Andrea Roth

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Last Statements

Danke schön, Herr Präsident! Sie werden gleich sehen, dass dieser Antrag genau den Anforderungen, die Sie soeben benannt haben entspricht.
Meine Damen und Herren! Vor 20 Jahren konnte sich die damalige Staatsregierung unter Ministerpräsident Biedenkopf zufrieden die Hände reiben: Sie hatte endlich das V.I.A.-Fondsbetreibermodell im Abwasserzweckverband Beilrode/Arzberg durchgedrückt. Die Privatisierung der Abwasserentsorgung in Ostelbien sollte ein Mustermodell, ein Modellprojekt für – –
Das ist alles dringlich. Sie müssen nur schön zuhören.
Es sollte als Modellprojekt für Sachsen und die gesamte Bundesrepublik gelten. Die 20-jährige Laufzeit des für Bürger und Unternehmer in Ostelbien unsäglichen Vertrages zwischen der V.I.A. und dem Zweckverband endet in diesem Jahr. Mit ihm wurden, wie schon der damalige Finanzminister Georg Milbradt im Untersuchungsausschuss „Beilrode/Arzberg“ im Februar 1998 sagte, die Gewinne privatisiert und die Verluste sozialisiert.
Das gehört alles zur Dringlichkeit, Herr Präsident. – Also: Die Gewinne wurden privatisiert, die Risiken und Verluste sozialisiert.
Am 24. März veröffentlichte die „Torgauer Zeitung“ einen Bericht über das Gespräch von Staatsminister Kupfer mit Vertretern der BIKO – der Bürgerinitiative – und den Bürgermeistern von Beilrode und Arzberg. In ihm wird der Minister wie folgt zitiert: Eine große und umfassende Lösung für den Verband sei in greifbare Nähe gerückt. Die Staatsregierung plane, die Umlagenhöhe der Mitgliedsgemeinden deutlich zu senken und eine Teilentschuldung durchzuführen.
Dann folgt der ministerielle Satz: „Was jetzt geplant ist, ist endgültig.“
Das heißt konkret: Der Zweckverband wird nur teilentschuldet, und die Kommunen müssen weiter Umlagen zahlen.
Kein Wort zur Abwicklung des VIA-Vertrags, kein Wort zum Rückkauf der Wasser- und Abwasseranlagen, zur Neuausrichtung des Abwasserbeseitigungskonzepts usw.
Aus dem Artikel, Frau Windisch, erfahren wir auch von der unmittelbar bevorstehenden Kabinettsentscheidung zur abschließenden Lösung der finanziellen Schwierigkeiten des Zweckverbandes Beilrode-Arzberg, obwohl noch viel zu viele Probleme und Fragen offen sind. Um noch korrigierend vor dem Beschluss des Kabinetts im Interesse der Einwohner im Einzugsbereich des Zweckverbandes eingreifen zu können, ist heute eine Beschlussfassung des Landtags dringend geboten. Andernfalls werden mit dem endgültigen Kabinettsbeschluss unumkehrbare Tatsachen geschaffen, die bereits jetzt absehbar für die künftige Entwicklung und für die Menschen im Einzugsbereich des Zweckverbandes Beilrode-Arzberg von erheblichem Nachteil sein werden.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kommunalabgaben sind eine streitige Rechtsmaterie, zugegebenermaßen nicht nur hier in Sachsen. Seit Inkrafttreten des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes am 1. September 1993 ist eine Vielzahl von Überprüfungen durch Widerspruchsbehörden und Verwaltungsgerichte in Sachsen zu verzeichnen, deren Verfahrensgegenstand Fragen aus dem Kommunalrecht berühren.
Allein in der Datenbank „juris“ sind 194 Entscheidungen beim 5. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichtes mit dem Verfahrensgegenstand Sächsisches Kommunalabgabengesetz seit September 1995 dokumentiert. Da aber selbstverständlich nicht alle Entscheidungen veröffentlicht werden, liegt die Anzahl der rechtlichen Auseinandersetzungen am obersten Verwaltungsgericht Sachsens zu Fragen der Kommunalabgaben natürlich höher. Bei „juris“ finden sich weiterhin insgesamt 140 Entscheidungen der sächsischen Verwaltungsgerichte zu dieser Problematik. Diese Ergebnisse erfassen selbstverständlich nicht die Gesamtzahl der tatsächlich durchgeführten Verfahren insgesamt, die erheblich höher liegen dürfte.
Mit diesen Verfahren sind nicht nur beträchtliche Kostenrisiken für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger, sondern auch für die Behörden, sprich die Steuerzahler, verbunden. Sie führten und führen zu einer zeitlichen und personellen Belastung der zuständigen Gerichte und Behörden. Das ist allein schon an der oft mehrjährigen Verfahrensdauer erkennbar. Aus unserer Sicht ist das eine unzumutbare Situation für alle Beteiligten.
Aus den eben erläuterten Gründen hat die Fraktion DIE LINKE den Entwurf eines Gesetzes über Musterverfahren in Kommunalabgabenstreitigkeiten im Freistaat Sachsen eingereicht. Mit unserem Gesetz greifen wir die fast zehnjährigen guten Erfahrungen mit Musterverfahren aus Mecklenburg-Vorpommern auf. Den bürgerfreundlichen und den Rechtsstaat stärkenden Grund unserer Gesetzesinitiative möchte ich im Folgenden kurz erläutern.
Bei der Erarbeitung von kommunalen Abgabensatzungen haben die Einwohnerinnen und Einwohner der jeweiligen Kommune kein Mitsprache- und Entscheidungsrecht. Sehr häufig kommt es nach Inkrafttreten der Satzungen und dem Zustellen der Gebühren- und Beitragsbescheide
zu Streitigkeiten. Die Bürger legen Widersprüche ein. Diese werden zunächst verwaltungsintern von der Behörde selbst geprüft. In den allermeisten Fällen wird den Widersprüchen – natürlich – nicht abgeholfen. Nun besteht für die Bürger die Möglichkeit, gegen den Verwaltungsakt zu klagen, um die Bescheide gerichtlich überprüfen zu lassen. Dass viele Bürger von einer Klage wegen des hohen Kostenrisikos zurückschrecken, ist allgemein bekannt. Da nach dem Erlass einer kommunalen Satzung eine Vielzahl der Bürgerinnen und Bürger betroffen sind, kommt es in der Mehrheit der Fälle auch zu einer Vielzahl von Widersprüchen. Diese Widersprüche greifen in der Regel gleich gelagerte Rechtsfälle auf und richten sich oft gegen die Wirksamkeit der Satzung selbst.
Genau an dieser Stelle setzt unser Gesetzentwurf an. Gesetzlich soll die Möglichkeit eröffnet werden, in einem Verfahren – Musterverfahren – über die im Grunde inhaltlich gleich gelagerten Widersprüche einheitlich zu entscheiden.
Während des Verlaufs des Musterverfahrens ruhen alle anderen Widerspruchsverfahren zu dieser Problematik. Auf diesem Wege erreichen wir eine einheitliche Rechtsanwendung und die Minimierung der Verfahrenskosten. Außerdem wird durch die gerichtlichen Entscheidungen, die auch auf die ruhenden Verfahren verbindlich angewendet werden, sehr viel schneller Rechtssicherheit und Rechtsfrieden erreicht als bisher. Das trägt auch zur Akzeptanz der jeweiligen Satzung bei.
