Protocol of the Session on November 9, 2007

(Volker Bandmann, CDU: Richtig!)

um aufgehängt an dieser Debatte über die Energieformen, die wir wählen, ein Horrorszenario zu entwickeln, das uns von einer seriösen Debatte wegführt.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Das wäre logisch!)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Sehr gern, aber ich bin eigentlich am Ende meiner Ausführungen.

Aber Sie gestatten sie?

Selbstverständlich gestatte ich sie.

Herr Prof. Mannsfeld, wollen Sie ernsthaft bestreiten, dass die durch die Braunkohlenverstromung hervorgerufene Emission einen erheblichen Einfluss auf den Klimawandel hat?

Ihre Frage ist nicht korrekt gestellt. Ich will das jetzt nicht ausweiten. Sie

wissen, dass wir einen Energiemix haben. Der ist in Sachsen anders beschaffen als in Bayern. Bayern hat über 60 % Wasserkraftnutzung. Hessen hat mit 60 % Atomkraft seine Energieversorgung sichergestellt. Nun müssen Sie einfach zur Kenntnis nehmen, dass das von Ihnen immer wieder benutzte Bild nicht stimmt, wir müssten diese etwa zwei Tonnen pro Einwohner auf der Welt herunterbrechen. Dann tun wir das einmal. Wenn wir jährlich mit der Braunkohlennutzung 7 Millionen Tonnen CO2 zusätzlich erzeugen, wie Sie in Ihren Anträgen schreiben, dann müssen wir das mit vier Millionen Einwohnern multiplizieren. Wenn uns dann entgegengehalten wird, in China wäre das heute noch bei 2 Tonnen, dann multiplizieren wir das mal mit 2,5 Milliarden. Dann können Sie sehen, dass es nicht um eine kleinstregionale Betrachtung gehen kann, sondern dass nur eine globale und international verabredete Politik dazu führen kann, dass wir weniger schädliche Klimagase emittieren und dass wir in unserer Situation nicht völlig an unserem Hauptenergieträger vorbeigehen können.

Sie konnten das im alten und im neuen Energieprogramm lesen, das nicht überall diskutiert worden ist. Das sollte man einfach im größeren Kontext berücksichtigen.

Ich habe deutlich zu machen versucht, dass eine ganze Reihe von Aussagen in der Großen Anfrage waren, die Ihnen und uns allen ein Stück weitergeholfen haben. Aber Fragen wie „Kann man in der Lausitz in 50 Jahren noch Landwirtschaft betreiben?“ und ähnliche diskreditieren die Fraktion eigentlich selbst; denn das ist nicht mehr ernst zu nehmen.

(Beifall bei der CDU und des Staatsministers Prof. Dr. Roland Wöller)

Die Linksfraktion erhält das Wort; Frau Dr. Runge, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich hervorheben, dass in die Große Anfrage eine Menge analytische Vorarbeit geflossen ist. Ich möchte mich aber an dieser Art von Kritikasterei von Herrn Mannsfeld nicht beteiligen, obwohl es einzelne Fragen gibt, die tatsächlich die natürlichen Zusammenhänge meines Erachtens nicht richtig abbilden.

Aus der Antwort der Staatsregierung ist allerdings zu erkennen, dass Sie Ihre Strategie, verehrter Herr Wöller – und jetzt hören Sie genau zu –, einseitig und prioritär als Anpassungsstrategie an den Klimawandel im Sinne nachsorgender Klimapolitik ausrichten. Aber die bloße Anpassungsstrategie ist für meine Begriffe nicht mehr ausreichend und zeitgemäß, weil der gesamte Komplex CO2-Reduktion als vorsorgende Klimapolitik, die Erwärmung der Erde abzubremsen und zu begrenzen, heute mehr denn je gefragt ist. Auch die praktischen Maßnahmen zur Begrenzung des CO2-Ausstoßes werden in den Antworten der Staatsregierung stiefmütterlich behandelt.

Damit ich nicht missverstanden werde: Es gibt eine ganze Reihe wertvoller Maßnahmen für den Bereich Land-, Forst- und Wasserwirtschaft, aber auch im Hochwasserschutz, die ganz klar Risikovorsorge hinsichtlich des Klimawandels betreiben. Entscheidend ist, dass man hierbei eine Doppelstrategie fahren muss: einerseits Anpassungsmaßnahmen durchzuführen und andererseits ganz klar einen praktischen Beitrag zur CO2-Reduktion zu leisten. Genau das ist eben in den Antworten nicht zu finden.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Richtig!)

Damit konterkariert die CDU in der Tat die Zielvorgaben der Bundeskanzlerin und der EU-Kommission, die klare Reduktionsziele vorgegeben haben.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN – Caren Lay, Linksfraktion: So ist es!)

