oder Sachsen zur Umweltzone erklärt. Das konnte man Ihrem Redebeitrag entnehmen. Das ist sicherlich nicht sachgerecht.
Ich denke auch, Frau Kollegin Dr. Deicke, dass Sie das zwar hier am Rande gestreift haben, aber durchaus mit Ihren Kollegen in Berlin nicht übereinstimmen. Ich darf vielleicht einmal zitieren, was kein Geringerer als Ihr Kollege, der Vorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Selbstständige, Herr Stefan Harant, in seinem Brief im Oktober des vergangenen Jahres unter der Überschrift „Existenzrisiko Umweltzone“ schrieb: „Betroffen sind 140 000 Pkw und Lkw von vielen Kleinunternehmern, deren Fahrzeuge gerade einmal vier oder fünf Jahre alt sind und die damit noch lange nicht fahruntauglich werden. Vielen fehlt das Geld, um neue Transporter zu kaufen, um die EU-Norm 4 besser zu erfüllen.“ Ich könnte noch mehr erzählen, was Ihr Kollege da geschrieben hat.
Aber wenn man aufmerksam den Luftreinhalteplan der Stadt Leipzig ansieht, hat man dort wahrscheinlich noch eine ähnliche Situation festzustellen. Von den zugelassenen Fahrzeugen der Stadt Leipzig, wenn die Umweltzone so kommt, sind 6 % der Pkws davon betroffen. Meine Damen und Herren, aber 44 % der Nutzfahrzeuge, die in Leipzig zugelassen werden, können dann nicht mehr in die Umweltzone fahren.
Bei der Landkreissituation, also für die umliegenden ländlichen Gebiete, sieht die Situation so aus, dass circa 7 % der Pkws davon betroffen wären, nicht mehr nach Leipzig hineinfahren zu können, und 47 % der Nutzfahrzeuge.
Meine Damen und Herren! Das ist dem kleinen Bäcker, Gärtner oder sonstigen Gewerbetreibenden, die täglich darauf angewiesen sind, mit ihrem Fahrzeug ihre Produkte an den Mann oder die Frau zu bringen, sicherlich nicht zuzumuten, wenn er durch die Stadt Leipzig aufgefordert wird, sich jetzt eine neue Fahrzeugflotte zu kaufen.
Eine vom Automobilclub ADAC in Auftrag gegebene Studie konnte bei der Schadstoffbelastung keine Unterschiede zwischen Städten mit und Städten ohne Fahrverbot für alle Dieselautos feststellen. Gemessen wurde in jeweils zwei benachbarten Städten, um den Einfluss der Witterung zu minimieren. Die Ergebnisse waren uneinheitlich. In Berlin, wo im Frühjahr eine Umweltzone eingeführt wurde, lag der Feinstaubwert zeitweise 5 % höher als im Vorjahreszeitraum, zeitweise aber auch 4,7 % niedriger. Im umweltzonenfreien Potsdam, also unmittelbar daneben, schwankte der Wert zwischen einem Plus von 2,1 % und einem Minus von 1,9 %. Auch bei der Entwicklung der Stickoxidwerte waren keine signifikanten Unterschiede zwischen den Städten zu messen. Das gleiche Ergebnis übrigens ergab sich für das Städtepaar Mannheim mit einer Umweltzone und der Stadt Ludwigshafen ohne Umweltzone.
Der ADAC folgerte daraus das Ergebnis, dass die Regelung unwirksam ist, und forderte ihre Abschaffung. „Für die Betroffenen stellen Fahrverbote eine bedeutende Einschränkung ihrer Mobilität dar. Dazu kommen wirtschaftliche Einbußen durch eingeschränkte Zugänglichkeit von Betrieben, die Notwendigkeit der Beschaffung eines anderen Fahrzeuges und der Wertverlust des alten Pkw. Insgesamt steigen die Ergebnisse deutlich, dass der durch die Einführung von Umweltzonen erhoffte Effekt keinesfalls in dem Umfang eingetreten ist, wie er gewünscht war. Weder der Vergleich der Messwertveränderung von Berlin mit Potsdam und den anderen Städten im Vergleich zeigen wesentliche Unterschiede zwischen Städten mit und Städten ohne Umweltzone. Das Beispiel Berlin – Potsdam führt das besonders klar vor Augen.“
Meine Damen und Herren! Ich denke, es ist nicht erforderlich, noch weitere Beispiele anzuführen. Die Fahrverbote werden den Handwerksbetrieben und den Unternehmern, die vielfach über eine ältere Fahrzeugflotte verfügen, besonders starkes Kopfzerbrechen bereiten. Die Mobilität und die Erreichbarkeit der Betriebe werden infrage gestellt. Die große Bedeutung des städtischen Handwerkes für die Funktionalität der Innenstädte wird bei dieser einschneidenden Maßnahme generell übersehen. Ich bitte Sie deswegen um eine Ausgewogenheit. Darauf zielt unser Antrag. Nehmen Sie Abstand von diesen Dingen. Lassen Sie aber bitte auch zu, dass die Kommune das letztlich selbst entscheiden kann, weil das eine Grundfeste für eine kommunale Selbstverwaltung ist, dies auch zu tun.