Wie haben wir nun in unserem Gesetzentwurf dieses Anliegen konkret umgesetzt? Durch die Änderung von § 3 Abs. 1 Nr. 7 des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes soll zukünftig gesetzlich geregelt werden, dass Widerspruchsverfahren zu einer Abgabensatzung ruhen a) bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Verfahrens zu dieser Satzung beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht, bei einem obersten Bundesgericht oder beim Europäischen Gerichtshof, b) wenn bei den genannten Gerichten, den Verwaltungsgerichten des Freistaates Sachsen, dem Sächsischen Verfassungsgerichtshof oder dem Bundesverfassungsgericht eine Rechtsfrage anhängig ist, die in einem Widerspruchsverfahren entscheidungserheblich ist. Außerdem soll c) die Widerspruchsbehörde in gleich gelagerten Fällen geeignete Verfahren als Musterverfahren auswählen und vorrangig entscheiden.Und d) ruhen auch in diesen Fällen die verbleibenden Widerspruchsverfahren bis zur Rechtskraft der Entscheidung im Musterverfahren. Schließlich wird im Buchstaben e) gesetzlich normiert, dass die Widerspruchsbehörde und die in einer Prozessgemeinschaft zusammengeschlossenen Widerspruchsführer die Durchführung des Musterverfah
rens und die sich für alle Beteiligten daraus ergebenden Rechte und Pflichten schriftlich vereinbaren.
Mit unserem Gesetzentwurf eröffnen wir aber nicht nur die Möglichkeit von Musterverfahren. In Punkt 2 legen wir die Neufassung des § 3 Abs. 4 vor. Diese soll nun endlich verbindlich den Rechtsanspruch der Bürgerinnen und Bürger auf Akteneinsicht regeln. In den meisten Bundesländern ist das Akteneinsichtsrecht in den Informationsfreiheitsgesetzen festgelegt. Wie immer hinkt Sachsen in puncto Demokratie und Bürgerfreundlichkeit den anderen Bundesländern hinterher. Das hat auch die Ablehnung des Entwurfs der Fraktion DIE LINKE eines Sächsischen Transparenzgesetzes am 10. Juli 2013 hier im Hohen Haus deutlich demonstriert.
Mit der Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf, meine Damen und Herren, können Sie ein starkes Signal an die Menschen in Sachsen senden, dass Sie in den vergangenen zwei Jahren gelernt haben, dass Geheimniskrämerei und sogenanntes Herrschaftswissen unser Land nicht weiterbringen. Nicht gegeneinander, nur miteinander sind die Probleme lösbar. Voraussetzung dafür ist allerdings der gleiche Wissensstand.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen, ich denke, dass der Gesetzentwurf eine große Mehrheit an Unterstützern finden wird, da er vernünftig ist. Er trägt demokratische Züge, eröffnet die Möglichkeit, Kommunalabgabenstreitigkeiten effektiv zu klären, und
führt zu Kosteneinsparungen bei den damit befassten Gerichten, den Verwaltungen und den Gebühren- und Beitragszahlern. Es ist ein Gesetzentwurf, der für alle Beteiligten nur Vorteile bringt.
Meine Damen und Herren, unsere Fraktion freut sich auf die Beratung mit Ihnen zu unserer Drucksache 5/14073 im federführenden Innenausschuss sowie im mitberatenden Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss und im mitberatenden Haushalts- und Finanzausschuss.
Danke.
Danke schön, Herr Präsident. Meine Damen und Herren! Wir beginnen mit der Wahl eines Mitglieds für die Parlamentarische Kontrollkommission. Die Abgeordneten werden in alphabetischer Reihenfolge aufgerufen und erhalten einen Stimmschein, auf dem entsprechend der angegebenen Drucksache der Kandidat für die Wahl in die Parlamentarische Kontrollkommission aufgeführt ist. Sie können sich zu dem Kandidaten durch Ankreuzen im entsprechenden Feld für Ja, Nein oder Stimmenthaltung entscheiden. Für die Wahl
in die Parlamentarische Kontrollkommission ist die Mehrheit der Mitglieder des Landtages, also mindestens 67 Jastimmen, erforderlich.
Wir beginnen mit der Wahl.
Danke, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als im Sommer dieses Jahres hier im Hohen Haus die Sächsische Verfassung im Zusammenhang mit der sogenannten Schuldenbremse geändert wurde, erinnerte sich manche und mancher daran, dass Diskussionen über eine Verfassungsänderung schon seit über einem Jahrzehnt nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch in den Fraktionen und beim Präsidenten des Sächsischen Landtages geführt wurden.
Ich meine die Debatte zur Reform der Volksgesetzgebung. Ich meine die Lösung des Problems der viel zu hohen Hürden und bürokratischen Hindernisse, die den Erfolg eines Volksgesetzgebungsverfahrens in Sachsen fast unmöglich machen.
Dass dem so ist, beweist sehr klar die Statistik der Häufigkeit von Volksanträgen, Volksbegehren und Volksentscheiden im Freistaat. Ich komme später auf die Statistik zurück. Das Volk kann sein in der Verfassung garantiertes Recht auf Ausübung der gesetzgebenden Gewalt praktisch nicht anwenden. Nicht nur für mich ist das eine tiefe Kluft von Verfassungstext und Verfassungspraxis.
In der Sächsischen Verfassung vom 27. Mai 1992 sind Parlament und Volk bewusst als gleichberechtigte Träger der gesetzgebenden Gewalt genannt, die ohnehin vom Volk ausgeht. – So Artikel 3 Abs. 1 Satz 1.
Ich kann die Parlamentarier nicht verstehen, die der direkten Demokratie mit Ängstlichkeit begegnen, weil diese die parlamentarische Demokratie aushöhlen und untergraben könnte. Die Praxis nicht nur in Europa, sondern auch in den USA zeigt doch, dass direkte Demokratie die parlamentarische ergänzt, vervollkommnet und belebt.
Meine Damen und Herren, es spricht nicht für eine gute demokratische Verfasstheit des Freistaates Sachsen, wenn er im „Volksentscheid-Ranking 2013“ von Mehr Demokratie! im Vergleich zu den anderen Bundesländern kontinuierlich fällt: vom dritten Platz im Jahre 2003 über den fünften/sechsten Platz im Jahre 2007 auf den siebten Platz im Jahre 2010. Die aktuelle Studie von 2013 zeigt, dass Sachsen auf Platz 8 rutschte, mit der Note 3,65, also gerade einmal „ausreichend“. Das sollte uns zu denken geben, wir müssen handeln.
Das Handeln beim Verfassungsgegenstand Volksgesetzgebung hat die CDU/FDP-Mehrheit bei der ersten Änderung der Sächsischen Verfassung in diesem Jahr bewusst verhindert. In den Absprachen der Fraktionen versteiften sie sich nur auf die Schuldenbremse und verweigerten sich strikt anderen Themen. Es ist aber höchste Zeit, dass das Volk eine echte Chance bekommt, gleichberechtigt neben dem Parlament Gesetze zu beschließen. Es ist höchste Zeit, dass das Volk seine Rechte auch anwenden kann.
Mit konkreten Zahlen, mit der Statistik zu der sächsischen Verfassungspraxis werde ich beweisen, dass die Hürden für die Volksgesetzgebung so hoch gesetzt sind, dass sie praktisch nicht überwindbar waren. Von Juli 1992 bis Oktober 2001 gab es in Sachsen acht Volksanträge, die das Unterschriftenquorum erreichten. Drei davon wurden wegen formaler Fehler nicht angenommen. Ein Volksantrag wurde nicht zum Volksbegehren weitergeführt, das war der Volksantrag von „BISS“.
Das bedeutet, dass überhaupt nur vier Volksbegehren im Freistaat durchgeführt wurden. Drei von den vier Volksbegehren scheiterten wegen Nichterfüllung des Quorums. Ein einziger Volksentscheid konnte in all den zurückliegenden Jahren stattfinden – ein Volksentscheid in 21 Jahren!
