Wenn man sich den Ländercheck Forschung und Lehre vom Juni 2010 anschaut, wird damit nachgewiesen, dass wir den großen Vorsprung, den die alten Bundesländer haben, bisher nicht ausreichend aufholen konnten. Nichtsdestotrotz ist eine zentrale Weichenstellung mit der Innovationsstrategie des Freistaates in der letzten Legislaturperiode erfolgt. Unter den Staatsministern Stange und Jurk wurden fast 5,3 Milliarden Euro von EU-, Bundes- und Landesmitteln schwerpunktmäßig in den Bereich Bildung und Forschung investiert. Die damals erfolgte Neuausrichtung unter dem Motto „In Köpfe investieren“ hat unter anderem dazu geführt, dass im EFRE-Bereich der Anteil der Mittel, die in diesen Bereich flossen, von ehemals nur 30 % auf 43 % und damit um fast eine ganze Milliarde Euro gesteigert werden konnte.
Unser sozialdemokratisches Ziel war und ist es eben, „Sachsen als Land der Ideen noch stärker“ zu positionieren. Genau diese gezielte Anpassung muss auch innerhalb des jetzt laufenden Doppelhaushaltes passieren und dabei müssen die eingesetzten Maßnahmen und Mittel von einer ständigen Erfolgskontrolle begleitet werden.
Ich frage aber: Was hat die aktuelle Regierung in den letzten zehn Monaten getan? Die forschungs- und technologierelevanten Bereiche sind vom SMWA zum SMWK übergegangen. Soweit ich die Arbeit von Minister Morlok verfolgen kann, muss man sagen, dass das ausdrücklich eine gute Entscheidung war. Gott und den Koalitionsverhandlungen sei Dank. Leider hat Ministerin Schorlemer bisher wenig Greifbares vorgelegt. Wo ist der Innovationsgutschein, der im Januar im Plenum breite Zustimmung erfahren hat?
Gestatten Sie mir den Hinweis, obwohl ich es nicht genau gesehen habe, dass nur Stichworte erlaubt sind. Wie ausführlich die Ausformulierungen bei Ihnen waren, konnte ich nicht genau erkennen. Für das nächste Mal gebe ich den Hinweis: Stichwortzettel.
Für die SPD-Fraktion sprach Herr Kollege Mann. Für die Fraktion der GRÜNEN spricht Kollege Weichert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Sächsische Forschungslandschaft stärken – Innovationskraft der Unternehmen steigern“ – schon diese Überschrift greift zu kurz. Wir müssen uns nicht nur dafür interessieren, wie wir die Innovationskraft der Unternehmen stärken. Das ist zwar wichtig, aber wir müssen genauso Antworten finden und Wege aufzeigen, um die Herausforderungen zu meistern, die in den nächsten Jahren vor unserer Gesellschaft stehen. Dazu brauchen wir die gesamte Forschungslandschaft. Wir brauchen Ingenieure, Naturwissenschaftler und Ökonomen. Wir brauchen aber auch die Geistes- und Sozialwissenschaften. Wir können unser Land nicht nur mit technischem Sachverstand weiterentwickeln.
Wie sieht es im Jahr 2020 mit der demografischen Entwicklung aus? Statt 4,2 Millionen haben wir dann nur noch 3,9 Millionen Einwohner. Es gibt eine wesentlich ältere Einwohnerschaft, wesentlich weniger, die erwerbstätig sind, viele Ältere, die länger leben und gesünder sind. Schauen wir uns den Staatshaushalt an. Wir haben jetzt etwa einen Etat von 14 Milliarden Euro. Dann werden wir nur noch 12 Milliarden Euro haben. Es gibt jede Menge Herausforderungen. Dabei will ich gar nicht vom Klimawandel, der Globalisierung, der Weiterentwicklung des europäischen Hauses oder unseres demokratischen Systems reden. Dafür brauchen wir Forschung und Entwicklung in allen Wissenschaftsfächern.
