Gleiches gilt für den Kultur- und Sozialbereich. Die bereits im laufenden Haushaltsjahr vollzogenen Einsparungen im Bereich der Jugend- und Sozialhilfe widersprechen den fachlichen Zielen der Landesjugendhilfeplanung. Nun kommen noch einmal Kürzungen bei der Suchtprävention und den Beratungsstellen im Umfang von 23 Millionen Euro hinzu.
Die Kulturräume, ein Bereich, über dessen Förderung es hier im Landtag keinerlei Auseinandersetzung gab, werden jetzt durch die Einbeziehung der Landesbühnen Radebeul und des Strukturfonds praktisch um 10 Millionen Euro gekürzt. Vor allem bei den Musikschulen drohen die Kürzungen zu drastischen Angebotseinschränkungen oder Gebührenerhöhungen zu führen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition! Nun werden Sie auch bei diesem unserem Antrag einmal mehr entgegnen, diese Kürzungen seien alternativlos. Das ist keineswegs so. Der „alternativlosen“ Politik muss Prioritätensetzung für zukunftsprägende Bereiche entgegengesetzt werden. Hier nur ein Beispiel: Obwohl die Mittel für den Straßenbau zum Teil gar nicht abfließen, haben Sie in diesem Bereich unterdurchschnittlich gekürzt. Stattdessen wird aber die Schulhausbauförderung radikal zusammengestrichen. Hier haben Sie nicht den Mut besessen, Investitionen aus anderen Bereichen umzulenken, obwohl die Folgen augenfällig sind.
Meine Damen und Herren von CDU und FDP! Hier appelliere ich vor allem an die jungen Abgeordneten: Die
auf der Haushaltsklausur vorgestellten Eckpunkte sind wie der im August einzubringende Haushaltsentwurf eben nur ein Entwurf. Sie sind der Souverän. Sie haben genügend Zeit und politischen Spielraum, um die Weichen richtig zu stellen. Also lassen Sie sich bitte auf die Diskussion mit den Bürgerinnen und Bürgern über die notwendige Prioritätensetzung ein. Sie hätten die finanziellen Möglichkeiten, um sich Luft für eine gründliche Aufgabenkritik zu verschaffen. Sachsen ist nicht arm. Das zeigt der Blick in die Vermögensrechnung des Freistaates.
Bevor jetzt wieder der Spruch von der Besitzstandswahrung kommt, sage ich Ihnen gleich: Wir wollen nicht, dass mit der Beibehaltung der finanziellen Aufwendungen für Bildung, Soziales und Kultur die bisherigen Strukturen konserviert werden. Wir wollen, dass diese Bereiche durch die richtigen Strukturmaßnahmen wesentlich erfolgreicher arbeiten als bisher. Jeden Euro, den wir etwa bei der frühkindlichen Bildung ausgeben, sparen wir doppelt und dreifach, weil in der weiteren Bildungskette weniger Geld für Förderschulen, für teure zusätzliche Maßnahmen zur Berufsbildungsbefähigung und letztlich auch für die Finanzierung der Arbeitslosigkeit ausgegeben wird. Diese Euro rentieren sich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition! Das breite Bündnis des heutigen Tages sollte Ihnen zu denken geben. Wer an den falschen Stellen kürzt, spart nicht nur an der Zukunft, sondern gegen den Willen von großen Teilen der Bevölkerung. Dazu sind doch keine Umfragen und keine Prozentzahlen nötig, denn man konnte es heute den ganzen Tag in Dresden und vor dem Landtag spüren: Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie haben für diese Politik keine Mehrheit in unserem Land.
Das war Herr Dr. Gerstenberg für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. – Ich frage nun die Einreichenden: Wer ist jetzt an der Reihe? – Für die Fraktion DIE LINKE Frau Abg. Klepsch. Frau Klepsch, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! CDU und FDP vereint ein ehrgeiziges Ziel: „Wir wollen Sachsen langfristig dorthin führen, wo es Anfang des 20. Jahrhunderts schon einmal stand.“ Das ist im Koalitionsvertrag vom Herbst 2009 zu lesen. Zurück in die Vergangenheit – und das mit voller Kraft.
Mit dem interfraktionellen Antrag sind Sie als Staatsregierung aufgefordert, dem Landtag über die auf der Kabinettsklausur gefassten Beschlüsse zum nächsten Doppelhaushalt zu berichten und die zugrunde gelegten Kriterien darzulegen. Berichtet haben Sie uns bis jetzt noch nicht. Das können Sie nachher noch beschließen. Aber dankenswerterweise hat gestern immerhin die Presse eine rhetorisch ausgefeilte Darstellung in die Hand bekommen,
wie mit weniger Geld alles schöner und besser werden wird. Zumindest zur Verpackung der gestrigen Regierungserklärung „Vorsprung durch solide Finanzen“ kann man Ihnen gratulieren. Hier zahlt sich die Koalition mit den Marketingexperten der FDP endlich einmal aus.