Frau Präsidentin! Herr Heidan, Sie können meine Rede ja noch einmal im Protokoll nachlesen. Ich habe keinesfalls zum Ausdruck bringen wollen, dass ich möchte, dass ganz Sachsen eine Umweltzone wird. Das wäre auch nicht gesetzeskonform, weil sie nur dort einzurichten ist, wo Grenzwerte überschritten werden, die die Gesundheit der Menschen in Sachsen schädigen könnten.
Ich habe lediglich deutlich machen wollen, dass das bisherige Handeln auch der Staatsregierung halbherzig war und gesagt, dass es gerade die Gewerbetreibenden und Handwerker sind, die jetzt das ausbaden müssen, mit denen man schon vor Jahren hätte eine Lösung finden sollen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich denke, wir sind uns alle einig, dass der Gesundheitsschutz unserer Bürger an
oberster Stelle stehen muss. Dennoch müssen wir festhalten, dass wir hier so diskutieren, wie es auch Wissenschaftler tun würden, um den wirksamsten Ansatz, um die beste Problemlösung, nämlich die Einhaltung von Emissionsgrenzwerten.
Für die Koalition aus CDU und FDP steht fest: Wir wollen Umweltzonen nur als Ultima Ratio, das heißt, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft wurden. Dafür werden wir uns auch gegenüber den Kommunen einsetzen.
Die Motivation für eine gesetzliche Regulierung des Feinstaubs in der Umwelt durch die Einführung von Grenzwerten ist der Schutz der Gesundheit und deshalb eindeutig zu begrüßen. Sicherlich senken auch verkehrsbeschränkende Maßnahmen wie Umweltzonen lokal die akute Belastung durch Schadstoffe, obwohl mittlerweile – wie schon geschildert wurde – ernsthafte Zweifel an der Wirksamkeit von Umweltzonen angemeldet wurden, und zwar in der Bedeutung, für die sie eigentlich geschaffen wurden. Aber wie es bereits die Kollegen zuvor ausgeführt haben, ist die Verhältnismäßigkeit von Fahrverboten durch Umweltzonen nicht gewahrt. Es gibt andere Maßnahmen, von denen sehr viele bereits angesprochen worden sind, die dem Kriterium der Angemessenheit besser entsprechen. Geschwindigkeitsbegrenzungen und Verkehrsverflüssigung reduzieren die Schadstoffbelastung in einer nicht zu vernachlässigenden Höhe.
Natürlich sind das nur kleine Bausteine, um die Luftreinhalte- und Aktionspläne einzuhalten. Aber sie sind wirksam, und sie sind verhältnismäßig. Es müssen also erst alle anderen Maßnahmen wie auch die Stadtbegrünung – unabhängig davon, was Ihnen, Frau Dr. Pinka, der Buschfunk erzählt hat – umgesetzt und konkrete Staubminderungskonzepte bei Baustellen oder die schon vorhandenen Verkehrsverflüssigungen ergriffen werden. Ein Verhängen von Fahrverboten darf wirklich nur das allerletzte Mittel sein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine Betroffenheitslyrik hilft uns bei der Suche nach dem wirksamsten Ansatz auch nicht weiter. Die wirtschaftliche Situation im Freistaat tut ihr Übriges, um nicht mit ruhigem Gewissen den Handwerkern und Gewerbetreibenden noch eine zusätzliche Belastung im Namen der Umwelt aufzubürden. Aus diesem Grund müssen alle Möglichkeiten geprüft und ergriffen werden, um Umweltzonen und die damit einhergehenden Fahrverbote in sächsischen Kommunen zu verhindern.
Wird jetzt weiter von den Fraktionen das Wort gewünscht? Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. – Es sieht nicht so aus. Dann frage ich die Staatsregierung. – Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf noch einmal in Erinnerung rufen: 1999 wurden von der EU Grenzwerte für Schwefeldioxid, Blei und Feinstaub PM10 sowie Stickstoffdioxide festgelegt, und die, meine Damen und Herren, zum Schutz der menschlichen Gesundheit.
