzter Woche von der Sozialministerin veröffentlichte Studie „Jugend 2009 in Sachsen“ kommt zu dem folgenden Schluss: „Das starke Interesse an der Auseinandersetzung mit Problemen der heutigen Demokratie zeigt auch einen hohen sozialen Problemdruck an, dem sich Jugendliche ausgesetzt sehen. Soziale und wirtschaftliche Probleme in großer Vielfalt werden prioritär genannt.“

Wir haben in den letzten Monaten oft über die Jugendpauschale diskutiert. Dabei ist ein Thema, nämlich die Um

setzung eines neuen Konzeptes zur flexiblen Jugendarbeit, aus dem politischen Blickwinkel gerückt. Wenn die Fraktion DIE LINKE sich jetzt mit einem Antrag dafür einsetzt, das Konzept „Flexibles Jugendmanagement“ in allen Landkreisen umzusetzen, dann müssen wir zunächst etwas zurückblicken.

Am 15. November 2007 fand in Riesa das Kommunalforum Sachsen statt. „Sachsen – kein Platz für Extremismus und Gewalt“ war der Titel der Veranstaltung. Der damalige Ministerpräsident Prof. Georg Milbradt sprach unter anderem davon, dass die zahlreichen Aktivitäten und Programme gegen Extremismus und Gewalt durch die Maßnahmen des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales im Bereich der Jugendhilfe ergänzt werden sollen. Ich zitiere Herrn Prof. Milbradt: „Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe ist es dabei, junge Menschen für die Beteiligung an der Gestaltung des Gemeinwesens zu begeistern. Gerade für junge Menschen ist es wichtig zu

verstehen, dass ein Leben in Freiheit und Wohlstand nicht selbstverständlich gegeben ist. Beide Güter müssen erarbeitet und verteidigt werden.“

Im Folgejahr 2008 ergingen dann Aufforderungen an die Kreis- und Stadtjugendringe, einen Antrag auf „Flexibles Jugendmanagement“ zu stellen. Versprochen wurden ihnen dabei drei Stellen pro Landkreis. Die Kreisjugendringe kamen dieser Aufforderung gern nach und haben entsprechende Anträge gestellt. Ich darf aus der Stellungnahme der Staatsregierung zitieren, in der es heißt: „Das Konzept ‚Flexibles Jugendmanagement’ wurde bereits im Jahr 2008 durch das SMS entwickelt. Zielstellung war und ist es, insbesondere verbandlichen Strukturen im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe auf der örtlichen Ebene Unterstützung zu geben sowie einen Beitrag zur Demokratiebildung und Demokratieerziehung bei jungen Menschen zu gewährleisten. Bereits zum damaligen Zeitpunkt war angestrebt, dieses Konzept flächendeckend umzusetzen. Dafür wurden Mittel im Doppelhaushalt 2009/2010 eingestellt.“

Im März 2009 wurde dann der 3. Sächsische Kinder- und Jugendbericht veröffentlicht, und Frau Clauß ging in ihrer Rede zur Vorstellung des Berichtes auch hier im Landtag wie folgt auf das Thema ein: „Gleichzeitig sind beispielsweise in der Jugendarbeit rückläufige Trends bei den Ausgaben und dem dort tätigen Personal zu verzeichnen, die auch in hauptsächlich demografischen Faktoren die Begründung für diesen Rückgang liefern. Wir müssen diesen Befund sowohl auf örtlicher als auch auf der Landesebene ernst nehmen und die Entwicklung in diesen Handlungsfeldern beobachten. Wir müssen auch hier wiederum auf örtlicher und Landesebene dafür Sorge tragen, dass die Angebote, die die Bildungswege der Kinder und Jugendlichen begleiten und unterstützen, weiterhin bedarfsgerecht vorhanden sind.

Die Jugendpauschale zur Sicherung grundlegender Angebote auf örtlicher Ebene und damit die Stärkung der kommunalen Verantwortung wird weiterhin das Herzstück der Landesförderung im Bereich der Jugendhilfe bleiben. Zusätzlich stehen in diesem und im nächsten Jahr“ – gemeint ist hier 2009/2010 – „Mittel zur Umsetzung des Konzeptes ‚Flexibles Jugendmanagement’ zur Verfügung. Damit sollen insbesondere auch im ländlichen Raum Strukturen der Jugendarbeit gesichert und ausgebaut werden.“ Daran möchten wir gern mit unserem Antrag erinnern.

