Protocol of the Session on September 1, 2010

Warum beziehen wir denn die Spitzenverbände ein? Warum hören wir sie, wenn wir die verfassungsrechtlichen Einwände mit der Maßgabe übergehen, das erst einmal in Leipzig zu klären? Das ist für uns undenkbar. Deshalb bitten wir um Vernunft und bitten, wie hier beantragt, das Gutachten einzuholen.

Wir hatten im Ausschuss an der Stelle beantragt, das Gutachten einzuholen. Das ist weggestimmt worden, obwohl der Juristische Dienst sagte, es ist berechtigt. Das ist eine Frage der Vernunft, so zu entscheiden. Demzufolge sollten wir uns auch über die Fraktionen einigen.

(Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und den GRÜNEN)

Kollege Piwarz für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich erlaube mir den Hinweis, dass den Ausschussberatungen auch andere juristische Expertisen zugrunde gelegt sind, die auch zu der Auffassung kommen, dass das Gesetz in dieser Form verfassungskonform ist. Der Juristische Dienst hat ja lediglich eine juristische Meinung artikuliert. Es gibt weitere juristische Meinungen, die der Ausschuss in seiner Beratung mit abgewogen hat und daraufhin zu dem Ergebnis gekommen ist, dass dieses Gesetz so zu verabschieden ist, dass es verfassungskonform ist und auch entsprechend heute beraten werden kann.

(Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und den GRÜNEN)

Ich sehe dort den Kollegen Heinz für die CDU-Fraktion.

Ich möchte auch eine sachliche Richtigstellung machen. Dem Ausschuss lag offiziell auch die Stellungnahme des Sächsischen Landkreistages vor. Er hat sich dahin gehend geäußert, dass man es machen kann, wie es im Gesetzentwurf steht, dass er es aber aus ordnungspolitischen Gründen nicht wünscht, weil, wenn Bürger eine Leistung beantragen, sie diese dann auch bezahlen sollen. – Danke.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Wer dem Antrag der SPD-Fraktion folgen will und der Absetzung des Tagesordnungspunktes 3 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Vielen Dank. Stimmenthaltungen? – Damit findet dieser Antrag auf Absetzung des Tagesordnungspunktes 3 keine Mehrheit, und er verbleibt damit auf der Tagesordnung.

Ich sehe eine weitere Wortmeldung zur Tagesordnung. Herr Kollege Piwarz.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte darum, dass beim Tagesordnungspunkt 5 – es geht dort um das Zweite Gesetz zur Änderung des Sächsischen Gesetzes der Ausführung des Sozialgesetzbuches –, keine Aussprache erfolgt und wir nur über den Gesetzentwurf abstimmen. Das ist entsprechend mit den Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen so beraten worden. Es wird deutlich, dass es Ihnen nur darum geht, mit allen Mitteln dieses Gesetz zu verhindern. Der Ausschuss hat sich hinreichend auch mit der juristischen Frage beschäftigt. Wir können also heute im Landtag den Gesetzentwurf beraten.

Das nehmen wir auch so zu Protokoll. Das bedeutet: Tagesordnungspunkt 5 ohne Aussprache und ohne Redezeiten. Ich hatte in Kenntnis dieser Absprache die verkündeten Redezeiten bereits an diese neue Situation angepasst. interjection: (Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren! Weitere Änderungsanträge zur Tagesordnung liegen nicht vor. Die Tagesordnung der 19. Sitzung ist damit bestätigt und wir treten in die Tagesordnung ein.

Frau Roth, ich hatte eigentlich darum gebeten, dass sich die Fraktionen einmal äußern. Ich hoffe, dass Sie jetzt keine neue Runde eröffnen wollen. Ich gebe Ihnen aber das Wort trotzdem und hoffe, dass wir dann zur Abstimmung kommen. Meine Damen und Herren! Ich rufe auf

Ich möchte eine sachliche Richtigstellung vornehmen.

Tagesordnungspunkt 1

Aktuelle Stunde

1. Aktuelle Debatte: Rentengarantie erhalten! Rückkehr zum Rentenalter 65! – Initiative der Staatsregierung gegen fortschreitende Altersarmut jetzt!

Antrag der Fraktion DIE LINKE

2. Aktuelle Debatte: Bezahlbare Mobilität für alle – keine Kürzung im ÖPNV in Sachsen

Antrag der Fraktion der SPD

Meine Damen und Herren! Die Verteilung der Redezeit der Fraktionen hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU 30 Minuten, DIE LINKE 25 Minuten, SPD 17 Minuten, FDP 12 Minuten, GRÜNE 10 Minuten, NPD 10 Minuten, Staatsregierung 20 Minuten, wenn gewünscht.

Meine Damen und Herren! Ich muss eigentlich nicht mehr darauf hinweisen, dass die Beiträge in der Aktuellen Debatte frei und nur unter Zuhilfenahme eines Stichwortzettels zu leisten sind.

Wir kommen zu

1. Aktuelle Debatte

Rentengarantie erhalten! Rückkehr zum Rentenalter 65! – Initiative der Staatsregierung gegen fortschreitende Altersarmut jetzt!

Antrag der Fraktion DIE LINKE

Als Antragstellerin hat zunächst die Fraktion DIE LINKE das Wort. Bitte, Herr Kollege Pellmann.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Bundespräsident hat uns alle soeben gemahnt, die Sicherung des Zusammenhalts der Bürgerinnen und Bürger als eine wichtige Aufgabe zu betrachten. Ich denke, wir sollten diese Worte des Bundespräsidenten ernst nehmen. Genau deshalb haben wir uns heute erneut mit der Problematik Rente und Altersarmut zu befassen.

