Protocol of the Session on May 20, 2010

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich einige Bemerkungen zu den drei Oppositionsrednern abgeben. Gegenstand unseres Antrages ist keineswegs die Richtung auf Standortschließung, auf die Verschlechterung der Betreuungsverhältnisse und Ähnliches.

Herr Besier, der Ansatz, vor dem wir jetzt stehen, ist, uns als Hochschulstandort für die nächsten Jahre mit intelligenten Mitteln effizient aufzustellen. Darüber muss man nachdenken. Dazu reicht es nicht, einfach nur eine vorhandene Planung auf der Basis des Bestehenden fortzuschreiben, sondern zu analysieren. Sie haben bisher versäumt, dass wir im Rahmen unseres Antrages von einer Analyse sprechen. Das ist nicht nur die bloße Auflistung und Betrachtung von Zahlen; dazu gehört wesentlich mehr.

Es geht auch nicht etwa um eine defensive Planung; es geht um den intelligenten Einsatz von Mitteln, gerade auch an dieser Stelle. Darüber muss nachgedacht werden; darüber ist in den letzten Jahren offensichtlich zu wenig nachgedacht worden.

Wenn Sie, Herr Kollege Mann, die Frage stellen, was will die Koalition?, ist die Antwort darauf eindeutig: Es geht uns darum, den Bildungsstandort mit den vorhandenen

Mitteln effizienter zu gestalten und die Strukturen angemessen auch unter Berücksichtigung unserer konkreten Bedarfslage zu entwickeln. Damit müssen wir uns auseinandersetzen. Der Antrag ist der erste Schritt, mit dem wir einen Prozess, gemeinsam mit der Ministerin, in den nächsten Monaten parlamentarisch auf den Weg bringen wollen, und ich denke, das ist genau der richtige Weg.

Wir müssen darüber reden und wir dürfen nicht der Versuchung unterliegen, Dinge zu tabuisieren. Ein wenig haben mich Ihre Vorträge in diese Richtung erinnert.

Meine Damen und Herren, ich bin mir sicher – und wir sind überzeugt –, dass wir gemeinsam im Rahmen der Hochschulentwicklungsplanung viel Gutes für Sachsen tun können – nutzen wir die Möglichkeit!

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wird weiter von den Fraktionen das Wort gewünscht? – Das sieht nicht so aus. Ich frage die Staatsregierung: Möchten Sie sprechen? Es gibt keine weitere Runde mehr. – Bitte, Frau Staatsministerin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! „Sachsens Hochschullandschaft ist vielfältig, gut ausgestattet und attraktiv; die Hochschulen nehmen ihre Verantwortung gegenüber der Gesellschaft wahr, sie arbeiten eng und mit anderen außeruniversitären Forschungseinrichtungen zusammen und sind im nationalen wie im internationalen Wettbewerb erfolgreich.“ – So steht es im Grundsatzpapier „Sachsen 2020 – Wegweiser für unseren Freistaat“ der Sächsischen Staatskanzlei vom April 2009.

So oder doch zumindest auf dem Weg dahin stellt sich unsere sächsische Hochschullandschaft aber auch schon heute dar; denn die Sachsen haben zu Beginn der Neunzigerjahre des letzten Jahrhunderts erkannt, dass die gesellschaftliche und die wirtschaftliche Entwicklung des Landes erheblich durch den Bildungs-, Forschungs- und Wissenschaftsbereich geprägt wird.

Man konnte an eine traditionsreiche Hochschullandschaft anknüpfen, die mit der Gründung der Universität Leipzig im Jahre 1409 begann und in weiteren Gründungen, so unter anderem der Hochschule für Bildende Künste in Dresden, der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig 1764 und der Akademie Freiberg 1765, ihre Fortsetzung fand. Darauf aufbauend hat sich nunmehr ein dichtes Netz an tertiären Bildungs- und Forschungseinrichtungen gebildet, das für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts wie geschaffen und in seiner Dichte und Agglomeration in Ostdeutschland neben Berlin einmalig ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in diesem und in den nächsten Jahren stehen wir jedoch erneut vor schwerwiegenden Entscheidungen. Die Finanzkrise der Jahre 2008/2009 hat die tatsächlichen und die prognosti

zierten Einnahmen der öffentlichen Haushalte dramatisch verändert.