Meine Damen und Herren, seit 2001 gibt es keinen Volksantrag mehr. Über zwölf Jahre sind vergangen, ohne dass ein weiterer Volksantrag vorgelegt wurde. Das ist eine traurige Bilanz. Sie belegt die Chancenungleichheit von parlamentarischer und direkter Demokratie.
Ich kann deshalb nur noch einmal wiederholen: Es ist höchste Zeit, dass das Volk eine echte Chance bekommt, gleichberechtigt – ebenso wie das Parlament – Gesetze zu beschließen.
Aus diesem Grund hat die Fraktion DIE LINKE am 13. November den vorliegenden Antrag eingereicht. Wir wollen mit diesem Antrag das Parlament ermuntern und auffordern, nach über zwei Jahrzehnten des Inkrafttretens der Sächsischen Verfassung deren Artikel 74 Abs. 3 Satz 1 mit Leben zu erfüllen. Der Satz lautet: „Die Verfassung kann durch Volksentscheid geändert werden, wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder des Landtags dieses beantragt.“
Wenn wir heute beschließen, dem Volk direkt den Antrag zur Änderung der Verfassung und damit zur Erleichterung
der Volksgesetzgebung zur Abstimmung vorzulegen, dann erleben wir eine Sternstunde des sächsischen Parlamentarismus.
Erstens: Wir wenden zum ersten Mal den Artikel 74 Abs. 3 an, den die Verfassungsmütter und -väter bewusst aufnahmen, in Tradition der Verfassungen in Sachsen vor und nach der Zeit des Faschismus.
Zweitens: Seit 1990 ermöglichten wir zum ersten Mal dem sächsischen Volk, ein Referendum über seine Verfassung durchzuführen.
Drittens: Wir geben dem Volk als gleichberechtigte Partner bei der Ausübung der gesetzgebenden Gewalt die Entscheidung über ihre Volksrechte, über Quoren und Verfahren zur Volksgesetzgebung in die Hand. Das sind, so meinen wir, drei beachtliche Gründe, diesem Antrag heute zuzustimmen.
Das Instrument der direkten Demokratie, auf Beschluss des Parlaments ein fakultatives Verfassungsreferendum durchzuführen, gibt es lediglich in Baden-Württemberg, Bremen, Nordrhein-Westfalen und bei uns in Sachsen. Wir haben heute die Möglichkeit, den anderen zwölf Bundesländern zu zeigen, wie souverän der Sächsische Landtag mit diesem Instrument umgehen kann und dass ein Referendum ein würdiger und wichtiger Beitrag zur Stärkung der Demokratie ist.
Mit dem Beschluss zum Antrag wird die Durchführung eines Volksentscheids auf den Weg gebracht, mit dem das Volk über folgende Änderungen in der Verfassung entscheiden kann: a) Senkung des Quorums für einen Volksantrag von 40 000 auf 35 000 Unterschriften, also auf maximal 1 % der Stimmberechtigten, b) die Ausweitung des Themenkatalogs auf „sonstige Gegenstände der politischen Willensbildung“, c) die Senkung des Unterschriftenquorums für ein Volksbegehren von 450 000 auf 280 000, also auf maximal 8 % der Stimmberechtigten, und d) die Einführung einer Referendumsinitiative, die den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit eröffnet, über ein vom Landtag beschlossenes Gesetz mit einem Quorum von 175 000 Unterschriften – das sind 5 % der Wahlberechtigten – zu entscheiden. Die Initiative zu diesem Referendum geht also vom Volk aus.
Damit dieses verfassungsändernde Gesetz beschlossen wird, ist die Mehrheit der Stimmberechtigten notwendig. Das Volk stimmt bei diesem Referendum für seine Volkssouveränität – ganz im Sinne von Jean-Jacques Rousseau. Der begründet schon vor 250 Jahren in seiner Schrift „Vom Gesellschaftsvertrag oder Prinzipien des Staatsrechts“, dass er keine andere Quelle legitimer staatlicher Machtausübung als die freie Zustimmung der vollberechtigten Bürgerinnen und Bürger sah. In Sachsen sind wir ganz schön weit von einem solch „modernen Staat“ entfernt, habe ich erfahren müssen.
Nachdem ich jetzt in meinem Beitrag überzeugende Argumente zur Anwendung des Artikels 74 Abs. 3 Satz 1
vorgetragen habe, erwarte ich vom Hohen Haus Zustimmung. Wir verbessern damit, meine Damen und Herren, die Möglichkeit der Bevölkerung, sich an der demokratischen Gestaltung des Landes Sachsen zu beteiligen.
Danke.
Ja. Ich danke Ihnen, Herr Präsident. Ich danke der SPD-Fraktion, dass sie dem Antrag zustimmen wird.
Ich möchte, weil Sie sagten, dass Sie der Antrag verwirrt hat, an Folgendes erinnern: Im Jahr 2010 haben wir, als wir unseren Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über Volksanträge, Volksbegehren und Volksentscheide in den Landtag eingebracht haben, bei der Pressekonferenz gemeinsam mit Ihrem CDU-Kollegen Prof. Patzelt gesagt, dass wir hoffen, dass das Gesetz im Landtag eine Mehrheit findet. Wir haben ebenso gesagt, dass, wenn dies aber nicht der Fall sein sollte, wir den Weg über Artikel 74 Abs. 3 gehen werden, um diese Verfassungsänderung dem Volk zur direkten Abstimmung vorzulegen. Ausgangspunkt unseres heutigen Antrages war die Diskussion um die Verfassungsänderung. Wir sind hoffnungsvoll, dass Sie, Herr Schiemann, doch noch vernünftig werden.
Gut, einsichtig.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dieser Antrag ist wieder ein typisches Beispiel für die Täuschungsmanöver der NPDFraktion im Landtag. Wenn wir im zuständigen Ausschuss über die Abwasserproblematik beraten oder Experten anhören, fehlt die NPD, oder sie schweigt. Um dann wie heute hier die Tribüne des Landtags zu nutzen und sich als
Heilsbringer in der Öffentlichkeit aufspielen zu können, wird frech von der SPD und von der LINKEN kopiert.
Sie machen Politik, wie Guttenberg seine Doktorarbeiten schreibt. Sie wollen den Menschen nicht helfen, sondern auf ihren Sorgen Ihr parteipolitisches Süppchen kochen.
Auf eine solche Scharlatanerie können die Menschen im Vogtland, in ganz Sachsen verzichten.
Meine Damen und Herren, wir können beginnen. Die Abgeordneten werden wie immer in alphabetischer Reihenfolge aufgerufen und erhalten einen Stimmschein, auf dem entsprechend der angegebenen Drucksache die Kandidaten als Mitglieder beziehungsweise stellvertretende Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes aufgeführt sind. Sie können sich zu den Kandidaten durch Ankreuzen in dem entsprechenden Feld für Ja, Nein oder Stimmenthaltung“ entscheiden. Wer die erforderliche Zweidrittelmehrheit – das sind 88 Jastimmen – erhält, ist gewählt.
Meine Damen und Herren! Ist jemand im Saal, den ich nicht aufgerufen habe? – Das kann ich nicht erkennen.
Danke sehr, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Präsident hat den Anlass unserer heutigen Wahl und das Prozedere bereits erläutert. Ich werde es trotzdem noch einmal tun; denn bei der letzten Wahl vor nicht einmal zwei Jahren hat es Unstimmigkeiten und auch Beschwerden gegeben, weil einige Abgeordnete nicht richtig wussten, wie viele Kreuze zu setzen sind. Deshalb hat Herr Präsident es bewusst wiederholt: Jeder hat ein Kreuz zu setzen. Ich zeige es Ihnen noch einmal und mache es anschaulich.
