Karl Nolle, also Auszeit war mit der Fraktion nicht abgesprochen. Sie haben seit gestern auch gewusst, dass das nach der Geschäftsordnung nicht während der Rede geht. Also ich bitte jetzt auch ums Zuhören.
Konkret bedeutet das auch, dass es regional unterschiedliche Verantwortlichkeiten zur Erfüllung einer politischen Aufgabe gibt. Energiepolitische Strategien und Maßnahmenpakete müssen vielmehr dem Anspruch genügen, Klimaschutz und Ressourcenschonung zu verbinden mit der hinreichenden Bereitstellung bezahlbarer Energieträger sowie mit Wertschöpfung und nachhaltiger Beschäftigung vor Ort. Das heißt für uns Arbeit für die Menschen hier in Sachsen.
Ich sage hier in aller Deutlichkeit: Energiepolitik ist mehr als Klimaschutz. Energiepolitik ist zentraler Bestandteil einer aktiven, modernen Industriepolitik, und das gilt ganz besonders für alle Bereiche von Effizienztechnologien und der erneuerbaren Energien.
Die GRÜNEN möchten in das Energieprogramm für Sachsen schreiben: Klimaschutz und Braunkohle sind unvereinbar. Dieser Satz muss – und das noch für viele Jahre – für Sachsen richtig heißen: Klimaschutz und Braunkohle sind vereinbar, wenn alle Effizienzpotenziale ausgeschöpft werden.
Die klimaschutzpolitische Hausaufgabe für Sachsen im Rahmen einer vernünftigen Energiepolitik lautet daher: Bei Energieeffizienz in Produktion und Anwendung zügig voranzuschreiten und zugleich die Nutzung erneuerbarer Energien im Strom- und Wärmemarkt und überall dort, wo es vernünftig ist, auch bei den Treibstoffen, massiv voranzutreiben.
Wir müssen aber auch über den Tellerrand der sächsischen Landesgrenzen hinausschauen. Das heißt, die hoch effiziente energetische Nutzung von Braunkohle in modernsten Kraftwerken noch nicht abzustellen. Nur dann können wir uns in Deutschland den geplanten Ausstieg aus der Kernenergie wirklich leisten. Eine weiße Klimaweste in Sachsen durch Verzicht auf Stromexporte aus den modernsten Braunkohlenkraftwerken der Welt genügt eben nicht.
Aus Kernenergie und Kohleverstromung gleichzeitig auszusteigen birgt zwei große Gefahren: Zum einen kann das zu massiven Stromimporten aus wenig klimafreundlichen Kraftwerken führen, zum anderen kann ein hoher Innovationsdruck zu Verwerfungen und Fehlentwicklungen in den Bereichen Energieeffizienz und erneuerbare Energien führen. So kann etwa eine hohe Energieeffizienz durch eine mangelhafte Materialeffizienz mit mittelfristig negativen ökonomischen, aber auch ökologischen Folgen erkauft werden. Denken Sie etwa an ein mögliches EinLiter-Auto, das aus seltenen, nur aus Krisenregionen zu importierenden Metallen und giftigen, schwer abbaubaren Kunststoffen besteht. Oder denken Sie nur an die Nebenwirkungen, die sich aus einer nicht nachhaltigen Nutzung von Biokraftstoffen ergeben.
Die Bundesregierung hat in der Kabinettssitzung am 5. Dezember 2007 ein umfangreiches konkretes Umsetzungsprogramm für die deutschen Klimaschutzziele beschlossen. Damit hat sie die Eckpunkte ihres in Meseberg verabschiedeten integrierten Klima- und Energieprogramms in konkrete Politik gegossen. Hierzu zählen weitreichende gesetzliche Maßnahmen zur Förderung der erneuerbaren Energien, der Ausbau einer umweltverträglichen Kraft-Wärme-Kopplung, Maßnahmen zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes sowie die Forcierung von Energieeffizienz und Energieeinsparung.
Deutschland bringt mit diesem ehrgeizigen Klimaschutzpaket als einziges Teilnehmerland bereits beschlossene weitreichende Klimaschutzziele und -maßnahmen zum Klimagipfel auf Bali mit.
Die Staatsregierung unterstützt die Anstrengungen der Bundesregierung, etwa im Bundesrat, für einen deutlich verbesserten internationalen Klimaschutz nachdrücklich. Wir brauchen ab 2013 einen ehrgeizigen Nachfolger des Kyoto-Protokolls. Um das bis zum Klimagipfel 2009 in Kopenhagen zu erreichen, unterstützt die Staatsregierung dabei die Forderungen der EU, auf Bali einen umfassenden Verhandlungsprozess zu vereinbaren, der im Rahmen einer Bali-Roadmap bereits wesentliche Zielstellungen benennt. Es darf nach der ersten Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls 2012 keine Klimaschutzlücke entstehen.
Sachsen steht zu den Klimazielen. Wir werden unseren regionalen energie- und klimapolitischen Beitrag mit einem konkreten Aktionsplan erbringen. Sie können sicher sein, dass uns das energie- und klimapolitisch in Sachsen weiter als der Antrag der GRÜNEN bringen wird.
