wirklich demokratischen Parteien zu diesem gemeinsamen Antrag leider nicht finden konnten. Das hätte ein bisschen besser vorbereitet werden können.
Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Ich rufe als Erstes den Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD, Drucksache 4/10578, auf.
Mir liegt ein Antrag der FDP-Fraktion in der Drucksache 4/10688 vor. Ich gehe davon aus, dass die Einbringung erfolgt ist. Wünscht noch jemand das Wort zum Antrag? – Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich über den Änderungsantrag der FDP-Fraktion abstimmen. Wer die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Ich frage nach Gegenstimmen. – Ich frage nach Stimmenthaltungen. – Bei einer Reihe von Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist der Antrag dennoch mit Mehrheit abgelehnt worden.
Ich komme jetzt zum Ursprungsantrag in der Drucksache 4/10578. Wer gibt die Zustimmung? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei ganz wenigen Stimmen dagegen ist der Antrag mit sehr großer Mehrheit angenommen worden.
Ich rufe die Drucksache 4/10581, ein Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD, auf. Mir liegt dazu der Änderungsantrag der Fraktion der GRÜNEN in der Drucksache 4/10661 vor. Die Einbringung ist erfolgt. Wird dazu noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich über diesen Antrag abstimmen. Wer möchte die Zustimmung geben? – Ich frage nach Gegenstimmen. – Ich frage nach Stimmenthaltungen. – Bei Stimmenthaltungen und einer Reihe von Stimmen dafür ist der Antrag dennoch mit Mehrheit abgelehnt worden.
Ich komme zum Ursprungsantrag. Wer möchte diesen beschließen? – Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Ich sehe Einstimmigkeit. Damit ist dieser Antrag beschlossen und der Tagesordnungspunkt beendet.
Hände weg von der Prozesskostenhilfe! – Stellungnahme des Sächsischen Landtags gegen den Gesetzesantrag des Bundesrates auf Einschränkung der Prozesskostenhilfe
Die Reihenfolge in der ersten Runde lautet: NPD, CDU, Linksfraktion, SPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn sie das wünscht. Herr Dr. Müller, ich erteile Ihnen das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unser Antrag befasst sich mit einem Gesetzentwurf des Bundesrates zur Einschränkung und
Begrenzung der Prozesskostenhilfe. Meine Fraktion hält diese Gesetzesinitiative für sozial unausgewogen
und verfassungsrechtlich bedenklich und bittet deswegen um Unterstützung für eine Stellungnahme des Sächsischen Landtages gegen die vorgeschlagenen Änderungen.
Ich möchte gleich vorweg auf den möglichen Einwand eingehen, dies sei im föderalen System nicht Aufgabe des Landtages. Diesen Einwand kann ich politisch auf gar keinen Fall akzeptieren; denn die vorgesehenen Änderungen betreffen erstens in hohem Maße die Menschen in Sachsen, die wir im Landtag bekanntlich zu vertreten haben, zweitens beeinflusst er die sächsischen Gerichte und drittens sollen damit fast ausschließlich Kosten der Länder, also in Sachsen Kosten des Freistaates, eingespart werden.
Gerade im aktuellen Fall der Prozesskostenhilfe muss ich zu meinem großen Befremden feststellen, dass die Abgeordneten dieses Hauses am Agieren ihrer Staatsregierung im Bundesrat, also am sächsischen Abstimmungsverhalten im Bundesrat, weitgehend desinteressiert zu sein scheinen. Anders kann ich jedenfalls die Tatsache nicht verstehen, dass eine entsprechende Anfrage meiner NPDFraktion in der Staatskanzlei zunächst auf komplettes Unverständnis stieß, weil es ein derartiges Informationsbegehren angeblich vorher noch nie gegeben hätte. Die freundliche Dame im Referat für Bundesratsfragen fühlte sich zu einer Antwort nicht autorisiert und verwies auf eine Stabsstelle. Diese rückte nach zwei Tagen mit der Antwort heraus.
Die Staatsregierung hatte dem Gesetzentwurf in allen Punkten zugestimmt. Das hat von den hier versammelten Abgeordneten außer den Mitgliedern der Staatsregierung und einigen besonders privilegierten Angehörigen der Regierungsfraktionen offenbar kaum jemand gewusst und scheinbar auch nicht wissen wollen. Diese völlige Intransparenz im Hinblick auf das Abstimmungsverhalten der Staatsregierung im Bundesrat ist für meine Fraktion und mich völlig inakzeptabel, zumal wenn es um Angelegenheiten geht, die das Land Sachsen und seine Bewohner sehr wohl aufs Engste betreffen.
Schon aus diesem Grund ist unser heutiger Antrag berechtigt und wichtig. Dass der aktuelle Gesetzentwurf des Bundesrates die Menschen in Sachsen tatsächlich betrifft, und zwar unmittelbar und mit zum Teil gravierenden Folgen, werde ich gleich deutlich machen. Es handelt sich nämlich um ihren Anspruch auf rechtliches Gehör. Dass dieser in einem Rechtsstaat nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, wissen wir alle. Dass der Freistaat Sachsen für seine Bürger eine Fürsorgepflicht hat, wissen wir ebenfalls. Das geht schon aus Artikel 78 Abs. 2 der Sächsischen Verfassung hervor: „Vor Gericht hat jede Person Anspruch auf rechtliches Gehör.“ Das folgt auch aus der Zuständigkeit der Länder für die Justiz.