Ein Beispiel für das, was vor uns steht, ist der Stadtumbau. Das Stichwort ist hier „schrumpfende Städte“. Wir brauchen Architekten, Ingenieure, Naturwissenschaftler für den Bau, für den Verkehr, für die Infrastruktur, für materialwissenschaftliche Fragen usw. Wir brauchen aber auch die Mediziner, die Gesundheits- und Pflegewissenschaft für die Demografiefolgen, von denen ich gerade sprach. Wenn wir länger leben, wird die Bedeutung der Gesundheit zunehmen. Wir brauchen die Sozialwissenschaftler für die neuen Generationsbeziehungen, die entstehen werden, für die Beantwortung der Fragen der Suburbanisierung, für Verwaltungsprobleme in dünn bevölkerten Siedlungsgebieten. Wir brauchen die Ökonomen und Agrarwissenschaftler für regionalisierte Stoff- und Güterkreisläufe, für gesunde Ernährung und deren Verteilung. Wir brauchen Landschaftsplaner für die Gestaltung der besiedelten und auch der entsiedelten Räume und deren Verhältnisse untereinander. Wir brauchen die Geisteswissenschaftler für die Formulierung unserer Werte, für die Übersetzung unserer Werte und für die Orientierung der Gesellschaft, die sich rasant ändern wird. Alle haben eine Daseinsberechtigung.
Gut ist, dass die Staatsregierung die Priorität für Forschung und Entwicklung gesetzt hat. Die Frage des Wie ist offen. Wir warten mit Spannung darauf. Innovationspolitik ist technologie- und wirtschaftspolitisch motiviert. Es ist immer die Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Wissenschaft gemeint. Kann man aber Innovation erzeu
gen oder administrieren? Ich glaube nicht. Man kann ein innovationsfreundliches Klima schaffen, man kann kreative Milieus fördern, man kann regional gut vernetzte Hochschulstandorte entwickeln und man kann vor allen Dingen unbürokratisch Geld zur Verfügung stellen. Man muss dabei aber wissen, dass das nicht zu 100 % eins zu eins zurückkommt.
Stichwort intelligentes Förderdesign. Wenn ich mir die Richtlinien der sächsischen Förderprogramme anschaue, stelle ich fest, dass Sachsen sehr weit hinten steht. Vor allem die Bürokratie ist ein großes Hemmnis.
Zur Hochschul- und Forschungslandschaft gehören aber auch die außeruniversitären Institute. Sie sind deshalb kein Kostenfaktor, sondern sie sind unser Zukunftskapital. Sie erzeugen Wissensvorlauf, qualifiziertes Arbeitskräftepotenzial, Beschäftigungseffekte, die Anziehung junger Leute, Steuereinnahmen usw. usf.
Es gibt die Innovationsgutscheine, die schon angesprochen worden sind. Wir haben einmal ein kleines Experiment gemacht und bei der SAB angerufen. Wir haben uns als Handwerksbetrieb ausgegeben, hätten gehört, dass es Innovationsgutscheine gebe, und gefragt, ob wir einen bekommen könnten. Aber die wussten überhaupt nicht, was das ist. Das liegt also noch sehr weit im Argen, meine Damen und Herren.
Wir erwarten von der Staatsregierung endlich einen Strategievorschlag zur Förderung von Forschung und Entwicklung in Sachsen, besonders in Bezug auf die unternehmensnahe Forschung und Entwicklung. Wir haben schon jede Menge Vorschläge gemacht und sind gewillt, zukünftig mitzuarbeiten. Sicher ist, dass es ohne diese Anstrengungen in Sachsen keine selbsttragende Entwicklung, und zwar weder in der Wirtschaft noch in der Gesellschaft, gibt.