Ich werde jetzt die Abgeordneten in alphabetischer Reihenfolge aufrufen. Sie erhalten einen Stimmschein, auf dem Sie entsprechend der Wahlvorschläge der Fraktionen ankreuzen können. Sie haben eine – eine einzige! – Stimme.
Sie müssen sich für eine dieser Listen entscheiden und dort Ihr Kreuz setzen. Wenn Sie zwei oder drei Kreuze setzen, ist das leider ungültig. Sorgen Sie dafür, dass Ihre Stimme gültig ist, und setzen Sie nur ein Kreuz!
Anschließend werden wir auszählen und die Sitze den Listen nach der Zahl der ihnen zugefallenen Stimmen im Höchstzahlverfahren nach d’Hondt zuteilen. Über die Zuteilung des letzten Sitzes entscheidet bei gleichen Höchstzahlen erforderlichenfalls das vom Präsidenten des Landtages zu ziehende Los.
Wir beginnen mit der Wahl. Denken Sie bitte daran: nur ein Kreuz!
Ist jemand im Saal, den ich nicht aufgerufen habe? – Das sehe ich nicht.
Meine Damen und Herren! Es geht gleich los.
Meine Damen und Herren! Wir wählen zwei stellvertretende Mitglieder und ein Mitglied des Verfassungsgerichtshofes.
Wie immer rufe ich die Abgeordneten in alphabetischer Reihenfolge auf. Sie erhalten einen Stimmschein, auf dem entsprechend der angegebenen Drucksache die Kandidaten als Mitglieder bzw. stellvertretende Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes aufgeführt sind. Sie können sich zu den Kandidaten durch Ankreuzen in dem entsprechenden Feld für Ja, Nein oder Stimmenthaltung entscheiden.
Wer die erforderliche Zweidrittelmehrheit – das sind 88 Abgeordnete – von Jastimmen erhält, ist gewählt.
Wir beginnen mit dem Namensaufruf.
Meine Damen und Herren! Sind Abgeordnete im Saal, die ich nicht aufgerufen habe? – Das ist nicht der Fall.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann meine Freude nicht verhehlen: Endlich wertschätzen die CDU und die FDP des Volkes Stimme. Sie begrüßen den Volksentscheid. Sie begrüßen den Volkswillen, den Willen der Mehrheit der Baden-Württemberger, die sich an der Volksabstimmung beteiligt haben.
Herr Schiemann, dass Sie aus Stuttgart 21 allerdings jetzt die Lehre ziehen, dass es keine Alternative zur repräsentativen Demokratie gibt, ist für mich vollkommen unverständlich. Direkte Demokratie ist übrigens auch keine Alternative zur repräsentativen Demokratie, sondern – –
Sie sind gleichwertig; Sie sagen das richtig. Da verstehe ich Ihre Worte nicht, die Sie vorhin gesprochen haben.
Trotz der Abstimmungsniederlage der Gegnerinnen und Gegner von Stuttgart 21 werten auch wir den Volksentscheid als einen Sieg der Demokratie. Es ist ein Erfolg der Protestbewegung, dass diese Volksabstimmung überhaupt stattgefunden hat. Das ist seit 40 Jahren das erste Mal, und darauf möchte ich hinweisen.
Selbstverständlich erkennen wir das Abstimmungsergebnis an. Wenn Sie, Herr Herbst, auf die Waldschlößchenbrücke und die Autobahn verweisen, dann kann ich Ihnen nur zurufen: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.
Ich erinnere an die zahlreichen Bürgerentscheide gegen Schulschließungen oder gegen den Bau der Müllverbrennungsanlage in Lauta. Zum Schicksal des ersten und einzigen Volksentscheides in Sachsen zu kommunalen Sparkassen will ich später sprechen. Eines möchte ich schon jetzt sagen: Wer so viel Ignoranz gegenüber Bürgerwillen und Bürgerforderungen zeigte, sollte jetzt schweigen und nicht mit dem Finger auf andere zeigen.
Zurück zu Stuttgart 21. Der Volksentscheid zeigte aus unserer Sicht, dass es zwischen den Befürwortern und Gegnern keine Chancengleichheit gegeben hat. Ich möchte nicht nur die hohen Hürden des Volksentscheides nennen. Auch durch Verschweigen von Herrschaftswissen und durch finanzkräftige Lobbyisten in der Wirtschaft wurde das Großprojekt durchgesetzt – koste es, was es wolle. Meine Damen und Herren, Demokratie lebt davon, dass die Chancen gleich verteilt sind und dass nur die Kraft und die Überlegenheit der Argumente zählen.
Schauen wir uns die gesetzlichen Quoren zur Volksabstimmung in Baden-Württemberg an. Mindestens ein Drittel – mehr als 33 % – der stimmberechtigten Bürgerinnen und Bürger hätten gegen das Großprojekt votieren müssen, um diesen Bau zu verhindern. Das sind mehr Prozente, als die jetzige Koalitionsregierung bei den letzten Landtagswahlen erhalten hat. Das passt doch nicht zusammen!
Wer Volksentscheide ernst nimmt, muss die Quoren senken!
Die demokratischen Möglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger sind zu stark begrenzt. Sie können sich kaum an wichtigen politischen Grundsatzentscheidungen beteiligen, auch zu Großprojekten. Das ist übrigens der Unmut, der durch die Bürgerinnen und Bürger in Stuttgart ausgedrückt worden ist. Die mündigen Bürgerinnen und Bürger werden das nicht länger hinnehmen. Auch das, meine Damen und Herren, ist ein Signal aus Stuttgart.
Erst vor zwei Monaten hatten wir hier in diesem Hohen Haus die Gelegenheit, uns für ein Gesetz zur direkten Demokratie zu entscheiden, das diesem neuen Zeitgeist entspricht. Es ist ein modernes Gesetz, das Bürgermitwirkung und Bürgermitbestimmung befördert und nicht durch unüberwindbare Ouoren und Bestimmungen
behindert. Meine Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP, Sie, die heute das Hohelied auf den Volksentscheid in Stuttgart singen, haben diesem Gesetzentwurf der LINKEN ihre Zustimmung verweigert.
450 000 Unterschriften – ich wiederhole: 450 000 Unterschriften – bleibt damit das Quorum für ein Volksbegehren in Sachsen. Das ist ein Volksentscheid-Verhinderungsquorum, meine Damen und Herren.
Herr Heidan, als Vogtländerin – –
Darf ich erst einmal zum Vogtländer sprechen? – Danke.
Danke. – Also, Herr Heidan, als Vogtländerin schäme ich mich „fei e weng“ für Ihren Redebeitrag. Das muss ich Ihnen wirklich sagen.
Wie vorhin angekündigt, komme ich vom ersten Volksentscheid in Baden-Württemberg in 40 Jahren zurück zum ersten Volksentscheid in Sachsen in 20 Jahren.
Herr Herbst, ich muss mich auf Ihre Rede beziehen: Sie sagten, wenn eine Entscheidung einmal steht, dann muss man sich auch daran halten. Klasse, das finde ich auch, und das sehen wir in unserer Fraktion genauso.
Über das Schicksal des einzigen erfolgreichen Volksentscheides aus dem Jahr 2001, nämlich über die kommunalen Sparkassen in Sachsen, muss ich hier im Landtag nicht viel sagen. Das ist allgemein bekannt. Dieser Volksentscheid hatte nur ein Jahr Bestand. Dieselbe Fraktion, die jetzt das Hohelied auf den Volksentscheid in Stuttgart singt – ich kann mich nicht erwehren, aber manchmal klingt für mich dieser Jubel wie Triumphgeheul –, stimmte bereits im Dezember 2002 hier im Landtag das Ergebnis des sächsischen Volksentscheides einfach weg. Sie kassierten das Gesetz zur kommunalen Sparkassenlandschaft.
