Das nehme ich zur Kenntnis, ändert aber nichts an dem Umstand, dass ausgerechnet Herr Dr. Westerwelle, der mit seinem Ministersold und Aufsichtsratsposten dem nahezu anstandslosen Wohlstand frönt, meint, dem Lohnabstandsgebot gerecht werden zu können, indem die Hartz-IV-Sätze für unsere arbeitslosen Landsleute weiter herabgesetzt werden.
Anders können seine Aussagen nicht interpretiert werden, wenn er meint, dass der Einkommensunterschied zwischen Hartz-IV-Beziehern und Geringverdienern zu gering sei, aber gleichzeitig der Forderung nach einem Mindestlohn eine Absage erteilt – und das, obwohl doch gerade eben das Verfassungsgericht den Systemparteien ins Stammbuch schrieb, dass die seit Jahren praktizierte Armutsgesetzgebung das bedruckte Papier nicht wert ist. Sie ist das Papier nicht wert, weil die Hartz-Sätze eben nicht sachgerecht ermittelt wurden. Aus diesem Grund
steht heute die Forderung der NPD nach Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes erneut auf der Tagesordnung, nachdem es im Juni 2006 schon einmal Gegenstand einer Debatte in diesem Hause war.
In unserem Antrag von heute legen wir keine konkrete Zahl fest. Wir nannten damals den Stundenlohn von 8,80 Euro. Wir beschränken uns darauf, eine armutsfeste Entlohnung als Ziel der Landesregierung zu nennen – nicht etwa, weil wir von der Basis nicht mehr überzeugt sind, sondern weil wir Ihnen zumindest theoretisch die Zustimmung ermöglichen wollen, was mit der Festlegung auf einen konkreten Beitrag sicher nicht möglich wäre. Uns geht es in erster Linie um die politische Botschaft, und gerade von den Linken sollte man erwarten, dass sie endlich Farbe bekennen, über den ideologischen Schatten springen und ein Zeichen setzen, das da heißt: Die Opposition im Landtag bricht gemeinsam eine Lanze für einen gesetzlichen Mindestlohn.
Dabei ist mir natürlich klar, dass Sie unserem Antrag trotzdem nicht zustimmen werden; denn wie hat Herr Dr. Pellmann schon 2006 entlarvend erklärt: weil sich die böse, böse NPD mit ihren Initiativen zuallererst den Interessen der Deutschen verpflichtet fühlt. Pfui Teufel auch! Wo kämen wir hin, wenn es in einem deutschen Parlament darum gehen würde, sich zuallererst deutschen Interessen verpflichtet zu fühlen?
Aber natürlich werden Sie auch deshalb nicht zustimmen, weil wir keine „Reichtum-für-alle“-Utopien träumen, sondern uns konkret dem Schutz der deutschen Arbeitnehmer und zugleich der heimischen Wirtschaft verpflichtet fühlen.
Aus dieser Verantwortung für den Mittelstand heraus wissen wir natürlich, dass viele Unternehmen heute durch den globalen Verdrängungswettbewerb gar nicht in der Lage wären, einen solchen Mindestlohn zu zahlen, egal ob 8,80 Euro, 7,50 Euro oder gar 10 Euro. Deshalb fordern wir auch, dass der Staat als Ordnungsfaktor der heimischen Wirtschaft auftreten muss, um die Beschäftigung in Deutschland zu sichern. Was wir brauchen, sind gerade im Niedriglohnbereich befristete staatliche Lohnzuschüsse, da wir der Auffassung sind, dass Arbeit nicht arm machen darf.
Außerdem müssen wir zum Schutz der heimischen Wirtschaft endlich dem internationalen Freihandelsextremismus seine Grenzen aufzeigen. Was wir brauchen, ist eine moderne Schutzzollpolitik. Nur so, meine Damen und Herren, können wir den ruinösen Wettbewerb um den niedrigsten Preis im Vergleich zu China, Rumänien und vielen anderen osteuropäischen Ländern wirksam unterbinden. Es sollte, meine Damen und Herren, das Natür
lichste der Welt sein, wenn wir feststellen: Wer in Deutschland Profite erwirtschaften will, der soll gefälligst auch in Deutschland produzieren und hier Steuern zahlen.
