Protocol of the Session on May 19, 2010

Deswegen, Herr Gerstenberg, bin ich jetzt bei Ihnen. Wer den Urheberschutz für sich erheben kann, das sei dahingestellt. Ich weiß nur, dass wir dieses Thema vor zehn Jahren einmal in die Debatte geworfen haben hier in diesem Hohen Hause. Deswegen brauchen wir eine Umstellung der gerätebezogenen Gebühr auf eine Haushaltsabgabe oder ein ähnliches Modell. Da sind wir als Politik gefordert, uns darüber Gedanken zu machen, wie das Modell aussehen kann.

Für uns im Sendegebiet des Mitteldeutschen Rundfunks muss entscheidend in die Diskussion eingebracht werden – Herr Herbst von der FDP hat es getan –, dass wir in erheblichem Maße diese Befreiungstatbestände haben. Wir haben das Problem, dass dadurch dem MDR jährlich Pi mal Daumen 20 Millionen Euro – durch Wegzüge sind es 8 Millionen Euro und durch die Befreiungstatbestände der Rest – verloren gehen. Das heißt, wir brauchen ein System, das es uns ermöglicht, im Konzert der ARD als Sachsen, als neue Bundesländer noch in dem Maße stattzufinden, wie wir als Bevölkerungskonstellation in Deutschland vorhanden sind. Dafür muss das bisherige System umgestellt werden.

Ich glaube, wir haben mit dem jetzt vorliegenden Gutachten und der heutigen Debatte einen guten Einstieg gefunden. Ich bin auf die nächsten Wochen und Monate gespannt, wohin der Weg führen wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Kollege Clemen, ich ermahne Sie, dass Sie in Zukunft solche Bewertungen, wie Sie sie für die ausziehende Fraktion der NPD vorgenommen haben, nicht mehr machen. Sonst muss ich Ihnen auch einen Ordnungsruf erteilen.

Das war für die einbringende Fraktion der CDU Kollege Clemen. Als Nächstes wäre die miteinbringende Fraktion der FDP an der Reihe. Besteht Redebedarf? – Kein Redebedarf mehr. Dann hätten wir in der weiteren Rei

henfolge der Redner die Fraktion DIE LINKE, Kollege Neubert.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Gestatten Sie mir auch, noch einige Anmerkungen zu Punkten der Debatte zu machen.

Herr Clemen, wenn Sie sagen, dass junge Menschen sich sozusagen von öffentlich-rechtlichen Medien abwenden und eher neuen Medien zuwenden, dann mag das sein; ganz klar.

(Robert Clemen, CDU: Von beiden Systemen!)

Der Punkt, der mich dabei immer ärgert, ist – wenn ich zum Beispiel selber in einer Mediathek Dinge konsumiere –, dass wir diese Sieben-Tage-Regelung eingeführt haben, dass also bestimmte Dinge nur sieben Tage im Netz vorrätig sind. Das ist der Punkt, der kontraproduktiv wirkt für das Konsumverhalten oder das Rezipientenverhalten junger Menschen und die Bereitstellung öffentlichrechtlicher Angebote. Das muss man ganz klar sagen.

(Beifall der Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion, und Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE)

Zweiter Punkt: Wir sind in der Debatte um ein neues Rundfunkgebührenmodell natürlich auch immer wieder mit der Frage konfrontiert – die beschäftigt uns jetzt und muss uns auch bei der Umstellung beschäftigen –: Wie funktioniert ein ARD-Finanzausgleich neu?

Wir kommen gar nicht darum herum. Das haben Sie mit den Wegzügen aus dem Sendegebiet beschrieben. Da sind wir in einem großen Dilemma. Das andere Problem sind die Befreiungstatbestände. Die zunehmende Armut und sozusagen auch Hartz IV und die damit verbundene Befreiung – wenngleich die Befreiung vernünftig ist – werden aber nicht kompensiert durch Zahlungen von staatlicher Seite oder innerhalb der Sozialleistungen an die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Das heißt, das Geld fällt einfach eins zu eins weg. Das hat auch Finanzprobleme bei uns im Sendegebiet des MDR zur Folge.

