Protocol of the Session on September 1, 2010

Herr Dulig, wo Sie die Stirn hernehmen zu sagen, dass der Dammbruch der Witka ab Donnerstag bereits bekannt war, das sollten Sie diesem Hohen Haus einmal erläutern.

Ich habe nichts über die Witka gesagt, aber ich kann mich auf den Ministerpräsidenten beziehen, der am Montagabend uns Fraktionsvorsitzenden mitgeteilt hat, dass bereits vor der Information des Dammbruchs von Witka die Hochwasserstufe bei IV von V lag.

Ich schaue noch einmal zur Ministerbank. – Herr Ministerpräsident, bitte schön.

Meine Damen und Herren! Weil hier zu viel Falsches erzählt wird: Es gibt im Freistaat Sachsen nur vier Hochwasserwarnstufen, nicht fünf. Deswegen habe ich auch nicht von der fünften gesprochen.

Des Weiteren habe ich die Fraktionsvorsitzenden darüber informiert, dass bereits am Freitagvormittag bzw. dann später am Nachmittag durch das Landeshochwasserzentrum die Warn-SMS an die jeweiligen kommunalen Vertreter verschickt worden ist, nämlich mit Hochwasserwarnstufe I und dem zu erwartenden Hochwasser am Samstag bis zur Hochwasserwarnstufe IV. Das ist gelaufen.

Wenn dann Herr Dulig hier erzählt, dass die einen eine SMS, die anderen ein Fax bekommen haben, dann bitte ich Herrn Dulig, sich einmal das Hochwassermelderegime im Freistaat Sachsen anzusehen. Dazu gehören sowohl SMS als auch Fax.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das war jetzt nicht einmal eine halbe Minute. Ich denke, dass jetzt keiner den Anspruch auf eine neue Debatte erhebt.

Meine Damen und Herren! Wir sollten jetzt abstimmen. Ich rufe den Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE in der Drucksache 5/3495 auf. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Stimmenthaltungen? – Bei einigen Stimmenthaltungen und einer Reihe von Stimmen dafür ist der Entschließungsantrag dennoch mit Mehrheit abgelehnt worden. Damit ist der Tagesordnungspunkt beendet.

Wir kommen jetzt zum

Tagesordnungspunkt 3

2. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Vereinfachung des Landesumweltrechts

Drucksache 5/1356, Gesetzentwurf der Staatsregierung

Drucksache 5/3391, Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt und Landwirtschaft

Diese bezieht sich auch auf die ursprüngliche Beschlussempfehlung in der Drucksache 5/2700. Bekanntlich war diese in der 17. Sitzung des Landtages rücküberwiesen worden.

Die Fraktionen können eine allgemeine Aussprache führen. Es beginnt die CDU. Danach folgen: DIE LINKE, SPD, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn sie das wünscht.

Ich erteile nun der CDU-Fraktion das Wort. Herr Abg. Meyer, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Kahlschlagpolitik“, „Kettensägenmassaker“ und „Sägen am Naturschutz“, das sind einige Phrasen, die die Diskussion zum vorliegenden Antrag in den vergangenen Wochen bestimmten.

Die berühmte Triade der Nachhaltigkeit hat aber auch eine soziale Säule. Daher sollte die Umweltpolitik auch den Menschen nicht ausblenden, sondern vielmehr sensibel sein und mit Augenmaß anstelle von Ideologie Entscheidungen fällen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Mit dem vorliegenden Vereinfachungsgesetz wird dem Ziel des Bürokratieabbaus für den Bürger durch die Genehmigungsfiktion im Rahmen des Verfahrens Rechnung getragen. Die Satzungshoheit für Kommunen besteht fort, wenngleich mit Einschränkungen zum bisherigen Rechtsrahmen. Die am 19. März 2010 durchgeführte Expertenanhörung im Ausschuss für Umwelt und Landwirtschaft ergab eine sehr differenzierte Sicht auf den ursprünglichen Gesetzentwurf der Staatsregierung. Deshalb haben wir in Auswertung der Anhörung und in Abwägung der eingegangenen Stellungnahmen mit unserem Koalitionspartner einen umfangreichen Änderungsantrag beschlossen, der die Intention des ursprünglichen Gesetzentwurfes in vielerlei Hinsicht beibehält, aber auch auf die Bedenken eingeht.