Meine Damen und Herren! Ein gesetzlicher Mindestlohn ist nötiger denn je. Allein in Sachsen sind von 1,4 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ein Viertel Geringverdiener. 125 000 Menschen müssen ihr Gehalt zusätzlich aufstocken lassen, damit es halbwegs zum Leben reicht.
Wir brauchen einen Mindestlohn, der weitere Bedeutung gewinnt, da ab Mai 2011 osteuropäische Arbeitnehmer freien Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt haben, was selbst den Geschäftsführer der Zeitarbeitsfirma Adecco, Andreas Dinges, zu der Erkenntnis führt: „Ohne Mindestlohn droht ein Chaos!“
Meine Damen und Herren! Der internationale Raubtierkapitalismus hat durch seinen Wettbewerb um die niedrigsten Löhne und Preise unser Land ruiniert und die schrankenlose Öffnung des heimischen Marktes für die Billigkonkurrenz aus dem Ausland der Lohndrückerei Tür und Tor geöffnet.
Natürlich ist dem Chef von „Trigema“, Wolfgang Grupp, durchaus zuzustimmen, wenn er sagt, dass der Mindestlohn ein Armutszeugnis für Unternehmer ist. Denn das heißt letztendlich nichts anderes, als dass man den Unternehmer zwingen muss, seinen Arbeitnehmern einen angemessenen Lohn zu zahlen. Wenn es möglich sei, so Grupp, dass Arbeitgeber einen Lohn zahlten, der unter dem Existenzminimum liege, dann brauchten wir einen Mindestlohn. Und das, meine Damen und Herren, ist doch der springende Punkt. Es ist leider möglich in diesem Land, dass Löhne gezahlt werden, die zum Leben nicht ausreichen.
Und warum?, frage ich Sie. Erstens, weil selbst allgemeinverbindliche Tarifverträge immer nur für eine bestimmte Branche und für eine bestimmte Region gelten und auch nur dort möglich sind, wo mindestens 50 % der Arbeitgeber an einen Tarifvertrag gebunden sind. Das, meine Damen und Herren, ist doch oftmals nicht der Fall; denn die Tarifbindung der Unternehmen ist im Osten allein im Zeitraum von 1996 bis 2008 von 56 % auf circa 40 % gefallen.
Zweitens kommen wir an einem Mindestlohn auch deshalb nicht vorbei, weil selbst in den Tarifverträgen zum Teil skandalös niedrige Entgelte vereinbart sind.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie herzlich, auch wenn bei den meisten Hopfen und Malz verloren ist: Erteilen Sie den Versuchen jener neoliberalen Populisten um Guido Westerwelle eine klare Absage, die Geringverdiener gegen Langzeitarbeitslose ausspielen wollen!
Lassen Sie mich zum Abschluss noch eines feststellen: Wir fordern wie die Linke existenzsichernde Löhne, eines
aber garantiert nicht: das von den Linken so gepriesene bedingungslose Grundeinkommen, ein Grundeinkommen, das es für viele unwirtschaftlich erscheinen ließe, überhaupt noch arbeiten zu gehen. Wir sagen ganz klar: In einem nationalen Volksstaat, der dafür Sorge tragen wird, dass wieder genügend Arbeitsplätze für Deutsche geschaffen werden, da, meine Damen und Herren, wird es nicht nur ein Recht auf Arbeit, sondern auch wieder eine Pflicht für Arbeit geben.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Sächsische Landtag soll mit dem vorliegenden Antrag der NPD-Fraktion einen Mindestlohn für deutsche – und nur für diese – Arbeitnehmer herbeiführen. Damit entlarvt sich die NPD ein weiteres Mal als eine rassistische Partei, weil sie eine „armutsfeste Entlohnung“, wie in ihrem Antrag formuliert, für ausländische Arbeitnehmer hier gerade nicht fordert, sondern ihnen gern Arbeit zu Armutstarifen zur Verfügung stellen möchte. Welches Verhältnis zur Menschenwürde das offenbart, das möchte ich hier im Raum stehen lassen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben unsere Position zur Neuberechnung der Sozialhilfesätze und der Hartz-IV-Sätze hier schon besprochen. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gebietet uns weder, die Sätze pauschal nach oben zu setzen, noch, sie pauschal nach unten zu ziehen. Das hat die FDP auch nicht gefordert, sondern wir haben gesagt, dass die Sätze neu berechnet werden müssen. Das gilt insbesondere für Kinder, damit auch sie einen bedarfsgerechten Satz bekommen. Aber auch nach der Neuberechnung muss eines gelten: Wer arbeitet, muss deutlich mehr haben als derjenige, der nicht arbeitet.