Was schert die CDU der Wille des Volkes zur kommunalen Sparkassenlandschaft, wenn der Wille ihrer Staatsregierung der des Sachsen-Finanzverbandes ist? Welche fatalen Konsequenzen dies für Sachsen hatte, mussten wir in der Finanzkrise alle gemeinsam erleben.
Meine Damen und Herren! Volksentscheide dürfen nicht nur dann grünes Licht erhalten, wenn sie der CDU und deren Interessen nützen. Noch einmal: Volksentscheide – das hatten Sie, Herr Schiemann, gesagt; da bin ich ganz bei Ihnen – demonstrieren den Willen des Volkes. Den zu beachten und ernst zu nehmen ist höchste Aufgabe von uns Volksvertretern.
Wenn Stuttgart 21 diese Lehre in dieses Haus und in die Reihen der CDU-Fraktion getragen hat, dann war es tatsächlich ein Sieg der Demokratie. In diesem Sinne, meine Damen und Herren, freue ich mich auf den nächsten Volksentscheid in Sachsen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da Frau Köpping schon ausführlich auf die sogenannte Gleichwertigkeitsklausel eingegangen ist, werde ich mit meinem Beitrag andere, darüber hinausgehende Schwerpunkte setzen. Trotzdem sage ich gleich am Anfang meines Redebeitrages: Die Fraktion DIE LINKE wird dem SPD-Antrag zustimmen.
So sind wir.
Der Zugriff der Privaten auf den Abfall ist ohne Wenn und Aber zu streichen. Abfall der Bürgerinnen und Bürger gehört am Anfang der Verwertungskette in kommunale Hand.
Doch – und jetzt kommt das „Doch“: Wer A sagt, muss auch B sagen. Es ist nicht im Geiste der EU-Abfallrahmenrichtlinie und erst recht nicht der Vernunft, wenn die Kreise als Aufgabenträger bzw. ihre Zweckverbände die Abfälle gebrauchen, um ihre zu großen Abfallbehandlungsanlagen zu füttern. Abfälle sind Ressourcen, sind wertvolle Rohstoffe, die in unserer rohstoffarmen Zeit und in unserem rohstoffarmen Land sinnvoll zu nutzen sind. Sinnvoll nutzen heißt stoffliche Verwertung. Das schreibt auch die neue Abfallhierarchie vor.
Die fünfstufige Abfallhierarchie verändert die bislang im europäischen und nationalen Recht anerkannte dreistufige Abfallhierarchie von Vermeidung, Verwertung und Beseitigung. Sie wird in der Weise verändert, dass die Verwertung in drei gestufte Verwertungsoptionen aufgeteilt ist. Das sind erstens Vorbereitung zur Wiederverwendung, zweitens Recycling und drittens sonstige Verwertung, zum Beispiel energetische Verwertung. Diese Abfallhierarchie setzt eindeutig die Priorität bei der stofflichen Verwertung. Mit der Wiederverwendung und dem Recycling können sowohl die Rohstoffe als auch die in ihnen gebundene Energie im Kreislauf gehalten werden.
Herr Minister, der Freistaat sollte sich im Bund klar und eindeutig dafür einsetzen, dass energetische Kapazitäten vom Markt genommen werden, sodass Recycling der sonstigen Verwertung eindeutig vorgezogen wird. Das ist, wie ich schon sagte, eine Forderung der Europäischen Union.
Natürlich verstehen wir auch die Nöte der kommunalen Abfallentsorger, die im vergangenen Jahrzehnt große Abfallbehandlungsanlagen errichtet haben. Sie kämpfen jetzt um jede Tonne Müll, um ihre Anlagen auszulasten. Sie verfolgen damit das verständliche Ziel, die Abfallgebühren der Bürgerinnen und Bürger stabil zu halten.
Mit der Umsetzung der Abfallhierarchie wird ihren Abfallbehandlungsanlagen Futter entzogen. Das ist ein
großes Problem. Mit diesem Problem dürfen wir die kommunalen Entsorgungsträger nicht allein lassen. Hier steht die Staatsregierung in der Pflicht, die mit öffentlichrechtlichen Verträgen Ende der Neunzigerjahre die Kreise zum Anlagenbau drängte. Schon damals bezeichnete ich diese Verträge als Knebelverträge, die keine Möglichkeit zur Konzipierung eigener Gedanken für eine zukunftsfähige kommunale Kreislaufwirtschaft zuließen.
Heute dürfen zu den vergangenen Fehlentscheidungen nicht neue gepaart werden. Es ist eine günstige Zeit, aus der Kette dieser Fehlentscheidungen auszubrechen. Dazu sind aus unserer Sicht folgende Schritte notwendig:
Erstens. Der Abfall gehört vollständig in die Hände der Kommunen. Einen ersten Schritt dazu sollten wir heute gehen.
Zweitens. Wenn für alle Abfälle die Kommunen zuständig sein sollen, dann gehören auch die Verpackungen dazu. Auch über sie soll die Kommune die Verantwortung erhalten und mit dem Dualen System Übertragungsvereinbarungen verhandeln.
Drittens. Die Kommunen schreiben die in ihrer Hoheit eingesammelten Wertstoffe intelligent aus und vergeben die Aufbereitung, die Verarbeitung und die Behandlung an kleine und mittlere Unternehmen in der Region. Somit bleibt die Wertschöpfung vor Ort und Arbeitsplätze werden geschaffen.
Viertens. Die von den Bürgerinnen und Bürgern zu zahlenden Abfallgebühren müssen stabil gehalten oder sogar gesenkt werden.
Das kann zum einen durch Verkaufserlöse aus Wertstoffen erreicht werden, die die Kreise von der regionalen Abfallwirtschaft erhalten, und zum anderen durch den Rückbau der Überkapazitäten bei den kommunalen Abfallbehandlungsanlagen. Als Unterstützung dafür
sollen Fördermittel im Landeshaushalt eingestellt werden.
Meine Damen und Herren, Sie sehen, die Linksfraktion hat klare Vorstellungen zur Zukunft der Abfallwirtschaft als Wertstoff- und Kreislaufwirtschaft. Mit unserer Zustimmung zum Antrag der SPD gehen wir heute einen kleinen Schritt in diese Zukunft.
Danke.
Herr Präsident! Meine Frage betrifft den textilen Maschinenpark der Westsächsischen Hochschule Zwickau (WHZ) am Standort Reichenbach
Die geplante Verlegung des Studienganges Textil- und Ledertechnik der WHZ von dem Standort Reichenbach zu dem Standort Zwickau wirft unter anderem die Frage nach dem Umgang mit dem textilen Maschinenpark im Zusammenhang mit dem Umzug auf.
Fragen an die Staatsregierung:
1. Welche konzeptionellen Ideen der Staatsregierung für die Verlegung des wertvollen textilen Maschinenparks von Reichenbach nach Zwickau zur Sicherstellung der vollständigen textilen Kette liegen vor?
2. In welchem Gebäude auf dem Campusgelände sollen die Textilmaschinen aufgestellt werden und welche Umzugskosten werden veranschlagt?
Frau Staatsministerin, „sich eine Vorstellung vor Ort machen“ – Sie meinen, vor Ort in Zwickau, nicht in Reichenbach? Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie sich mit Staatsminister Prof. Unland in Zwickau eine Vorstellung von den Gegebenheiten machen?
Aber wo vor Ort, das können Sie mir jetzt noch nicht sagen?