Ich gehe davon aus, dass wir mit dieser gesetzlichen Regelung einen guten Kompromiss zwischen Naturschutz und den berechtigten Interessen der Bürgerinnen und Bürger gefunden haben. Er stellt gleichzeitig auch die Handlungs- und Kompromissfähigkeit der CDU/FDPKoalition unter Beweis, wenngleich wir im Freistaat Sachsen noch ganz andere Herausforderungen zu bewältigen haben. Ich denke da nur an die vergangene Debatte.

Erlauben Sie mir bitte an dieser Stelle, auf die Regelungen im Einzelnen einzugehen. Beginnen möchte ich mit den Regelungen zur Änderung des Sächsischen Wassergesetzes, was die Diskussion nicht vorherrschend bestimmte, aber durchaus ein wichtiges Thema ist. An der darin enthaltenen Streichung der Vorkaufsrechte im Wassergesetz wird vonseiten der Koalition unverändert festgehalten. Vorwürfe, dass mit der Abschaffung dieser Vorkaufsrechte der Hochwasserschutz in Gefahr sei, entbehren jeder Grundlage. Wir sind der Auffassung, dass die Vorkaufsrechte im Naturschutz nur zu einem Mehr an Bürokratie geführt und die Grundbuchverfahren verlängert haben. Aufwand und Nutzen stehen hierbei in keinem Verhältnis.

Den Kern des vorliegenden Antrages zum Vereinfachungsgesetz bildet jedoch die Regelung zu den kommunalen Baumschutzsatzungen. Zunächst möchte ich betonen, dass mit dieser Gesetzesänderung die bisherigen Regelungen zum Baumschutz während der Vegetationsperiode von April bis Oktober eines Jahres weiterhin gelten. In dieser Zeit ist das Baumfällen grundsätzlich untersagt. Ausnahmen können von den zuständigen Gemeinden erteilt werden. Für mich ist ganz wichtig, dass die Diskussion vor Ort stattfinden muss. Es gibt eine ganze Zahl von Gemeinden, die auch ohne Baumschutzsatzung gut klarkommen. Die Gemeinde Lohmen ist ein gutes Beispiel, wo kein Kahlschlag erfolgte. Die Gemeinde ist sehr grün.

Allerdings sind in Zukunft grundsätzlich alle Bäume auf mit Gebäuden bebauten Grundstücken – dieser Begriff ist in der Bauordnung definiert – bis zu einem Stammumfang von einem Meter in einer Stammhöhe von einem Meter von jeglicher Baumschutzregelung ausgenommen. Es wurde vonseiten der Sachverständigen eine Differenzierung eingefordert. Wir haben dem Rechnung getragen und den Stammumfang mit aufgenommen, selbstverständlich in einer Form, die der Intention des Gesetzentwurfes entspricht und dem Bürger mehr Entscheidungsfreiheit gibt, aber dennoch wertvolle Bäume unter Schutz stellt. Obstbäume, Nadelgehölze, Pappeln, Birken, Baumweiden und abgestorbene Bäume stehen grundsätzlich nicht unter dem Regelungsgehalt einer Baumschutzsatzung. In ganz seltenen Fällen müssen die Bürger aber beachten, dass im Bundesnaturschutzgesetz Arten benannt sind, die einen besonderen Schutz genießen. Das besteht auch weiterhin fort.

Entgegen den im Vorfeld der Debatte getätigten Äußerungen der GRÜNEN sind dies nicht die Rote-Liste-Arten. Sie genießen nämlich keinen besonderen Schutz. Die Rote

Liste soll lediglich verdeutlichen, welche Tier- und Pflanzenarten gefährdet sind. Bezug nehmend auf § 44 des Bundesnaturschutzgesetzes käme grundsätzlich bezüglich der Gehölzschutzsatzung nur die Eibe als Nadelgehölz und die Zwergbirke als Birkenart in Betracht. Letztere ist in Sachsen ausschließlich in Moorgebieten nachgewiesen, und die sind sowieso als Biotop geschützt.

Einschränkend gilt weiter, dass nach § 44 Bundesnaturschutzgesetz nur die wild lebenden Pflanzen den Schutz genießen, also die des Außenbereiches. Pflanzen in Gärten zum Beispiel sind nicht wild lebend. Schließlich wird mit unserem Gesetzentwurf auch der lang gehegte Wunsch der sächsischen Kleingärtner erfüllt, dass deren Kleingärten, die dem Bundeskleingartengesetz entsprechen müssen, grundsätzlich vom Wirkungsbereich der Baumschutzsatzung ausgenommen sind. Auch das ist aus meiner Sicht ein wichtiger Schritt zur weiteren Entbürokratisierung.