Meine Damen und Herren! Wir Liberale wollen einen Sozialstaat, der einen Interessenausgleich vorsieht zwischen denjenigen, die von ihrer Leistung etwas abgeben, und denjenigen, die von dieser Leistung dauerhaft oder gegenwärtig leben müssen. Die Mitte der Gesellschaft ist solidarisch. Ihre Solidarität ist ein wertvolles Gut, mit dem die Politik sorgfältig umgehen muss. Das sind wir als Politik den Menschen schuldig, die mit ihrer Arbeitskraft ihr Einkommen erzielen und denen wir etwas abnehmen.
Meine Damen und Herren! Das Steuer- und das Transfersystem sind auf das Engste miteinander verbunden. Die FDP wird daher einerseits die Zuverdienstmöglichkeiten für Empfänger von Grundsicherung verbessern, um so die Anreize zu erhöhen, wieder in den Arbeitsmarkt einzutreten. 140 000 Menschen in Deutschland verdienen zu ihrer
Grundsicherung gerade exakt 100 Euro hinzu, also genau den Betrag, den sie verrechnungsfrei bei Hartz IV behalten dürfen. Aber wie kann man auch jemanden motivieren, der bei jeder zusätzlichen Anstrengung nur 20 Cent von jedem weiteren Euro behalten darf? Hier werden die Anreize falsch gesetzt.
Wir von der FDP wollen die Anreize richtig setzen. Der Sozialstaat muss hier Möglichkeiten für weitere Verdienste zulassen. Durch eine Neuregelung der Zuverdienstmöglichkeiten müssen wir Anreize zur Arbeitsaufnahme setzen. „Aufstocken“ darf kein Schimpfwort sein, sondern muss als eine Möglichkeit verstanden werden, in den geregelten Arbeitsmarkt zurückzukehren.
Das Setzen richtiger Anreize muss schon bei den Schülern beginnen. Was ist das für ein Sozialstaat, der Schülern das Geld, das sie in den Ferien erarbeitet haben, nimmt, um es auf die Bedarfssätze der Eltern anzurechnen? Wir haben in der Koalition in Berlin dafür gesorgt, dass diese Möglichkeit nicht mehr gegeben ist, sodass schon ab dem Sommer dieses Jahres diese Schülereinkommen nicht mehr angerechnet werden. Das ist eine Anerkennung der Leistung von Schülern.
Eine OECD-Studie vom Februar dieses Jahres zeigt, dass es in Deutschland zu wenig Arbeitsanreize gibt. Schon bei geringem Verdienst werden relativ hohe Steuern und Sozialbeiträge fällig. Die Bürger brauchen – nach Abzug der Steuern und Abgaben – mehr in ihrer eigenen Tasche. Deshalb halten wir – das möchte ich auch in dieser Debatte sagen – an einer Neuordnung des Steuerrechts ausdrücklich fest. Die FDP hat hierfür Vorschläge auf den Tisch gelegt. Wir wollen ein einfacheres Steuersystem haben, das verständlich ist und das jeder Bürger nachvollziehen kann. Und wir wollen eine deutliche Entlastung gerade der unteren und der mittleren Einkommensgruppen. Wir wollen diese Entlastung nicht trotz der Wirtschaftskrise, sondern weil es eine Wirtschaftskrise gibt, damit es wieder möglich ist, von seinem eigenen, selbst verdienten Geld mehr auszugeben und die Wirtschaft entsprechend anzukurbeln.
Meine Damen und Herren! Wenden wir uns dem Mindestlohn zu. Wir blicken auf eine lange Zeit wirtschaftlichen Wohlstands in unserem Land zurück, eines Wohlstands, auf den viele andere Länder neidisch sind. Das liegt nicht daran, dass wir hier dirigistisch der Wirtschaft Vorgaben machen, was sie zu bezahlen haben oder wie sie die Arbeitsbeziehungen regeln müssen, sondern das liegt daran, dass wir die Möglichkeit gegeben haben, Tarifverträge zwischen den Tarifpartnern auszuhandeln.