Okay, danke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über keinen anderen Abfallzweckverband wird in diesem Hohen Haus so viel gesprochen wie über den Regionalen Abfallverband Oberlausitz-Niederschlesien, kurz RAVON – und das seit der 2. Legislaturperiode. Der RAVON ist im Abfallbe
reich das Paradebeispiel für eine verfehlte Politik der Staatsregierung, vergleichbar mit dem Zweckverband Beilrode-Arzberg im Abwasserbereich. Er ist der Abfallzweckverband, der der Verbrennungsphilosophie der Staatsregierung als erster folgte. Der damalige CDUUmweltminister Arnold Vaatz war es doch, der für Sachsen acht – acht! – Müllverbrennungsanlagen wie Sauerbier anpries.
Heute können wir – zum Segen für Abfallgebührenzahler und für Rohstoffe – sagen: Es blieb der einzige, der folgte. Ich meine „folgen“ jetzt in seiner doppelten
Bedeutung. Trotz unüberhörbarer Proteste in der Region, warnenden Stimmen von Kreisräten und Landtagsabgeordneten zur Größe der Anlage und einem Bürgerentscheid in Lauta gegen die Müllverbrennungsanlage wurde das Projekt durchgezogen.
Gestern sprach ich bei der 2. Lesung des Gesetzes zur Volksgesetzgebung von dem großen Potenzial an Wissen und Ideen in der Bevölkerung, das in Sachsen brachliegt. Auch in der Region des RAVON hat sich gezeigt: Fehlentscheidungen hätten vermieden werden können, wenn die Verantwortlichen auf das Volk gehört hätten.
Das taten sie nicht. Aber die Fach- und Rechtsaufsichtsbehörde, das Regierungspräsidium Dresden, unterstützte und befürwortete im Auftrag der Staatsregierung das überdimensionierte Müllprojekt.
Deshalb ist Ihr heutiger Verweis auf die kommunale Selbstverwaltung zynisch, Herr Minister Kupfer.
Sie lenken damit nur von Ihrer politischen Verantwortung als Regierung ab. Alle Einwendungen und Mahnungen wurden missachtet. Das Regierungspräsidium genehmigte im Jahr 1998 Bau und Betrieb der zu großen Anlage.
Der Betreibervertrag mit der auf 25 Jahre festgelegten Laufzeit wurde bereits 1997 genehmigt. Darin sind auch die 110 000 Tonnen festgeschrieben, die der RAVON jedes Jahr zu liefern oder eben zu bezahlen hat, und eine starre Preisgleitklausel bis zum Jahre 2028. Vom RAVON sind 2028 pro Tonne rund 166 Euro zu zahlen. 2010 waren es 113,36 Euro. Auf dem freien Markt kann die Tonne übrigens für 40 Euro entsorgt werden. Diese Zahlen belegen, dass sich der Betreibervertrag als Knebelvertrag entpuppte. Das Risiko bei Nichtauslastung der Müllanlage trägt der RAVON und damit die Bürger und die kleinen Unternehmen in der Lausitz.
Sehr geehrter Herr Minister! Bitte beantworten Sie mir die folgende Frage: Wie sollen die immer weniger werdenden Menschen in den sogenannten Entleerungsräumen – ein sehr schlimmes Wort! – diese hohen Infrastrukturkosten auf Dauer bezahlen?
Unabhängig von den Entscheidungen in der Vergangenheit gilt: Eine vernünftige Politik zeichnet sich dadurch aus, Fehler zu korrigieren, selbst wenn es die eigenen sind.
Die Staatsregierung ist in der Pflicht, für ihre verfehlte Politik einzustehen. Die Landräte haben gelernt. Zurzeit verhandeln sie mit den Betreibern der T. A. Lauta. Ziel ist die Senkung der Abfallmindestmengen, die der RAVON
zu liefern hat. Ende des Jahres läuft die Vereinbarung zwischen dem RAVON und dem Betreiberkonsortium aus, nach der von 2007 bis 2011 nur eine Mindestmenge von 95 000 Tonnen gilt.
Jetzt muss die Regierungsautorität den Landräten Rückenhalt und Nachdruck geben. Misslingen die Verhandlungen, hat der RAVON wieder für 110 000 Tonnen zu zahlen. Die Menge an Hausmüll beträgt derzeit etwa 70 000 Tonnen. Ich wiederhole: 70 000 Tonnen! Ich bin jedes Mal erneut entsetzt, wenn ich die Differenz zwischen 110 000 und 70 000 – das sind 40 000 – sehe. Das ist mehr als ein Drittel. Die Bürgerinnen und Bürger trennen Müll und sparen Abfall ein, und die Konsequenz wäre, dass sie dafür mit steigenden Abfallgebühren bestraft werden.
Meine Damen und Herren! Spätestens 2012 tritt das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz in Kraft. Künftig wird gesetzlich vorgeschrieben, mehr Rohstoffe aus dem Abfall zu gewinnen. Die Wertstofftonne wird eingeführt. Ab 2015 müssen Bioabfälle sowie Papier-, Metall-, Kunststoff- und Glasabfälle flächendeckend getrennt gesammelt werden.
Ab 2013 soll ein Abfallvermeidungsprogramm erstellt werden. In Deutschland gilt dann die fünfstufige Abfallhierarchie: erstens die Vermeidung, zweitens die Vorbereitung zur Wiederverwendung, drittens das Recycling – die stoffliche Verwertung –, viertens die sonstige Verwertung wie zum Beispiel die energetische Verwertung, fünftens die Beseitigung. Dem Müllofen wird dann per Gesetz Futter und Heizwert entzogen. Ökologisch und politisch ist das vernünftig. Rohstoffe werden weltweit immer knapper und teurer. Sie müssen zurückgewonnen und wiederverwendet werden.
Ein Vertrag, der feste Mengen und Heizwerte für 25 Jahre bei ständig steigenden Entsorgungspreisen festschreibt, behindert den technischen Fortschritt und die Innovationen in der Recyclingwirtschaft.
Meine Damen und Herren von der CDU! Sie beanspruchen ständig das Prädikat, gute Politik zu betreiben und besonders sparsam mit Geld umgehen zu können. Hier aber, im Verbandsgebiet des RAVON, wird das Geld mit offenen Händen rausgeschmissen. Das ist ja auch das Geld der Bürger und kleiner Unternehmen. Auch aus diesem Grunde fordern wir von der Staatsregierung, ein Konzept zur Abwendung nachteiliger Folgen für die Bürgerinnen und Bürger im Gebiet des RAVON vorzulegen. Diese Forderung erhebt auch die Bundestagsabgeordnete der LINKEN aus der Lausitz, Caren Lay.
Das Konzept soll folgende Maßnahmen und Schritte beinhalten:
a) die Vertragsverhandlungen des RAVON mit den privaten Betreibern der Müllverbrennungsanlage Lauta fachkompetent zu begleiten;
b) eine deutliche Absenkung der derzeit vertragsmäßig vom RAVON zu liefernden Abfallmengen aus dem Verbandsgebiet.
Wenn die Verhandlungen nicht zum Erfolg führen,
c) die Übernahme eigener Verantwortung der Staatsregierung als oberste Rechts- und Fachaufsichtsbehörde für den Knebelvertrag zwischen dem RAVON und dem Betreiberkonsortium durch die Bereitstellung von Finanzmitteln zum Ausgleich von geringeren Lieferungen.
Wir bitten außerdem mit unserem Antrag den Sächsischen Rechnungshof um ein Gutachten hinsichtlich des Vertrages zwischen dem RAVON und den Betreibern Vattenfall bzw. STEAG. Das Gutachten soll die offensichtlichen Fehler bei der Vertragsgestaltung darlegen. Das wird bei den zukünftigen Vertragsverhandlungen helfen.
Das Ziel unseres Antrages geht aber über den RAVON hinaus. Wir wollen, dass das von der Staatsregierung erarbeitete Konzept als Beispiel für andere Zweckverbände dienen kann, ihre Abfallwirtschaftspolitik auf die neuen gesetzlichen Bedingungen einzustellen. Mit der Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes wird die Abfallwirtschaft konsequent auf Abfallvermeidung und Recycling ausgerichtet.