Ich darf aus den Eckpunkten zitieren: „Der Freistaat ist für die Zukunft gut aufgestellt. Der konsequente Kurs der Staatsregierung zahlt sich aus. Er sorgt dafür, dass wir auf dem steinigen Weg zu mehr Wachstum und Wohlstand mit unserem leichteren Rucksack besser vorankommen können als andere.“
Das Augenmerk ist vor allem auf den Rucksack zu legen. Der von Ihnen gepredigte steinige Weg mit leichterem Rucksack führt also an den Beginn des 20. Jahrhunderts. Ob die Demonstrierenden, die heute draußen vor dem Landtag standen, Ihnen als Staatsregierung auf dem steinigen Weg durch die Zeit des Einnahmenrückgangs den Rucksack durch die sächsische Landschaft tragen, darf bezweifelt werden; denn die freien Träger der Jugendhilfe, die Wohlfahrtsverbände, die Bereiche Gleichstellung und Suchtprävention und der Verbraucherschutz, die Hochschulen und Kultureinrichtungen tragen bereits jetzt an den ihnen auferlegten Einschnitten. Sie tragen diesen Rucksack mit Gehaltsverzicht, mit Angebotseinschränkungen, mit zusätzlicher ehrenamtlicher Arbeit. Seit Januar predigt der Finanzminister zu Mindereinnahmen von 1,7 Milliarden Euro und schwört das Land auf schmerzhafte Einschnitte und ein Tal der Tränen ein, durch das wir gemeinsam schreiten sollen.
Aber nur sparen wollen allein ist noch kein politischer Gestaltungswille. Falls Sie als Staatsregierung der Meinung sind, die Schlagworte „Staatsmodernisierung“ und „Solidarität“ seien eine Mission für Sachsens Zukunft, dann machen Sie es sich zu einfach. Was Sie als Staatsmodernisierung verkaufen, ist nichts anderes als ein großflächiger Stellenabbau im öffentlichen Dienst, der in der Folge die Sozialkassen zusätzlich belasten wird. Die beschworene Solidarität ist scheinheilig, weil sie auf dem Rücken der Schwächsten, der Familien, der Kinder und Jugendlichen, ausgetragen wird. Den zitierten Rucksack tragen nach den Plänen der Staatsregierung vor allem die Gruppen in unserer Gesellschaft, die auf Unterstützung und Solidarität angewiesen sind.
Im „Ursprungs“-Eckpunktepapier der Staatsregierung von gestern heißt es weiter: „Nachhaltige und solide Haushaltspolitik, das ist ein Markenzeichen Sachsens. Die sächsischen Bürgerinnen und Bürger vertrauen seit 20 Jahren auf stabile sächsische Staatsfinanzen.“
Ich darf an dieser Stelle daran erinnern, dass in vollem Vertrauen der sächsischen Bürgerinnen und Bürger und in öffentlicher Hand die Landesbank versenkt wurde und wir unter anderem wegen einer Bürgschaft von 2,75 Milliarden Euro eben keine stabilen Staatsfinanzen haben, weil wir kleckerweise und in Millionenscheiben für die Bürgschaft der Landesbank eintreten müssen.
Immerhin haben Sie als Staatsregierung Mut bewiesen, der geneigten Öffentlichkeit schon ein paar Zahlen vor der Sommerpause zu verraten, sodass wir und die Menschen, die heute draußen standen, teilweise wissen, was auf uns zukommt. Die Staatsregierung hat sich vorgenommen, so war zu lesen, mit 2,8 Milliarden Euro weniger im nächsten Doppelhaushalt das Land Sachsen erstens zu einer der attraktivsten Regionen Europas zu entwickeln, zweitens als erstklassiges Bildungs- und Forschungsland zu stärken und drittens den Freistaat umfassend und nachhaltig zu modernisieren.