Herr Gerstenberg, Sie haben gesagt – – Oder fangen wir einmal anders an. Ich hatte vorhin gesagt, dass de facto diese Haushaltsabgabe das Problem innehat, dass sie versucht, Haushalt gleich Haushalt, die eigentlich unterschiedlich sind, einheitlich zu bewerten und als Maßstab heranzuziehen, also eine verkappte Kopfpauschale.

Unabhängig davon, was sich hinter dem Haushalt verbirgt, ob es, wie gesagt, der einkommensschwache Einpersonenhaushalt ist oder ob es eine einkommensstarke, große Familie mit vielen Fernsehern ist: Alle bezahlen nach dem Modell der Haushaltsabgabe, das jetzt diskutiert wird, die gleiche Gebühr. Das ist eine verkappte Kopfsteuer auf der Haushaltsebene.

Dazu sagen wir: Es muss eine soziale Staffelung möglich sein, sodass auch unterschiedliche Beiträge gezahlt

werden. Vor diesem Hintergrund sind die Argumente, die auch Kirchhoff in dem Gutachten vorbringt und die vorhin Herr Herbst angeführt hat, dass man eigentlich mit der Erhebung einer Rundfunkgebühr oder einer Medienabgabe oder wie auch immer auf die Personenebene gehen müsste, gar nicht so schlecht, allerdings auch dort ganz klar nicht als Kopfpauschale, sondern auch dort ganz klar sozial gestaffelt. Denn nur so bekommt man eine soziale Gerechtigkeit in dieses System der Rundfunkgebühren.

Wenn man sich das Gutachten genau durchliest, merkt man, dass Kirchhof an dieser Stelle etwas freihändig argumentiert. Er geht in die Richtung: In einem Haushalt finden von den Älteren und den Jüngeren völlig unterschiedliche Rezeptionen statt, die zusammenkommen und die somit das Mittel bilden. Über diese Form rechtfertigt er die Haushaltsabgabe. Das ist aus unserer Sicht zu kurz gesprungen. Wie gesagt, wir brauchen eine soziale Staffelung. Das ist die zentrale Frage.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Das war für die Linksfraktion der Abg. Neubert. – Als Nächstes noch einmal die SPD-Fraktion mit Herrn Kollegen Panter.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Clemen, eigentlich hatte ich aus Respekt vor dem Hohen Hause Boshaftigkeiten unterlassen.

(Christian Piwarz, CDU: Dann bleiben Sie dabei!)

Aber ich kann dazu sagen, dass ich sehr gern meine Brille putzen möchte. Damit habe ich überhaupt kein Problem. Ich rate Ihnen dann auch einen Blick in Ihre Fischbüchse.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Vielleicht verstehen Sie dann auch, dass eine Abgabe für einen Rundfunk, bei dem die breite Bevölkerung keine direkte Einwirkungsmöglichkeit hat und die man nicht abwählen kann, auch als Einheitsabgabe und Einheitsrundfunk zu bezeichnen ist und dass das ein grundsätzlich sozialistisches Modell ist. Wenn die CDU auch in diese Richtung tendiert, dann – das habe ich vorhin schon gesagt – begrüße ich das sehr, denn dann ist vielleicht irgendwann einmal eine ideologiefreie Sachdebatte möglich.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Das war für die SPDFraktion der Abg. Panter. – Gibt es Redebedarf bei der Fraktion der GRÜNEN? – Das ist nicht der Fall. Gibt es – möglicherweise in einer dritten Runde – weiteren Redebedarf bei den einbringenden Fraktionen? – Auch nicht. Damit geht das Wort an die Staatsregierung. Bitte, Herr Staatsminister Beermann.

Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Es ist in der Tat eine nicht nur sehr sachliche Diskussion, sondern eine breite Zustimmung, die ich gern in die Verhandlungen der nächsten Wochen mitnehme. Um gleich etwas zum Verfahren zu sagen: Wir werden noch in dieser Woche als Rundfunkkommission auf der Arbeitsebene zusammenkommen – genauer gesagt, morgen Abend – und haben uns vorgenommen, bis zum 9. Juni ein entsprechendes Modell aufzustellen, das sich im Wesentlichen an dem orientiert, was Prof. Kirchhof in seinem Gutachten dargestellt hat. Denn es ist richtig: Der Professor aus Heidelberg – er ist noch da, er macht Politik, er arbeitet hart für sein Geld und er hat ein gutes Gutachten gemacht.

