Protocol of the Session on September 1, 2010

(Zuruf des Abg. Andreas Storr, NPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Machen wir uns nichts vor: Die Festlegung eines solchen Gedenktages wird ohne eine breite gesellschaftliche Debatte nichts an der Wahrnehmung des Tages und der ihm zugesprochenen Bedeutung ändern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie wird auch nicht ohne Weiteres dazu führen, dass die notwendigen gesellschaftlichen Debatten darüber geführt werden, wie es zur Etablierung eines so menschenverachtenden Herrschaftssystems, zum Krieg und zu den Verbrechen im Zweiten Weltkrieg kommen konnte. Ein solcher Gedenktag wird ebenfalls nicht zu verstärktem Nachdenken über die Möglichkeiten des Widerstandes, aber auch die Folgen von Passivität und Mitläufertum führen, wenn ihm insbesondere die notwendige Begleitung in den Lehrplänen unserer Schulen fehlt.

Eines noch speziell an die Adresse der Linksfraktion: Eine solche Gesetzesinitiative verliert an Glaubwürdigkeit, wenn sie sich der Debatte über den Missbrauch des Gedenkens verweigert. Die berechtigten Feiern am 8. und 9. Mai wurden von der damaligen Partei- und Staatsführung der Sowjetunion – und damit auch von deren Satellitenstaaten inklusive der DDR – schnell zur Machtdemonstration mit aufwendigen Militärparaden missbraucht.

(Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Der Anteil der westlichen Alliierten an der Befreiung wurde ausgeblendet. Schlimmer noch: Aus der Würdigung des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus wurde ein Aufruf zum Kampf gegen die sogenannten imperialistischen Westmächte abgeleitet. Dieser Aspekt gehört ebenfalls zur Diskussion gestellt, und dazu habe ich heute schon wieder nichts gehört.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Der ursprüngliche Gesetzentwurf hat einen schweren Fehler, der ihn – bei aller Sympathie für das Grundanliegen – für uns nicht zustimmungsfähig macht. Das ist die Einordnung des 8. Mai als Gedenk- und Trauertag. Dies ist mehr als unglücklich und nicht nur ein kleiner Fehler, Herr Külow; denn damit geben Sie unbelehrbaren Geschichtsrevisionisten eine Steilvorlage. Glücklicherweise haben Sie die dahin gehende Kritik von GRÜNEN und SPD im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss aufgenommen und einen Änderungsantrag eingebracht. Dadurch wird der Gesetzentwurf für unsere Fraktion zustimmungsfähig. Wird der Änderungsantrag abgelehnt, dann werden wir uns bei der Abstimmung zum ursprünglichen Gesetzentwurf enthalten. Ich schließe mich dem Appell an die Koalitionsfraktionen an, zumindest diesen Änderungsantrag passieren zu lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren! Es bleibt mir – auch bei Ablehnung dieses Gesetzentwurfes – jedoch eine Hoffnung: Ich setze darauf, dass es den demokratischen Fraktionen im Sächsischen Landtag auch ohne förmlichen Gedenktag künftig gelingen wird, nicht nur den 27. Januar, sondern auch den 8. Mai in einer würdigen Form in diesem Hause zu begehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Gerstenberg. – Nun für die Fraktion der NPD Herr Abg. Gansel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bison, in Ihrer – –

(Mehrere Zurufe: Biesok!)

Biesok, ach, was für ein freudscher Versprecher!

In Ihrer Aufzählung fehlte mir eine ganz wesentliche Ausstellung: „Verbrechen des Deutschen Schäferhundes 1939 bis 1945“. Das fehlte mir in Ihrer Aufzählung hochkarätiger geschichtspolitischer Aufklärungsarbeit.

(Beifall bei der NPD – Martin Dulig, SPD: Das ist Ihr Niveau!)

Aber nun zum eigentlichen Antrag der Linken. Der vorliegende Gesetzentwurf ist die Fortschreibung kommunistischer Geschichtspolitik mit anderen Mitteln; dafür legte allein schon der Redner Dr. Külow beredtes Zeugnis ab. Mit einer geschichtspolitischen Räuberpistole will uns die mehrfach gehäutete SED/PDS/Linke eine Deutung des 8. Mai 1945 unterschieben, die weder von der deutschen Erlebnisgeneration in ihrer großen Mehrheit geteilt wird, noch von überhaupt einem Deutschen mit gesundem Geschichtsbewusstsein und nationaler Selbstachtung.