In den Sommermonaten hat es erneut eine kontroverse Diskussion gegeben, die nach wie vor im Gange ist. Wir haben zu erwarten, dass das Hohe Haus sich dazu positioniert. Der Ministerpräsident hatte sich allerdings in einem Interview mit dem „Hamburger Abendblatt“ in einer Weise geäußert, die eher zur Verunsicherung der Rentnerinnen und Rentner auch im Freistaat beigetragen hat, indem er die erst 2009 eingeführte gesetzliche Rentengarantie wieder zur Disposition stellen möchte. Das kann man nicht durchgehen lassen. Ich denke, dass die Rentengarantie ein wichtiges Unterpfand für die Verlässlichkeit des Sozialstaates gegenüber den älteren Menschen sein sollte.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Eines wollen wir bitte nicht vergessen: Rentnerinnen und Rentner haben in den letzten Jahren bereits Opfer gebracht. Die reale Rente ist seit 2003 um rund 10 % gesunken. Insbesondere die Rentendämpfungsfaktoren werden ohnehin in der Zukunft, wenn sie nicht endlich abge

schafft werden, weiteres Ungemach bewirken. Das alles hat mit zur Altersarmut geführt und wird sie, wenn wir nicht endlich gegensteuern, weiter verschärfen.

Unsere Forderung besteht deshalb darin, ein Armutsbekämpfungskonzept der Bundesregierung und der Staatsregierung jetzt zu entwickeln. Wir brauchen dafür keine Kommissionen, sondern die Realitäten liegen klar auf der Hand. Dass allerdings die Staatsregierung mit ihrem Haushaltsentwurf, der dann noch zu besprechen sein wird, das ganze Gegenteil bewirkt, ist traurig und geht genau in die Richtung, die der Bundespräsident sicher nicht gemeint hat.

Der zweite Faktor, um den es hier geht, ist das Problem, wie wir mit der Regelung Rente mit 67 umgehen. Von Anfang an – meine sehr verehrten Damen und Herren, manche werden sich hoffentlich daran erinnern – war meine Fraktion dagegen, das Renteneintrittsalter heraufzusetzen. Ich sage auch ganz deutlich, wir müssen diese Position in keiner Weise korrigieren. Es geht jetzt nicht darum, dass wir eventuell in den nächsten Jahren überlegen, ob wir das Ganze etwas nach hinten schieben – nein, ich sage es ganz deutlich: Die Rente mit 67 gehört abgeschafft!

(Beifall bei der Linksfraktion)

Denn wie sieht die Realität aus? 80 % der Menschen in Sachsen über 60 Jahre gehen nicht erst mit Erreichen des gegenwärtigen gesetzlichen Rentenalters von 65 Jahren, sondern vorher in Rente. Sie haben sehr oft generelle monatliche Abschläge für die weitere Lebenszeit in Kauf

zu nehmen. Das kann nicht sein. Auf absehbare Zeit, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird es zu keiner wesentlichen Änderung auf dem Arbeitsmarkt kommen.

Es gibt weitere Faktoren, die ausschließen, dass man wirklich künftig bis 67 arbeiten kann. Ganz zurückzuweisen haben wir Überlegungen, die aus Wirtschaftskreisen kamen, dass die Rente eventuell erst ab dem 70. Lebensjahr kommen könnte. Das ist völlig außerhalb der Realität. Ich sage Ihnen, das Rentenalter mit 67 ist nichts anderes als organisierter Rentenraub. Sie können das darstelle, wie Sie wollen; zu einer anderen Einschätzung kann man nicht kommen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Das war der Abg. Dr. Pellmann von der Fraktion DIE LINKE. Als Nächstes rufe ich die CDU-Fraktion mit Herrn Kollegen Krauß auf.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hätte mir gewünscht – das möchte ich in Richtung der Linksfraktion sagen –, dass Sie zuerst mit einer Analyse begonnen und die Grundprobleme bei der Rentenversicherung erfasst hätten. Das haben Sie leider nicht gemacht. Deswegen möchte ich dies am Anfang meiner Rede tun.

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion: Wir sind davon ausgegangen, dass Sie das kennen!)

Nein, Herr Pellmann, Sie haben es noch nicht begriffen, deswegen muss ich es leider noch einmal sagen.

Das Grundproblem bei der Rentenversicherung ist nicht, dass wir zu viele alte Menschen haben, sondern das Grundproblem ist, dass wir zu wenige junge Menschen haben. Das bereitet uns Probleme bei der Rentenversicherung. Seit 40 Jahren werden in unserem Land weniger Menschen geboren als sterben. Wir haben eine Geburtenrate von 1,3 Kindern je Frau, was alles andere als bestandserhaltend ist. In Sachsen sind es 1,4, aber auch das ändert nicht viel. Dazu kommt – und das ist positiv –, dass die Bezugsdauer der Rente steigt und die Menschen viel länger ihre Rente erleben können. 1960 waren es zehn Jahre, die man durchschnittlich in Rente leben konnte, heute sind wir bei 17 Jahren. Das ist eine sehr positive und erfreuliche Entwicklung.

Wenn wir uns mit der Realität befassen, müssen wir sagen, dass es erstens immer weniger gibt, die einzahlen, weil wir zu wenig junge Leute haben, dass es zweitens immer mehr Rentner gibt, was positiv ist, und drittens leben die Rentner zum Glück auch noch länger. Von diesen Realitäten muss man ausgehen, wenn man ein Problem beschreibt. Das haben Sie leider noch nicht durchdrungen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Dann stellt sich die Frage, wie der Staat darauf reagiert. Zu sagen, man lässt alles beim Alten, funktioniert nicht.

Das haben Sie noch nicht verstanden, Herr Kollege Pellmann.

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Lassen Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Pellmann zu?