chung des Bundesverfassungsgerichtes diesbezüglich umzusetzen. Prozesskostenhilfe ist eine prozessuale Sozialhilfeleistung. Diese Rechtsprechung wird also nicht mehr und nicht weniger umgesetzt.
Ein zweiter Punkt: Wenn man von sozialer Unausgewogenheit redet, hätte man sich vielleicht einmal mit den Festlegungen der Ratenhöhe befassen müssen. Der Gesetzentwurf sieht beispielsweise die Festlegung der Ratenhöhe auf zwei Drittel des einzusetzenden Einkommens vor. Im Deutschen Bundestag wurde eine Anhörung durchgeführt – das hätten Sie sich auch im Internet besorgen können – und dort unter anderem der Sachverständige Kollege Eberhard Stilz angehört. Er hat zu dem einsetzbaren Einkommen ausgeführt: Die Regelung in der Fassung des Bundesrates wird dadurch nicht nur einfacher verständlich, sondern sie wird auch „sozial ausgewogener“, und zwar deshalb, meine Damen und Herren, weil sie Antragsteller mit geringen Einkommen gerade besserstellt als bisher. – Von sozialer Unausgewogenheit kann ich an dieser Stelle nichts sehen.
Ich könnte weitere Beispiele nennen, die Sie vielleicht selbst einmal hätten in Betracht ziehen können. Ich nenne die Kostenfreiheit im sozialgerichtlichen Verfahren. Ich nenne einschlägige Kostenbesonderheiten im arbeitsgerichtlichen Verfahren. Sie haben wie die Prozesskostenhilfe den Zweck, jetzt, in der Vergangenheit, aber auch künftig, Menschen mit niedrigem Einkommen effektiven Rechtsschutz zu garantieren. Und das wird so bleiben.
Meine Damen und Herren! Im Ganzen bleibt für den NPD-Antrag nur eine Feststellung: Inhaltliche Arbeit ist das nicht.
Zum Schluss möchte ich schon noch darauf hinweisen, dass wir uns diese heutige Debatte schlicht und einfach hätten sparen können. Wir hatten vor einigen Monaten, und zwar in unserer 60. Sitzung – vielleicht ist Ihnen das, Herr Dr. Müller, entgangen – am 15. September 2006, exakt dasselbe Thema auf der Tagesordnung.
Ich hätte mir an sich gewünscht, dass Sie sich damals zu Wort gemeldet hätten. Da kam von der NPD nichts. Damals hatten Sie nichts zu sagen, heute auch nicht.
Meine Damen und Herren! Von den anderen Fraktionen ist mir kein Redner gemeldet worden. Hat sich dieser Zustand geändert? – Das kann ich nicht erkennen. Dann kommt die Staatsregierung an die Reihe. Bitte.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Staatsregierung soll mit diesem Antrag aufgefordert werden, zu einem Gesetzentwurf des Bundesrates Stellung zu nehmen.
Es ist richtig, dass die Staatsregierung im ersten Durchgang diesem Gesetzentwurf zugestimmt hat. Sie geht davon aus, dass dieser Gesetzentwurf in den Ausschüssen beraten und dann dem Bundesrat zur abschließenden
Entscheidung wieder vorgelegt wird. Sie wird dann in der der Bundesratssitzung vorangehenden Sitzung des Kabinetts ihre Haltung zu dem Gesetzentwurf beschließen.
Also sollten wir hier nicht über ungelegte Eier reden, zumal niemand vorhat, das Sozialstaatsprinzip abzuschaffen, den Zugang zu den Gerichten in verfassungswidriger oder sonstiger rechtswidriger Weise zu erschweren.
Im Übrigen hat Herr Prof. Schneider all das gesagt, was ich auch bereits bei der ersten Behandlung dieses Themas im Frühjahr 2006 gesagt habe. Ich erlaube mir daher zur Vermeidung von Wiederholungen den Rest meiner Rede zu Protokoll zu geben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf des Bundesrates auf Einschränkung der Prozesskostenhilfe für Hartz-IVBetroffene wird allein mit einem Sparzwang der Bundesländer begründet.
Im Begründungsteil wird auf die starke Zunahme der Kosten in den letzten Jahren hingewiesen, zum Beispiel circa 29 % Zunahme bei den Zahlungen an beigeordnete Rechtsanwälte im Zeitraum 2000 bis 2003.
