Das Urteil bedeutet für uns, dass wir prinzipiell gegen eine Grundgesetzänderung sind. Grundgesetzänderung in diesem Fall bedeutet nichts anderes als Festschreibung des gegenwärtigen Zustandes, den wir ablehnen.
Es ist doch eigentlich – zumindest die Rechtsgelehrten müssten mir darin recht geben – ein Kuriosum, dass das Verfassungsgericht die Politik nicht zum ersten Mal auf kapitale Fehler aufmerksam macht. Was passiert? Anstatt den Geist des Grundgesetzes zu bedienen, wird darüber gesonnen, wie man es dem faktischen Zustand anpassen kann. Also, meine sehr verehrten Damen und Herren, wahrlich keine Ruhmesleistung!
Unser Hauptproblem besteht darin, dass endlich Schluss sein muss mit einer Trennung zwischen Arbeitslosen erster und zweiter Ordnung. Das ist gegenwärtig festgeschrieben.
Wir sind – deswegen haben wir gestern dem anderen Antrag nicht zustimmen können – prinzipiell gegen eine Privatisierung auf diesem Gebiet – sprich: Privatisierung oder die Vorstufe Kommunalisierung –, aus dem einfachen Grund, weil Arbeitslosigkeit ein gesamtgesellschaftliches Problem ist, und gesamtgesellschaftliche Probleme löst man in erster Linie von der Bundesebene aus.
Zur Anhebung des Eckregelsatzes. Meine sehr verehrten Damen und Herren, man kann unterschiedlicher Meinung darüber sein, wie hoch er sein müsste, und wir werden es erleben. Ich erwarte aber, dass es endlich realistische Kriterien darüber gibt, was man unter soziokulturellem Existenzminimum zu verstehen hat. Denn was bisher gemacht wurde: Es haben sich einige Ökonomen oder solche, die sich dafür halten, hingesetzt und am Schreibtisch irgendetwas ausgerechnet, was weit ab von der Realität ist. Das bestätigen alle Wohlfahrtsverbände, die sich damit beschäftigen, Arbeitsloseninitiativen, auch kirchliche Institutionen. Man kann darüber streiten, wie hoch das sein könnte, sein müsste; das werden wir abwarten.
Meine Fraktion geht davon aus, dass es mittelfristig 500 Euro sein sollten. Das heißt nicht, dass es morgen bereits 500 Euro sein müssen, aber dass das eine Zielmarke ist, die wir anstreben sollten. Um das aber genau zu definieren, sollten sich nicht nur drei Ökonomen und zwei Politiker hinsetzen, sondern die Betroffenen und jene, die etwas davon verstehen, also Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbände, kirchliche Institutionen und vor allem Menschen aus dem Gesundheitsbereich, die wirklich an den Dingen dran sind. Dann können wir eine Kommission haben, die etwas Vernünftiges zustande bringt.
Wir haben gerade im Zusammenhang mit der anderen Debatte diskutiert, worauf wir Wert legen: Unser ganzes System, wie wir es uns vorstellen, ist nur möglich, wenn es einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn gibt. Das kann man nicht abkoppeln; das ist gerade in Sachsen bitter nötig. Sachsen ist das Bundesland mit dem höchsten Anteil des Niedriglohnsektors. Das ist – Herr Herbst hat
es eben noch einmal bestätigt – offenbar goldene, höchste Staatspolitik in der neuen Regierung. Sie freuen sich, wenn die Löhne möglichst niedrig sind.
dann müssten Sie – – Ach, in meinem Alter ficht mich das nicht mehr an, wenn Sie dazwischenschreien.
Wenn Sie ein Mindestmaß an ökonomischem Verstand hätten, dann wäre Ihnen klar, dass das auch von uns für notwendig gehaltene Lohnabstandsgebot nur möglich ist, nur sinnvollerweise durchsetzbar und haltbar ist, wenn Sie einen vernünftigen Mindestlohn haben.
Wenn sich die FDP – das meinte ich mit ökonomischem Verstand – wirklich als die Partei der ökonomischen Experten erweisen würde, dann müssten Sie eigentlich die ersten Kämpfer für den Mindestlohn sein. Aber Sie machen es nicht. Sie stellen sich hin und sagen: Es ist erst mal wichtig, dass gearbeitet wird, und der Staat wird es dann schon richten. Sie kämpfen ständig dagegen, wenn wir sagen, der Staat muss mehr Verantwortung übernehmen. Aber nein, was machen Sie: Sie zwingen den Staat, Niedriglöhne zu subventionieren. Das ist doch Ihr Problem. Ihre ganze Argumentationskette funktioniert doch nicht.
Man kann nun darüber diskutieren, ob unsere Forderung Mindestlohn 10 Euro – auch hier haben wir mittelfristig oder schrittweise geschrieben – realistisch ist. Ich schreibe Ihnen ins Stammbuch, dass die gegenwärtig in Deutschland geltende Niedriglohnschwelle bei 9,17 Euro liegt. Ich freue mich natürlich, dass sich die Gewerkschaften von 7,50 Euro verabschiedet haben, jetzt bei 8,50 Euro sind, und manche diskutieren über 9,50 Euro.
Das Problem ist doch folgendes: Allein in Sachsen – da können Sie diskutieren, wie Sie wollen; es sind offizielle statistische Angaben, sie sind nicht von mir – liegen über 40 % der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten unter dieser Niedriglohnschwelle. Deshalb halte ich es durchaus für legitim, mittelfristig 10 Euro anzustreben. Damit schließt sich auch der Kreis, weshalb Mindestlohn nötig ist, um das Lohnabstandsgebot zu halten und im Endeffekt die Kaufkraft zu erhöhen, damit wirklich Arbeitsplätze, in erster Linie existenzsichernde Arbeitsplätze geschaffen werden können. Alles andere ist ein Festhalten am gegenwärtigen Zustand, und wir meinen, dieser gegenwärtige Zustand sagt uns: Die Politik, die betrieben wurde, ist gescheitert und wir brauchen eine generelle Umorientierung.