Ich möchte an dieser Stelle mit der Behauptung aufräumen, dass die Ausnahme der Kleingärten nicht mit dem Kleingartenrecht vereinbar wäre. Das ist eine Falschaussage, denn in den Kleingärten können gemäß Bundeskleingartengesetz sowieso nur Obstbäume bis zu einer Höhe von 3 Metern stehen. Hochstämmige Bäume gehören nicht zur kleingärtnerischen Nutzung und gefährden somit die kleingärtnerische Gemeinnützigkeit.

Alle anderen Bäume in den Gärten unterliegen weiterhin der Baumschutzsatzung der Kommune, soweit diese noch eine besitzt. Der Antrag muss innerhalb von drei Wochen beschieden sein, ansonsten gilt die Genehmigung automatisch als erteilt. Dieses Genehmigungsverfahren, wie übrigens ein Negativbescheid auch, hat kostenfrei zu erfolgen. Da die Kostenfreiheit auch intensiv diskutiert wurde und immer noch diskutiert wird, möchte ich hier etwas ausführlicher darauf eingehen.

Nach § 22 Sächsisches Naturschutzgesetz kann der Satzungsgeber den gesamten Bestand an Bäumen außerhalb des Waldes oder bestimmte Landschaftsbestandteile unter Schutz stellen. Diese Vorschrift soll jetzt über die bestehende Rechtslage hinaus um zusätzliche und unmittelbare gesetzliche Ausnahmen von der Unterschutzstellung erweitert werden. § 22 Abs. 3 Satz 1 des Sächsischen Naturschutzgesetzes ermächtigt den Satzungsgeber, schon jetzt über die gesetzlichen Ausnahmen hinaus weitere Ausnahmen vorzusehen. Der neu hinzukommende § 22 Abs. 3 Satz 4 stellt daher nur klar, dass der Satzungsgeber über die unmittelbaren gesetzlichen Ausnahmen hinaus weitere Einschränkungen des Baumschutzes und des Schutzes von Landschaftsbestandteilen vorsehen kann. Dabei soll das Gesetz künftig ausdrücklich die Möglichkeit vorsehen, bestimmte Handlungen unter Genehmigungsvorbehalt zu stellen. Wenn eine solche Regelung Gesetz wird, besteht deshalb noch keine Pflicht zum Ausgleich finanzieller Mehrbelastungen, weil keine pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe übertragen wurde. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und der FDP)

Zwar spricht der viel zitierte Artikel 85 der Sächsischen Verfassung anders als entsprechende Vorschriften in anderen Landesverfassungen nur allgemein von der Übertragung von Aufgaben und beschränkt den Anwendungsbereich des Mehrbelastungsausgleichs nicht ausdrücklich auf staatliche Aufgaben oder Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises. Die Beschränkung des Anwendungsbereiches der Vorschrift auf pflichtige Kommunalaufgaben ergibt sich aber daraus, dass freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben grundsätzlich nicht übertragen werden müssen, da sie den Kommunen bereits unmittelbar von Verfassungs wegen übertragen sind. Zur Erinnerung: Das ist Artikel 82, wonach Kommunen selbst entscheiden können, ob sie eine freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe wahrnehmen, und ihnen daher Kosten nicht zwangsläufig, sondern nur aufgrund eigener autonomer Entscheidungen entstehen.

Artikel 85 Abs. 2 Sächsische Verfassung soll die Kommunen nur vor finanziellen Verpflichtungen schützen, auf deren Umfang sie keinen Einfluss haben. Die allgemeine Garantie einer angemessenen kommunalen Finanzausstattung, die auch die Wahrnehmung der freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben umfasst, erfolgt ausschließlich durch Artikel 87 Sächsische Verfassung und nicht durch diesen viel zitierten Artikel 85. Der Sächsische Verfassungsgerichtshof geht in seinem Urteil vom 23. November 2001 von dieser Unterscheidung aus, wenn er ausdrücklich die Pflichtigmachung einer bisher freiwilligen Selbstverwaltungsaufgabe als einen Sachverhalt nennt, der den Mehrbelastungsausgleich als Anspruch erhält. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass solche Ansprüche nicht bestehen, solange eine Selbstverwaltungsaufgabe eine freiwillige Aufgabe ist.