Ich möchte noch einen Gedanken aufnehmen – Herr Jurk, da haben Sie völlig recht –: Es enthebt uns als Politik nicht der Verpflichtung, das Modell nicht nur zu entwickeln, sondern auch zu entscheiden, was anschließend nicht nur den Rundfunkanstalten, sondern auch dem Gebührenzahler und dem Rundfunknutzer zuzumuten ist. Darauf möchte ich den Blick lenken, denn Rundfunkpolitik ist nicht nur eine Rundfunkanbieterpolitik. Vielmehr haben wir in Artikel 5 Grundgesetz die Meinungsfreiheit, die definiert, wie auch Kirchhof das in seinem Gutachten gleich an den Anfang stellt, dass die Rundfunkfreiheit insbesondere mit der Informationsfreiheit zusammenhängt. Das bedeutet, dass sich jeder ungehindert aus öffentlichen Quellen frei informieren kann.

Damit warne ich auch ein bisschen vor der Formulierung, die in der Diskussion teilweise nach der Devise anklang: Wir haben die Haushaltsgebühr und wir sind damit aller Sorgen ledig. – Ich sage sehr deutlich angesichts dessen, was hier skizziert wurde und wie die Erwartungshaltungen sind: Eine – wie soll ich es formulieren? – Eier legende Wollmilchgebühr wird auch die Haushaltsabgabe nicht sein. Es wird nicht so funktionieren, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk auf einmal Geld ohne Ende hat, um sämtliche Bereiche, die er immer schon mal in Angriff nehmen wollte, finanziell absichern zu können. Es wird nicht so sein, dass gleichzeitig die Belastung für den einzelnen Rundfunkteilnehmer praktisch auf null sinkt und dass sozial gestaffelt wird oder es möglichst viele „Freigänger“ gibt, also möglichst viele, die die Gebühr nicht bezahlen müssen. Am Ende haben auch noch die Privaten – sie dürfen wir an dieser Stelle nicht vergessen, denn wir haben ein duales Rundfunksystem – ihre Geschäftsmodelle, die es ihnen ermöglichen, entsprechend am Rundfunkwettbewerb teilzunehmen. Das wird uns auch mit der Haushaltsabgabe nicht gelingen.

Deshalb versuche ich einmal zwei, drei Dinge, die ich in der laufenden Diskussion für wichtig halte, zu skizzieren.

Das Erste. Damit bin ich wieder beim Rundfunkteilnehmer, bei demjenigen, der im Privathaushalt die Rundfunkgebühr bezahlen muss. Das sind über 90 % derjenigen, die zurzeit zum Aufkommen beitragen. Für diese 90 % ist in einem dualen System entscheidend, was am

Ende herauskommt, das heißt, wie viel an Rundfunkgebühr sie letztlich zahlen müssen. 17,98 Euro sind es zurzeit. Das ist ein Maßstab und an diesem Maßstab werden wir uns orientieren. Was zurzeit geschieht, dass man in Modellrechnungen darzustellen versucht, wie die Haushaltsabgabe am Schluss tatsächlich in Euro und Cent aussieht, ist ein wesentlicher Punkt. Denn ich glaube, es wird nicht zu vermitteln sein, dass der Einzelne, und zwar der private Einzelne, mehr bezahlen soll, als er im Moment bezahlt. Das findet sich so im Gutachten unmittelbar nicht wieder. Es ist aber, wie ich glaube, für die Politik ein sehr guter Rahmen.

Denn auf der anderen Seite – das waren die Vorgaben derjenigen, die das Gutachten in Auftrag gegeben haben, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten – hat man gesagt: Wir müssen auch beachten, dass das Aufkommen in etwa dem jetzigen Aufkommen entspricht, das, wie wir alle wissen, ziemlich fest vom Bundesverfassungsgericht, der KEF und verschiedenen Institutionen festgelegt wird. Wenn ich auf der einen Seite das Volumen habe, das ich nicht erweitern darf, muss ich mir auf der anderen Seite auch den Einzelnen anschauen und muss ganz deutlich sagen: Derjenige darf nicht mehr bezahlen müssen. – Das ist das eine.

