Ich darf vielleicht als Präsident den Hinweis geben, dass wir bei aller Lust an der Frage es hier nicht zum Frage-Antwort-Spiel ausarten lassen sollten, sondern wirklich Fragen zu den vom Herrn Staatsminister gemachten Ausführungen stellen.
Sie haben vorhin gesagt, dass durch den Wegfall der Regionalfaktoren die Verkehrsverbünde entlastet werden. Jetzt sagen Sie, dass die Belastungen durch die Hintertür zurückkommen. Bleiben Sie also bei der Aussage, dass die Verkehrsverbünde durch den Wegfall der Regionalfaktoren und die mögliche Einpreisung über die Streckenentgelte entlastet werden?
Das wird nach unserer Einschätzung so sein, Herr Kollege Stange, und zwar einfach deswegen, weil wir insgesamt im Freistaat Sachsen eine durchaus ländlich geprägte Verkehrsinfrastruktur haben, sodass wir – das ist unsere Einschätzung im Hause – auf der einen Seite die Entlastung durch den Wegfall der Regionalfaktoren erwarten, auf der anderen Seite natürlich die Belastung durch die dann allgemein höher werdenden Trassenentgelte sehen. Wir gehen tatsächlich momentan davon aus, dass wir insgesamt über die Zweckverbände zu einer Entlastung im Millionenbereich kommen werden. Das ist unser derzeitiger Kenntnisstand.
(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU) Es ist bereits angesprochen worden, dass wir eine sehr hohe Investitionsquote im Bereich des ÖPNV haben. Der Staatsregierung ist insgesamt wichtig, die Investitionsquote im Haushalt hoch zu halten. Diejenigen von Ihnen, die gestern beim Parlamentarischen Abend des Handwerkstags gewesen sind, haben im Rahmen der Podiumsdiskussion erlebt, wie sich alle Beteiligten über die Parteigrenzen hinweg dafür ausgesprochen haben, die Investitionen hoch zu halten, weil diese Investitionen eben auch den Handwerksbetrieben im Freistaat Sachsen zugute kommen. Deswegen ist es uns wichtig, diese Investitionen hoch zu halten. Es ist vollkommen richtig, dass die Investitionsquote im Bereich ÖPNV von 22 % im Jahr 2010 in den Jahren 2011 und 2012 auf 28 % steigen wird.
Es ist zu Recht in der Debatte von verschiedenen Beteiligten das Thema City-Tunnel angesprochen worden. Der City-Tunnel wird im Doppelhaushalt 2011/2012 aus dem Bereich ÖPNV mitfinanziert.
Aber, Kolleginnen und Kollegen, überlegen Sie sich doch einmal: Woher ist denn wohl das Geld für den CityTunnel in den vergangenen Jahren gekommen? Ich weiß: Thomas Jurk hatte keine schwarze Kasse. Er hat nämlich den City-Tunnel ganz normal aus dem Haushalt des Wirtschaftsministeriums finanziert und hat dafür auch die entsprechenden Mittel aus dem Bereich ÖPNV eingesetzt. Wenn dort im investiven Bereich 77 Millionen Euro Ausgaben aus den Regionalisierungsmitteln für Projekte im Freistaat Sachsen stehen, dann klingt das natürlich im Haushalt erst einmal sehr, sehr viel. Wenn Sie dann aber das Geld abziehen, das in den City-Tunnel hineingeflossen ist, bleibt in diesem Bereich sehr, sehr wenig übrig. Bitte denken Sie daran, dass in den letzten fünf Jahren der City-Tunnel im Staatshaushalt finanziert wurde, ohne dass er einen eigenen Haushaltstitel hatte. In den vergangenen Jahren sind mehrere Hundert Millionen Euro geflossen. Das hat man Ihnen als Parlamentarier aber so transparent gar nicht gesagt. Das hat man irgendwo zusammengekratzt. Man hatte im Haushalt große Zahlen für verschiedene Dinge stehen, aber viel Geld davon ist in den CityTunnel geflossen. Wir wollen das transparent und offen darlegen, anders als es in der Vergangenheit gemacht wurde.