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sprach Kollege Weichert. – Als Nächste wäre die NPD-Fraktion an der Reihe. Gibt es Redebedarf? – Kein Redebedarf. Dann – das war schon angekündigt – treten wir in eine zweite Rednerrunde ein. Ich frage die miteinbringende Fraktion CDU, ob sie in der zweiten Runde sprechen möchte. – Herr Kollege Meyer, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst den Dank, den Prof. Schmalfuß den Forschern in Sachsen entgegengebracht hat, nochmals unterstreichen. Ich denke, jeder, der forscht, muss sich dafür berufen fühlen, und gerade die Berufung eines Professors unterstreicht, dass es nicht darum geht, nur einer Tätigkeit nachzugehen, sondern man muss mit Leib und Seele dabei sein, um Forschung zu betreiben. Das ist das, was diesen Treibstoff des Freistaates Sachsen ausmacht: Forschung, Entwicklung und Innovationskraft.
Zu diesem positiven Bild der technologischen Leistungsfähigkeit gehört auch immer der Mensch. Erfindergeist, technisches Verständnis und die Risikobereitschaft sind die Voraussetzung. Es gilt, diese Eigenschaften in wettbewerbsfähige Produkte umzumünzen und früh damit zu beginnen. Deswegen sei mir an dieser Stelle auch der Hinweis auf die Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ gestattet. Der Freistaat Sachsen möchte hier ein deutliches Zeichen setzen. Es ist wichtig, dass man frühzeitig beginnt, Kinder und junge Menschen an die Wissenschaft und die Forschung heranzuführen und das dann durchgängig im weiteren Berufsleben durchsetzt.
Die sächsische Forschungs- und Technologiepolitik wird in erster Linie durch den Freistaat Sachsen unterstützt, aber auch durch die Bundesrepublik und die Europäische Union. Ich will es nochmals an dieser Stelle unterstreichen: Sachsen ist unter den Bundesländern das Bundesland, das der Forschung und Entwicklung mit 6 % des Budgets die höchste Priorität beimisst. Das ist eine Leistung, die nicht selbstverständlich ist.
Die sächsische Forschungslandschaft kann sich sehen lassen. Für diejenigen, die nicht ganz in diesem Feld zu Hause sind, ein paar Zahlen. Wir haben fünf Universitäten, fünf Kunsthochschulen, fünf Fachhochschulen, und wir haben – das hat Kollege Weichert bereits angesprochen – die außeruniversitären Einrichtungen, wie beispielsweise sieben Einrichtungen der Leibnizgesellschaft, 16 Fraunhofer-Institute, sechs Institute der Max-PlanckGesellschaft und mit dem Umweltzentrum der Helmholtzgemeinschaft in Leipzig auch ein Zentrum, das in diesem Bereich tätig ist.
Ich möchte deutlich sagen, dass auch wir im Bereich der Geisteswissenschaften eine Priorität sehen, aber diese Debatte richtet sich zunächst an die wirtschaftsnäheren Forschungseinrichtungen. Von daher sei dieser Verweis gestattet.
In der Mikroelektronik, der Nanotechnologie, dem Maschinen- und Fahrzeugbau, den Material- und Werkstoffwissenschaften, der Biotechnologie, den Neurowissenschaften, der Medizintechnik und der Umweltforschung, um nur einige Bereiche zu nennen, sind wir in Sachsen mit Spitzenforschung ausgestattet. Diese gilt es in den nächsten Jahren fortzusetzen.
Die Technische Universität Dresden ist im Bereich des Exzellenzwettbewerbs der Bundesrepublik mit zwei Projekten am Start: dem Exzellenzcluster und einer Graduiertenschule im Bereich der Biowissenschaften. Die Universität Leipzig ist mit der Leipziger Schule der Naturwissenschaften Bauen mit Molekülen und Nanoobjekten ebenfalls erfolgreich vertreten.
Aber auch die angewandte Forschung an unseren sächsischen Fachhochschulen ist mir an dieser Stelle ganz besonders wichtig zu erwähnen.
Ich möchte dazu zwei Beispiele aus meinem Wahlkreis bringen: Die Fachhochschule in Zittau hat mit dem Institut für Oberflächentechnik durch die Landesforschungsförderung in Höhe von 31 000 Euro ein Clusterprojekt initiiert, mit dem es gelungen ist, gemeinsam mit der Wirtschaft und anderen Drittmittelgebern diesen Betrag um den Faktor zwölf zu erhöhen und dabei dann 370 000 Euro einzuwerben. Hier werden Größenordnungen bewegt werden, und es ist nicht nur Geld, das in die Forschung fließt. Gerade weil es angewandte Forschung ist, kommt es der Wirtschaft zugute und damit dem Freistaat Sachsen und den hier lebenden Menschen.