Das Zweite. Wenn wir versuchen, die Gebühr etwas gerechter zu gestalten, bedeutet das auch zu versuchen, das Vollzugsdefizit, wie es Paul Kirchhof genannt hat, zu beseitigen. Das heißt – das hat Kirchhof sehr deutlich gesagt und ich meine, das ist auch eine Leitlinie –, dass wir dafür sorgen müssen, dass die Ausnahmetatbestände für eine entsprechende Gebühr möglichst gering gehalten werden. Denn es ist klar, wenn ich eine Gebühr habe – nach meiner Feststellung ist auch die Haushaltsabgabe eine Gebühr –, bedeutet das: Je weniger vorn vornherein bezahlen, umso mehr müssen andere bezahlen. Aus dem Gutachten ergibt sich auch – das ist auch ein Weg, den wir verfolgen werden – das, was ich in einem modernen Staat für folgerichtig halte: dass bei der Sozialhilfe oder Hartz IV die Rundfunkgebühr als Grundbedarf eingebunden wird. Das ist in einem modernen Staat, wo es sehr wichtig ist, in einer offenen Demokratie auch Rundfunk und Medien zu nutzen, ein wichtiger Aspekt.

(Beifall des Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE)

Das würde bedeuten, dass wir, wie es übrigens auch die CDU/CSU-Fraktionsvorsitzendenkonferenz in ihrem Beschluss gefordert hat, unter Umständen die Befreiungstatbestände im Sozialbereich ein Stück dadurch ersetzen, dass wir aus der Sozialhilfe heraus einen Teil unmittelbar substituieren. Damit erfüllen wir auch eine Forderung, indem das in den Warenkorb für Hartz-IV-Empfänger aufgenommen wird und damit auch wieder mittelbar den Rundfunkanstalten zugute kommt. Das halte ich für ein gutes System. Das würde auch dieses Haus hinsichtlich der Petitionen entlasten. Denn es ist vollkommen klar, dass man im Rahmen der sozialen Verantwortung für die Teilnahme am öffentlichen Leben auch desjenigen, der

nicht sehr viel Geld hat, als Staat eine Vorsorge treffen muss. Ich denke, das ist unbestritten.

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Günther Schneider, CDU)

Dass das nicht gestaffelt möglich ist, diese Frage ist, glaube ich, mit der Tatsache beantwortet, dass es sich nicht um eine Steuer handelt.

Wir haben bei der Steuer eine Belastungsgerechtigkeit, wir haben sie bei der Abgabe, bei der Gebühr nicht. Das geht dogmatisch nicht. Das bekommen wir nicht hin. Dass wir keine Steuer haben wollen, wurde hier schon intensiv dargestellt. Wir wollen den staatsfernen Rundfunk, und zwar aufgrund der geschichtlichen Erfahrungen, die wir mit Rundfunk und staatlicher Informationspolitik gemacht haben.

Kurz und gut – wir werden uns an dem orientieren, was hinten dabei rauskommt, also dass die Belastung für den Einzelnen, den Privaten nicht höher wird, als sie im Moment ist. Wir werden zum Beispiel – was auch gefordert wurde – eine Indizierung sehr vorsichtig angehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in Zeiten, in denen überall gespart wird, gerade auch in diesem Land, im öffentlichen Dienst, eine Indizierung dazu führt, dass ein Teil dessen, was mit öffentlichen Mitteln gefördert wird, sich nach oben unkontrolliert entwickeln kann. Das ist auch ein Maßstab, dem wir entsprechen müssen.

Wir werden uns völlig unideologisch und unemotional über das Problem der Werbefreiheit unterhalten müssen, denn das macht immerhin 1,42 Euro von der Rundfunkgebühr aus. Auch das muss später bezahlt werden. Darüber müssen wir uns unterhalten.

Lassen Sie eine Zwischenfrage zu, Herr Staatsminister?

Ja, gern.

Bitte, Frau Kollegin.