Protocol of the Session on December 13, 2007

Das Interesse an dieser wichtigen Reform scheint in dieser Fraktion nur sehr minimal ausgeprägt zu sein. Erst jetzt, in dieser Minute, zitieren sie die notwendige Ablehnungsmehrheit für diesen Antrag herbei.

(Prof. Dr. Karl Mannsfeld, CDU, steht am Mikrofon.)

Herr Hermsdorfer, Sie haben über den Stand des Gesetzes und die Eckpunkte gesprochen. Ich will mich dazu nicht äußern.

Herr Dr. Gerstenberg, Sie gestatten eine Zwischenfrage?

Herr Dr. Gerstenberg, an der Stelle, da ich Sie gern fragen wollte, hatte der Präsident gerade eine geschäftliche Tätigkeit in die andere Richtung. Das passt jetzt nicht mehr ganz dazu.

(Heiterkeit bei der CDU)

Ihre Bemerkung betraf die Frage der Anwesenheit. Unabhängig davon, ob sich die Fraktionen darüber öffentlich auslassen sollten: Könnten Sie sich vorstellen, dass sich Teile der Abgeordneten von der in Ihrem Antrag beschriebenen Situation nicht angesprochen fühlen, weil Sie im Grunde genommen den Landtag entmachten wollen? Sie wollen ein Gesetz – und Gesetzgebungsverfahren ist das originäre Instrument dieses Hauses – mit vorheriger Befassung durch Gutachter oder in einem Hochschulkonvent vorgeben. Also sagen sich die Abgeordneten, hier sind wir sowieso nicht gefragt; wir sind an das klassische Gesetzgebungsverfahren gebunden, und das könnte eine Art Erklärung sein.

(Zurufe von der Linksfraktion)

Könnten Sie mir darin zustimmen?

(Beifall bei der CDU)

Diese gut verpackte Zwischenfrage lässt sehr tief blicken – in Sie als Fragesteller, auch in die CDU-Fraktion. Ich finde es bemerkenswert, dass sich eine Fraktion nicht einer solchen Debatte stellt, dass sie eine demokratische Beteiligung der Betroffenen eines Gesetzes, die in den Hochschulen als Mitglieder der Hochschulen – als Studierende, als Mitarbeiter, als Professoren – lernen, forschen und arbeiten, als eine Entmachtung ansieht.

Wir sind bereit, diese Entmachtung, wie Sie es bezeichnen, zu betreiben und sehen das als einen wichtigen Teil der demokratischen Mitwirkung der Betroffenen an dieser Gesetzgebung.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Herr Hermsdorfer hatte unserem Antrag ein Armutszeugnis ausgestellt und Frau Raatz hatte gesagt, von positiven Vorschlägen habe sie noch nichts gehört. – Heute ist anscheinend der Tag der Frechheiten in diesem Landtag. Ich will Sie deshalb in aller Vorsicht darauf hinweisen: Sie sagen das gegenüber zwei Fraktionen, die bereits vor Jahr und Tag ihre Gesetzentwürfe für ein neues Sächsisches Hochschulgesetz in diesen Landtag eingebracht haben – was die Staatsregierung und die Regierungskoalition bis heute nicht geschafft haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Ich möchte Frau Ministerin Stange ausdrücklich danken. Sie hat sich mit den Punkten unseres Antrages beschäftigt. Diese Debatte hatten wir eigentlich erwartet. Wir nehmen an, dass – so wie es Frau Stange dargestellt hat – eine ganze Reihe dieser Eckpunkte unstrittig sein sollte und beschließbar ist.

Für uns ist es besonders wichtig, noch einmal klarzumachen, dass es mit diesem Hochschulgesetz um Hochschulen geht – Hochschulen als Orte der kooperativen wissenschaftlichen Forschung, Arbeit und Lehre. Hochschulen ticken anders. Es ist kein Indirekteinleitergesetz und auch keine Frage der Lebensmittelprüfung, die einfach so durchgeführt wird. Man muss Hochschulen, man muss die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Studierenden für ein solches Gesetz gewinnen. Deshalb kann ein Hochschulgesetz nur Erfolg haben, wenn es mit den Mitgliedern der Hochschulen und nicht gegen sie gemacht wird.

Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung, damit aus dieser Gesetzgebung wirklich noch ein Lehrstück wird und keine Tragödie.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Das waren die beiden Schlussworte. Meine Damen und Herren! Ich stelle nunmehr die Drucksache 4/10521 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltungen und einer großen Anzahl von Prostimmen ist dennoch mit Mehrheit abgelehnt worden und dieser Tagesordnungspunkt ist abgearbeitet.