Wie Sie aus meinen umfangreichen Ausführungen entnehmen können, ist also nicht erkennbar, dass die Kommunen durch die geplante Neuregelung irgendwelche Pflichten erlassen bekommen. Die Satzungen gemäß § 22 Sächsisches Naturschutzgesetz können erlassen werden. Weder besteht eine Pflicht zum Erlass solcher Satzungen, noch gar ein staatliches Weisungsrecht. In diesem Rahmen bleibt auch bei der autonomen Entscheidung der Kommunen eine Selbstentscheidungsmöglichkeit, ob sie diese Satzungen schaffen oder nicht und ob damit zusätzlicher Verwaltungsaufwand entsteht. Zahlreiche Kommunen stellen unter Beweis, dass sie kommunale Entwicklungen der Großgrünflächen auch ohne Baumschutzsatzungen vornehmen können.

In diesem Zusammenhang möchte ich abschließend festhalten, dass die gesetzlichen Regelungen unmittelbar gelten und nicht erst in einer geänderten Baumschutzsatzung in Kraft treten. Dessen ungeachtet sind alle Kommunen mit gültigen Baumschutzsatzungen verpflichtet, diese an das neue Recht anzupassen.

Meiner Meinung nach schaffen die Vereinfachungsregelungen zu den kommunalen Baumschutzsatzungen und zu den Vorkaufsrechten eine Entlastung unserer sächsischer

Bürgerinnen und Bürger und stehen somit im Sinne ihrer Eigentumsrechte. Wie ich eingangs sagte, sollten wir zu einer stärkeren Sensibilisierung der Bürgerinnen und Bürger im Hinblick auf den Naturschutz kommen. Eine Einengung und Bevormundung ist aus meiner Sicht der falsche Weg.

Die mit dem Vereinfachungsgesetz gewonnene Freiheit entlässt uns Sachsen aber dennoch nicht aus unserer Verantwortung gegenüber der Natur und gegenüber den Bäumen. Ich bin mir aber sicher, dass wir uns alle dieser Verantwortung bewusst sind. Ich bitte Sie daher um Zustimmung zum vorliegenden Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, das war Herr Meyer für die CDU-Fraktion. Herr Meyer, es handelt sich hier um einen Gesetzentwurf, nicht um einen Antrag.

Für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Abg. Dr. Pinka. Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der vorliegende Gesetzentwurf wurde in der Anhörung im März nicht nur differenziert betrachtet, sondern durch die Mehrzahl der anwesenden Experten völlig infrage gestellt, und es wurden auch bereits zu diesem Zeitpunkt verfassungsrechtliche Bedenken geäußert. Was wir dann in den letzten Wochen seit der Diskussion im Umweltausschuss am 4. Juni bis zur Ausschusssitzung am 20. August und letztlich bis zum heutigen Tag erlebt haben, zeugt meines Erachtens von nicht zu überbietender Ignoranz und von einem Demokratieverständnis der CDU und der FDP in Sachsen, das in Deutschland seinesgleichen sucht.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich möchte noch einmal an die Diskussion zur Tagesordnung erinnern. Der Juristische Dienst hat in einem durch die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN beantragten Gutachten festgestellt, dass der Städte- und Gemeindetag und der Landkreistag zu einer Stellungnahme aufgefordert werden müssen, wenn wir mit unseren Gesetzen in die Selbstverwaltung der Städte und Gemeinden eingreifen. Diese Anhörung hatten wir bereits im Ausschuss gefordert. Es kam daher zur Absetzung der Drucksache im Juni-Plenum.

Im Umweltausschuss lagen uns nun die Schreiben der kommunalen Familie und des Naturschutzbundes vor. Obwohl uns die Koalitionäre vorher versichert hatten, dass Landkreistag und Städte- und Gemeindetag überhaupt keine Probleme bei der Festlegung kostenfreier Genehmigungsverfahren hätten, straften dann die übergebenen Stellungnahmen CDU und FDP der Lüge.

Auch der Juristische Dienst hat seine Bedenken bezüglich der Verfassungskonformität nochmals bekräftigt. Jeder

normale Sterbliche in diesem Land hätte dann sein Vorgehen noch einmal überdacht, nicht aber die Abgeordneten von CDU und FDP. Nein, denn ihnen lagen offensichtlich Geheimdossiers von drei Ministerien vor. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur noch einmal an die Worte des Bundespräsidenten von heute früh erinnern, der Transparenz und Offenheit in diesem Hohen Hause angemahnt hat. Wir als Opposition werden davon offensichtlich ausgeschlossen.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)