Aus der Begründung geht aber auch hervor, dass annähernd 75 % der Prozesskosten für Ehescheidungen anfallen. Wie Sie wissen, meine Damen und Herren, gibt es in der BRD eine außerordentlich hohe Scheidungsrate. Sie liegt bei fast 52 % im Verhältnis zwischen geschiedenen und neu gegründeten Ehen. Die Ausgaben für die Prozesskostenhilfe sind aber nur ein kleiner Teil der gewaltigen Gesamtkosten für diesen Beziehungs- und Familienzerfall, die gar nicht genau zu beziffern sind.
Die deutliche Zunahme der Ausgaben für die Prozesskostenhilfe ist im Wesentlichen eine Folge dieses sozialen und familiären Niedergangs. Eine liberalistische Konsumgesellschaft, in der alles einen Preis, aber nichts mehr einen Wert hat, löst Stück für Stück alle gewachsenen sozialen Bindungen auf und wirft den Menschen auf sich selbst zurück. Am Ende muss dann der Sozialstaat für die aus der Lebensbahn Geworfenen materiell aufkommen.
Vor diesem Hintergrund ist die Forderung nach Beibehaltung der Prozesskostenhilfe ein gewisses Herumdoktern an den Symptomen des gesellschaftlichen Niedergangs, weil das eigentliche Problem – der grassierende Familienverfall – nicht berührt, geschweige denn gelöst wird. Dennoch ist die Gewährung von Prozesskostenhilfe für einkommensschwache Menschen nach NPD-Auffassung ein moralisches Gebot des Staates, damit der sozialen Klassengesellschaft, über die die NPD-Fraktion heute
bereits in der Aktuellen Stunde debattiert hat, nicht auch noch eine Klassenjustiz folgt, die die Rechte der sozial Schwachen mit Füßen tritt.
Die Krisenverwalter und Sparkommissare der etablierten Parteien mögen es nicht einsehen, aber die beste Methode zur Ausgabenbegrenzung für die Prozesskostenhilfe wäre eine vernünftige Familienpolitik und eine gesellschaftliche Wertevermittlung jenseits von Materialismus und Hyperindividualismus. Denn stabile, sozial und wirtschaftlich intakte Familien sind die beste, ja eigentlich die einzig nachhaltige Basis für eine gesunde Volkswirtschaft mit gesunden Staatsfinanzen.
Wo aber die Familien verfallen, verfallen über kurz oder lang auch der Staat und seine Finanzen. Im Zusammenhang mit dem Gesetzentwurf des Bundesrates zur Einschränkung der Prozesskostenhilfe lässt sich dies an einer fatalen Wirkungskette festmachen. Die Zunahme der Scheidungsverfahren führt zur verstärkten Inanspruchnahme der Prozesskostenhilfe. Dies nehmen sparwütige Landespolitiker zum Anlass, die Prozesskostenhilfe zu beschränken und damit einkommensschwachen Bevölkerungskreisen rechtliches Gehör zu verweigern.
Die Stimmen derer, die vor einer solchen Versagung des rechtlichen Gehörs warnen, sind gewichtig. Selbst die Bundesregierung verweist in ihrer Stellungnahme darauf, dass im Entwurf des Bundesrates die verfassungsrechtlichen Vorgaben an mehreren Stellen „nicht hinreichend gewahrt“ sind. Ähnlich äußern sich Sozialverbände und Juristenvereinigungen.
Zwei Beispiele möchte ich anführen. Der Deutsche Caritasverband stellt in einer Stellungnahme vom 23. November dieses Jahres fest: “Das Rechtsstaatsprinzip erfordert, dass jedem Bürger die Durchsetzung seiner Rechtsposition mithilfe der Gerichte möglich sein muss... Der vom Bundesrat vorgelegte Gesetzentwurf wird dieser Vorgabe nicht gerecht. Für einkommensschwache Personen wird die Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe in nicht vertretbarer Weise erschwert.“
Vom Bund Deutscher Verwaltungsrichter (BDVR) ist zu lesen: „Der Verband... teilt die kritische Einschätzung der Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zum Entwurf, dass die Neuregelungen in ihrer Gesamtheit Bürger davon abhalten könnte, den Rechtsweg zu beschreiten. Das wäre
gerade in der Verwaltungsgerichtsbarkeit Besorgnis erregend, in der der Einzelne Rechtsschutz gegenüber staatlichen Maßnahmen suchen kann und muss. Die Garantie effektiven Rechtsschutzes gilt in Sonderheit gegenüber dem Staat (Artikel 19 Abs. 4 GG). Der Staat darf die Hürden nicht zu hoch bauen, die bei der Kontrolle seines Handelns zu nehmen sind.“ Soweit der Bund Deutscher Verwaltungsrichter.