Meine Damen und Herren! Es sind einige Tagesordnungspunkte gestrichen worden, deshalb kommen wir jetzt zum neuen

Tagesordnungspunkt 6

Kinderarmut verhindern – Erhöhung der Leistungen für Kinder nach dem SGB II und SGB XII

Drucksache 4/10585, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Fraktionen nehmen dazu Stellung. Es beginnt die einreichende Fraktion, die Fraktion der GRÜNEN; Frau Abg. Herrmann, bitte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kinderarmut war in Deutschland lange kein Thema, und wenn, dann allenfalls als Ursache von Familienarmut.

Aus Sicht der Kinder ist das aber ganz anders und die Folgen treffen vor allem sie. Die Langzeitwirkung von Armut auf Kinder ist umso dramatischer, je jünger die Kinder sind und je länger die Situation anhält. Wenn Kinder arm sind, bedeutet das für sie nicht allein materiellen Verzicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben heute eine ganz andere Situation als nach dem Zweiten Weltkrieg. Damals war der Wohlstand allgemein niedrig; alle hatten wenig und alle hatten Hoffnung auf bessere Zeiten. Das führte zu völlig anderen Erfahrungen als die, mit denen wir uns heute beschäftigen müssen.

Kinder aus armen Familien erfahren von Beginn an Benachteiligung. Aus der Sicht der Kinder bedeutet das: Sie haben oft kein eigenes Kinderzimmer, in das sie sich zurückziehen können – auch nicht bei Konflikten der Eltern. Das Leben der Kinder findet eben heute nicht mehr auf der Straße oder auf der Wiese statt. Viele der Kinder können keine Kindergeburtstage feiern, sie werden auch nicht eingeladen, und sie schämen sich oft, selbst andere Kinder zu sich nach Hause einzuladen. Diese Kinder bekommen auch weniger Unterstützung und Zuwendung durch ihre Eltern, weil die Eltern bei lang andauernder Armut selbst kraftlos werden und mit ihrem Alltag überfordert sind. Kinder werden so weniger gelobt, aber öfter bestraft.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Politikwissenschaftlerin Gerda Holz hat das „Kindergesicht“ der Armut untersucht. Sie sagt: „Am deutlichsten äußert sich familiäre Armut im verspäteten und unregelmäßigen Zahlen von Essengeld und sonstigen Beiträgen für Aktivitäten in Kitas. Häufiger kommen arme Kinder hungrig in die Einrichtung und/oder es fehlt ihnen die körperliche Pflege.“

Die materielle Belastung führt dann auch zu einer psychosozialen Belastung und die Kinder werden gemieden. Dazu kommt, dass manche Kommunen Regelungen getroffen haben, dass Kinder arbeitsloser Eltern nur halbtags betreut werden dürfen.

Was sind die Folgen? Kinder in Armutslagen lernen Probleme zu vermeiden, sie lernen den Kopf einzuziehen und sich unsichtbar zu machen. Das ist ihre Strategie, statt

auf ein Problem zuzugehen und es zu lösen. Kurz: Die soziale Integration ist deutlich erschwert. Sie ist aber neben der finanziellen Absicherung der Familie ein ganz wesentlicher Faktor für die Zukunftsperspektive dieser Kinder. In Sachsen betrifft Armut etwa 27 % der Kinder unter 15 Jahren. Es zeigt sich, dass Kinder vor allem dann gefährdet sind, in Armut zu leben, wenn ihre Mütter mehr als ein Kind allein erziehen und wenn es diesen Müttern nicht gelungen ist, dennoch berufstätig zu bleiben. Von Armut bedroht sind außerdem Kinder aus Familien mit mehr als zwei Geschwistern.

Man könnte das auch mit den Anträgen auf Familienunterstützung an die „Stiftung Hilfe für Familien, Mutter und Kind“ in Sachsen illustrieren. Dort sind im Jahr 2006 760 Hilfegesuche eingegangen – das ist die höchste Eingangslage seit Bestehen der Stiftung.

Wir müssen uns fragen: Wie viel Hoffnung setzen wir in diese Kinder aus armen Familien? Welche außerfamiliären Ergänzungen und welche Schutzfaktoren sind wir bereit zur Verfügung zu stellen? Wo setzen wir unsere politischen Prioritäten? Wie viel sind wir bereit in diese Kinder zu investieren?

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Sozialausschuss war in diesem Jahr in Finnland und hat dort erfahren, dass die Haltung in Finnland seit jeher eine andere ist. Die Finnen sagen: Wir sind zu wenige, wir können es uns gar nicht leisten, auch nur auf die Möglichkeiten eines Kindes zu verzichten. Das sollten wir uns zum Vorbild nehmen, zumal wir nicht in die Situation kommen wollen, sagen zu müssen, wir sind zu wenige.