Bei unseren Bemühungen, Wohlstand und Prosperität in Sachsen zu erhalten oder noch auszubauen, sehen wir uns einer komplexen Wettbewerbssituation gegenüber. Die Lage ist durch eine Reihe von Rahmenbedingungen gekennzeichnet, wobei im Wesentlichen zwei Entwicklungen zu nennen sind, die unmittelbaren Einfluss auf unsere Entscheidungsposition haben.

Zum einen ist hier die Globalisierung zu nennen. Sachsen ist – wie andere Länder in Deutschland und Europa – darauf angewiesen, beim Hervorbringen und auch bei der Umsetzung innovativer Ideen und Ansätze ein hohes Tempo vorzulegen. Da gegen die Schwellen- und Entwicklungsländer der Wettbewerb um den Standort einer möglichst billigen Massenproduktion nicht gewonnen werden kann, müssen wir uns dem Wettbewerb der Ideen und auch der Innovationen stellen.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Abg. Dr. Eva-Maria Stange, SPD)

Dazu müssen wir unsere Potenziale nutzen. Wir müssen noch mehr kluge Köpfe, qualifizierte Menschen heranbilden und im Lande halten. Aber wir müssen sie auch von außen anwerben. Denn alle Experten sind sich in einem Punkt einig: Wenn Innovation ein zentraler Wettbewerbsfaktor sein soll, dann erfordert dies ein noch stärkeres Bemühen, Forschung und Entwicklung voranzubringen.

Zum anderen müssen wir bei unseren Planungen die demografische Entwicklung im Blick behalten. Dank des medizinischen Fortschritts, aber auch aufgrund des starken Geburtenrückgangs in den Jahren nach 1990 ist Sachsen das älteste Land in Deutschland – ein Titel, den wir alle sicherlich gern als verzichtbar erklären würden.

Sachsen ist zweifelsohne in besonderem Maße von einer schwierigen demografischen Entwicklung betroffen. Diese Implikationen des demografischen Wandels klingen im Hinblick auf die Zukunftsfähigkeit unseres Landes zunächst einmal bedrohlich. Aufgrund der tendenziell rückläufigen Zahl der sächsischen Studienanfänger wird von verschiedenen Experten ein Mangel an hochqualifizierten Arbeitskräften prognostiziert, der im Jahr 2020 bis zu 70 000 erreichen kann. Wir müssen uns daher darüber im Klaren sein, dass alles getan werden muss, um junge, gut ausgebildete und motivierte Menschen in Sachsen zu halten und, wann immer möglich, nach Sachsen zu holen.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Abg. Dr. Eva-Maria Stange, SPD)

Nur so kann der sich abzeichnende Fachkräftemangel gedämpft werden, und Sachsen kann sich im Kampf um die besten Talente als erfolgreich erweisen. Denn es steht fest, dass ein größerer Wertschöpfungsverlust durch nicht besetzte Stellen in Unternehmen und damit auch ein Rückgang der Innovationsfähigkeit die wirtschaftliche und auch die gesellschaftliche Entwicklung sehr stark

hemmen und die Aufbauleistung der vergangenen 20 Jahre gefährden würde. Das dürfen wir nicht zulassen!

Meine Damen und Herren! Die hier in nur wenigen, groben Strichen gezeichnete Situation fordert uns zu entschlossenem hochschulpolitischem Handeln heraus. Erste Schritte in diese Richtung wurden bereits getan. So konnten wir in Sachsen in den vergangenen fünf Jahren durch gemeinsame Anstrengungen von Hochschulen und Politik erreichen, dass die Zahl der Studienanfänger kontinuierlich gestiegen ist. Trotz sinkender Abiturientenzahl schrieben sich im Jahr 2009 21 616 Studenten für ein Studium an den sächsischen Hochschulen ein. Das ist der zweithöchste Wert seit 1990 überhaupt, und es sind rund doppelt so viele Studierende wie 1993.

Wir konnten dabei auch – dank des Hochschulpaktes und dank unterstützender Begleitmaßnahmen des SMWK in den letzten Jahren – die Zahl der Studienanfänger aus den anderen deutschen Ländern, insbesondere aus den alten Bundesländern, deutlich steigern.