Während der Caritasverband den sozialen Belangen und der Bund Deutscher Verwaltungsrichter den rechtsstaatlichen Grundsätzen verpflichtet ist, sollte der Sächsische Landtag als Volksvertretung beiden Anliegen gleichermaßen Rechnung tragen.
Der Sächsische Landtag hat geradezu die Verpflichtung, Stellung zugunsten der Prozesskostenhilfe zu beziehen, weil auch einkommensschwachen Sachsen „die Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe in nicht vertretbarer Weise erschwert wird“, wie der Caritasverband richtig festgestellt hat.
Mit Verlaub, die Darlegungen des Caritasverbandes und des Bundes Deutscher Verwaltungsrichter sind für uns überzeugender als die äußerst dünnen Ausführungen von Prof. Schneider. Deshalb bitte ich abschließend um die Unterstützung des NPD-Antrages auf Beibehaltung der bisherigen Prozesskostenhilfe für Hartz-IV-Betroffene.
Meine Damen und Herren! Ergibt sich daraufhin noch Aussprachebedarf? – Den kann ich nicht erkennen. Dann hat die NPD das Schlusswort. – Sie verzichtet. Die Staatsregierung hat gesprochen.
Meine Damen und Herren, damit kommen wir zur Abstimmung. Ich stelle die Drucksache 4/10575 zur Abstimmung. Bei Zustimmung bitte ich um Ihr Handzeichen. – Danke. Die Gegenstimmen? – Und die Stimmenthaltungen? – Bei keiner Enthaltung und einigen Jastimmen wurde der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt.
Der heute zu diskutierende Antrag der NPD-Fraktion ist inhaltlich deckungsgleich mit einem Antrag der Linksfraktion, über den der Landtag bereits in seiner 60. Sitzung am 15. September 2006 beraten hat. Vielleicht hätte die NPD-Fraktion den Antrag auch gar nicht gestellt, wenn sie bemerkt hätte, dass das Thema bereits im vergangenen Jahr vom Landtag behandelt worden ist. Da
Seit damals hat sich jedenfalls im Gesetzgebungsverfahren zum sogenannten PKH-Begrenzungsgesetz nicht viel getan, sieht man von einer Expertenanhörung im Bundestag ab.
Schon heute lässt sich absehen, dass einerseits gute Aussichten dafür bestehen, dass der Bundestag einen Gesetzentwurf zur Reform des Prozesskostenhilferechtes
verabschieden wird, dass aber andererseits der zur Beratung vorliegende Gesetzentwurf noch erhebliche Änderungen erfahren wird.
Damit hat sich an der Sachlage gegenüber dem vergangenen Jahr nicht viel geändert. Ich kann mich daher auf das beziehen, was ich bereits im letzten Jahr gesagt habe: Die Staatsregierung hat der Einbringung des Gesetzes, das nunmehr von der NPD-Fraktion so heftig abgelehnt wird, im sogenannten ersten Durchgang zugestimmt. Es ist offen, ob und in welcher Fassung der Gesetzentwurf dem Bundesrat zur abschließenden Beschlussfassung wieder vorgestellt wird. Es ist damit auch offen, ob die Sächsische Staatsregierung dem Gesetzentwurf dann zustimmen wird; denn die Staatsregierung legt ihr Abstimmungsverhalten in diesen wie in allen anderen Fällen in der Sitzung des Kabinetts vor dem abschließenden Bundesratsplenum – und nur dort – fest. Erst dann weiß die Staatsregierung, worüber abgestimmt wird.