Seit dem 01.01.2005 gelten Grenzwerte für PM10, seit dem 01.01.2010 für NO2. Werden diese Grenzwerte überschritten, müssen die Mitgliedsstaaten Maßnahmen ergreifen. Die EU-Regelungen sind in Bundesrecht umgesetzt worden. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz sowie die 22. BImSch-Verordnung fordern, Luftreinhaltepläne zu erstellen. Das betone ich noch einmal ausdrücklich, meine Damen und Herren: Luftreinhaltepläne, keine Umweltzonen.
Allerdings müssen die Maßnahmen des Luftreinhalteplanes geeignet sein, die Einhaltung der Grenzwerte sicherzustellen. Sowohl bei Feinstaub PM10 als auch bei Stickstoffdioxid sind nur die urbanen Gebiete von Grenzwertüberschreitungen betroffen, die einer hohen Belastung durch den Straßenverkehr ausgesetzt sind.
Die Landkreise und die kreisfreien Städte sind seit dem Inkrafttreten der Verwaltungsreform für die Luftreinhaltepläne zuständig. Ihnen obliegt es, in Abhängigkeit von den örtlichen Bedingungen und der Belastungssituation geeignete Maßnahmen auszuwählen.
Frau Dr. Deicke, vor dem 01.08.2008 war nicht das LfULG, wie Sie das fälschlicherweise behauptet haben, verantwortlich, sondern die Landesdirektion.
Meine Damen und Herren! Bei der Auswahl der geeigneten Maßnahmen steht den Kommunen eine ganze Palette zur Verfügung. Möglich wären die grüne Welle – die ist heute schon angesprochen worden –, die Sperrung des Durchgangsverkehrs für Lkws, Geschwindigkeitsbegrenzungen zur Verstetigung des Verkehrsflusses. Diese Maßnahmen müssen die Kommunen prüfen, auch dahin gehend – sofort! –,
ob diese Maßnahmen ausreichend sind, um die Grenzwerte letztendlich einzuhalten. Das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie unterstützt bei der Bewertung die Kommunen.
Herr Minister, das Problem ist doch, dass die Kommunen zwar bei den Maßnahmen mitreden, dass sie aber aufgrund der Zuständigkeit der Landesbehörden natürlich keine eigene Bürgerbeteiligung machen können. Wie möchten Sie die Bürgerbeteiligung bei der Planung der Luftreinhaltung in Zukunft verbessern?
Ich kann es nur noch einmal zurückgeben. Die Verantwortung liegt seit 01.08.2008 bei den Landkreisen bzw. kreisfreien Städten. Wie diese das umsetzen, ist Sache der kommunalen Ebene. Das ist nicht mehr meine Sache. Und wenn sie die Bürger beteiligen wollen – gern, ich habe nichts dagegen. Das können sie machen.
Es hat zum Beispiel in Leipzig die Situation gegeben, dass die CDU-Fraktion Entscheidungsvorlagen in den Stadtrat ziehen wollte, das aber nicht erreicht hat. Wie soll eine Kommune in dieser Situation die Bürger an den Entscheidungen beteiligen, Herr Minister, wenn sie diese im Rat gar nicht abschließend treffen können?
Ich kann es nur wiederholen: Verantwortlich sind die Kommunen. Wie die Kommunen mit ihren Bürgern kommunizieren, kann und will ich ihnen nicht vorschreiben. Da ist die eigene Intelligenz gefragt.
Meine Damen und Herren! Sollten die Maßnahmen, die die Kommunen einleiten wollen, nicht den gewünschten Erfolg bringen, dann muss in der Tat über die Einrichtung einer Umweltzone gesprochen werden. Sie muss aber nicht eingerichtet werden. Darauf hat mein Haus immer wieder hingewiesen.
So haben zum Beispiel Plauen und Görlitz Luftreinhaltepläne, aber eben keine Umweltzonen, weil dort eine andere Belastungssituation als in Leipzig vorliegt und andere Maßnahmen ausreichend sind, um die Luft rein zu halten.
Umweltzonen sind auch für mich das letzte Mittel, um die Belastung durch Feinstaub und Stickstoffdioxid zu senken. Wenn allerdings wie in Leipzig kein anderer Weg zum Erfolg führt, dann muss die Kommune über solche Maßnahmen reden und sie letztendlich auch in den Luftreinhalteplan aufnehmen.