Ich frage Sie: Wie wollen Sie ein Land mit 2,8 Milliarden Euro weniger zur attraktiven Region machen, wenn Sie zum Beispiel im Bereich Technologie und Forschung 200 Millionen Euro sparen, wenn Sie das kostenfreie Vorschuljahr wieder streichen, um die Lehrervollzeit zu finanzieren, anstatt das Geld in einen besseren Betreuungsschlüssel zu investieren, wenn Sie das Geld für Ganztagsangebote an den Schulen um ein Drittel kürzen, wenn Sie die Zuschüsse für die freien Schulen senken, wenn Sie das Landeserziehungsgeld absenken, wenn Sie die Investitionen für Schulhausbau, Kitas und Sportstätten senken, wenn Sie die Mittel für die Musikschulen von 5 auf 3,5 Millionen Euro senken und wenn Sie die Jugendpauschale – auch das sei noch einmal erwähnt – bei 10,40 Euro einfrieren und nicht wieder erhöhen und – last, but not least – die Zuschüsse für den öffentlichen Personennahverkehr kürzen?
Als Staatsregierung klopfen Sie sich auf die Schulter, wenn Sie in den Eckpunkten zum Haushalt verkünden: „Sachsen hat viel zu bieten, exzellente Bildungschancen, ein beeindruckendes Wirtschaftspotenzial sowie eine hohe Bereitschaft zu Leistung und Solidarität. Darauf wollen wir aufbauen.“ Die Frage ist, wie lange die von Ihnen viel gepriesenen Bildungschancen noch exzellent sind, wenn Sie offenbar nicht verstehen wollen, dass Bildung nicht nur in der Schule im Rahmen eines Lehrplanes stattfindet, sondern auch am Nachmittag im Jugendklub, in der Musikschule oder in der Seminargruppe an den Hochschulen.
Wir müssen jetzt genügend Lehrerinnen und Lehrer in Sachsen ausbilden. Wir müssen jetzt und jedes Jahr genügend Lehramtsanwärter einstellen, damit wir sie nicht in vier oder fünf Jahren mit der Lupe suchen und mit einem Geldkoffer in der Hand in der Bundesrepublik einfangen müssen.
Wir müssen hier und heute jungen Menschen eine Arbeit in Sachsen geben und nicht traurig zusehen, wie sie in prosperierende Gebiete in den alten Bundesländern abwandern. Dass der langfristig geplante Personalabbau an den Hochschulen nun zeitlich gestreckt stattfindet und für 2012 kein zusätzlicher Stellenabbau vorgesehen ist, mag ein hart errungener Sieg der Wissenschaftsministerin
gegenüber dem Finanzminister sein. Respekt! Er hilft aber den bereits jetzt überstrapazierten Hochschulen überhaupt nicht weiter und führt gerade nicht zu attraktiven Studienbedingungen hier in Sachsen. Sich dann noch hinzustellen und mitzuteilen, „Innovationen sind die Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit des Freistaates, Bildung und Forschung sind unsere wichtigsten Ressourcen und damit der Schlüssel für künftiges Wachstum und daraus entstehenden Wohlstand“, entbehrt nicht einer gewissen Chuzpe.
Im Koalitionsvertrag vom Herbst 2009 hieß es noch: „Wir wollen Sachsen als leistungsfähiges, lebenswertes Land und attraktive Heimat stärken. Wir brauchen eine starke Wirtschaft, die wächst und neue Arbeitsplätze schafft. Erst wirtschaftliches Wachstum ermöglicht ein starkes und solidarisches Sachsen.“ Dieses selbst gestellte Ziel wird jedoch durch die Ausgabenpolitik Ihrer Staatsregierung konterkariert. Die Mittel für Investitionen in öffentliche Infrastruktur sollen deutlich abgesenkt werden. Wirtschaftspolitisch ist das kontraproduktiv, wie der Wirtschaftsweise und Volkswirtschaftler Peter Bofinger neulich dargestellt hat:
„Der Staat sollte ein umfangreiches öffentliches Investitionsprogramm auflegen, auch wenn er sich dafür verschulden muss. Kurz gesagt, wenn alle sparen wollen, schaffen sie es nicht, denn wer sparen will, der braucht immer jemand anderen, der Schulden machen will. Deshalb müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie wir durch staatliche Maßnahmen die Investitionen ankurbeln können, zum Beispiel über staatliche Investitionen in die Infrastruktur. Aber wenn man nur eisern spart und sich keine Gedanken macht, wo die wirtschaftliche Dynamik herkommt, dann kann das dazu führen, dass man am Ende ein höheres Defizit hat als angestrebt“. – So weit Peter Bofinger.
„Freiheit, Verantwortung, Solidarität – gemeinsam für ein starkes und selbstbewusstes Sachsen.“ Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU- und FDP-Fraktion! Wenn Sie ein starkes und solidarisches Sachsen wollen, dann appelliere ich an Sie: Nehmen Sie das Bündnis „Zukunft und Zusammenhalt“ und die Forderungen der zahlreichen Menschen, die heute vor dem Landtag demonstriert haben, ernst und lassen Sie diese in die Entscheidungen zum nächsten Doppelhaushalt einfließen!