Zu Klimaschutz und Wirtschaftspolitik. Stern kommt zu dem Ergebnis, dass der globale Klimawandel eine Weltwirtschaftskrise und Rezession, vergleichbar mit der Krise Ende der Zwanzigerjahre, auslösen kann, wenn nicht ernsthafte Schritte zur Reduktion dieser klimaschädlichen Gase unternommen werden. Stern warnt davor, dass die Kosten zur Bekämpfung der Folgen des Klimawandels überproportional steigen werden, je länger sich die Menschen mit einschneidenden Maßnahmen Zeit lassen. Am meisten werden die Ärmsten in der Dritten Welt und auch die Ärmsten in unserer Gesellschaft an den Folgeschäden des Klimawandels leiden. Insofern kritisiere ich an den Fragestellungen der GRÜNEN in der Großen Anfrage, dass die soziale Dimension vor allem für die Ärmsten auch in unserer Gesellschaft wie für die Dritte Welt weitgehend ausgeblendet wird.

Das aber macht die Besonderheit des Profils der Linken aus: dass wir versuchen, Klima-, Wirtschafts- und Sozialpolitik im Sinne des nachhaltigen Dreiecks zusammenzudenken. Ob das immer gelingt, ist eine andere Frage, aber zumindest unser Anspruch.

Aus dem Stern-Bericht ergibt sich eine zweite, sehr wichtige wirtschaftspolitische Herausforderung. Investitionen in CO2-arme oder gar CO2-freie Technologien – Stern nennt das Einstieg in die Niedrigkohlendioxidwirtschaft – sind qualitativ orientierte Wachstumsstrategie, was nach Wouter van Dieren, Mitglied des Club of Rome, vor etwa zehn Jahren in dem Buch „Mit der Natur rechnen“ beschrieben worden ist. EU-Kommissionspräsident Barroso spricht gar von der dritten industriellen Revolution, die damit ausgelöst wird.

Insofern ist das Engagement der Bundeskanzlerin und der EU-Kommission zum Klimaschutz nicht uneigennützig. Die Bundesregierung geht diese Zukunftsherausforderung mit ihren neuen Energie- und Klimaschutzprogrammen für den Bereich der Gebäudewirtschaft, der erneuerbaren Energietechnologien und der Energieforschung durchaus beherzter an als die Sächsische Staatsregierung.

Die Frage, ob Sachsen diese Herausforderung zur Modernisierung der Wirtschaft annimmt oder nicht, entscheidet über die wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit, Arbeitsmarktsituation und den sozialen Wohlstand Sachsens. Gemessen an den Herausforderungen zur Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit möchte ich einige Schwerpunkte benennen, woran nachzuweisen ist, wo die Defizite der Sächsischen Staatsregierung liegen, Herr Mannsfeld.

„Die Staatsregierung sieht keine Leitmärkte einer ökologischen Industriepolitik“, heißt es dort zum Beispiel, sondern sie sieht – wie in altbekannter Weise – die Ressourcen und Umweltprobleme lediglich als Querschnittsthema an, was zunächst nicht falsch, aber nicht mehr zeitgemäß und zukunftsfähig ist. Es würde den Weg in eine ökologische Modernisierung auch nicht konsequent befördern. Die Staatsregierung bezweifelt sogar, ob sich Branchenstrukturen auf globaler Ebene maßgeblich verändern könnten. Dem widerspricht der Stern-Bericht klar.

Zur Energiepolitik. Der Streit um ein neues Energieprogramm in Sachsen hat das Defizit vor allem aufseiten der CDU deutlich werden lassen. Unverdrossen hält die Regierung am exzessiven Ausbau der sächsischen Braunkohlenwirtschaft fest und setzt die stille Hoffnung darauf – wie es in der Antwort zur Großen Anfrage erneut bestätigt wird –, dass sich der Anteil erneuerbarer Energien am Energiemix weiter erhöhen möge. Obwohl die Regierung im gültigen Energieprogramm zum Beispiel noch auf Repowering bei Windkraftanlagen setzt, zeigt sich vor Ort, dass regionale und örtliche Genehmigungsbehörden dies nicht umsetzen. Das Regierungshandeln konzentriert sich auf Energiesparen und Energieeffizienz, auf den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung und auf die Tätigkeit der Energieagentur.

Nicht zu finden ist hingegen in den Antworten, wie sich die Regierung in einem langfristigen Zeithorizont bis 2050 den Ausstieg aus der Braunkohlenwirtschaft in Sachsen vorstellt. Dass die Braunkohlenwirtschaft wie andere Branchen der Industrie aber klare Zielvorgaben und Rahmenbedingungen für einen bestimmten Zeithorizont braucht, um sich langfristig umzuorientieren, vergisst sie dabei. Ein Weiter-so ist auch für die betroffenen Unternehmen unverantwortlich und verhindert strukturell eine beschleunigte Substitution des Energieträgers Braunkohle wie auch dezentrale autarke Lösungen für Städte und Gemeinden. Es ist mehr denn je eine Politik gefragt, die längerfristige Zeithorizonte in den Blick nimmt, statt ausschließlich in Legislaturperioden zu denken und zu handeln.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zur Verkehrspolitik. Natürlich weiß ich, dass die wesentlichen Weichen zur CO2-Reduktion für den Bereich Verkehr europa- und bundesweit breit gefächert gestellt werden. Hierzu zählen technologische Innovationen in die Fahrzeugtechnik, alternative Kraftstoffe und intelligente Verkehrskonzepte. Was ich in der Antwort der Staatsregierung völlig vermisst habe, ist eine klare Prioritätensetzung

zugunsten des schienengebundenen Verkehrs. Genau das wäre aber die Herausforderung in der Verkehrspolitik. Vorrangig auf den schienengebundenen Verkehr zu setzen ist vor dem Hintergrund des noch immer beabsichtigten Börsenganges der Bahn nicht zu erreichen. Und noch immer wird der Straßenausbau im Bund wie im Land Sachsen bevorzugt.