Herr Staatsminister, können Sie es sich vorstellen, noch einmal zu prüfen, ob es Kabinettsbeschlüsse zur Finanzierung des City-Tunnels gegeben hat, sodass Mittel für den City-Tunnel aus dem Gesamthaushalt geflossen sind?
Es ist vollkommen richtig, Herr Kollege Jurk, dass auch Mittel aus dem Gesamthaushalt für den City-Tunnel bereitgestellt wurden. Aber ich denke, Sie wissen es besser als ich, dass Sie aufgrund der Steigerungen gezwungen waren, auch erhebliche Mittel aus dem Einzelplan 07, für die Sie – das gebe ich gern zu – persönlich überhaupt nichts können – für den City-Tunnel bereitzustellen. Das wird Ihnen sicherlich nicht lieb gewesen sein, aber Sie waren mit der Situation konfrontiert und haben es so mithilfe des Gesamthaushalts organisiert.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte wiederholen, was ich Ihnen zu Beginn bereits dargestellt habe: Der Freistaat Sachsen muss in seine Zukunft investieren. Wir als Staatsregierung haben Ihnen einen Haushaltsplanentwurf vorgelegt ohne neue Schulden, mit einer hohen Investitionsquote, und, sehr geehrte Damen und Herren, ein schuldenfreier Haushalt mit einer beispielhaften Investitionsquote ist die beste Zukunftsinvestition für den Freistaat Sachsen.
Das war die Staatsregierung mit Herrn Staatsminister Morlok. Meine Damen und Herren! Ich sehe niemanden mehr an den Mikrofonen. Wir sind am Ende der 2. Aktuellen Debatte angekommen. Damit ist die Debatte abgeschlossen und der Tagesordnungspunkt beendet.
Im Haushaltsplan des Freistaates Sachsen für die Jahre 2009 und 2010 ist eine Position City-Tunnel als eigener Haushaltstitel nicht enthalten. Der City-Tunnel wurde dort aus allgemeinen Töpfen finanziert. Wir machen damit Schluss. Wir machen klar, dass wir das Projekt finanzieren wollen. Dazu gibt es gar keine Diskussionen. Wir machen aber auch deutlich, welche Konsequenzen die Finanzierung des City-Tunnels insgesamt für die Investitionen in den ÖPNV im Freistaat Sachsen hat.
Wir treten, wie im Präsidium beschlossen, in eine Mittagspause von 45 Minuten ein. Es folgt dann die Regierungserklärung.
Ich übergebe das Wort an den Ministerpräsidenten, Herrn Stanislaw Tillich. Herr Ministerpräsident, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Extreme Unwetterereignisse treffen uns in Sachsen leider alle paar Jahre: 2002 die Jahrhundertflut, 2006 das Frühjahrshochwasser, dieses Jahr der Tornado in Großenhain und nun das Augusthochwasser.
Wir können daher sehr gut mit den Menschen in Pakistan mitfühlen. Dort sind derzeit 17 Millionen Menschen betroffen. Ihr Leid wollen wir bei aller eigenen Betroffenheit nicht vergessen.
Die dramatischen Tage vom 6. bis 8. August waren für Tausende Sachsen ein Schock. In Neukirchen bei Chemnitz und in Werdau sind vier Menschen in den Wassermassen ertrunken, mindestens sechs weitere Menschen in unseren Nachbarländern Polen und Tschechien. Dieser Opfer und ihrer Angehörigen wollen wir in dieser Stunde besonders gedenken.
Über 1 000 Menschen, meine Damen und Herren, mussten unter dramatischen Umständen im Freistaat Sachsen evakuiert werden. Allein im Landkreis Bautzen sind 30 Familien obdachlos geworden. Unternehmen – vom Ausflugslokal im Kirnitzschtal bis zum größten Arbeitgeber in Bautzen, Bombardier – sind schwer geschädigt worden. Auch die kommunale und staatliche Infrastruktur ist vom Hochwasser erheblich in Mitleidenschaft gezogen worden. Straßen, Brücken, Sportplätze, Schienenwege – vieles musste jetzt schnell repariert oder komplett erneuert werden.
