Es ist tatsächlich absehbar – und das war es bereits vor Jahren –, dass in den nächsten zehn Jahren circa 15 000 Lehrer in den Ruhestand gehen und diese, wenn keine Gegenmaßnahmen getroffen werden, nicht durch an sächsischen Hochschulen ausgebildete neue Lehrer ersetzt werden können. Um dies zu verhindern, werden wir den beiden vorliegenden Anträgen zustimmen.
Meine Damen und Herren! Die erste Runde der Redebeiträge der Fraktionen ist beendet. Wir kommen zur zweiten. Gibt es Wortmeldungen? – Frau Abg. Werner für die Fraktion DIE LINKE. Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Ich muss schon zugeben, dass ich einigermaßen fassungslos bin und es fast ein bisschen schäbig finde, dass mit Frau Fiedler und Herrn Tippelt nun wirklich zwei junge, neue Abgeordnete hier vorgeschickt wurden. Sie kennen die Geschichte nicht und wurden nicht wirklich aufgeklärt, was in den letzten Jahren hier im Landtag passiert ist.
(Stefan Brangs, SPD: Das weiß man nicht! – Dr. André Hahn, Linksfraktion: Aufgeklärt sind sie! – Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion: Aber sie haben nicht so geredet, als ob sie aufgeklärt wären!)
Da kann ich meinem Kollegen Pellmann nur recht geben. Deswegen werde ich jetzt hier noch ein paar Bemerkungen machen, die zwar schon einmal gesagt wurden. Aber ich glaube, dass es für die zukünftige Arbeit wichtig ist, dass Sie sich dann auch darauf beziehen können.
Ich bin auch relativ frustriert, weil die Probleme, über die wir heute hier sprechen, eben wirklich – könnte man fast sagen – steinalt sind. Sie sind außerdem hausgemacht und das Ergebnis einer verfehlten Finanz- und Haushaltspolitik, die immer, wenn es knapp wurde, auf Kosten der Lehrenden und Lernenden ausgetragen wurde. Es wurde versucht, sie auszusitzen. Die Probleme haben wir heute auf dem Tisch. Sie sind nicht nur geblieben, sie sind sogar schlimmer geworden.
Ich könnte vieles herausgreifen. Ich möchte mich zum einen auf die alte Diskussion zur Lehramtsausbildung beziehen. Das sind keine neuen Themen, die wir heute hier diskutieren. Schon damals, als es um die Reform der Lehramtsausbildung ging, gab es viele kluge, engagierte Leute aus den Hochschulen, aus den Universitäten, die sich mit Papieren, mit Untersuchungen eingebracht und ihre Vorschläge unterbreitet haben. Diese wurden damals zerrieben. Zum einen in den Hochschulen, weil die Geistes- und die Sozialwissenschaften immer leiden,
wenn es einen Mangel gibt. Sie wurden mit ihren Vorschlägen aber auch durch die CDU zerrieben, weil sie ideologisch an ihrem selektiven Schulsystem festhielt.
Es war damals auch ein Problem der Umsetzung des Bologna-Prozesses und der Umstellung auf Bachelor und Master. Das ist auch keine Sache von heute, sondern eine, die schon einige Jahre zurückliegt. Damals gab es auch schon Kritik sowohl von der Opposition als auch von den Hochschulen, dass das zu schnell geht, dass man eine bestimmte materielle Unterstützung braucht, dass der Mehrbedarf, der immer angemahnt wurde und für Bachelor und Master vorhanden ist, eben nicht aus den zugewiesenen Mitteln gedeckt werden kann, und dass es ein Problem gibt, wenn eine Selektion nach dem Bachelor zumindest möglich ist. Das alles wurde ignoriert.
Eine weitere Diskussion – das wurde heute bereits angesprochen – gab es zum Bedarf an Lehrerinnen und Lehrern. Das ist auch keine neue Debatte. Schon 2003 gab es von der TU Dresden die genannte Untersuchung zum Fachkräftemangel. Bereits damals wurde auf den drohenden Lehrermangel hingewiesen. Aber auch hier, denke ich, ist es an der CDU gescheitert, dass nichts passiert ist.
Ich spreche das deshalb noch einmal an, weil wir daraus auch lernen können, damit wir die Fehler von damals heute nicht wieder machen. Wir können doch den Sachverstand der Lehrenden und der Studierenden einbeziehen und die Strukturentscheidungen, die jetzt in der neuen Hochschulvereinbarung zu treffen sind, nicht wie damals nur am Ministertisch treffen, sondern gemeinsam mit den Betroffenen und den Akteuren.