(Volker Bandmann, CDU: Das ist gut so!)

Das, Herr Bandmann, zeigte sich nicht zuletzt im Konflikt der Regierung mit der EU-Kommission hinsichtlich der Lenkung von EFRE-Mitteln in den kommunalen Straßenbau. Es spricht Bände, wenn es in der Antwort der Staatsregierung heißt, dass – und das ist wirklich interessant – zum ersten Mal eine gesonderte Förderung aus den EFRE-Mitteln in umweltfreundliche Verkehrstechnik fließen soll.

Die Antworten der Staatsregierung auf die Fragen in der Großen Anfrage legen für meine Begriffe die Defizite aufseiten der CDU-geführten Regierung offen, zeigen aber auch eine Vernachlässigung der mit dem Klimawandel verbundenen sozialen Fragen aufseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Es wird noch einer Menge integrativer Denkarbeit bedürfen, um die sächsische Regierung auf die Höhe der zukünftigen Herausforderungen zu bewegen.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Für die SPD-Fraktion spricht Herr Gerlach.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einem Zitat von Prof. Weber, dem neu berufenen Leiter des Fraunhofer-Instituts für solare Energiesysteme in Freiberg, beginnen. Er sagt: „Der Klimawandel ist schon unterwegs und alles, was wir tun können, ist zu versuchen, ihn abzumildern.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Richtig!)

Die größte Gefahr ist aber nicht die Frage, ob die Erdtemperatur um 1,5 oder um 2,5 Grad wärmer wird, sondern

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

eine mögliche Klimainstabilität. In den vergangenen 10 000 Jahren, dem sogenannten Holozän, hatte die Erde ein sehr stabiles Klima. Meine Befürchtung ist, dass wir durch den menschlichen Einfluss das Klima dieses Zeitalters beenden und dass das Erdklima wieder instabil wird, das heißt jährliche Jahrhundertstürme und ähnliche katastrophale Wetterbedingungen.“

Nun hat die Erde in ihrer Geschichte schon eine Menge Extreme durchlebt. Das sind allerdings in der Regel sehr viel größere Zeiträume gewesen. Die Erde war schon einmal fast komplett vereist, die Erde war schon einmal komplett abgetaut – also eisfrei. Aber – und das ist das Wichtige – so wie sich die Menschheitsgeschichte in den

letzten 11 000 Jahren entwickelt hat, konnte sie das immer in einer relativ stabilen Klimaphase tun.

Prof. Rahmstorf vom Klimainstitut in Potsdam hat einmal Klima und Wetter in etwa verglichen, weil das oft bei vielen Diskussionen durcheinander gebracht wird. Unter Klima kann man sich Folgendes vorstellen: Wenn wir ein Glas oder ein Gefäß haben, in dem Wasser gekocht wird, dann kann man den Zustand, wann das Wasser kochend ist, relativ gut als Klima beschreiben. Wetter wäre der Versuch zu beschreiben, welche Blase gerade an welcher Stelle entsteht und wohin sie wandert. – Das mal so als Vergleich. Das heißt, wir haben es hier mit globalen Strukturen zu tun, bei denen man einzelne Wettererscheinungen nicht einfach hoch- oder herunterrechnen kann, um dann irgendwelche Prognosen zu stellen. Die Wahrscheinlichkeit macht das Ganze dann.

Über die Symptome ist schon sehr viel gesagt worden. Ich möchte Ihnen noch ein zweites Zitat nennen, und zwar von dem Philosophen Schopenhauer. Der hat nämlich einmal gesagt: „Alles Neue wird zuerst belächelt, dann bekämpft und schließlich wie selbstverständlich hingenommen.“

(Antje Hermenau, GRÜNE: Genau so!)

Ich erinnere an meine Redebeiträge, die ich Anfang der Neunzigerjahre, damals noch zusammen mit dem Kollegen Gaber von Bündnis 90, gehalten habe, bei denen sich – ich will keine Namen nennen – Kollegen auf die Schenkel geklopft haben, wie ein Mensch mittlerer Intelligenz so einen Unsinn erzählen kann. Heute lacht wenigstens keiner mehr in diesem Plenum, wenn vom Klima die Rede ist.

Zweites Beispiel: Was gab es für einen Aufschrei im Autoland Deutschland, als die GRÜNEN 5,00 DM Benzinpreis verlangt haben. Heute sind wir – umgerechnet – etwa bei 3,00 DM gelandet

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion – Lachen bei der NPD)

und es schreit fast keiner mehr. Sehen Sie sich mal an, was damals in der Zeitung stand, als diese Mitteilung kam.