Die gegenwärtigen Regelleistungen sind nicht existenzsichernd, sie sind nicht am Entwicklungsbedarf von Kindern orientiert. Bei allem Vorteil von Pauschalen, dürfen sie doch nicht dazu führen, dass man Kindern unter 15 Jahren einen Eckregelsatz von 60 % des Eckregelsatzes eines alleinstehenden Rentners zubilligt. Das kann für Kinder kein Maßstab sein. Und ein siebenjähriges Kind hat auch wieder ganz andere Bedürfnisse als ein Neugeborenes. Da stimmt die Grundlage der Berechnung nicht und das hat auch nichts mit einer vorausschauenden, präventiven Sozialpolitik zu tun.

Mindestens ebenso wichtig wie die Erhöhung der Regelsätze für Kinder ist eine Strategie, die alle Kinder in das soziale Leben der Gemeinschaft einbezieht – sei es in die Kita oder in die Schule.

Wir können doch nicht hinnehmen, dass die soziale Herkunft darüber entscheidet, ob Kindern Lern- und Schulmittel zur Verfügung stehen. Damit tolerieren wir unterschiedliche Zukunftschancen. Es kann uns nicht gleichgültig lassen, wie viel Geld dann letztlich in der

Familie beim Kind ankommt und ob Bildungsausgaben in der Familie ausreichendes Gewicht erhalten. Kinder haben ein eigenes Recht auf Bildung und Zukunft.

(Beifall des Abg. Michael Weichert, GRÜNE)

Deshalb brauchen wir offensichtlich an dieser Stelle doch wieder Sachleistungen. Das betrifft ebenso das gemeinsame Mittagessen und den Anspruch auf ein gesundes Essen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unterstützen Sie unseren Antrag. Wir müssen gemeinsam handeln, um Kinderarmut zu verhindern! Unser Antrag ist dazu ein erster, aber sehr dringender Schritt. Sichern wir auch für Kinder aus einkommensschwachen Familien Lebenschancen! Dahrendorf brachte dies schon 1970 auf den Punkt: „Lebenschancen sind Möglichkeiten des individuellen Wachstums, der Realisierung von Fähigkeiten, Wünschen und Hoffnungen. Diese Möglichkeiten werden durch soziale Bedingungen bereitgestellt.“

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke. – Es folgt die Fraktion der CDU. Frau Schöne-Firmenich, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Herrmann, es ist ja nicht das erste Mal, dass wir zu bestimmten Themen gleicher Meinung sind und gleiche Ziele verfolgen. Manchmal unterscheiden wir uns nur im Weg dahin. Sie haben zu Ihrem ursprünglichen Antrag einen ersetzenden Änderungsantrag vorgelegt und ich bin dankbar dafür, dass Sie unsere Anregungen darin aufgenommen haben. Auf diesen Änderungsantrag möchte ich mich jetzt beziehen.

Als im Zuge der Hartz-IV-Gesetzgebung die Höhe des Regelsatzes für Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II und dem Sozialgesetzbuch XII ermittelt wurde, hat man ein Verfahren angewandt, das den Bedarf einer alleinstehenden Person zum Maßstab für den Haushaltsvorstand machte. Für alle weiteren Haushaltsmitglieder nahm man Abschläge vor. Dabei ist herausgekommen, dass es für Kinder im Alter von null bis 14 Jahren einen Regelsatz in Höhe von 60 % und für Kinder im Alter von 15 bis 18 Jahren in Höhe von 80 % des Grundregelsatzes gibt. Eine empirisch gesicherte Ermittlung des speziellen Bedarfs Heranwachsender in den verschiedenen Altersgruppen hat es nie gegeben. Zusätzliche Sachaufwendungen, wie zum Beispiel für Lehrmittel, wurden seit 2005 nicht mehr erstattet. Diese Ausgaben waren nunmehr in den leicht erhöhten pauschalen Regelsätzen schon eingerechnet.

Wer mit Familien mit Kindern oder mit alleinerziehenden Eltern spricht, erfährt sehr bald, dass sich diese Regelung im Alltag nicht bewährt. Nehmen wir Ihr Beispiel von den kalkulierten Kosten für die tägliche Ernährung eines Kindes von 2,57 Euro, was in der Begründung Ihres

Antrages steht. Ein Gläschen Babybrei kostet durchschnittlich 1 Euro, eine kleine Flasche Babysaft auch.