In ihrer Stellungnahme zum 3. Sächsischen Kinder- und Jugendbericht im vergangenen Jahr ließ uns die Staatsregierung dann wissen: „Die Staatsregierung hat den Handlungsbedarf rechtzeitig dahin gehend aufgegriffen, dass eine Stabilisierung oder möglicherweise ein Neuaufbau von Strukturen mit sozialpädagogischen Fachkräften vor Ort erforderlich ist, um mit identitäts- und sinnstiftenden Angeboten jungen Menschen eine Alternative zu den Aktivitäten antidemokratischer Organisationen aufzeigen zu können. Vor diesem Hintergrund werden die Landkreise und kreisfreien Städte zusätzlich zur pauschalen

Landesförderung unterstützt. Dafür wurde das Konzept ‚Flexibles Jugendmanagement’ entwickelt, das im Jahr 2009 mit Landesmitteln in Höhe von 1,9 Millionen Euro in die Praxis umgesetzt werden soll.“

Im Mai 2009 schließlich waren von den 13 Landkreisen und kreisfreien Städten nur noch drei übriggeblieben, denen ein Bewilligungsbescheid zugestellt wurde, jedoch nicht, weil es an Anträgen gemangelt hätte, sondern weil die Steuerschätzung vom Mai 2009 dazu führte, seitens des Finanzministeriums den Rotstift anzusetzen. Darauf verweist die Staatsregierung auch in ihrer Stellungnahme. Böse Zungen behaupteten allerdings, dass die Aussicht auf die Einführung des „Flexiblen Jugendmanagements“ nur ein Wahlgeschenk der Staatsregierung gewesen sei.

Ein halbes Jahr später hieß es noch im Koalitionsvertrag von CDU und FDP vom letzten Herbst: „Wir werden die Kommunen auch weiterhin durch eine Jugendpauschale unterstützen und die Kinder- und Jugendhilfe mit der Schulsozialarbeit verzahnen.“ Wir wollen Niveau und Qualität der Angebote gerade auch im ländlichen Raum verbessern.

Was wir erleben, ist gerade die gegenläufige Entwicklung. Die Jugendpauschale wird zwar weiter gezahlt, jedoch seit diesem Jahr bekanntermaßen nur noch in der Höhe von zwei Dritteln des bisherigen Niveaus. Genau diese Kürzung im Jahr 2010 und die Beibehaltung auf dem Niveau von 10,40 Euro führen im Moment und insbesondere in den nächsten Monaten dazu, dass im ländlichen Raum die Angebotsdichte verringert wird, dass weiße Flecken in der Jugendarbeit entstehen und dass sozialpädagogische Fachkräfte abwandern, weil sie nämlich zu den sich verschlechternden Bedingungen wie Teilzeitstellen und untertariflicher Entlohnung nicht mehr arbeiten wollen.

Die Staatsregierung weiß ganz genau, welche Gefahren bei dieser Entwicklung drohen. Die Ministerin hatte vollkommen recht, als sie damals sagte: „Bei Fehlen alternativer, identitätsstiftender Angebote vor Ort besteht die Gefahr, dass junge Menschen eher geneigt sind, sich antidemokratischen Ideologien zu öffnen und Angebote in Anspruch zu nehmen.“

Mit Verweis auf die Ergebnisse der Jugendstudie 2007 hinsichtlich rechtsextremer Tendenzen bei Jugendlichen wird seitens der Expertenkommission des Jugendberichtes explizit darauf verwiesen, dass Jugendarbeit neben dem Bildungsauftrag auch einen Auftrag zur Demokratiebildung zu erfüllen hat. Die Staatsregierung ist deshalb aus unserer Sicht in der Pflicht, das Konzept „Flexibles Jugendmanagement“ wie ursprünglich in allen Landkreisen umzusetzen. Inzwischen konnten in den drei Modelllandkreisen Meißen, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge und Erzgebirge genügend Erfahrungen gesammelt werden. Diese können die weitere Ausgestaltung beeinflussen.