Ich bin – wie meine Kabinettskollegen und viele Mitglieder dieses Hohen Hauses – in den Hochwassergebieten unterwegs gewesen – an der Neiße, im Oberlausitzer Bergland, in der Sächsischen Schweiz, in Chemnitz und im Erzgebirge. Wir alle standen geschockt vor den beschädigten und zum Teil sogar zerstörten Häusern. Bilder von der Jahrhundertflut 2002 wurden wieder gegenwärtig.
Meine Damen und Herren! Die Menschen in den vom Hochwasser betroffenen Gebieten erhalten zu Recht unseren Zuspruch und unsere Hilfe. Der erste Vergleich mit der Schadensbilanz von 2002 zeigt allerdings: Damals war das Ausmaß der Katastrophe viel größer. Betroffen waren neben Sachsen Bayern, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg. Allein in Sachsen waren damals 80 000 Menschen, drei von vier Flüssen und große Teile Sachsens vom Hochwasser betroffen. In diesem Jahr war etwa jedes vierte Fließgewässer betroffen, allerdings
teilweise in Gegenden, die zum Glück relativ dünn oder überhaupt nicht besiedelt sind. Demzufolge sind bei uns dieses Mal auch weniger Menschen als 2002 vom Hochwasser betroffen.
Meine Damen und Herren! Wir haben aus der Jahrhundertflut von 2002 die richtigen Lehren gezogen und konsequent gehandelt. Jeder wusste, was zu tun ist. Meldewege und Rettungswesen haben weitgehend reibungslos funktioniert. Hilfe war schnell vor Ort, Entscheidungen wurden umsichtig getroffen. Davon habe ich mich selbst in der Nacht vom 7. auf den 8. August überzeugen können.
An den Tagen des Hochwassers waren insgesamt über 3 500 Männer und Frauen im Einsatz, darunter die Katastrophenschutzeinheiten der Landkreise, die Rettungsdienste, die Spezialisten von Feuerwehr, THW, Landes- und Bundespolizei sowie von Hilfsorganisationen wie dem Deutschen Roten Kreuz. 13 Hubschrauber und viele Boote halfen beim Lastentransport oder bei Evakuierungen von Menschen. Mein Dank, unser aller Dank gilt allen Helfern, die an den Rettungsmaßnahmen beteiligt waren – vor Ort wie in den Katastrophenstäben des Landes und der Kommunen. Sie alle haben geholfen, Menschen zu retten und schlimmere Schäden zu vermeiden.
Aber, meine Damen und Herren, was vielleicht noch wichtiger ist und was mich wirklich begeistert hat, das ist die Solidarität der Sachsen untereinander: die Nachbarn und Freunde, die füreinander da waren und sind, die unzähligen Fremden, die einfach mitgemacht und geholfen haben, als es galt, anzupacken. Das ist nicht selbstverständlich, aber es ist etwas typisch Sächsisches.
Meine Damen und Herren! Zur Schadensbilanz gibt es seit dem 25. August, gut zwei Wochen nach dem Hochwasser, eine erste vorläufige und noch sehr ungenaue Zahl: circa 800 Millionen Euro. Diese grobe Schätzung betrifft die Schäden von privaten Hauseigentümern, freien Trägern, Vereinen, Unternehmen und an öffentlichem Eigentum der Gemeinden und der Landkreise, des Freistaates und des Bundes. Dabei zeigt sich: Es gibt ein breites Spektrum an Schäden, von Wohngebäuden über beschädigte Maschinen bis hin zu Stützmauern an Bachläufen.
