Frau Präsidentin! Bevor darüber abgestimmt wird, möchte ich nur noch eine Klarstellung machen, weil wir heute Morgen den Antrag auf Absetzung dieses Tagesordnungspunktes hatten. Das Plenum hat mehrheitlich anders entschieden. Es ist guter Brauch in diesem Haus, dass eingereichte Gesetzentwürfe an die jeweiligen Ausschüsse überwiesen werden.
Wir sind in diesem Fall der Auffassung, dass der Gesetzentwurf nicht formal-korrekt eingebracht worden ist. In der Logik der Diskussion von heute Morgen können wir deshalb jetzt auch die Überweisung nicht beschließen. Ich wollte hier zumindest formell klarstellen, dass wir wegen dieser Tatsache der Überweisung nicht zustimmen.
Meine Damen und Herren, ich werde jetzt dennoch die beiden Entwürfe zur Überweisung vorschlagen, und zwar an den Haushalts- und Finanzausschuss – federführend –, an den Innenausschuss, den Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss, den Ausschuss für Soziales und Verbraucherschutz, den Ausschuss für Schule und Sport, den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, den Ausschuss für Wissenschaft und Hochschule, Kultur und Medien sowie den Ausschuss für Umwelt und Landwirtschaft.
Wer diesen Überweisungen zustimmt, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. – Die Gegenstimmen, bitte? – Stimmenthaltungen? – Bei einer ganzen Reihe von Gegenstimmen ist die Überweisung dennoch mit Mehrheit beschlossen worden. Damit ist auch der Tagesordnungspunkt beendet.
Die Staatsregierung hat zur Einbringung 8 Minuten Redezeit. Herr Minister, ich bitte Sie, das Wort zu nehmen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Entwurf der Staatsregierung für das Siebente Änderungsgesetz zum Sächsischen Finanzausgleichsgesetz ist geprägt – darüber haben wir vorhin schon diskutiert – von den Auswirkungen der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise auf den staatlichen und die kommunalen Haushalte, allerdings unterschiedlich.
Die Steuerschätzung vom Mai dieses Jahres prognostiziert den Rückgang der Steuereinnahmen des Freistaates gegenüber dem Vorjahresplan um 671 Millionen Euro; die Zahl habe ich vorhin schon genannt. Die kommunalen Steuereinnahmen werden dagegen nur um 111 Millionen Euro sinken.
Wir wollen den Finanzausgleich auch zukünftig nach dem bewährten Maßstab einer gleichmäßigen Teilhabe von Freistaat und Kommunen an der Entwicklung der Steuereinnahmen ausgestalten. Im Ergebnis der Steuerschätzung, der Anwendung des Gleichmäßigkeitsgrundsatzes und der Abrechnungsbeträge stehen den Kommunen damit an Steuern und Finanzausgleichsmasse sowohl im Jahr 2011 als auch im Jahr 2012 rund 4,6 Milliarden Euro zur Verfügung. Das sind genauso viele Einnahmen wie im Jahr 2007.
Jetzt wird es etwas leichter mit dem Gesetz. Der vorliegende Entwurf für ein neues Finanzausgleichsgesetz beinhaltet diesmal keine strukturellen Änderungen. Wir haben mit dem vorhergehenden Finanzausgleichsgesetz erhebliche strukturelle Änderungen vorgenommen. Ich erinnere an die Kreisgebietsreform, an das Vorsorgevermögen oder auch an die Einführung der Finanzausgleichsumlage. Die Finanzausgleichsumlage ist mittlerweile auch durch den Sächsischen Verfassungsgerichtshof bestätigt worden.
Ausgehend von den Einnahmenprognosen bestand diesmal das zentrale Anliegen aller Beteiligten – des Freistaates und der Kommunen – darin, die allgemeinen Deckungsmittel aus Steuern und allgemeinen Schlüsselzuweisungen auf dem Niveau der Vorjahre zu stabilisieren, um die Verwaltungshaushalte zu stabilisieren. Die allgemeinen Deckungsmittel stehen den sächsischen Kommunen zur freien Verfügung; das möchte ich noch einmal betonen. Die Kommunen können entscheiden, ob sie dafür die Verwaltungs- oder die Vermögenshaushalte abdecken möchten.
Der gesamte Gesetzentwurf basiert auf der Einigung zwischen meinem Haus und den Präsidenten der kommunalen Landesverbände vom 17. Mai 2010. Damit folgen wir einer bewährten Tradition. Mein herzlicher Dank an dieser Stelle für die konstruktive Zusammenarbeit!
Die Stabilisierung der allgemeinen Deckungsmittel konnte durch zwei Maßnahmen erreicht werden: erstens die vorzeitige Auflösung des kommunalen Vorsorgevermögens in Höhe von 372 Millionen Euro ohne zusätzliche investive Bindung; zweitens die Absenkung der investiven Zweckzuweisungen sowie der investiven Schlüsselzuweisungen zugunsten der allgemeinen Schlüsselzuweisungen. Durch die Reduzierung der investiven Bindung konnten zusätzliche allgemeine Deckungsmittel in Höhe von 252 Millionen Euro gewonnen werden.