In der ersten Hochschulvereinbarung war das anders. Da war die Konzentration auf die Lehrerausbildung enthalten. Ich muss Frau Stange in Schutz nehmen. Die Entscheidungen wurden damals durch die CDU, durch die Staatsregierung gefällt, ohne mit den Betroffenen zu reden. Alle wurden außen vor gehalten. Es wurde nicht diskutiert. Es war in all den Jahren wirklich schwierig, wenn man darüber diskutieren wollte, dass bestimmte Vorgaben, die in der Hochschulvereinbarung enthalten waren, aufgehoben werden. Da gab es einfach keinen Willen vonseiten der CDU.
Damals gab es einen Bericht der Sächsischen Hochschulentwicklungskommission. Das war das Problem: Was irgendwie in den Kram passte, wurde aufgenommen. Aber die SHEK hatte selbst eine andere Methode vorgeschlagen. Sie hat nämlich gesagt – und darauf möchte ich noch einmal ganz dringend verweisen –, dass man mit Stellenkürzungen keine Hochschulreform bewerkstelligen kann. Eigentlich wollte damals die SHEK gar nicht antreten, weil sie sagte, mit den vorgegebenen Stellenkürzungen sei eine Strukturreform, eine Hochschulreform gar nicht vorstellbar.
Zum anderen hat sie aber auf eine öffentliche Diskussion des Berichtes hingewiesen. Ich habe schon gesagt, es kam anders. Die Staatsregierung hat am grünen Tisch entschieden. Einige Rektoren wurden über die Vorhaben informiert; sie wurden aber damals zur Geheimhaltung
gezwungen. Einige Strukturvorgaben kamen in die Öffentlichkeit. Es kam zu Protesten. Auch danach gab es keinerlei Regung in der CDU. Es war dann so, dass dieser Entwurf nicht mehr veränderbar war. Das muss man noch einmal sagen, weil den Hochschulen vielleicht vorgeworfen wird, sie hätten damals diese Hochschulvereinbarung unterschrieben.
Aber es war so: Die Hochschulen wurden unter Druck gesetzt. Es wurde ihnen angedroht: Wenn ihr diese Hochschulvereinbarung nicht unterschreibt, in der die Strukturkürzungen beinhaltet waren, dann kann nicht ausgeschlossen werden, dass ihr von anderen Stellenkürzungen betroffen seid. Die Hochschulen haben aus lauter Angst okay gesagt, wir nehmen den Spatz in der Hand, statt eine wirklich gute Ausrüstung der Hochschulen zu haben.
Dass das eine Fehlleistung war, sehen wir jetzt. Wir haben es nun auf dem Tisch. Ich will nur noch einmal sagen, Frau Fiedler und auch Herr Tippelt – weil Sie davon sprachen, jetzt endlich geht es vorwärts, das SMWK und das SMK arbeiten gemeinsam –,
was passieren kann. Wir haben damals gemeinsam mit den GRÜNEN einen Antrag eingebracht, bei dem es um die Lehramtsausbildung ging, um die Absicherung. Wir hatten ihn im Schulausschuss und im Wissenschaftsausschuss. Es war immer so, dass sich die CDU-Fraktion geweigert hat, im Schulausschuss über die Dinge zu reden, die irgendwie mit dem Wissenschaftsausschuss zu tun haben konnten, und anders herum der Wissenschaftsausschuss ja nicht über Schuldinge reden wollte. Wo da der integrative Ansatz gewesen ist, weiß ich nicht.
Jetzt, da es, wie Herr Gerstenberg sagte, fünf nach zwölf ist, endlich anzufangen zu arbeiten, finde ich gut. Ich hoffe nur, dass es auch zu dem Ende kommt, das für die Hochschulen das richtige ist.
Ich möchte Sie auch auffordern – natürlich erst nach der Abstimmung –, einmal nach draußen zu gehen. Dort sind die Studierenden. Dort sind die Lehrenden. Die können Ihnen sagen – –
Es waren noch nicht alle draußen, deswegen an die, die es noch nicht geschafft haben, einmal mit den Studierenden zu reden, die Aufforderung, nach draußen zu gehen und tatsächlich mit den Leuten zu sprechen und sich ihre Vorschläge anzuhören.
Ich will ein Beispiel herausgreifen. Eine Frau hat draußen gesprochen und uns ihr persönliches Beispiel sozusagen zur Kenntnis gebracht. Sie hat zwei Kinder, die hier in Dresden in die Schule gehen. Sie wird jetzt mit dem Bachelor fertig und müsste dann zum Master nach Leip
zig fahren. Das ist für sie natürlich überhaupt nicht drin – und das ist kein Einzelfall. Hier müssen also Lösungen gefunden werden, und ich denke, Sie könnten draußen noch mehr solche Beispiele hören.
Ich kann aber auch auf ein Positionspapier der Lehramtstudierendenvertretungen der Universität Leipzig und des Zentrums für Lehrerbildung, Schule und Berufsbildungsforschung der TU Dresden verweisen. Hierin wurden noch einmal verschiedene Probleme der derzeitigen Lehramtsausbildung aufgegriffen. Herausgreifen möchte ich das Problem der Zweistufigkeit des Studienganges. Die Zweistufigkeit macht natürlich nur dann Sinn, wenn die Bedürfnisse der Studierenden nach mehr Flexibilität tatsächlich berücksichtigt werden können. Es macht natürlich keinen Sinn, wenn ein Studiengang nicht mehr studierbar oder kaum studierbar ist oder wenn es eben zu Schmalspurstudien führt, zum Beispiel wenn man nach einem Bachelor, der im Bachelorlehramt praktisch keinen Berufszweig enthält, keinen Master mehr finden kann.
Die Studierenden beschreiben weitere Probleme, zum Beispiel die starken Unterschiede durch die starke Strukturierung des Schulsystems. Das findet sich in dem polyvalenten Bachelor kaum wieder. Sie fordern weitere Kompetenzen für die Grundschule oder für die Förderschulen. Diese finden sich ebenfalls nicht wieder. Und andererseits sagen sie, dass künstliche Unterschiede konstruiert werden. Hier ein Zitat: „Gerade in der Unterscheidung zwischen Mittelschule und Gymnasium besteht die Gefahr, dass willkürlich geringe Unterschiede bei eigentlich gleichem Studium konstruiert werden, die nicht aus inhaltlichen Überlegungen stammen.
Darüber hinaus geht es auch um die Studierbarkeit der Module. Hierzu möchte ich gern ein Beispiel aus der Universität Leipzig bringen. Wir haben dort herumgefragt. Sie wollen ja die Masterausbildung nach Leipzig legen, also müssen Sie auch wissen, wie dort derzeit die Bedingungen sind.
Uns wird gesagt, dass die begrenzten Ressourcen in Leipzig schon heute ein reibungsloses Studium behindern. Es gibt zeitliche Überschneidungen. Trotz des sogenannten Zeitfensterplanes halten sich nicht alle Fakultäten daran. Die Bildungswissenschaft ist dann oft das Opfer. Es kommt dazu, dass Module, die eigentlich in bestimmten Semestern zwingend belegt werden müssen, parallel gelegt werden und so auch nicht studierbar sind, oder dass sie zu gleichen Zeiten stattfinden, sich überschneiden oder die Entfernung zwischen den Lehrgebäuden die Belegung der Module nicht zulässt.
Es gibt die Lehrkräfteproblematik. Stellen sind unterbesetzt, zum Teil wird der Unterricht durch junge angehende Lehrkräfte abgehalten, die zum Teil noch nicht einmal das Referendariat abgeschlossen haben. Seminare und Vorlesungen sind zum Teil überfüllt, in manchen Seminaren sitzen bis zu 70 Studierende. Es kommt zu spontanen Kürzungen von ursprünglich angebotenen Seminaren, weil diese nicht mehr durchgeführt werden können, weil das Lehrpersonal dazu nicht vorhanden ist.
Es gibt Probleme inhaltlicher Art, die ich aber jetzt nicht weiter ausführen will. Es gibt aber auch sehr große Unterschiede zwischen den einzelnen lehrenden Personen, was zu großen Niveauunterschieden bei den Modulen führt.
Das größte Problem bei den Studierenden dort – das wurde auch schon angesprochen – ist der Praxisbezug. Es gibt zu wenig Praxis und sie kommt zu spät. Wenn alle Studierenden in Leipzig sind, wird es sehr schwierig werden, eine qualitätsvolle und hochwertige Praxis anbieten zu können. Es gibt natürlich auch die Ängste, dass, wenn die Dresdner kommen, die großen Probleme, die es derzeit schon gibt, noch größer werden.