Ich halte im vorliegenden Zusammenhang eine kurze Zeitungsmeldung für durchaus erwähnenswert. Sie erinnern sich vielleicht; sie ging im April durch die sächsischen Blätter. Es wurde berichtet, dass im Oktober 2009 – erstmals seit 1996! – die sächsische Bevölkerung gewachsen ist. Der Zuwachs war nur gering: 119 Sächsinnen und Sachsen mehr als im Vormonat. Dieser Zuwachs war ausschließlich der Zuwanderung in die drei sächsischen Großstädte zu verdanken.

Aber – und das halte ich für bemerkenswert – 99 % dieses Wanderungsgewinns entfielen auf die Altersgruppe zwischen 18 und unter 25 Jahren. Im Wesentlichen – so auch die Meldung – handelte es sich bei dem Zuwachs um Studienanfänger.

Da wir inzwischen wissen, dass rund ein Drittel derjenigen Studienanfänger, die aus anderen Bundesländern und aus dem Ausland nach Sachsen kommen, nach dem Abschluss des Studiums hier ihre erste sozialversicherungspflichtige Tätigkeit aufnehmen, kann mit Fug und Recht gesagt werden: Unsere Hochschulen sind schon heute bevorzugte Eintrittspforten. Sie ziehen junge Menschen an. Sie haben sogar jüngst dafür gesorgt, dass Sachsen einen – wenn auch geringfügigen – Bevölkerungsanstieg zu verzeichnen hatte. Diese jungen Menschen – hoch gebildete, gut ausgebildete und hoch motivierte Fachleute – machen unser Land stark. Und sie machen es lebendig, lebenswert, bunt, indem sie hier heimisch werden, hier leben und – im besten Fall – eine Familie gründen. Lassen Sie uns auch deswegen unsere gemeinsamen Bemühungen um offene, einladende, attraktive Hochschulen fortsetzen!

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Abg. Dr. Eva-Maria Stange, SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die sächsischen Hochschulen bieten ein breites Fächerangebot. Sachsens traditionelle Stärke ist die einer Ingenieurschmiede Deutschlands. Die Stärken liegen in den Bereichen

Naturwissenschaften und Technik. So lagen wir hierzulande im Mittel der zurückliegenden fünf Jahre mit einem Studienanfängeranteil von 44,6 % in den sogenannten MINT-Fächern – Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik – deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 36,6 %, also um 8 Prozentpunkte höher.

Auch in den Ingenieurswissenschaften bildet sich der Anstieg der Studierendenzahlen überdurchschnittlich stark ab. Allein im Jahr 2007 haben sich rund 60 % mehr Studierende in einem ingenieurwissenschaftlichen Fach eingeschrieben als noch im Jahr 1993.

(Unruhe)

Auch die Geisteswissenschaften, die meiner persönlichen Einschätzung nach nicht immer im Fokus der hochschulpolitischen Aufmerksamkeit stehen – –

(Beifall bei der Linksfraktion und vereinzelt bei der SPD)

Auch die Geisteswissenschaften im Freistaat gelangten zu einer neuen Blüte. So zeigen zum Beispiel Sonderforschungsbereiche an der Technischen Universität Dresden die besondere Leistungsfähigkeit unter anderem der Bereiche Soziologie, Geschichtswissenschaft und Politikwissenschaft. Auch im Bereich Psychologie hat die TU Dresden einen Spitzenplatz erreicht. An der Universität Leipzig weist der sprachwissenschaftliche Schwerpunkt auf eine besondere Qualität in Forschung und Lehre hin, unter anderem in der Anglistik.

Zugleich – das ist mir durchaus bewusst – bleibt noch viel zu tun. Wir haben in Sachsen noch in einiger Hinsicht erhebliche Reserven, die es zu heben gilt. So liegen sowohl die Studienberechtigungsquote mit 38 % als auch die Studienanfängerquote mit 28,9 % – jeweils berechnet nach dem Altersjahrgang der 17- bis unter 20-Jährigen – noch deutlich unter dem Bundesdurchschnitt.