Dies vorangestellt, komme ich in einem Punkt zur Prozesskostenhilfe und dem Gesetzentwurf in der Sache: Wir können es nicht beim bestehenden Zustand belassen. In Zeiten knapper Staatskassen müssen die zur Verfügung stehenden öffentlichen Mittel gezielt eingesetzt werden. Eine Unterstützung von Missbrauch auf Kosten der Allgemeinheit möchte ich unbedingt ausschließen. Das Anliegen des Gesetzentwurfes, nämlich der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe zu begegnen und einer verfassungsrechtlich und sachlich nicht gebotenen Schlechterstellung von Prozessparteien ohne Prozesskostenhilfe gegenüber denjenigen mit Prozesskostenhilfe entgegenzuwirken, ist daher grundsätzlich zu begrüßen.
Der Gesetzentwurf, der dem Bundestag zur Beratung vorliegt, zielt nicht darauf ab, die Prozesskostenhilfe abzuschaffen oder gar das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes außer Kraft zu setzen. Auch dann, wenn der Gesetzentwurf unverändert bleiben würde, wäre es in Zukunft finanziell bedürftigen Personen möglich, ihr Recht mittels Prozesskostenhilfe einzuklagen oder sich gegen unberechtigt geltend gemachte Ansprüche zur Wehr zu setzen. Das ist verfassungsrechtlich geboten und daran will niemand etwas ändern. Es steht völlig außer Frage, dass jedermann Zugang zu den Gerichten haben muss. Der Staat hat außerdem zu gewährleisten, dass der Rechtsuchende wegen der dabei anfallenden Kosten sein Existenzminimum nicht „annagen“ muss, wie es im Antrag formuliert ist.
Diesen Anforderungen trägt der Gesetzentwurf Rechnung; zugleich sorgt er dafür, dass die knappen öffentlichen
Mittel tatsächlich denjenigen zukommen, die wirklich bedürftig sind. So wird auch die im Gesetzentwurf vorgesehene Neuausgestaltung der Einkommensfreibeträge und der Ratenhöhe nichts daran ändern, dass Rechtsuchende, die zum Beispiel lediglich über Einkommen in Form von ALG II verfügen, bisher Prozesskostenhilfe erhalten, ohne zu irgendeiner Ratenzahlung aus ihrem Einkommen herangezogen zu werden.
Die in dem vorliegenden Antrag und auch andernorts kritisierte Gerichtsgebühr für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe fällt – anders als im Antrag der NPD behauptet – gerade nicht für das Stellen eines Antrages auf Prozesskostenhilfe an. Sie ist auf Fälle beschränkt, in denen die Rechtsuchenden zu Ratenzahlungen ab 30 Euro monatlich oder zu Zahlungen aus ihrem Vermögen in der Lage sind und deshalb schon jetzt zu eigenen Beiträgen an den Kosten herangezogen werden. Rechtsuchende, die nur ein geringfügig über den Freibeträgen liegendes Einkommen haben und daher nur geringe Raten auf die Prozesskosten zahlen müssen, werden hiermit ebenso wenig belastet wie Prozessparteien, denen Prozesskostenhilfe ohne jede Ratenzahlungsverpflichtung bewilligt wird.
So wie an dieser Stelle, verdreht der Antrag auch im Übrigen das tatsächliche Anliegen des Gesetzentwurfes. Denn dieser will vor allem die bisherigen Ungleichbehandlungen zwischen PKH-Empfängern und sogenannten Selbstzahlern beseitigen und die missbräuchliche Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe beschneiden. Dieses Anliegen ist berechtigt. Die Einzelheiten habe ich bereits im vergangenen Jahr dargelegt, und ich will Sie heute nicht weiter mit Wiederholungen langweilen. Den Antrag der Fraktion der NPD, an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages zu appellieren, halte ich für wenig zielführend. Ich bitte Sie, die weiteren Beratungen im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages gelassen abzuwarten. Wir sollten den gewählten Abgeordneten des Deutschen Bundestages vertrauen: Sie werden einen Gesetzentwurf verabschieden, der mit Augenmaß das Erforderliche am geltenden Recht verändern wird, ohne die wirklich Bedürftigen in ihrer Rechtsposition zu schwächen. Die Staatsregierung wird dann, nach einer Entscheidung des Bundestages, beschließen, ob sie der vom Bundestag beschlossenen Fassung des Gesetzes im Bundesrat zustimmt.