Ich frage die Fraktionen, ob wir sofort zum Schlusswort kommen können oder ob es noch Aussprachebedarf gibt. – Dann kommen wir zu den Schlussworten. Für die Fraktionen der CDU und der SPD Herr Gerlach, bitte, und auch Herr Heinz; zuerst Herr Gerlach.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Keine Angst, ich werde mich an der Kampagne „Rettet dem Dativ und das Akkusativ!“ nicht beteiligen. Wir wollen ja heute zu den Themen Klima und Energie zu einem Ergebnis kommen, wohl wissend, dass uns das Problem noch sehr lange begleiten wird.
Ich beginne mit dem Antrag der GRÜNEN. Sie fordern, dass wir beim Klimaprogramm endlich ein Ergebnis vorlegen sollten. Ich habe dazu in der Debatte, die wir im Frühjahr geführt haben, gesagt, dass ich mir mit meinen Kollegen von der Koalitionsfraktion darin einig bin, dass wir in diesem Parlament keine Stellvertreterdebatte führen wollen. Aus diesem Grunde lehnen wir Ihren Antrag ab.
Hier steht in Punkt 3 – ich habe es mir extra noch einmal mitgebracht –: „… dem 4. Sächsischen Landtag bis zum 31.12. einen Maßnahmenkatalog vorzulegen“ usw., „mit dem die Sächsische Staatsregierung beabsichtigt, auf die vom Menschen verursachten und damit beeinflussten Faktoren der Klimaerwärmung in Sachsen zu reagieren und den Beschluss der Staats- und Regierungschefs der
Europäischen Union vom 09.03.2007 zu den verbindlichen Zielen in der Klima- und Energiepolitik umzusetzen“. Das ist eigentlich eindeutig.
Ich weise strikt zurück, dass wir politik- und zukunftsunfähig sind. Wenn die NPD der Meinung ist, dass wir nur Anpassungsstrategien haben, dann haben Sie unseren Antrag nicht richtig gelesen. Aber das kann ja mal passieren.
Ich lege großen Wert darauf, dass dieser Antrag kein Maßnahmenkatalog ist, sondern einen solchen in Punkt 3 verlangt. Herr Prof. Wöller hat schon ausführlich zu dieser Problematik Stellung genommen und erläutert, wie er sich das vorstellt, und zwar auch im Zusammenhang mit dem, was letzte Woche von der Bundesregierung beschlossen wurde und möglicherweise heute in Bali als Ergebnis herauskommt.
Ich habe keine Zweifel daran, dass Herr Prof. Wöller gute Fachleute in seinem Ministerium hat, die ihn in dieser Problematik gut beraten werden, damit er seine Ideen einbringen kann.
Wir werden als Koalition – und das sage ich all denen, die zwischen den Koalitionsfraktionen immer nur Differenzen sehen – bei all den durchaus vorhandenen unterschiedlichen Meinungen darauf achten, dass wir auf dem gemeinsamen Weg voranschreiten, während uns unterschiedliche Auffassungen nicht davon abhalten werden, im Bereich der Klima- und Energiepolitik einen guten und richtigen Schritt nach vorn zu tun.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um Strategien entwickeln zu können, muss man sich natürlich erst einmal über die Ursachen und Auswirkungen einig sein. Ich stelle fest, dass das hier zum Teil nicht der Fall ist.
Ich möchte noch einmal klarstellen, dass ich in meinem Beitrag darauf hingewiesen habe, dass es – und Herr Lichdi hat das bestätigt – in der Vergangenheit durchaus externe Faktoren gab, die für den Klimawandel verantwortlich waren. Diese externen Faktoren müssten dann heute mit einem Mal nicht mehr wirken, wenn nur noch der Mensch und der CO2-Ausstoß für die Klimaveränderungen verantwortlich wären. Vielleicht kann man das einmal an geeigneter Stelle erklären.
Weiterhin habe ich darzustellen versucht, dass der Vermeidung des Einsatzes von fossilen Rohstoffen, also der Energieeffizienz und Einsparung von Rohstoffen, eine große Bedeutung zukommt. Das ist verbunden mit einem großen Potenzial für unsere Industrien und Technologien. Hier wird sich vieles an Wertschöpfung entwickeln.
Aus diesem Grund bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. Wir erwarten freudig den Maßnahmenplan der Staatsregierung, der nun vielleicht aufgrund von Ministerwechsel nicht pünktlich zu Weihnachten kommen wird. Er wird deswegen nicht schlechter, wenn er drei Tage später kommt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Windisch, ich bin Ihnen ausdrücklich dankbar, dass Sie am Anfang Ihrer Rede klargestellt haben, dass Sie persönlich diesen klimaskeptischen Humbug nicht teilen. Das halte ich für wert, hier festzuhalten. Ich erinnere mich noch sehr gut, dass Sie, Frau Windisch, vor zwei Jahren noch andere Reden gehalten haben. Von daher begrüße ich das ausdrücklich.