Anhand der ersten Schätzung lässt sich ungefähr sagen, welche Bereiche am stärksten betroffen sind. Mit rund 180 Millionen Euro stehen an erster Stelle die Schäden an wasserwirtschaftlichen Anlagen von Land und Kommu
nen. Dazu kommen weitere Schäden an kommunalen Straßen und Brücken von rund 120 Millionen Euro. Auf den Unternehmensbereich entfallen nach vorläufigen Angaben Schäden von rund 200 Millionen Euro. Hierbei ist noch nicht zwischen versicherten und nicht versicherten Schäden unterschieden. Bei der Sächsischen Aufbaubank haben sich bisher 557 Unternehmen gemeldet. Von diesen Unternehmen haben 444 ihre Schadenhöhe vorläufig geschätzt. Ohne Berücksichtigung von Bombardier Bautzen beträgt danach der durchschnittliche, von diesen Unternehmen vorläufig angezeigte Schaden etwa 190 000 Euro je Unternehmen. An Wohngebäuden sind Schäden von bis zu 137 Millionen Euro gemeldet worden.
Meine Damen und Herren! Diese Zahlen beruhen auf ersten groben Schätzungen unmittelbar nach dem Schadensereignis. Wir wissen, dass 2002 die Schäden kurz nach der Flut auf 10 Milliarden Euro veranschlagt wurden. Bei genauer Begutachtung konnte diese Zahl um knapp ein Drittel nach unten korrigiert werden. Auch diesmal ist es wahrscheinlich, dass der Schadensumfang geringer ausfallen wird. Zum Gesamtschaden zählen sowohl versicherte wie nicht versicherte Schäden.
Ich habe deswegen in einem Brief an den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft gebeten, versicherte Schäden schnell und unbürokratisch zu regeln. Dies geschieht auch. Die ersten Auszahlungen haben am 12. August begonnen. Inzwischen hat zum Beispiel die Allianz rund ein Drittel der bislang 7 500 Schadensmeldungen aus Sachsen durch die Agenturen vor Ort bereits erledigt.
Jedoch wollen wir bei der Debatte um die Schadenbilanz nicht vergessen: Aus der Sicht der Betroffenen ist nicht die Gesamthöhe des Schadens oder der Vergleich mit anderen Katastrophen entscheidend. Es geht vielmehr um einzelne Schicksale. Die Menschen stehen unter dem Eindruck der schweren Schäden, die Überschwemmungen und Starkregen an ihren Häusern und Grundstücken oder den Unternehmen angerichtet haben. Für manche ist die Katastrophe existenziell bedrohlich. Für mich ist deshalb selbstverständlich: Wir werden uns um jeden Einzelnen kümmern. Niemand steht am Ende alleine da. Niemand soll wegen des Hochwassers in Existenznot geraten.
Gemeinsam mit Land und Kommunen kümmern wir uns um die Bürger und die Unternehmen. Klar ist aber auch: Für die Schadenbeseitigung gelten eindeutige Grundsätze. 2002 hatten wir eine nationale Katastrophe. 2010 müssen wir Sachsen uns vor allem selbst helfen, und das werden wir auch. Wir werden die Schäden gemeinsam beseitigen. In naher Zeit werden die Schäden nicht mehr sichtbar sein. Ich wiederhole an dieser Stelle: Niemand soll wegen des Hochwassers in Existenznot geraten.
Dennoch: Wenn es eine Lehre aus der Jahrhundertflut 2002 gibt, die jeder Bürger verstanden hat, dann ist es
die: Noch besserer Hochwasserschutz und noch mehr Eigenvorsorge sind nötig. Deshalb steht auch jetzt, wie 2006 und bei vergleichbaren Ereignissen, an erster Stelle die Frage nach der Eigenvorsorge, nicht nach der staatlichen Hilfe. Wer ein Haus baut oder ein Unternehmen gründet, muss auch für Schadensfälle Vorsorge treffen. Angesichts sich häufender extremer Wetterereignisse kann es jeden im Land treffen. Überschwemmungen und Starkregen sind Risiken, gegen die man sich in der Regel versichern kann.
Die Kosten einer solchen Versicherung sind im Verhältnis zum Anschaffungspreis eines Hauses eher gering. Sie sind auch bei Objekten in exponierter Lage möglich und bezahlbar. Für Ostritz zum Beispiel wäre nach Angaben des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft ein Grundstück in der dritthöchsten Gefährdungsklasse für circa 300 Euro im Jahr zu versichern.