Auch der Frauenanteil an den Studienanfängern spiegelt nicht deren Anteil an den Studienberechtigten wider. Während bei den Studienberechtigten das Verhältnis bei rund 45 % männlich und 55 % weiblich liegt, nehmen Frauen und Männer in gleicher Anzahl ein Studium auf. Das bedeutet, dass rund 85 % der männlichen Studienberechtigten ein Studium aufnehmen, während dies nur 70 % der weiblichen Studienberechtigten tun. Anders formuliert: 30 % der jungen Frauen, die eine Hochschulzugangsberechtigung besitzen, entscheiden sich derzeit noch gegen ein Studium im Freistaat Sachsen.

Im Zuge des für viele Berufsbiografien mehr und mehr selbstverständlichen lebenslangen Lernens muss zudem die Rolle der Hochschulen im Hinblick auf ein breitgefächertes Angebot an Weiterbildung gestärkt werden. Die Unternehmen des Freistaates werden künftig mehr und mehr auf die Arbeitserfahrung und auch auf die Innovationskraft der Generation 40 plus zurückgreifen. Teilzeit und gegebenenfalls auch Fernstudiengänge sollen in Zukunft hochschulische Bildung und Weiterbildung auch

für solche Gruppen erschließen, die bisher davon nicht oder nicht in hinreichendem Maße profitieren.

Ganz generell gilt es – Prof. Schneider hat es angesprochen –, das Profil der sächsischen Hochschulen weiter zu schärfen auch im internationalen und im EU-Kontext. Selbstverständlich, die Stärkungen sind noch besser zur Geltung zu bringen. Die vielfältigen Möglichkeiten der Kooperation sowohl zwischen den Hochschulen als auch zwischen den Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, aber auch im Hinblick auf die Forschungspotenziale der Wirtschaft sind stärker zu nutzen und auch – möglicherweise – auf einer neuen Qualitätsstufe auszubauen.

Das Konzept der Wissenschaftsräume, die diese verschiedenen genannten Akteure in einen wissenschaftlich bzw. territorial definierten Raum integrieren, ist Gegenstand der neuen Hochschulentwicklungsplanung. Das heißt, es wird eine Verzahnung von Hochschulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Unternehmen angestrebt. Auf diese Weise soll der Wissenschaftstransfer systematisch und nachhaltig gefördert werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Fraktionen von CDU und FDP ist nach meiner Auffassung geeignet, dieses Hohe Haus umfassend über die von mir hier nur kurz skizzierten, aber für den Freistaat ohne Zweifel essenziellen Problemlagen der Hochschulpolitik in Kenntnis zu setzen. Ich erlaube mir daher, Ihnen die Annahme dieses Antrages ans Herz zu legen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Starker Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir kommen nun zum Schlusswort. Herr Prof. Schmalfuß, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Staatsministerin von Schorlemmer, ich bedanke mich natürlich bei Ihnen, dass Sie dem Hohen Haus die Annahme des Antrages der Fraktionen CDU und FDP empfehlen.

Ich möchte noch ganz kurz auf zwei Redner eingehen. Herr Mann, Sie haben mehrfach von einem Entschließungsantrag gesprochen. Es handelt sich hier um einen Antrag der Koalitionsfraktionen und um keinen Entschließungsantrag.

Herr Gerstenberg, Sie haben sich mit dem Thema beschäftigt. Dafür danke ich Ihnen ausdrücklich. Wenn Sie aber die Staatsmodernisierung, die Sie auch angesprochen haben, allein auf den Hochschulbereich beschränken, so haben Sie wahrscheinlich heute den Beitrag meines Fraktionskollegen und Staatsministers Dr. Martens nicht mitgehört. Die Staatsmodernisierung ist mehr. Die Koalitionsfraktionen haben sich gerade darauf verständigt, dass wir alles auf den Prüfstand stellen. Da gehören die Hochschulen und die sächsische Hochschullandschaft ebenso dazu. Ich denke, dass der Antrag mit seinen drei Teilen Bestandsaufnahme, Analyse und Zukunftskonzept, das nach entsprechenden Kriterien und Anforderungen defi

niert werden soll, umfassend ist und letztlich bis zum 31.12.2010 dem Sächsischen Landtag ein Hochschulentwicklungsplan vorzulegen ist. Der Antrag ist stringent, und deshalb fordere ich Sie auf, dem Antrag von CDU und FDP zuzustimmen. Ich würde mich freuen, wenn auch die drei Oppositionsfraktionen auf der linken Seite diesem Antrag ihre Unterstützung gewähren würden.