Aber, Frau Windisch, Sie haben gesagt: Wir als sächsische Koalition unterstützen die Beschlüsse und Ziele der Bundesregierung im integrierten Klima- und Energieprogramm. Teil dieser Beschlüsse ist es, die CO2-Emmission Deutschlands auf der Basis von 1990 bis 2020 um 40 % zu reduzieren. Dieses Ziel lässt sich, in Pro-KopfEmission gemessen, für Sachsen locker herunterrechnen.
Das ist genau das, wobei sich die Koalition und auch Sie, Herr Gerlach, beide Augen, beide Ohren und sämtliche Hirnhälften ganz fest zuhalten. Wenn Sie dieses Ziel tatsächlich ernst nehmen würden, dann müssten Sie sich zu dem Ziel bekennen, die sächsische CO2-Emission bis zum Jahr 2020 auf 20 Millionen Tonnen zu senken. Wie das gehen soll, wenn Sie die Braunkohlenverstromung weiter betreiben, ist eine mathematische Unmöglichkeit. Genau um diese Kernfrage drücken Sie sich laufend herum.
Auch der Antrag der Linksfraktion bezeichnet aus meiner Sicht einen großen Fortschritt für die Linksfraktion;
denn die Linksfraktion bekennt sich, soweit ich das erkenne, erstmals dazu, aus der Braunkohle auszusteigen. Das war durchaus sehr umstritten. Frau Dr. Runge, Sie schreiben hier: ab 2040. Sie wissen ganz genau – denn Sie haben ja die Kenntnisse, wie mir bekannt ist –, dass wir – in Millionen Tonnen umgerechnet, wir müssen in real terms denken – ab 2040 bei 33 Millionen Tonnen wären und dann, wenn wir das Klimaschutzziel ernst nehmen würden, innerhalb von wenigen Jahren auf 8 Millionen Tonnen heruntergehen müssten. Wie das gehen soll, können Sie mir nicht erklären. Deshalb ist unsere grüne These die allein richtige.
Wir müssen jetzt den Braunkohlenausstieg vorbereiten, damit wir ihn im Jahr 2020 tatsächlich vollführen können. Genau das ist der Kern unseres Programms.
Herr Jurk, wenn Sie gegen „den Primat“ sind: Kollege Gerstenberg hat mich darauf hingewiesen und hat im Duden nachgesehen: Die derzeit herrschende Form ist „der“ und da heißt es „den“. Wenn Sie darauf hinweisen, dass wir noch die zwei anderen energiepolitischen Ziele – Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit – haben, dann stimme ich Ihnen ausdrücklich zu. Wenn Sie unseren Antrag und unsere Thesen gelesen hätten, dann wüssten Sie, dass wir genau auf diesen Punkt dezidiert eingehen.
Die Rechnung, die Sie aufmachen, ist falsch. Der Weg, den wir gehen müssen, ist tatsächlich der: 100 % erneuerbare Energien. Dieser Weg führt auch dazu, dass wir uns von den teuren und immer teurer werdenden Energieimporten unabhängig machen.
Meine Damen und Herren! Ich bleibe dabei und bin mir ganz sicher, dass wir uns auch in dieser Frage durchsetzen werden. In all den zentralen Fragen der Klimapolitik verzögert und leugnet die Staatsregierung und stellt die Weichen in die falsche Richtung. Ihre Klima- und Energiepolitik ist gescheitert. Wir brauchen einen Neuanfang, der die kreativen Kräfte der Gesellschaft mobilisiert und die Menschen für das Ziel einer ökologisch verträglichen Energiepolitik begeistert. Dafür stehen in Sachsen allein wir, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, auch wenn Sie das bis heute noch nicht anerkennen wollen.
Das waren die Schlussworte. Wir kommen zur Abstimmungsphase zur Drucksache 4/9447, über die wir als Erstes abstimmen wollen. Es gibt einen Änderungsantrag der Linksfraktion. Dieser Änderungsantrag liegt Ihnen in der Drucksache 4/10687 vor. Ich bitte um Einbringung.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich den Änderungsantrag einbringe, möchte ich eine Feststellung machen. Ich weise die Bemerkung von Minister Wöller zurück, der mir hier das Recht absprechen will, Kritik an der Klimaschutzpolitik der Staatsregierung zu üben.
Dieses Recht auf öffentliche Kritik an Politik von Staaten habe ich mir auch zu DDR-Zeiten herausgenommen und im Übrigen genau zum selben Thema, da ich in Leipzig wohne und sehr wohl weiß, welch gigantische Umweltverschmutzung aus dem Südraum von Leipzig und aus der chemischen Industrie kam. Ich habe das in einer öffentlichen Kritik auf einer Großveranstaltung des Clubs der Intelligenz in Leipzig Anfang der Achtzigerjahre ausgesprochen und wurde dafür politisch gemaßregelt. Ich bitte Sie, dies zur Kenntnis zu nehmen.