Der 8. Mai 1945 ist alles Mögliche, aber für die Deutschen ganz bestimmt kein Tag der Befreiung. Eine Befreiung von Hab und Gut, von Leben und Heimat – das schon. Aber das meinen die SED-Nachfolger am allerwe

nigsten. Der 8. Mai 1945 markiert unter anderem den Beginn der Vertreibung von mehr als 15 Millionen Deutschen aus ihren jahrhundertealten Siedlungsgebieten östlich von Oder und Neiße. Schätzungsweise 2,5 Millionen Deutsche, darunter besonders viele Frauen und Kinder, verloren bei der gewaltsamen Vertreibung aus Pommern und Schlesien, Ostpreußen und dem Sudetenland ihr Leben.

(Andreas Storr, NPD: Nach dem 8. Mai 1945!)

Ja, nach dem 8. Mai. – Der 8. Mai 1945 markiert darüber hinaus den Beginn der Gefangenschaft von Millionen Wehrmachtsangehörigen, von denen mehr als eine Million auf elende Art und Weise ums Leben kamen, und das längst nicht nur in den Lagern der Sowjetunion, sondern auch in den Lagern der angeblich befreienden Westmächte. Ich erinnere an Hunderttausende verreckte deutsche Soldaten auf den Rheinwiesen. Der 8. Mai 1945 steht darüber hinaus für den Hungertod Hunderttausender deutscher Zivilisten – trotz prall gefüllter Nahrungsmitteldepots der Alliierten.

Nach seriösen Schätzungen des Historikers und Erlanger Geschichtsprofessors Helmut Diwald verloren nach dem 8. Mai 1945 fast 4,4 Millionen Deutsche ihr Leben infolge von Vertreibung, Kriegsgefangenschaft und künstlicher Lebensmittelverknappung durch die Alliierten.

Der 8. Mai 1945 steht darüber hinaus – dieses Argument sollte zumindest bei der CDU eine gewisse Beachtung finden können – für den Beginn der kommunistischen Machtübernahme in Mittel- und Ostdeutschland und damit der Teilung unseres Vaterlandes und des Kulturkontinents Europa.

„Deutschland wird nicht besetzt zum Zweck seiner Befreiung, sondern als ein besiegter Feindstaat“, so hieß es unmissverständlich in der Direktive ICS1067 der USArmy vom April 1945. Was den Deutschen seit 65 Jahren von den Umerziehern als Befreiung verkauft wird und was uns heute DIE LINKE als Gedenktag schmackhaft machen will, wurde also selbst von den ehemaligen Kriegsgegnern nicht als Befreiung Deutschlands aufgefasst, nicht als Akt der Befreiung, sondern ausdrücklich als militärische Unterwerfung einer politischen, militärischen und kulturellen Gegenmacht.

Die deutsche Erlebnisgeneration wusste das vor dem 8. Mai 1945, und sie bekam dies auf grausame Art und Weise nach dem 8. Mai 1945 zu spüren mit 4,4 Millionen Toten nach Einstellung der Kampfhandlungen. Für die Empfindungen der Erlebnisgeneration findet der letzte Wehrmachtsbericht vom 9. Mai 1945 erschütternde, aber auch würdevolle Worte. Herr Präsident, ich zitiere: „Seit Mitternacht schweigen nun an allen Fronten die Waffen. Auf Befehl des Großadmirals hat die Wehrmacht den aussichtslos gewordenen Kampf eingestellt. Damit ist das sechsjährige Ringen zu Ende. Es hat uns große Siege, aber auch schwere Niederlagen gebracht. Die Wehrmacht ist am Ende einer gewaltigen Übermacht ehrenvoll

unterlegen. Der deutsche Soldat“ – ich zitiere immer noch diese maßgebliche Geschichtsquelle – „hat getreu seinem Eid im höchsten Einsatz für sein Volk für immer Unvergessliches geleistet. Die Heimat hat ihn bis zuletzt mit allen Kräften unter schwersten Opfern unterstützt. Die einmalige Leistung von Front und Heimat wird in einem späteren gerechten Urteil der Geschichte ihre endgültige Würdigung finden.“

(Peter Wilhelm Patt, CDU: Zur Sache!)