Herr Minister Kupfer, Sie wissen doch, dass der Kampf um den Müll schon lange tobt. Die Preise sind rapide abgestürzt. Es ist deshalb für mich völlig unverständlich, dass Sie in Ihrer Antwort auf unseren Antrag die Möglichkeit der Akquisition von Abfall auf dem freien Markt durch den RAVON in Betracht ziehen. Sie verschließen die Augen vor den Entwicklungen der Abfallwirtschaft und lassen die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger mit ihren Problemen allein.
Meine Damen und Herren von der Staatsregierung! Wenn Sie starr an Ihrer Politik festhalten, demonstrieren Sie wieder einmal, dass Sie aus Fehlern nicht lernen können und wollen. Sie sind nicht bereit, sie zu korrigieren. Das aber ist dringend notwendig. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.
Herr Bienst, kennen Sie als Kreisrat den Betreibervertrag, auch den Erbbaurechtsvertrag und die danach verhandelten Verträge oder die Anlagen zu dem Betreibervertrag? Kennen Sie die?
Also kennen Sie auch die Preisgleitklausel und was da enthalten ist?
Ich wollte gern wissen, ob Sie die Verträge kennen.
Danke schön, Herr Präsident! Herr Minister, da Sie am Schluss der Debatte gesprochen haben und Ihre Ausführungen am aktuellsten sind, möchte ich zuerst Ihnen erwidern. Sie haben recht: Die Prognosen hat der RAVON von einem Ingenieurbüro erarbeiten lassen; man hat sich darauf gestützt. Auch wenn der Betreibervertrag 1997 geschlossen und die Anlage 1998 genehmigt worden ist, so ist doch erst Ende 2001/Anfang 2002 mit dem Bau begonnen worden. Ich lese Ihnen die Zahlen zur Abfallwirtschaft der damaligen Zeit vor – das ist also schon die Zeit des Baubeginns –: 2001 ergab die Bilanz des Hausmülls im RAVON-Gebiet 76 128 Tonnen, mit Gewerbe- und Siedlungsabfall knapp 95 000 Tonnen. Schon zum Zeitpunkt des Baubeginns lag die Zahl unter den vereinbarten 110 000 Tonnen. Man kann doch nicht argumentieren, die von einem Ingenieurbüro 1997 kalkulierten Werte sollten unverändert fortgelten, wenn die Mengen zum Zeitpunkt des Baubeginns etwas ganz anderes sagten. Das kaufe ich Ihnen nicht ab,
Herr Kupfer. Die grundlegenden Zahlen hätten nicht 15 Jahre alt sein müssen, sondern aktuell sein können. Im Jahr 2002 waren es noch 73 500 Tonnen Hausmüll. Deshalb, Herr Minister, kann ich Ihrer Argumentation nicht folgen; sie ist für mich nicht stimmig.
Zweitens zu Herrn Bienst. – Nein, wir bleiben bei Ihnen, Herr Minister. Ich nehme gleich noch Frau Jonas dazu. Herr Bienst, Sie sind gleich dran.
Hier wurde wieder das Hohelied auf die kommunale Selbstverwaltung gesungen. Die kommunale Selbstverwaltung ist auch mir heilig. Das Problem ist doch: Sie mit Ihrem mehr oder weniger sanften Druck – Fördermittel usw., auch wenn ich weiß, dass in diesem Fall keine geflossen sind – lenken Abwasser- und Abfallaufgabenträger in eine ganz bestimmte Richtung. Das ist der politische Druck, den Sie ausüben. Wenn dann das Kind in den Brunnen gefallen ist, die überdimensionierten Anlagen also gebaut worden sind, lassen sie die Träger allein stehen mit dem Argument, das gehe Sie nichts mehr an, weil es eine Angelegenheit der kommunalen Selbstverwaltung sei. Das kann es doch nicht sein. Dann halten Sie das Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung besser von Anfang an durch; das wäre günstiger.
Schnell noch zu Herrn Bienst!
Sie irren sich, wenn Sie die Fehlplanung auf nicht vorhersagbare Entwicklungen zurückführen. Ich sagte es schon vorhin: Bereits 1993 wussten Wissenschaftler vom Bevölkerungsrückgang.
Gleich. – Wir sind heute noch bei 600 000 Tonnen. – Entschuldigung! Ich habe einen kleinen „Müllschaden“. Wir sind bei 600 000 Einwohnern im Verbandsgebiet von ehemals 700 000, also 100 000 weniger.
Ich muss leider zum Ende kommen. Deshalb sage ich es Ihnen dann persönlich, Herr Bienst.
Ich bitte Sie im Interesse der Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen vor Ort, dem Antrag zuzustimmen.
Sie, Herr Präsident, bitte ich, über den Antrag ziffern- und buchstabenweise abstimmen zu lassen.
Danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu Beginn meines Beitrages möchte ich Ihre Fantasie anregen. Leider sind nur sehr wenige Abgeordnete anwesend, deren Fantasie ich anregen kann. Aber Herr Piwarz ist da und er ist bekannt für seine reiche Fantasie.
Lassen Sie uns die Demokratie doch einmal bildlich darstellen als eine junge, fröhliche, mitreißende, sehr lebendige Frau. Meine Herren, es kann nur eine Frau sein. Die Demokratie und die Volksherrschaft sind weiblich.
Demokratia – so ist ihr griechischer Name – eilt auf ihren wohlgeformten Beinen immer dorthin, wo Probleme auftreten. Weil sie sehr anziehend ist, beteiligen sich an Meinungsbildung, Problemlösungen und gesellschaftlicher Gestaltung viele, viele Menschen – auch jene, die für fünf Jahre vom Volk zu Volksvertretern gewählt worden sind. Das eine Bein Demokratias verkörpert nämlich die repräsentative und parlamentarische Demokratie, das andere Bein die direkte Demokratie.
Demokratia ist eine sportliche und kühne Frau, aber die Hürden, die sie mit dem Bein direkte Demokratie beim Lauf zur Teilhabe, Mitbestimmung und Entscheidung in Sachsen zu überwinden hat, sind überdurchschnittlich
hoch. So bleibt sie beim Sport zur Problemlösung hängen, stolpert über die hohen Hürden und fällt. Am Bein wird ein komplizierter Bruch diagnostiziert.
Demokratia kann nicht mehr gerade stehen, geschweige denn laufen. Ein Standbein ist kaputt. Sie ist nicht mehr lebendig, sie humpelt, kränkelt und geht am Stock. Doch sogar der wird ihr von der Staatsregierung, den Herrschenden, immer wieder entrissen. So knickt auch die repräsentative Demokratie ein. Als Beispiel seien dafür die Landesbank, die Kreisreform oder jüngst die Handygate-Affäre genannt.
Meine Damen und Herren! Wir, die das Volk im Parlament repräsentativ vertreten, sollten die deutlichen Signale aus ganz Deutschland endlich hören. Stuttgart 21 und aktuell die Auseinandersetzung um die Flugrouten in Berlin, aber auch die Wahlbeteiligung zeigen, dass das Volk eine gesunde, lebendige Demokratie fordert und nicht gewillt ist, die Arroganz der Macht länger zu ertragen. Wir müssen handeln.
Deshalb, sehr verehrte Volksvertreter von CDU und FDP, springen Sie über Ihren ideologischen Schatten und stimmen Sie unserem Gesetz und den dazu vorgelegten Änderungen zu!
Ich kann mir schon lebhaft vorstellen, was mich Herr Piwarz fragen möchte. Bitte sehr, Herr Piwarz.
Ich möchte sehr gern eine Zwischenfrage von Herrn Piwarz zulassen.