Ich komme zum Schluss. Es ist eben nicht nachhaltig, wenn Infrastrukturen auf Sparflamme finanziert werden. Der leichte Rucksack der Staatsregierung, den die Sachsen auf steinigem Weg durchs Land tragen sollen, wird begleitet vom Handwagen mit den gesellschaftlichen Folgekosten. Dieser wird rumpeln und schwer zu ziehen sein. Ich schließe mit einem Zitat von William Faulkner: „Was man als Blindheit des Schicksals bezeichnet, ist in Wirklichkeit bloß die eigene Kurzsichtigkeit.“
Das war Frau Klepsch für die Fraktion DIE LINKE. – Nun spricht für die Fraktion der SPD Herr Abg. Mann.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Im von der SPD-Fraktion gemeinsam mit den GRÜNEN und Linken vorgelegten Antrag fordern wir: Informationen über den Doppelhaushalt, aber auch zur laufenden Haushaltsbewirtschaftung. Bis heute legen Sie nämlich keine hinreichenden Informationen zum laufenden Haushalt vor. So fehlt zum Beispiel dem Ausschuss für Wissenschaft und Hochschule, Kultur und Medien eine Information darüber, wo die 24 Millionen Euro Haushaltsmittel erwirtschaftet werden, und das trotz Zusagen und Anfragen seit wohlgemerkt vier Monaten.
Bis heute fehlt vielen Trägern ein Förderbescheid oder aber sie haben vor Kurzem einen bekommen, der sie mit erheblicher Steigerung des Eigenmittelanteils und in vielen Fällen mit einer Kürzung bis zu 50 % konfrontiert. In vielen Jugendeinrichtungen sagen mir Mitarbeiter, dass sie sich im vierten Quartal selbst entlassen müssen, um mit den zur Verfügung gestellten Mitteln übers Jahr zu kommen, und die landesweiten Träger der Jugendhilfe sind reihenweise bei Bildungsgeldern auf null gesetzt worden. Deshalb, sagen wir, ist es wohl das Mindeste, dass die Informationen über die Haushaltsbewirtschaftung von der Staatsregierung vorgelegt werden und genauso ein Überblick über deren Auswirkungen gegeben wird.
Nun zu den aktuell vorgelegten Rahmendaten zum Doppelhaushalt. Was mir in Ihrer Pressekonferenz von gestern fehlte, war eine politische Prioritätensetzung, die sich in Zahlen Ihrer Kürzungen im Haushalt widerspiegelt. Wenn Sie politischen Gestaltungswillen haben, dann hätten Sie die Bereiche frühkindliche Erziehung und Bildung, Schulen und Hochschulen von vornherein von den Kürzungen ausgenommen.
Nichts anderes hätte ich im Zitat des Ministerpräsidenten von gestern vermutet. Ich zitiere: „Der Fokus liegt eindeutig auf der Innovationsfähigkeit des Landes. Das ist die Grundlage für den künftigen Wohlstand. Bildung und Forschung haben Priorität.“
Tatsächlich aber haben Sie den Bereich des Kultus, vor allem aber die Bereiche des SMWK und des SMS, mit deutlichen Kürzungen versehen: für die nächsten zwei Jahre 150 Millionen Euro im Bereich des SMK, 400 Millionen Euro im Bereich des SMWK und 200 Millionen Euro im Bereich des SMS.
Wir lehnen diese Einschnitte in der von Ihnen vorgenommenen Höhe, die teilweise deutlich über 10 % des Ressortbudgets geht, ab. – Bis hier hin.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema des Antrages der Opposition beinhaltet unter anderem im zweiten Halbsatz „keine Kürzung auf Kosten der Zukunft“ im Freistaat Sachsen. Es stellt sich nur die Frage, wie die Zukunft gestaltet werden soll. Die Vorredner haben dazu leider wenig Erhellendes beigetragen.
Eine namhafte deutsche Zeitung berichtete am 25. Mai 2010 unter der Überschrift „Was Deutschland von Sachsen lernen kann“. Dazu wurde vor allem auf die Ausgabendisziplin, den Generationsfonds und das politische Durchsetzungsvermögen abgestellt, welche für eine aufbauorientierte, solide und nachhaltige Finanzpolitik im Freistaat Sachsen sprechen. Dieser bewährte Kurs soll und wird auch in Zukunft von der Koalition fortgeführt werden. Unter dem Blickwinkel der Verantwortung für die nachfolgenden Generationen ist dieser Weg unumgänglich.