In ihrer Stellungnahme verweist die Staatsregierung zwar darauf, das Konzept an weiteren Standorten zu implementieren; schaut man sich aber den Haushaltsentwurf für den

nächsten Doppelhaushalt an, so sieht man, dass die notwendigen Mittel mitnichten in der benötigten Höhe von 1,9 Millionen Euro eingestellt wurden. Das Gegenteil ist der Fall: Der Etat für die „Zuschüsse für Maßnahmen zur Stärkung von Demokratie und Vorbeugung antidemokratischen Handelns“ wurde nochmals auf 1 Million Euro halbiert.

Ich komme zum Schluss. Der Antrag der Fraktion DIE LINKE will mit der Forderung nach der Umsetzung des Konzeptes nichts Neues erfinden. Er will lediglich das einfordern, was das Sozialministerium als flächendeckendes Programm entwickelt und dessen Umsetzung es sich selbst auf die Fahne geschrieben hat.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Wir fahren in der Aussprache in der ersten Runde fort. Es spricht nun der Abg. Schreiber für die CDU-Fraktion. Herr Schreiber, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Klepsch, mir hätte fast etwas gefehlt, wenn Sie nicht wieder den Bezug zu aktuellen Haushaltstiteln und Haushaltsvorschlägen aufgegriffen hätten. Mir hätte etwas gefehlt, wenn Sie den Bezug zur Jugendpauschale und den in diesem Jahr vorgenommenen Bewirtschaftungsmaßnahmen nicht vorgenommen hätten. Mir hätte etwas gefehlt, wenn Sie die Haushaltstitel, die jetzt als Vorschlag der Staatsregierung auf dem Papier stehen, nicht völlig miss- und fehlinterpretiert hätten.

(Beifall des Abg. Oliver Wehner, CDU)

Es hätte mir gefehlt, wenn Sie sich einzig und allein auf den Inhalt Ihres Antrages bezogen hätten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit einem Jahr wird in drei sächsischen Landkreisen das „Flexible Jugendmanagement“ erprobt: Im Erzgebirgskreis und in den Landkreisen Meißen und Sächsische Schweiz-Osterzgebirge wird dieses Angebot – man kann sagen – erfolgreich umgesetzt. Es unterstützt und ergänzt die kommunale Kinder- und Jugendhilfe. Zielstellung dieses Modellprojektes war und ist es, den verbandlichen Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe durch sozialpädagogisch ausgebildete Fachkräfte auf örtlicher Ebene Unterstützung zu geben.

Insbesondere geht es darum, mit diesem „Flexiblen Jugendmanagement“ zur Demokratiebildung und -erziehung junger Menschen beizutragen. Dadurch soll extremistischen Tendenzen vorgebeugt und antidemokratischen Organisationen der Boden entzogen werden, Strukturen aufzubauen bzw. weiter zu etablieren. Das gilt im Übrigen für alle extremistischen Tendenzen – sowohl von Rechts als auch von Links.

Für den Landkreis Meißen, aber auch für die Sächsische Schweiz weiß ich, dass dieses Konzept sehr gut angelau

fen ist, auch wenn die Implementierung am Anfang sehr schwierig war. Kernaufgabe ist die fachliche Beratung, Begleitung, Ermutigung und Anregung engagierter junger Menschen. Bewährt hat sich dabei die sogenannte Kommstruktur: Wer eine Idee hat, die er umsetzen möchte, aber nicht weiß, wie er das machen soll, findet bei den Mitarbeitern des „Flexiblen Jugendmanagements“ die richtigen Ansprechpartner.

Die Fachkräfte werden angefordert bzw. vermittelt und helfen vor Ort. Sie ermutigen junge Menschen zu ehrenamtlichem Engagement innerhalb und vor allem außerhalb von verbandlichen Strukturen. Dabei sind die sogenannten „Flexis“ Impulsgeber und Problemlöser. Sie helfen beim Aufbau von Jugendnetzwerken und bringen die unterschiedlichsten Jugendgruppen zusammen. Damit sensibilisieren sie junge Menschen für Toleranz und Fremdes. Sie tragen dazu bei, Neuem gegenüber offenzustehen, und schaffen zugleich aber auch ein Gefühl für die eigene Identität.