Würden vom Staat Löhne festgesetzt werden, würde das der Planwirtschaft ähneln, weil nicht mehr das freie Aushandeln der einzelnen Wirtschaftspartner den richtigen Preis am Markt bringt. Ein Mindestlohn ist unflexibel und vernichtet Arbeitsmöglichkeiten in großem Umfang.
Unser Grundgesetz hat eine andere Vorstellung, die wir als Liberale voll teilen. Wir Liberalen sind der Auffas
sung, dass die Koalitionsfreiheit, die unser Grundgesetz garantiert, auch eine Verpflichtung für die Tarifparteien bedeutet, diese Koalitionsfreiheit zu nutzen. Wer das derzeitige Lohnniveau in einigen Branchen als zu gering ansieht, der muss dafür kämpfen, und zwar als Arbeiter und als Angestellter, dass sich das Lohnniveau erhöht. Dafür gibt es die Möglichkeiten, die das Arbeitsvertragsrecht vorsieht. Dann muss man halt entsprechend in die Konflikte hineingehen und sich selbst um seine eigenen Angelegenheiten kümmern. Wir Liberale sind nicht der Auffassung, dass es die Aufgabe des Staates ist, den einzelnen Arbeitnehmern diese Aufgabe abzunehmen und einen staatlichen Mindestlohn festzusetzen.
Meine Damen und Herren! Diese tariflich vereinbarten Löhne gelten dann nicht nur für deutsche Arbeitnehmer; sie gelten für alle Arbeitnehmer, die sich daran beteiligt haben, diese Löhne zu erkämpfen. Deshalb lehnen wir den Antrag der NPD-Fraktion ab.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren der demokratischen Fraktionen! Herr Apfel, Sie haben wieder alles versprüht, was man an Geist von Ihnen erwarten kann. Trotzdem kommt Ihr Antrag zu spät.
Über Mindestlohn haben wir als Linke hier schon gesprochen. Sie haben bewiesen, Sie verstehen wenig davon. Mindest- und Grundeinkommen gleichzusetzen ist falsch. Herr Apfel, wir reden von Grundsicherung und Grundeinkommen. Das kommt aus der Schweiz. Aber solche Dinge sind nicht wichtig.
Zweitens haben Sie noch Herrn Westerwelle im Visier. Nach Wochen öffentlicher Diskussion konnte jeder Bürger erkennen, welche Politik die FDP vertritt. Sie wollen nun durch Ihren Antrag eine Art Fundamentalisierung durch Wiederholung und Verurteilung. Herr Apfel, ich lehne das ab. Ich will das nicht. Das hat mit meinem Menschenbild selbst gegenüber meinen politischen Gegnern zu tun. Da streite ich mich lieber mit Herrn Günther über den Mindestlohn.
Ihr Antrag trieft von populistischen Äußerungen. Er ist ökonomisch und fachlich falsch. Das werde ich noch beweisen. Er hat auch noch Züge nationalsozialistischer Propaganda. Das weise ich Ihnen nach.
Zur Äußerung von Westerwelle über die Hartz-IV-Sätze: Auch ich habe das zurückgewiesen. Es bedarf aber nicht Ihres Antrages. Zugleich haben die Fraktionen im Bundestag diese Auseinandersetzung zur Genüge geführt. Dort gehört das auch hin. Zum Glück sind Sie dort nicht
dabei. Das Ergebnis: Der größte Feind der Tarifautonomie und der Gewerkschaften ist der Vorsitzende der FDP. Das ist nunmehr unstrittig.
Ergebnis dieser Diskussion der vergangenen Woche; Herr Apfel, das ist Ihnen entgangen. Das wird zur Folge haben, dass die Gewerkschaften nach Rot-Grün wieder zu kämpfenden Gewerkschaften werden, wenn die Beschäftigten nicht die Zeche der Krise allein zahlen sollen. Das ist gut so, Herr Apfel. Gut ist auch, dass die NPD dazu nicht gebraucht wird. Sie sind außen vor. Ihr Antrag wird Ihnen dabei auch nicht helfen.