Ich zitiere immer noch, wir sind mitten in der Debatte, Herr Patt.

„Den Leistungen und Opfern der deutschen Soldaten zu Lande, zu Wasser und in der Luft wird auch der Gegner die Achtung nicht versagen. Jeder Soldat kann deshalb die Waffe aufrecht und stolz aus der Hand legen und in den schwersten Stunden unserer Geschichte tapfer und zuversichtlich an die Arbeit gehen für das ewige Leben unseres Volkes. Die Wehrmacht gedenkt in dieser Stunde ihrer vor dem Feind gebliebenen Kameraden. Die Toten verpflichten uns zu bedingungsloser Treue, zu Gehorsam und Disziplin gegenüber dem aus zahllosen Wunden blutenden Vaterland.“ – So weit der Wehrmachtsbericht vom 9. Mai 1945.

Deshalb hieß es in der schon erwähnten Direktive der USArmy auch ganz folgerichtig: „Deutschland wird nicht besetzt zum Zweck seiner Befreiung, sondern als ein besiegter Feindstaat.“ Zu feiern haben wir Deutschen am 8. Mai also nichts, aber auch überhaupt nichts.

Die NPD lehnt den Antrag der SED-Nachfolger aus tiefster Überzeugung ab.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. – Gibt es weitere Wortmeldungen? – Herr Dr. Külow. Es ist eine Kurzintervention?

(Dr. Volker Külow, Linksfraktion: Ja!)

Entschuldigung, Herr Dr. Külow; einen ganz kleinen Moment, bitte. Nicht, dass ich die Geschäftsordnung verletze. Bitte.

Herr Gansel, als jemand, der Vertriebene im Bekanntenkreis hat, verwahre ich mich auf das Entschiedenste gegenüber der Instrumentalisierung, die Sie diesen Menschen heute haben zuteil werden lassen.

(Beifall bei der CDU)

Alle Vertriebenen, seien es solche aus dem Sudetenland, Ostpreußen, Westpreußen oder Bessarabien, haben für Hitlers Krieg mit dem Teuersten bezahlt, das ein Mensch hat, das ist die Heimat; und ich werde niemals zulassen, dass Sie das Andenken dieser Menschen, die schwer daran zu tragen hatten, so in den Schmutz ziehen. Mäßigen Sie sich das nächste Mal!

(Beifall bei der CDU)

Herr Gansel, Sie möchten erwidern?

Ja, Herr Präsident. Ich möchte die Gelegenheit zu einer Erwiderung nutzen. Herr Fischer, Sie können am allerwenigsten das Deutungsmonopol für die deutschen Vertriebenen in Anspruch nehmen. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass mein Abgeordnetenkollege Schimmer Vertriebenenvorfahren aus dem Sudetenland hat. Meine Vorfahren väterlicherseits sind vertriebene Ostpreußen. Insofern spreche ich sehr wohl aus eigener Familienbetroffenheit.

(Unruhe bei der FDP und den GRÜNEN)

Dem Nichthistoriker Fischer möchte ich bei der Gelegenheit etwas in Erinnerung rufen, weil er eine schlichte Monokausalität herstellt nach dem Motto „Zuerst Hitler und dann die Vertriebenen“ und damit das Urteil mitschwingt, die Vertriebenen hätten sich alles selbst eingebrockt.

(Sebastian Fischer, CDU: Das habe ich nicht gesagt!)

Das schwang mit. Es ist die Terminologie, das Feuer wäre ins angebliche Land der Täter und Brandstifter zurückgekehrt.

(Sebastian Fischer, CDU: Das habe ich nie gesagt!)

Bei dieser Gelegenheit möchte ich daran erinnern, dass bereits zum ersten Slawistenkongress 1848 in Prag die Vertreibung und „Westverschiebung“ der Deutschen gefordert wurde. Jeder, der sich ein bisschen mit historischen Dokumenten befasst hat, weiß auch, dass Eduard Benesch bereits – –

(Julia Bonk, Linksfraktion: Hören Sie auf! Aufhören!)