Meine Damen und Herren! Wir dürfen an dieser Stelle nicht vergessen, dass das „Flexible Jugendmanagement“ ein ergänzendes Angebot für die Arbeit der Kinder- und Jugendhilfe in den Landkreisen ist. Es dient der Koordination. Es sollen diejenigen unterstützt werden, die sich ein wenig engagieren oder zumindest dazu motiviert sind, sich zu engagieren. Es wirkt im ehrenamtlichen Bereich. Es hat die Arbeit der Kinder- und Jugendhilfe intensiviert und qualifiziert.

Eines ist aber klarzustellen: Das „Flexible Jugendmanagement“ ist nicht dazu da, im klassischen Sinne Jugendarbeit zu leisten. Für die Ausgestaltung sind nach wie vor die kommunalen Träger der Jugendhilfe nach dem Sozialgesetzbuch VIII zuständig.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Wenn Sie Geld haben!)

Richtig. Herr Dr. Hahn, Sie sind Kreisrat. Stellen Sie doch den entsprechenden Vereinen und Trägern in Ihrem Kreis das Geld zur Verfügung.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Sie kürzen die Jugendpauschale!)

Herr Hahn, wenn Sie eine Frage oder eine Anmerkung haben, machen Sie eine Kurzintervention oder stellen Sie eine Frage. Danke schön.

Für diese gilt: Auf gesondertem Wege müssen Möglichkeiten gefunden werden, um die Jugendarbeit vor Ort zu gewährleisten. Wir bekennen uns deshalb – ich bin sehr froh, dass unser Koalitionsvertrag immer wieder zitiert wird – weiterhin zur Jugendpauschale. Wir unterstützen die Städte und Landkreise auch weiterhin bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben. Das macht auch der Staatshaushalt für 2011/2012 deutlich.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Unzureichend!)

Meine Damen und Herren! Ich begrüße ausdrücklich, dass das Modell zunächst erprobt und dementsprechend

evaluiert wird. Dies wird vom Landesjugendamt begleitend realisiert. Für mich und die CDU-Fraktion ist dies der richtige Weg. Dadurch können Stärken und Schwächen des bestehenden Konzeptes analysiert, verbessert und weiterhin umgesetzt werden.

Sehr geehrte Damen und Herren von der Linksfraktion! Ihr Antrag löst bei Weitem nicht das Problem der immer weniger werdenden Kinder und Jugendlichen im ländlichen Raum und damit einer immer geringeren Mittelzuweisung an die Landkreise in Form der Jugendpauschale.

Herr Schreiber, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Sehr gern, Frau Klepsch.

Herr Schreiber, stimmen Sie mit mir überein – sofern wir die Staatsregierung in ihrer Stellungnahme ernst nehmen –, dass die Implementierung des FlexMan an weiteren Standorten Geld kostet? Im Haushaltsentwurf, auf den ich leider zu sprechen kommen musste, weil es Geld kostet, soll der Etat für diesen Bereich von 2 Millionen Euro auf eine 1 Million Euro halbiert werden?

Liebe Frau Klepsch! Darin stimme ich mit Ihnen nicht überein. Ich stimme Ihnen nur zum Teil zu.

Haben Sie einen anderen Haushaltsentwurf als ich?

– Darf ich bitte antworten, wenn ich eine Frage gestellt bekomme? Danke.

Ich habe keinen anderen Haushaltsentwurf als Sie. Anscheinend kann ich besser lesen als Sie.

(Unruhe bei der Linksfraktion)

Fakt ist eines: Der Haushaltsansatz – Sie haben recht – ist, wenn man sich einmal den Ansatz für 2010 im Vergleich zu dem vorgeschlagenen Ansatz von 2011 ansieht, halbiert worden. Die Ist-Zahlen von 2009 und die avisierten Zahlen von 2010 stehen bei 1,086 Millionen Euro. Wenn nun der neue Haushaltsansatz in dieser Position weiterhin 1 Million Euro vorsieht, weiß ich nicht, wo diese Haushaltsposition halbiert worden ist. So viel sage ich dazu.