Die in dem Bundesratsentwurf vorgesehenen Regelungen bergen aber die Gefahr in sich, dass einkommensschwa
che Menschen in Sachsen auf ihren Anspruch auf rechtliches Gehör, also auf den Schutz durch die sächsischen Gerichte, zunehmend verzichten werden, und zwar deswegen, weil sie die entstehenden Kosten erstens nach wie vor nicht selbst tragen können und zweitens durch das neue Gesetz von der Beantragung der Prozesskostenhilfe regelrecht abgeschreckt werden, obwohl ihnen diese im Rechtsstaat zusteht. Dadurch sind ohne jeden Zweifel wichtige Fragen des sozialen Friedens und der Gerechtigkeit im Freistaat Sachsen direkt angesprochen.
Zudem sind – wie ich schon habe anklingen lassen – die Kompetenzen des Landes zumindest tangiert. Natürlich bedeutet Letzteres nicht, dass wir als Sächsischer Landtag hier etwas direkt zu entscheiden hätten. Das wissen wir alle. Aber wir haben das Recht und die Pflicht, uns einzumischen. Genau darum geht es in diesem Antrag.
Wie sehen nun die Folgen des Bundesratsentwurfs für die Bürger aus? Ich will das anhand eines Beispiels deutlich machen.
Betrachten wir beispielsweise eine Familie mit zwei Kindern, in der der Mann Alleinverdiener ist und mit hohen Schadenersatzansprüchen konfrontiert wird, die er nur mit einem entsprechenden Prozesskostenrisiko – nehmen wir einmal an: 20 000 Euro – abwehren könnte. Soll er dieses Risiko auf sich nehmen, wenn die Familie über ein Nettoeinkommen von 2 000 Euro monatlich verfügt?
Eines ist klar: Es geht nur mithilfe der Prozesskostenhilfe. Diese muss er beim zuständigen Gericht beantragen. Im Falle der Bewilligung setzt das Gericht für die Rückerstattung der verauslagten Kosten die monatlichen Raten fest, wobei vom sogenannten einzusetzenden Einkommen ausgegangen wird. Dieses wird durch Abzug der Freibeträge ermittelt. Nach den jetzigen Bestimmungen in der Zivilprozessordnung ergeben sich folgende Freibeträge:
Erstens. Ein Erwerbstätigenfreibetrag von 50 % des sogenannten Eckregelsatzes von derzeit 347 Euro, also 174 Euro; zweitens, der um 10 % erhöhte Eckregelsatz als Freibetrag für den Mann, also 382 Euro; drittens, den gleichen Freibetrag für die Frau, also wieder 382 Euro; und viertens schließlich zwei Kinderfreibeträge mit 70 % des Freibetrages eines Elternteils, also zweimal 267 Euro gleich 634 Euro. Addiert man das, ergibt das 1 472 Euro. Das einzusetzende Einkommen ergibt sich durch Abzug dieser Freibeträge vom Nettoeinkommen, hier 2 000 Euro minus 1 472 Euro gleich 528 Euro. Das ergäbe nach einer Staffelung der Zivilprozessordnung eine Monatsrate von 200 Euro. Diese muss aber nach der jetzigen Regelung maximal 48 Monate bezahlt werden, sodass für die Rückzahlung ein Endbetrag von 9 600 Euro herauskommt, ein möglicherweise noch beherrschbares Risiko, das die Familie unter Umständen eingehen könnte, um die Ansprüche der Gegenseite abzuwehren.
Wie wird das aber jetzt nach dem neu vorgelegten Gesetzentwurf aussehen? Erstens, der Erwerbstätigkeitsfreibetrag würde sich auf 87 Euro halbieren; zweitens, der Freibetrag für den Mann würde sich geringfügig auf
364 Euro reduzieren; drittens, der Freibetrag für die Frau würde sich noch deutlicher reduzieren, nämlich auf 291 Euro; viertens, die Kinderfreibeträge würden sich auf 218 Euro, also zusammen auf 436 Euro reduzieren. Das ergibt zusammen einen Freibetrag von 1 178 Euro. Nach dessen Abzug vom Nettoeinkommen erhält man ein einzusetzendes Einkommen von 822 Euro. Davon wären nach dem neuen Gesetzentwurf 300 Euro zuzüglich des 450 Euro übersteigenden Teils des einzusetzenden Einkommens als Monatsrate anzusetzen. Das macht eine Monatsrate von 672 Euro aus. Um die maximalen Prozesskosten zurückzuzahlen, müsste die Familie diese 30 Monate, also zweieinhalb Jahre, abstottern – ein höchstwahrscheinlich nicht tragbares Risiko, weil es einfach die finanzielle Leistungsfähigkeit der Familie überfordern würde.