Mir war es wichtig, Ihnen diesen Bericht der Praktikerinnen und Praktiker zu geben, weil das etwas ist, worauf vor allem Herr Colditz immer so großen Wert gelegt hat. Das sind die Probleme der Studierenden in Leipzig. Diese müssen berücksichtigt werden, sowohl wenn es um den künftigen Haushalt als auch um die Vereinbarungen mit den Hochschulen geht.
Ich habe noch eine Kritik grundsätzlicher Art, die bereits angesprochen wurde. Es gibt eine Studie der OECD zum deutschen Lehrerbildungssystem. Darin wird als ein Schwachpunkt benannt, dass die Erwartungen der Kultusministerien an Inhalt und Form der Ausbildung sehr streng dadurch bestimmt sind, wie die Schule derzeit organisiert ist. Die starke Orientierung an Schulart oder fachbezogenen Lehrämtern verstärkt die Tendenz zum fragmentierten Charakter der Lehramtsausbildung. Das wird als ein Hauptschwachpunkt für die Ausbildung in Deutschland gesehen. Es ist aber, glaube ich, Zukunftsmusik, daran auch noch zu arbeiten. Aber ich möchte es unbedingt grundsätzlich genannt haben.
Die Begrenzung der Lehramtsausbildung auf ein schulformbezogenes Modell wird Sachsen und auch zukünftigen Bildungsentwicklungen nicht gerecht. Wir wissen heute noch nicht, wie der Bedarf aussehen wird, wie die Mobilität sein wird und welche Bildungssysteme wir haben.
Mir geht es nicht vordergründig um Gemeinschaftsschulen, sondern darum, dass die Lerngruppen immer heterogener und die Schülerinnen und Schüler immer unterschiedlicher werden. Sie haben heute früh schon sehr schön beschrieben, dass man eigentlich nicht mehr zwischen Mittelschulen und Gymnasien unterscheiden kann. Es gibt eine sehr große Überschneidung. Ich denke, jede Lehrerin, jeder Lehrer egal welcher Schulform muss dem gerecht werden. Deswegen müssen die Inhalte ganz anders gestaltet werden.
Ich möchte aber versuchen, einen optimistischen Ausklang zu geben. Ich denke, Universitäten bergen noch einen hohen Schatz. Sie können weiter denken, sie denken auch über den Tellerrand der Verwaltung hinaus. Das haben sie uns schon seit Jahren gezeigt. Hierin liegen auch die Chancen für Sachsen.
Wir haben eine neue Ministerin, die, wie mir scheint, hoch sensibilisiert für dieses Thema ist. Ich habe heute gesehen, dass die Sicht bei FDP und CDU, was die Probleme angeht, klarer wird. Besonders hoffnungsvoll hat mich gemacht, dass heute vor dem Haus die jungen angehenden Lehrerinnen und Lehrer standen, die dafür kämpfen, dass ihr Studium erhalten wird und sie ein gutes Studium haben können. Sie kämpfen sozusagen für die zukünftige Bildungsqualität hier in Sachsen.
Ich habe Ihnen das Beispiel der Studentin mit den zwei Kindern genannt. Wir können es uns nicht leisten, nur eine einzige von den jungen Studierenden zu verlieren. Deswegen habe ich schon die Hoffnung, dass heute die CDU und die FDP über ihren Schatten springen und Anträgen der Opposition zustimmen. Der Antrag der Linken heißt nur „Lehramtsausbildung an der TU Dresden fortführen!“. Dem kann man zustimmen. Der Antrag der GRÜNEN heißt „Lehramtsstudium sofort absichern und ausbauen“. Das haben Sie jetzt selbst benannt. Es wäre ein gutes Zeichen für ein gemeinsames Ziehen an einem Strang, dass Sie jetzt unseren Anträgen zustimmen.
Vielen Dank, Frau Werner. Sie haben für die Fraktion DIE LINKE gesprochen. – Ich frage die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Besteht noch Redebedarf? – Das ist nicht der Fall. Die CDU? – Herr Abg. Schreiber, bitte, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Frau Werner, ich glaube, Sie müssen sich daran gewöhnen, dass hier ab und an jemand vorn steht, der in der vergangenen Periode noch nicht im Landtag gesessen hat. Ich persönlich finde es schon fast unverschämt, wenn Sie diesen neuen Abgeordneten unterstellen, von der Materie keine Ahnung zu haben.
(Starker Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. André Hahn, Linksfraktion: Dass sie die Vorgeschichte nicht kennen! – Zuruf der Abg. Heike Werner, Linksfraktion)