Mit dem vorliegenden Änderungsgesetz ist es gelungen, auch in schwierigen Zeiten insbesondere die Verwaltungshaushalte der sächsischen Kommunen zu stabilisieren. Die Kommunen haben jedoch durch die reduzierte Zweckbindung größeren Spielraum erhalten, um eigene Prioritäten zu setzen. Insgesamt bewegen sich die investiven Schlüssel- und Zweckzuweisungen in den kommenden beiden Jahren noch immer auf dem Niveau der Jahre vor dem Rekordeinnahmenjahr 2008.
Die schwierigen Verhandlungen zu diesem FAG haben bewiesen, dass die Partnerschaft nicht nur bei schönem Wetter funktioniert. Ich danke allen Beteiligten, die sich im Interesse unserer Städte und Gemeinden für diese ausgewogene und faire Lösung engagiert haben.
Vielen Dank, Herr Minister. – Wir kommen zur Überweisung. Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf an den Haushalts- und Finanzausschuss – federführend –, den Innenausschuss, den Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss, den Ausschuss für Soziales und Verbraucherschutz, den Ausschuss für Schule und Sport, den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, den Ausschuss für Wissenschaft und Hochschule, Kultur und Medien sowie den Ausschuss für Umwelt und Landwirtschaft zu überweisen. Ich bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Die Gegenstimmen, bitte? – Die Stimmenthaltungen? – Bei wenigen Stimmenthaltungen und einigen Gegenstimmen ist die Überweisung mit Mehrheit beschlossen worden. Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Wir sind das Hackfleisch in der Bolognese“ – so drastisch und emotional brachten Studierende ihre Kritik an der Umsetzung des Bologna-Prozesses während der Studentenproteste im vergangenen Sommer und im darauffolgenden heißen Herbst zum Ausdruck. Die Aktionsformen des Bildungsstreiks waren sehr vielfältig; einhellig war aber die Kritik an der Verschulung des Studiums und dessen stofflicher Überfrachtung, der enormen Prüfungsdichte und den strengen Anwesenheitskontrollen. Weitere Kernkritikpunkte waren der begrenzte Zugang zum Masterstudium, die Verschlechterung der Mobilität, die restriktive Anerkennung von Studien- und Prüfungsleistungen und – selbstverständlich – die bereits eingeführten oder angedrohten Studiengebühren.
Auch Vertreterinnen und Vertreter von Wirtschaft und Wissenschaft äußern seit Jahren Kritik. Der Beschluss der Kultusministerkonferenz vom Oktober 2009 nahm die Kernpunkte der Proteste auf. Auch von Hochschulrektorenkonferenz und Akkreditierungsrat gab es danach positive Reaktionen und Zusagen.
Heute, fast ein Jahr später, bleibt festzustellen, dass die Reform der Reform beim Bologna-Prozess nach wie vor nur wenig vorangekommen ist. Es scheinen die Studierenden Recht zu behalten, die zum Jahreswechsel befürchteten, dass alle Zusagen und Beschlüsse vor allem das Ziel hätten, sie ruhigzustellen. Angesichts der hohen Zahl nichtakkreditierter Studiengänge reicht es eben nicht aus, auf die Hochschulen und das Akkreditierungswesen zu verweisen. Wir brauchen auch Mindeststandards im Gesetz, auf die sich Studierende und Lehrende verlassen können.
Vor diesem Hintergrund bringt unsere Fraktion heute ein Studienreformgesetz zur 1. Lesung, welches das Sächsische Hochschulgesetz in den Bereichen Studium und Lehre mit Augenmaß novelliert. Es sieht verbindliche Regelungen zur Verbesserung der Studienbedingungen und Promotionen vor, zugleich aber eine größere organisatorische Autonomie der Hochschulen. Unser vorliegender Gesetzentwurf geht von den beschriebenen Problembereichen aus und enthält Änderungen in acht Bereichen:
Erstens wollen wir die Studieneingangsphase und die Möglichkeit des Teilzeitstudiums verbessern. Um den Studieneinstieg zu erleichtern, werden die Hochschulen verpflichtet, ein bedarfsgerechtes Angebot an Einführungsveranstaltungen wie Sommerakademien und wissen
schaftlichen Propädeutika zu schaffen. Studierende, die dies wünschen, können eine Studieneingangsphase, ein sogenanntes Schnuppersemester, absolvieren, nach der sie sich endgültig für ein Fach entscheiden.
Es wird zudem ein Individualrecht verankert, nach dem auf Antrag der Studierenden ein Teilzeitstudium oder berufsbegleitendes Studium zu ermöglichen ist. Dadurch trägt das Gesetz den höchst unterschiedlichen Lebenssituationen heute Studierender Rechnung.