Nach den neuen Bestimmungen würde diese Ratenzahlung auch über 48 Monate hinausgehen können, wenn der Gesamtbetrag eine entsprechende Höhe hätte. Das allein macht den Gesetzentwurf schon unannehmbar; denn mehr als vier Jahre darf meines Erachtens niemand finanziell bestraft werden, weil er das verfassungsmäßig verbriefte Recht auf rechtliches Gehör für sich in Anspruch nimmt.
Die Familie hätte nach dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes Monatsraten von 672 Euro, statt nach derzeitigen Regelungen 200 Euro, und einen zurückzuzahlenden Endbetrag von 20 000 Euro, statt jetzt 9 600 Euro, zu bewältigen.
Das ist aber nicht alles. Nach dem Gesetzentwurf des Bundesrates wird beim einzusetzenden Einkommen von mehr als 450 Euro Prozesskostenhilfe nur dann bewilligt, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass ihm die Aufnahme eines Darlehens nicht zumutbar ist. Der Antrag könnte also schon aus diesen Gründen abgelehnt werden.
Des Weiteren ist nach dem Gesetzentwurf eine genauere Überprüfung des Vermögens des Antragstellers als derzeit vorgesehen. Schließlich soll für die Prüfung des Antrages durch das zuständige Gericht eine Gebühr von 50 Euro eingeführt werden.
Die Zeit erlaubt mir nicht, auf weitere gravierende Aspekte einzugehen. Aber eines wird aus diesem Beispiel schon klar: Das Ziel des vom Bundesrat vorgelegten Gesetzentwurfes ist ganz offenbar mit einer massiven finanziellen Einsparung verbunden und eine Abschreckung von Rechtsuchenden für die Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe. Das ist nichts anderes als eine Nötigung zum Verzicht auf rechtliches Gehör.
Deshalb richte ich an Sie, meine Damen und Herren, die Bitte, der von meiner Fraktion eingebrachten Stellungnahme zuzustimmen, damit diese als Stellungnahme des Sächsischen Landtages dazu beitragen kann, die Bundestagsabgeordneten von den Gefahren der vorgeschlagenen Einschränkungen zu überzeugen und damit möglicherweise den Gesetzentwurf im Bundestag noch zu Fall zu bringen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Rechtsstreit vor Gericht kostet Geld. Will jemand Klage erheben, muss er für das Verfahren in der Regel Gerichtskosten bezahlen. Kommt ein Anwalt hinzu, kommen anwaltliche Gebühren hinzu. Das gilt für die Rechtsverfolgung und gegebenenfalls für die Rechtsverteidigung.
Prozesskostenhilfe ist eine Form des staatlichen Zuschusses. Sie ist für diejenigen Menschen gedacht, die die Kosten einer Rechtsverfolgung oder der Verteidigung nicht aufbringen können. Sie will diesen Leuten, die damit der Hilfe bedürfen, die Prozessführung ermöglichen. Prozesskostenhilfe wird aus Steuermitteln finanziert. So gesehen, Herr Dr. Müller, eröffnet sie doch gerade erst die Möglichkeit, den Anspruch auf rechtliches Gehör zu realisieren. Sie unterstellen hier schlicht und einfach Unrichtiges.
Anders als soeben von der NPD dargestellt, wird sich auch an der Zielsetzung der Prozesskostenhilfe nach dem neu geregelten Zustand in der Fassung des sogenannten Prozesskostenhilfebegrenzungsgesetzes überhaupt nichts ändern.
Meine Damen und Herren, die NPD erspart sich mit dem hier vorgelegten Antrag die Mühe, sich auch nur ansatzweise inhaltlich mit dem Gesetzentwurf näher zu befassen. Sie begnügt sich mit ein paar Rechenbeispielen, die zudem noch unrichtig sind. Sie halten es, wie in den verschiedensten Ausschussverfahren, die ich hier im Hause miterlebt habe: Man hört dort von Ihnen kein Wort. Sie haben in den Ausschüssen – –
Herr Gansel, Sie sollten sich lieber für die Bemerkung, die Sie am Dienstag hier losgelassen haben, eher schämen, als hier Zwischenrufe zu machen.
Meine Damen und Herren! Ich will zwei Beispiele nennen. Der Gesetzentwurf des Bundesrates, über den hier zu sprechen ist, sieht unter anderem eine stärkere Angleichung der Grundfreibeträge vor, auch des Erwerbstätigenzuschlages, und zwar an das Sozialhilferecht. Damit hat sich mein Vorredner ein wenig befasst. Nur vergisst er dabei eines: Die Regelung, die der Bundesrat auf den Weg bringen will, macht nichts anderes, als die Rechtspre
chung des Bundesverfassungsgerichtes diesbezüglich umzusetzen. Prozesskostenhilfe ist eine prozessuale Sozialhilfeleistung. Diese Rechtsprechung wird also nicht mehr und nicht weniger umgesetzt.