Deshalb bitte ich Sie, nachher für den Änderungsantrag, wie wir ihn vorgelegt haben, zu votieren. – Ich kündige schon einmal an, dass wir in der zweiten Runde zu weiteren Aspekten unseres Antrages Stellung nehmen werden.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben gestern recht ausführlich über die Reform der Arbeitsverwaltung diskutiert; deswegen möchte ich nicht vertiefend darauf eingehen. Aber eine Bemerkung sei mir schon gestattet, denn das war jetzt neu von Herrn Pellmann, und das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Herr Pellmann hat gesagt, wenn man etwas kommunalisiert, dann ist es so, als ob man es privatisiert.
Das war die Aussage, natürlich. Sie haben gesagt, wenn man es kommunalisiert, ist es so gut, als ob man es privatisiert.
Sie sollten einmal mit Ihren Kommunalpolitikern reden. Was Sie Ihren eigenen Leuten unterstellen, ist doch, dass sie dann, wenn sie sich in den Stadtrat wählen lassen, Privatinteressen vertreten. Das ist doch vollkommener Unsinn! Die Kommunen sind im öffentlichen Interesse.
Es ist dennoch ein typischer Antrag der Linkspartei: Wir haben wieder verschiedene unbezahlbare Forderungen. Wenn wir über dieses Thema diskutieren, dann höre ich von Ihnen nie die Fragestellung: Wie gelingt es uns, Menschen in Arbeit zu bringen? Dieser Fragestellung verweigern Sie sich ständig. Das ist ein Hauptproblem bei Ihnen. Ihnen geht es nicht darum, Menschen in Arbeit zu bringen. Darüber machen Sie sich überhaupt keine Gedanken, und das werfen wir Ihnen vor.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Thomas Kind, Linksfraktion: Das war vorhin unser Angebot an Herrn Morlok!)
Gehen wir im Einzelnen auf die Punkte ein. Sie sagen, der Eckregelsatz soll auf 500 Euro erhöht werden.
Für diejenigen, die sich mit der Thematik nicht beschäftigen, sei gesagt, dass jemand, der langzeitarbeitslos ist, dann nicht nur 500 Euro bekäme, sondern auch die Kosten der Warmmiete. Dann stellt sich natürlich die Frage: Wann lohnt es sich eigentlich, eine Arbeit aufzunehmen?
Uns hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zum Beispiel gesagt; Wenn man verheiratet ist und zwei Kinder hat, dann lohnt sich die Arbeitsaufnahme erst, wenn man einen Stundenlohn von über 9,30 Euro erzielt. Da muss ich schon wirklich einmal fragen, ob das alles zu unattraktiv ist – also nicht bei 500 Euro, sondern bei den 359 Euro, bei denen wir heute stehen. Wir müssen aufpassen, dass es sich wirklich lohnt zu arbeiten. – Jetzt würde ich die Frage des Kollegen beantworten wollen.
Herr Krauß, ist Ihnen bekannt, dass sich DIE LINKE seit Jahren immer wieder sehr stark mit Konzepten zum öffentlichen Beschäftigungssektor einbringt, Personen in Beschäftigung zu bringen, und ist Ihnen bekannt, dass diese Konzepte in Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin sehr erfolgreich angewendet werden?
Mir ist bekannt, dass Sie im Landtag so gut wie nie eine Initiative ergriffen haben, wie Leute in Arbeit kommen können.
Ja, Entschuldigung, jeden Monat lese ich hier quasi die gleiche Rede vor, weil Sie das gleiche Thema mit den gleichen Forderungen bringen; ich brauche eigentlich nur noch die Überschrift und das Datum zu ändern und das Gleiche zu erzählen.
Eine wesentliche Aussage des Urteils besteht darin, dass es kindgerechte Hartz-IV-Sätze geben solle. Diese Forderung vertritt der Landtag in Gänze, das heißt alle Fraktionen, schon seit Jahren. Insofern ist das Urteil eine Bestätigung dessen, was nicht nur wir, sondern die Arbeits- und Sozialminister der Länder gefordert haben. Auch auf dem Bildungsgipfel 2008 hier in Dresden haben alle Bundesländer und die Bundesregierung dieses Anliegen unterstützt. Damals ist an Bundesarbeitsminister Scholz der Auftrag gegangen, kindgerechte Hartz-IV-Sätze zu ermitteln. Kollege Scholz hat jedoch eher mit Arbeitsverweigerung geglänzt, statt dieser Aufgabe nachzukommen. Deswegen können wir den Antrag der SPD, eine zusätzliche Kommission einzurichten, nicht unterstützen. Die Aufgaben sind klar verteilt. Die jetzige Bundesarbeitsministerin, Frau von der Leyen, wird den Auftrag ausführen und nicht, wie Herr Scholz, versuchen, sich zu verstecken. Klar ist: Wir werden im September die Zahlen vorliegen
Zum Zweiten geht es in dem Urteil um die Erwachsenen. Das Bundesverfassungsgericht hat nicht geurteilt, die Sätze seien zu niedrig; vielmehr seien diese nicht korrekt berechnet.
Das Bundesverfassungsgericht ist von folgendem Grundsatz ausgegangen: Das Einkommen, das die 20 % der Bevölkerung erhalten, die jeden Morgen aufstehen, zur Arbeit gehen und geringe Einkommen erzielen, soll auch jemand bekommen, der arbeitslos ist.