Wir werden der in dem Änderungsantrag der SPDFraktion unter Punkt III vorgesehenen Konkretisierung der Widerspruchslösung für die Mutter zustimmen. Das konkretisiert unseren Antrag und trägt den Interessen des Kindes Rechnung.
Vielen Dank, Herr Biesok. – Gibt es weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Ich frage die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Dr. Martens, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Artikel 6 des Grundgesetzes bestimmt das Sorgerecht zum Recht der Eltern und zu ihrer Verpflichtung. Außerdem ist der Gesetzgeber mit Artikel 6 Grundgesetz dazu aufgefordert, uneheliche Kinder ehelichen Kindern gleichzustellen. Trotz dieser an und für sich klaren Vorgaben ist aus der Frage des Sorgerechts für nicht eheliche Kinder inzwischen eine wahre Odyssee geworden.
Bis 1970 galt nach BGB der Vater als nicht einmal mit seinem nicht ehelichen Kind verwandt. Auch die Mutter hatte grundsätzlich nicht einmal allein das Sorgerecht, sondern ein Vormund. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu zum ersten Mal eingegriffen. Das daraufhin verabschiedete Nichtehelichengesetz erkannte die Verwandtschaft des Vaters mit dem nicht ehelichen Kind an, sah aber ein Sorgerecht allein für die Mutter vor.
Das Bundesverfassungsgericht monierte hier 1995 zum zweiten Mal die Rechtslage und verlangte, auch dem Elternrecht des Vaters Rechnung zu tragen. Der Gesetzgeber reagierte. Seither können die Väter das Sorgerecht für nicht eheliche Kinder erlangen, wenn die Eltern einander heiraten oder beide eine übereinstimmende Sorgeerklärung abgeben. Ohne das Einverständnis der Mutter aber gab es nach wie vor kein Sorgerecht für den nicht mit ihr verheirateten Vater des Kindes. Es bestand also weiter offensichtlicher Korrekturbedarf bei der Gleichstellung nicht ehelicher Kinder mit ehelichen Kindern.
Zunächst stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Ende 2009 fest, dass die deutsche Rechtslage das Diskriminierungsverbot und das Recht auf Achtung des Familienlebens verletzt. Der klagende Vater sei von den deutschen Gerichten, die gegen ein gemeinsames Sorgerecht entschieden hätten, anders behandelt worden als die Mutter oder verheiratete Frauen. Diese Ungleichbehandlung stehe nicht im angemessenen Verhältnis zu dem vorgeblich verfolgten Ziel der Regelung, nämlich dem Schutz des Kindeswohls der nicht ehelichen Kinder. Das Bundesverfassungsgericht hat daraufhin im Juli 2010 die geltende Rechtslage für verfassungswidrig erklärt und damit zum dritten Mal in diesen Bereich einschneidend eingegriffen. Danach wird das im Grundgesetz verbürgte Elternrecht des Vaters eines nicht ehelichen Kindes verletzt, wenn er ohne Zustimmung der Mutter generell und grundsätzlich von der Sorgetragung für sein eigenes Kind ausgeschlossen ist. Als Übergangsregelung haben die Verfassungsrichter angeordnet, dass bislang sorgerechtslose Väter beim zuständigen Familiengericht Antrag auf ein alleiniges Sorgerecht oder gemeinsames Sorgerecht stellen können, ohne zuvor eine Änderung der Gesetzeslage abwarten zu müssen. Das Sorgerecht sei für ihn einzuräumen, wenn es dem Kindeswohl entspricht.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes wurde allgemein begrüßt. Die Bundesjustizministerin hat erklärt, dass die Gesetzesänderung jetzt sorgfältig, aber gleichzeitig auch mit Vorrang geprüft werde. Die rechtspolitische Diskussion ist bereits weit fortgeschritten.
Für die Neuregelung zeichnen sich dabei zwei Grundmodelle ab. Das ist hier noch nicht so richtig deutlich geworden. Nach dem Antragsmodell, das sich an die Übergangsregeln des Verfassungsgerichts anlehnt, soll die Mutter zunächst das alleinige Sorgerecht haben. Lehnt sie die gemeinsame Sorge mit dem Vater ab, kann der Vater beim Familiengericht einen Antrag auf gemeinsame elterliche Sorge stellen.
Dagegen räumt das sogenannte Widerspruchsmodell den nicht miteinander verheirateten Eltern automatisch das gemeinsame Sorgerecht ein. Voraussetzung ist, dass zuvor die Vaterschaft des nicht ehelichen Kindes vom Vater anerkannt wird und zudem der Vater erklärt hat, diese elterliche Sorge mit übernehmen zu wollen. Die Mutter kann dann der gemeinsamen Sorge unter Umständen innerhalb einer zu bestimmenden Frist widersprechen. Über diesen Widerspruch entscheidet dann das Familiengericht, orientiert am Maßstab des Kindeswohls.
Denkbar sind außerdem noch Zwischenlösungen, wonach die automatische gemeinsame Sorge an bestimmte Voraussetzungen geknüpft wird. Im Übrigen gilt das Antragsmodell als zulässige Voraussetzung und kommt dabei insbesondere für das Zusammenleben der Eltern zum Zeitpunkt der Geburt in Betracht.
Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag spricht sich für eine automatische gemeinsame Sorge aus, also für ein einfaches Verfahren und somit für das Widerspruchsmodell. Darüber – lassen Sie mich das sagen – freue ich mich, denn auch die Staatsregierung plädiert für dieses Modell, eben weil es einfach und unbürokratisch ist und weil es auch Streitfragen mit der Abgabe der Vaterschaftserklärung und der Erklärung zur gemeinsamen Sorge löst und solchen konkreten Problemen aus dem Wege geht, die aus Fristenlösungen erst entstünden. Bekanntlich werden wichtige sorgerechtliche bedeutsame Entscheidungen gerade in den ersten Lebenswochen und -monaten der Kinder getroffen, etwa die Bestimmung des Namens oder die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft. Das sind ganz erhebliche Entscheidungen, denen man mit einem sogenannten Antragsmodell unter Umständen nicht gerecht werden kann, meine Damen und Herren.
Die hier vorgestellte und favorisierte Regelung trägt dem Regelungsauftrag des Grundgesetzes ohne jeden Zweifel Rechnung und verhindert, dass das Bundesverfassungsgericht noch ein viertes Mal eingreifen muss.
Mit diesem Antrag und der entsprechenden Politik der Staatsregierung wird gesellschaftspolitisch dem Rechnung getragen, was seit vielen Jahren gerade auch in Sachsen Realität ist. Das müssen wir anerkennen und vor allen Dingen müssen wir uns dabei am Wohl der Kinder orien
Bevor es aber dazu kommt, haben wir einen Geschäftsordnungsantrag zu behandeln. Frau Werner, ich bitte Sie, diesen einzubringen.
Das gibt mir noch einmal die Möglichkeit, eine Äußerung klarzustellen, die scheinbar missverständlich aufgenommen wurde. Herr Wehner und Herr Biesok, es ging mir darum, auf die Bundesebene deshalb zu verweisen, weil ich Ihnen mitgeteilt habe, dass Sie auch andere Aufgaben auf Landesebene zu lösen haben, die vielleicht dringender sind und nur hier gelöst werden können.
Da nun aber einmal Ihr Antrag in der Welt ist, müssen wir damit umgehen. Deswegen meine Bitte, den Antrag in den Ausschuss zu verweisen, um dort fachgerecht Sachverstand einzuholen und fachgerecht zu diskutieren, um vielleicht zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen. Deswegen der Antrag des Verweisens an den Ausschuss für Soziales und Verbraucherschutz.
Ich lasse über den Antrag abstimmen. Wer dafür ist, dass der Antrag „Kindeswohl stärken – unverheirateten Müttern und Vätern gemeinsames Sorgerecht einräumen“ in den Ausschuss für Soziales und Verbraucherschutz zurückverwiesen wird, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Bei zahlreichen Stimmen dafür hat dieser Antrag dennoch nicht die erforderliche Mehrheit gefunden.
Meine Damen und Herren! Ihnen liegt ein Änderungsantrag mit der Drucksache 5/3761 vor, Änderungsantrag der Fraktion der SPD. Frau Neukirch, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie den Änderungsantrag schon eingebracht haben?
Unsere bessere Lösung wäre natürlich gewesen, den Antrag im Ausschuss zu behandeln. Wir sehen, dass im Antrag der SPD eine gewisse Klarstellung des Koalitionsantrages und auch
eine gewisse Spezifizierung vorgenommen werden, damit er nicht so falsch und oberflächlich daherkommt. Deshalb wird meine Fraktion dem Änderungsantrag zustimmen.
Danke, Herr Präsident. Auch wir werden dem Änderungsantrag zustimmen, da er den Schritten, die ich vorhin vorgeschlagen habe, weitgehend entspricht und die Oberflächlichkeit, die der Antrag der Koalition aufweist, heilen kann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir werden dem Antrag nicht zustimmen. Wenn wir in dem Punkt 3 wenigstens stehen hätten, dass das Widerspruchsrecht sowohl von der Mutter als auch vom Vater ausgeübt werden kann – es kann auch eine Mutter einmal die schlechtere Sorgeperson sein –, dann wäre die Möglichkeit, dass man zustimmen könnte. Aber so ist ja die Diskriminierung wieder gegeben.
Meine Damen und Herren! Herr Biesok und Herr Wehner, ich habe Sie so verstanden, dass Sie über diesen Änderungsantrag punktweise Abstimmung begehren? – Dann verfahren wir so.
Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag Drucksache 5/3761 Punkt I. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist
dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmen dafür ist dem Antrag mit großer Mehrheit nicht entsprochen worden.
Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag Drucksache 5/3761 Punkt II. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmen dafür ist dem Antrag mit großer Mehrheit nicht entsprochen worden.
Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag Drucksache 5/3761 Punkt III. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei wenigen Stimmenthaltungen und wenigen Stimmen dafür hat dieser Punkt eine große Mehrheit gefunden.
Meine Damen und Herren! Ich komme nun zur Gesamtabstimmung über den Änderungsantrag. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Dem Änderungsantrag ist nach dieser Schlussabstimmung im Punkt III zugestimmt worden.
Dann kommen wir zur Abstimmung des Antrags mit der Drucksache 5/3682. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei zahlreichen Gegenstimmen hat dieser Antrag die erforderliche Mehrheit gefunden.
Hierzu können die Fraktionen wie folgt Stellung nehmen: DIE LINKE, CDU, SPD, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht.