Protocol of the Session on April 28, 2010

(Beifall bei der FDP)

Damit erzielen wir eine bessere Durchlässigkeit und auch mehr Leistungsgerechtigkeit.

Wie war es bisher? Bisher mussten die Eltern, die gesagt haben, mein Kind will nach Klassenstufe 6 ans Gymnasium gehen, einen Antrag stellen und ein aufwendiges Verfahren durchlaufen.

Das machen wir einfacher. Wir nehmen den Eltern mit einer fast gleichen Bildungsempfehlung nach Klassenstufe 6 den Druck, ihr Kind bereits nach Klassenstufe 4 aufs Gymnasium zu schicken. Wir geben ihnen die Möglichkeit, auch nach Klassenstufe 6 einen gleichberechtigten Übergang zu nehmen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Dazu gehört natürlich nicht nur die formale Änderung der Bildungsempfehlung, sondern in einem zweiten Schritt auch eine besondere Förderung für die Schüler, die nach Klassenstufe 6 aufs Gymnasium gehen wollen. Dazu wollen wir, dass an mehr Schulen eine zweite Fremdsprache in Klassenstufe 6 eingeführt wird und Leistungsgruppen gebildet werden. Wir wollen die Schüler, die später aufs Gymnasium wechseln wollen, fit für den Übergang machen.

Insgesamt wird die Neuregelung zu einer Stärkung der Gymnasien und auch der künftigen Oberschulen führen. Wir wollen mehr Leistungsorientierung und mehr Chancengerechtigkeit. Genau das wird die Bildungsempfehlung liefern.

Zudem – mein Kollege Thomas Colditz sprach es schon an – wird die Beurteilung auf eine breitere Basis gestellt. Wir werden zukünftig drei statt zwei Fächer in Klassenstufe 4 dafür berücksichtigen. Auch in Klassenstufe 6 – es ist richtig, dass darüber noch einmal zu reden sein wird – müssen wir die Basis verbreitern und einen gerechteren Übergang schaffen.

Jeder, der mit Lehrern von Gymnasien und Mittelschulen gesprochen hat, weiß, dass es wichtig ist, dass endlich die von der SPD durchgesetzte Aufweichung zurückgenommen wird. Diese hat das Herz der Mittelschule geschwächt. Sie hat dazu geführt, dass Schüler in die Gymnasien kamen, die eben noch nicht den Leistungsstand hatten. Es gibt Studien, die zeigen, dass diese Schüler eine

viel höhere Wahrscheinlichkeit hatten, an die Mittelschulen zurückzukehren, als die Schüler nach der alten Bildungsempfehlung von vor 2005.

Es ist auch Realität, dass der, der nach Klassenstufe 4 nicht auf das Gymnasium wechselte, in der Klassenstufe 6 dafür ganz schlechte Möglichkeiten hatte. Ich habe das vorhin schon einmal angesprochen. Ganze 0,6 % haben gewechselt. Diese Prozentzahl ist in der Zeit der SPDRegierungsbeteiligung zurückgegangen. Eine Ursache dafür ist die Bildungsempfehlung.

(Zuruf der Abg. Dr. Eva-Maria Stange, SPD)

Bei Ihnen war es Klassenstufe 4 oder danach gar nicht mehr. Das war das falsche Signal.

Wir wollen die Durchlässigkeit verbessern. Das erreichen wir mit der Bildungsempfehlung.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wenn es um den Übergang geht, müssen wir natürlich auch klären: Was ist eigentlich die Oberschule? Was ist das Gymnasium?

Lassen Sie es mich ganz deutlich sagen: Wir lehnen es ab, Absolventen von Mittelschulen oder der zukünftigen Oberschulen als nicht erfolgreich zu bezeichnen. Ich höre manchmal vom linken Lager Zwischentöne, die sagen, dass der Bildungsweg der Mittelschule ein Misserfolg sei. Das ist falsch und wird auch den individuellen Leistungen der Schüler nicht gerecht.

Die Mittelschule ist das Herz des sächsischen Bildungswesens. Zukünftig wird es die Oberschule sein. Es ist verantwortungslos, Eltern und Schülern vorzumachen, ein Mittelschul- bzw. Oberschulabschluss verbaue die Zukunft oder den Hochschulabschluss. Das ist schlichtweg falsch. Schon jetzt gibt es die Möglichkeit, nach Klassenstufe 10 über das berufliche Gymnasium das Abitur zu machen. Ich glaube, ein Fünftel der Mittelschüler nehmen das wahr. Das ist schon ganz beachtlich und zeigt, dass es eine dritte Möglichkeit gibt, auf das Gymnasium zu wechseln.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die künftige Oberschule wird allen Schülern die besten Chancen geben, den für sie erfolgreichsten Bildungsweg einzuschlagen. Die Oberschule wird keine Sackgasse sein, wie es gern von den Linken dargestellt wird, sondern sie ist eher eine Schnellstraße für den beruflichen Einstieg

(Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion, lacht.)

mit vielen Weggabelungen zum Abitur. Diese Weggabelungen werden wir ausbauen. Der erste Schritt ist der Vorschlag des Kultusministeriums zur Umsetzung der Bildungsempfehlung.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Es sprach Kollege Bläsner für die FDP-Fraktion. Die Fraktion DIE LINKE wird jetzt vertreten durch Kollegen Hahn.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die von CDU und FDP beantragte Aktuelle Debatte ist dieses Mal wirklich aktuell, denn die vom Kultusminister kürzlich angekündigte deutliche Verschärfung der Zugangskriterien für das Gymnasium beschäftigt ohne Zweifel die Gemüter im Land. Ich denke, die Aufregung darüber besteht völlig zu Recht.

Wieder einmal allerdings wurde diese Entscheidung am Parlament vorbei getroffen. Durch diese Entscheidung werden die Berufs- und damit auch Lebensperspektiven Zehntausender junger Menschen in unserem Land massiv beeinträchtigt werden. Das ist die Wahrheit, Herr Bläsner. Das ist keine Schnellstraße, für viele Jugendliche ist es eine Einbahnstraße oder gar eine Sackgasse.

(Beifall bei der Linksfraktion und der Abg. Dr. Eva-Maria Stange, SPD)

Aus der Sicht der Linken ist völlig klar: Wir brauchen in Sachsen nicht weniger, sondern wir brauchen deutlich mehr Abiturienten und auch mehr Studierende, wenn wir die Herausforderungen der Zukunft wirklich meistern wollen. CDU und FDP dagegen wollen offenbar das gegliederte Schulwesen erhalten, koste es, was es wolle. Wir halten einen solchen Kurs für unverantwortlich.

Was bedeuten denn die jüngsten Entscheidungen des Kultusministers im Kern, wenn sie umgesetzt werden? Es werden in den kommenden Jahren deutlich weniger Jungen und Mädchen in der Klasse 4 eine Bildungsempfehlung für das Gymnasium erhalten. Die vermeintliche oder vielleicht tatsächliche Elite soll weiter unter sich bleiben, und zwar ab dem Alter von zehn bzw. elf Jahren.

Wer für einen solchen Kurs steht, das zeigen nicht zuletzt die heftigen bildungspolitischen Diskussionen, die wir gegenwärtig in Hamburg erleben. Dort ist es die FDP, die sich massiv dagegen wehrt. Besser Verdienende und Superreiche in den Hamburger Nobelgegenden wehren sich mit allen Mitteln dagegen, dass es längeres gemeinsames Lernen in Hamburg gibt.

Die Hamburger Landesregierung wird bekanntlich von der CDU und den GRÜNEN gestellt.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Genau!)

Die wollen dort die viel zu frühe Trennung der Kinder nach der Klasse 4 beenden, und zwar mit Unterstützung der CDU. Die Gutbetuchten allerdings wollen am liebsten alles beim Alten lassen.

(Jürgen Gansel, NPD: Vor allem nicht mit Ausländerkindern unterrichtet werden! Das spielt auch eine Rolle!)

Die Bürgerinnen und Bürger in Hamburg werden in Kürze in einem Bürgerentscheid darüber entscheiden. Lassen Sie doch die Sachsen auch entscheiden, ob sie längeres

gemeinsames Lernen wollen. Ich bin da sehr zuversichtlich.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Wir haben Befragungen, die Ihnen auch bekannt sind, die besagen, dass 70 % bis 80 % für ein längeres gemeinsames Lernen sind. Nur Sie von der CDU, insbesondere in Sachsen, verweigern sich dieser Realität.