Aber auch die Fachhochschule in Mittweida ist mit wissensbasierter Fabrikplanung sehr gut vertreten. Auch der Bereich des E-Learnings im Hochschulbereich ist zu erwähnen.
Ich möchte an dieser Stelle meine Rede kurz unterbrechen und melde mich zu einem späteren Zeitpunkt zurück.
Für die CDU-Fraktion sprach Herr Kollege Meyer. – Als Nächste hat die FDP als miteinbringende Fraktion das Wort. Bitte, Herr Prof. Schmalfuß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Dr. Runge, ich wollte Ihnen vorhin die Frage stellen, weil Sie sagten, es gebe viele Nobelpreisträger in Sachsen, was Sie unter „viele“ verstehen. Das können zwei, 50 oder auch 100 sein.
Ich habe die modernen Technologien gerade genutzt, sprich das Internet – zum Glück haben wir jetzt Zugang dazu – und recherchiert. Wir haben zwei Nobelpreisträger gehabt. Zum Ersten Wilhelm Ostwald – die Gedenkstätte in Großbothen hat in der vergangenen Legislaturperiode
auch den Sächsischen Landtag beschäftigt –, der 1909 den Nobelpreis für seine Arbeiten auf dem Gebiet der Katalyse bekommen hat.
Der Zweite ist Werner Heisenberg. Seit 1927 an der Universität Leipzig tätig gewesen, hat er 1932 den Nobel
Ich möchte in meiner verbleibenden Redezeit gern noch drei Dinge ansprechen. Das Erste sind die Patentanmeldungen. Ich denke, wir können die Patentanmeldungen im Freistaat Sachsen ein Stück weit auch in Zukunft steigern, indem wir – wie mein Kollege Meyer angesprochen hat – mittelfristig die Fachhochschulen stärken, sodass wir mehr Industriepromotionen haben, um so eine enge Verzahnung – das heißt den Technologietransfer von den Hochschulen hinein in die klein- und mittelständische Wirtschaft – zu erzeugen. Das heißt ganz klar, dass die Fachhochschulen auch im Bereich der angewandten Forschung in Zukunft tätig sein sollen.
Ein zweiter Punkt, den ich ansprechen möchte, ist das Thema Ausgründungen aus sächsischen Hochschulen. Hier ist es sehr wichtig, dass die Hochschulen selbst gefragt sind. Wir haben ein sehr gutes Beispiel an der Technischen Universität Dresden. Dort gibt es einen Lehrstuhl für Existenzgründungen und Entrepreneurship. Herr Prof. Schefczyk ist der Lehrstuhlinhaber. Das ist ein Grund dafür, dass es an der Technischen Universität eine relativ hohe Anzahl von Ausgründungen gibt und dass man dort sowohl von wissenschaftlicher Seite als auch durch praktische Unterstützung ausgründungswilliger Studenten, Absolventen oder Forscher als Gründern das notwendige Rüstzeug von betriebswirtschaftlicher Seite an die Hand gibt.
Der letzte Punkt hat mit dem Existenzgründerlehrstuhl an der Universität in Dresden zu tun. Hier sind die Hochschulen gefragt, solche Lehrstühle in Zukunft auch an anderen Hochschulen einzurichten, um den Transfer von wissenschaftlichen Leistungen, von Forschung in Innovation, zu bewerkstelligen; denn Forschung ist nicht Selbstzweck. Am Ende müssen Produkte und Dienstleistungskonzepte stehen, mit denen wir auf dem Weltmarkt in Deutschland und in Europa entsprechende Umsätze generieren und Arbeitsplätze sichern können.
Vielen Dank. – Für die miteinbringende Fraktion sprach Herr Prof. Schmalfuß. Jetzt spricht erneut für die Fraktion DIE LINKE Frau Dr. Runge.