Zum Zweiten soll der Gesetzentwurf zu einer Verbesserung der Mobilität führen. Die verbreitete Unsicherheit, ob an anderen Hochschulen erbrachte Prüfungsleistungen nach der Rückkehr überhaupt anerkannt werden, ist eine ausgesprochene Mobilitätsbremse. Deshalb sollen Studienleistungen, die an deutschen Hochschulen sowie an Hochschulen des europäischen Hochschulraumes erbracht werden, künftig als gleichwertig festgestellt und als anerkannt gelten.
Ihre Nichtanerkennung ist begründungspflichtig. In dieser Frage erfolgt sozusagen eine Umkehr der Beweislast. Zudem wird gesetzlich neu festgeschrieben, dass Studienordnungen Zeitfenster für Auslandsaufenthalte und Praktika vorsehen sollen. Auch hier sind Abweichungen nur in Ausnahmefällen möglich.
Drittens sollen die Prüfungslast deutlich reduziert und Anwesenheitskontrollen auf das unbedingt notwendige Maß begrenzt werden. Über die Dauerbelastung durch Prüfungen klagen Studierende wie Lehrende. Anstelle von derzeit zwei oder drei Prüfungsleistungen pro Modul und entsprechend den Vorschlägen der Kultusministerkonferenz wird gesetzlich festgeschrieben, dass je Modul nur eine Prüfungsleistung zu erbringen ist. Dabei sind Ausnahmen für größere und komplexere Module möglich. Zusätzlich wird die Anzahl der Modulprüfungen pro Semester auf fünf begrenzt.
Wir wollen zudem die Freiheit des Studiums wahren und keine unnötigen Hürden für den Studienabschluss errichten. Deshalb sollen Anwesenheitskontrollen nur zulässig sein, wenn die Teilnahme unmittelbare Voraussetzung für den Studienerfolg ist, wie zum Beispiel bei Laborpraktika.
In einem vierten Komplex werden der freie Zugang zum Master und Studiengebührenfreiheit für den Master geregelt. Zusätzliche Hürden vor den Masterstudien widersprechen der Intention konsekutiver, also direkt aufeinander aufbauender Studiengänge. Deshalb soll die Zulassung zum Masterstudium in konsekutiven Studien
Sachsen wirbt zurzeit um Studierende und nutzt dafür das Argument der Studiengebührenfreiheit. Nach dem derzeitigen Hochschulgesetz sind aber lediglich konsekutive Masterstudiengänge studiengebührenfrei. Durch die gesetzlich verbindliche Gebührenfreiheit bis zum ersten Master wird diese Lücke bei nichtkonsekutiven Studiengängen beschlossen.
Fünftens wollen wir die studentische Mitbestimmung in studienrelevanten Angelegenheiten stärken. Bisher kann ein Votum von Studierendenvertretern im Gremium von zwei Dritteln der Gremiumsmitglieder überstimmt werden. Diese Regelung wird aufgehoben, damit keine Beschlüsse der Studienorganisation gegen die Interessen der Studierenden getroffen werden können.
Gerade im Zuge der Studierendenproteste ist das Interesse an der Hochschulselbstverwaltung unter den Studierenden größer geworden. Um dieses ehrenamtliche Engagement zu unterstützen, werden die Beurlaubungsregelungen für Arbeit in studentischen Gremien gestärkt und großzügiger gestaltet.
Sechstens führen wir eine Dissertationsvereinbarung und das Promotionsrecht der Fachhochschulen ein. Mit der Vereinbarung soll die Qualität der Promotionsphase verbindlich gesichert werden. Damit tragen wir den verbreiteten Abstimmungsproblemen bei der Durchführung von Dissertationen Rechnung. Wir wollen die Abbruchquote senken.
Sächsische Fachhochschulen weisen zumindest in einzelnen Fachgebieten hervorragende Forschungsleistungen auf und das geht weit über die oft zitierte Laserforschung in Mittweida hinaus. Deshalb soll auf Antrag den einzelnen Fachgebieten das Promotionsrecht übertragen werden können.
Zum Siebenten stärken wir die Hochschulautonomie durch erweiterte Abweichungsmöglichkeiten von den hochschulgesetzlichen Regelungen.
Im Zuge der Ausdifferenzierung der sächsischen Hochschullandschaft müssen die Hochschulen die Möglichkeit
haben, ihre Organisationsweise an spezifische Problemlagen anzupassen. Die bisherige Erprobungsklausel wird deshalb durch eine Abweichungsklausel ersetzt, die es zusätzlich erlaubt, die zentrale Organisationsebene bei Gremien und Einrichtungen sowie die Personalkategorie abweichend zu gestalten.
Schließlich und letztlich schaffen wir – achtens – die rechtlichen Voraussetzungen dafür, dass die Hochschulen ihr Personal flexibler einsetzen können. Die Verantwortung für den Personaleinsatz wird vollständig in die Hände der Hochschulen gelegt, ohne die Tarifbindung und Beschäftigung als Landesbedienstete aufzugeben.
Die Hochschulen sollen künftig Umfang und Art der Dienstaufgaben ihres Personals eigenständig durch eine Ordnung oder durch Vereinbarung des gesamten Lehrvolumens mit den Fakultäten regeln können.