Die Hamburger sind aufgeschlossen, weltoffen und fortschrittlich. Das allerdings kann man von der sächsischen Landesregierung nicht behaupten.

Im Übrigen reicht das Bündnis für längeres gemeinsames Lernen in Hamburg von der CDU über die GRÜNEN, die Sozialdemokraten bis hin zur Linken. Das ist eine wirklich breite Bewegung für eine Reform des Schulsystems. Wir wollen das. Man hat sich in Hamburg sogar auf ein von allen Parteien getragenes Plakat einigen können. Alle Parteien verwenden dort das gleiche Plakat für längeres gemeinsames Lernen. Die CDU hatte ein Problem damit, auf dem Plakat neben dem Logo der Linken das Logo ihrer Partei zu haben. Das hätte vielleicht auch bei uns den einen oder anderen Wähler irritiert. Nun haben also alle Parteien das gleiche Plakat mit ihrem jeweiligen Logo. Damit kann ich aber leben, wenn sich wirklich etwas verändert und nach vorn geht. In Sachsen ist das Gegenteil der Fall.

Meine Damen und Herren! Wir wollen das, was in Hamburg möglich und in anderen Ländern schon lange gang und gäbe ist, auch in Sachsen. Wir wollen hier ein längeres gemeinsames Lernen. Die hiesige CDU ist aber im vorigen Jahrhundert stehen geblieben. Das ist wahrlich kein Ruhmesblatt.

Zu den Details wird meine Kollegin Falken dann noch sprechen. Aber eines will ich schon festhalten: Die von der hiesigen Koalition geplanten Veränderungen führen nicht nur dazu, dass immer weniger Kinder auf das Gymnasium gehen, sie bedeuten zugleich auch, dass für Spätentwickler künftig so gut wie keine Chance mehr vorhanden sein wird, die Hochschulreife zu erlangen.

(Zuruf von der CDU: Unsinn!)

Das ist im Übrigen nicht nur wegen der unzureichend vorgehaltenen zweiten Fremdsprache der Fall, Herr Kollege Herbst. Das wissen Sie ganz genau. Es geht auch um die verschärften Bildungsempfehlungen nach der Klasse 6. Wir meinen, das ist der falsche Weg.

Ich bin mir sicher, nicht nur wir als Linke, sondern die überwiegende Mehrzahl der Menschen im Land steht für längeres gemeinsames Lernen. Das und nichts anderes ist das Gebot der Stunde.

(Beifall bei der Linksfraktion und der Abg. Dr. Eva-Maria Stange und Thomas Jurk, SPD)

Für die Fraktion der Linkspartei sprach der Abg. Hahn. Jetzt kommt die SPD mit Frau Kollegin Stange.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! „Frühzeitige Selektion, fehlende Transparenz und überbordende Bürokratie gehören zu den Mängeln des Schulsystems im Freistaat Sachsen. Das Ergebnis sind Frustration, mangelhafte Schulqualität und ungleiche Bildungschancen.“ Dieser Satz stammt nicht von der SPD, sondern dieser Satz stammt von der FDP auf dem Parteitag 2006. Er wurde mehrfach bis zu den Landtagswahlen wiederholt. Erinnern Sie sich?

(Zuruf des Abg. Torsten Herbst, FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht darum, „die Barrieren für den Wechsel von der Mittelschule zum Gymnasium zu senken und Spätzündern somit eine faire Chance für den persönlichen Aufstieg zu geben.“ – Herr Herbst, hören Sie Ihre Worte aus dem Jahr 2008? Faire Chancen wären längeres gemeinsames Lernen und individuelle Förderung in einer Gemeinschaftsschule, die Sie bis zu den Landtagswahlen zumindest bis Klasse 6 noch befürwortet haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das, was mit der neuen Bildungsempfehlung auf dem Tisch liegt, ist eine Täuschung der Öffentlichkeit und aus meiner Sicht auch eine Täuschung der Schülerinnen und Schüler. Das ist weder leistungsgerecht noch flexibel.