Herr Piwarz, das Leben hat Sie überholt.
Wenn Sie, bitte, einmal schauen würden...
Herr Piwarz, darin irren Sie sich auch – das gehört noch zu meiner Antwort –, weil meine Rede insgesamt sieben Minuten dauert und ich bin ja gerade am Anfang. Es handelte sich also um höchstens eine halbe Minute.
Ich fahre fort. Herr Piwarz, ich war soeben bei dem ideologischen Schatten stehengeblieben, den Sie und Ihre Kollegen aus den Fraktionen der CDU und der FDP bitte überspringen mögen, um diesem Gesetz und unseren Änderungsanträgen zuzustimmen;
denn mit der mehrheitlichen Zustimmung kann sowohl die repräsentative als auch die direkte Demokratie in Sachsen gestärkt werden. Der heutige Tag würde als demokratische Sternstunde in die Geschichte eingehen.
Vor der Schlussabstimmung noch einmal zurück zur 1. Lesung des Gesetzentwurfes. Diese fand vor einem Jahr hier im Hohen Haus statt. Im März 2011 wurde das Gesetz im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss und im Kreis von Bürgerinitiativen angehört. Die in der Anhörung von den Gutachtern Prof. Theo Schiller, Prof. Stefan Haack, Dr. Peter Neumann, Dr. Michael Efler und Prof. Werner Patzelt vorgetragenen Anregungen, Bedenken, Vorbehalte und Vorschläge prüfte unsere
Fraktion sehr gründlich. Im Ergebnis legten wir dem zuständigen Ausschuss einen 14 Punkte umfassenden Änderungsantrag vor. Die wesentlichen Änderungen nenne ich jetzt; die einzelnen Punkte werden bei der Einbringung des Änderungsantrages von meinem Kollegen Klaus Bartl vorgetragen.
Der Gutachter bei den Bürgerinitiativen Prof. Patzelt setzte sich leidenschaftlich für eine Referendumsinitiative und ein Informationsheft ein. Beide Anregungen griffen wir auf. Bei Volksentscheiden soll zukünftig ein Informationsheft Pflicht werden, in dem das Pro und Kontra einer Entscheidung deutlich gemacht wird. Das Volk erhält mit der Einführung des fakultativen Gesetzesreferendums in die Verfassung die Möglichkeit, vom Landtag beschlossene Gesetze wieder zu „kassieren“. Das verlangt von uns Gesetzgebern, dass wir zukünftig die Gesetze referendumssicher erarbeiten müssen, also den Interessen der Bürgerinnen und Bürger entsprechend.
Außerdem erhöhen wir, wenn auch schweren Herzens, das Quorum für Volksbegehren von 5 auf 8 %, also von 175 000 auf 280 000 Unterstützerunterschriften. Wir nahmen damit Dr. Neumanns und Dr. Haacks verfassungsrechtliche Bedenken ernst, obwohl wir die Meinung vertreten, dass die Fünf-Prozent-Hürde für den Eintritt in ein Parlament auch für das Einbringen eines Volksgesetzes gelten sollte.
Vor der Abstimmung über die einzelnen Artikel und Paragrafen fasse ich noch einmal die wichtigsten Neuerungen sowohl der Sächsischen Verfassung als auch des Gesetzes über Volksantrag, Volksbegehren und Volksentscheid zusammen, die mit unserem Gesetzentwurf und dem dazugehörigem Änderungsantrag gesetzliche Praxis werden sollen:
Erstens: Senkung des Quorums für Volksanträge von 40 000 auf 35 000 oder nicht mehr als 1 % der Stimmberechtigten.
Zweitens: Senkung des Quorums für Volksbegehren von 450 000 auf 280 000 oder nicht mehr als 8 % der Stimmberechtigten.
Drittens: Einführung der fakultativen Referendumsinitiative und der Möglichkeit, ein vom Landtag verabschiedetes Gesetz dem Volk zur Entscheidung in einem Volksentscheid vorzulegen.
Viertens: Beauftragung des Landtages, sich mittels Volksantrags mit Gegenständen der politischen Willensbildung zu befassen.
Fünftens: Die Beratungspflicht der Initiatoren von Volksinitiativen durch den Präsidenten des Landtags.
Sechstens: Informationsheft zu dem Gegenstand eines Volksentscheides.
Siebentens: Neben der freien Unterschriftensammlung auch die Auslegung der Unterschriftenlisten in Gemeindeverwaltungen und die Einführung der elektronischen Signatur.
Meine Damen und Herren, sieben Neuerungen auf einen Streich. Sieben Neuerungen, die dem Wollen der Bevölkerung entsprechen, da sie Mitmischen und Einmischen, Mitgestaltung und Mitentscheidung ermöglichen. Sieben Neuerungen, die die Demokratie in Sachsen aufblühen lassen.
Stimmen Sie zu!
Danke schön, Herr Schiemann. – Herr Schiemann, wenn es stimmt, was Sie sagen, dass Sachsen auch 20 Jahre nach der Einführung der Verfassung noch immer an Spitzenplätzen steht, was die Möglichkeiten der direkten Demokratie betrifft, so möchte ich Sie fragen: Weshalb ist seit nunmehr über zehn Jahren in Sachsen nicht ein Volksantrag erfolgreich gewesen, erst recht kein Volksbegehren, und von Volksentscheiden haben wir in den ganzen 20 Jahren nur einen gehabt?
Ich hoffe es. – Herr Schiemann, Sie haben nicht auf meine Frage geantwortet. Sie lautete, wie Sie sich angesichts dieser – von Ihnen sehr gelobten – Bedingungen in Sachsen erklären können, dass es seit elf Jahren keinen erfolgreichen Volksantrag, geschweige denn ein Volksbegehren oder einen Volksentscheid mehr gegeben hat. Haben Sie zur Kenntnis genommen, dass in den vergangenen 20 Jahren in anderen Ländern, zum Beispiel Berlin und Hamburg, die Volksgesetzgebung viel moderner und besser ausgestaltet wurde und dass Sachsen zurzeit im Ranking der Volksgesetzgebung deutschlandweit nur einen Mittelplatz belegt?
Meine dritte Frage: Haben Sie festgestellt, dass unser Gesetzentwurf genau den modernen Ansprüchen der heutigen Zeit Genüge tut?
Herr Biesok, haben Sie festgestellt, dass wir mit der starren Zahl – wie Sie sagen – und der Prozentzahl die Architektur – um den sehr verehrten Kollegen Schiemann zu zitieren – der bisherigen Volksgesetzgebung in der Verfassung aufgegriffen haben?
So steht es jetzt drin, genau.
Ich danke, Herr Präsident, dass Sie sich in mich hineinfühlen können und wissen, was mich bewegt, und dass ich jetzt das Wort bekomme. Gemäß § 79 Abs. 5 beantrage ich für meine Fraktion, die Drucksache 5/6889 auf die Tagesordnung der heutigen Plenarsitzung zu nehmen. Die Drucksache 5/6889 hat das Thema „Fünfjähriges Moratorium bis zur Entscheidung über die Zukunft des Hochschulstandortes Reichenbach
im Vogtland“. Dieser Antrag wurde gemäß § 51 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung von sieben Abgeordneten des Landtages aus den Fraktionen DIE LINKE, SPD und GRÜNE eingebracht. Die Aufnahme in die Tagesordnung soll erreichen, dass noch rechtzeitig vor Beginn des Semesters der Landtag ein Zeichen für den Erhalt des Hochschulstandortes setzt.
Ich danke Ihnen für den Vorschlag. Herr Präsident, es geht darum, dass wir die Gleichbehandlung dieses Antrags mit dem anderen Antrag von Abgeordneten des Landtages erreichen möchten.
Wir beginnen mit dem Buchstaben N.