suchungen zum Klimawandel endlich einmal, natürlich mit einem vertretbaren Aufwand, quantifiziert werden.
Wir wissen, der Klimawandel kostet uns heute schon viel Geld. Wie viel genau, wissen wir nicht. Wir wissen aber: Die Prognosen der letzten Jahre sind überholt. Der Klimawandel wird sich beschleunigen und verstärken. Darum wird es Zeit, dass auch die finanziellen Fakten auf den Tisch kommen – sowohl die Fakten für jeden einzelnen Bürger als auch die volkswirtschaftlichen –; denn dann können wir ungefähr ermessen, was uns zum Beispiel Untätigkeit oder zeitliche Verzögerung auch als Staat kosten wird. Herr Umweltminister Wöller, Sie haben eine Professur für Volkswirtschaftslehre. An Sie als Ökonom und entsprechenden Umweltminister haben wir GRÜNEN die Erwartung, dass Sie uns analog den Studien von Stern und dem DIW zeitnah eine Untersuchung für Sachsen vorlegen, um die finanziellen Auswirkungen des Klimawandels für den Freistaat einmal in einer Größenordnung zu beschreiben.
Ein Blick in das Kapitel in der Großen Anfrage zum Thema Lausitz zeigt, wohin es führen kann, wenn Risikoanalysen fehlen. Wie in einem Brennglas lassen sich die Folgen studieren. Die Lausitz wird sich in den nächsten Jahrzehnten zu einer Steppe entwickeln. Das ist übrigens keine grüne Horrorvision, sondern das beschreibt die Staatsregierung in der Antwort auf unsere Anfrage und in diversen anderen Publikationen.
Im April dieses Jahres hatten wir Waldbrandstufe III in der Lausitz. Ich wiederhole, im April! Jetzt können wir nachlesen, dass es Probleme bei der regionalen Löschwasserversorgung gibt. Das ist doch eine beängstigende Perspektive: steigende Waldbrandgefahr bei Rückgang der Menge des Löschwassers. Ich verzichte darauf, die Probleme der Lausitz vom Waldsterben bis hin zur Versauerung der Seen der Reihe nach noch einmal durchzudeklinieren. Aber Fakt ist: Die Lausitz wird vom Klimawandel wie kaum eine andere Region in Mitleidenschaft gezogen werden.
Wer in dieser Phase auch nur darüber nachdenkt, irgendwann einmal neue Tagebaue zu erschließen, der oder die muss doch – Entschuldigung – mit dem Klammerbeutel gepudert sein. Wir werden noch Jahrzehnte damit zu tun haben, in der Lausitz die Hinterlassenschaften der DDRBraunkohlenindustrie zu renaturieren.
Bezüglich der geplanten Lausitzer Seenlandschaft ist heute eine Frage offener denn je: Wird eine touristische Nutzung überhaupt dauerhaft möglich sein? – Ob eine dauerhafte Stabilisierung der Seen in Badequalität gelingt, ist fraglich. Neue Tagebaue zu erschließen wäre ökologischer Wahnsinn.
Daher fordern wir heute und hier ein Moratorium für die Lausitz, keine weiteren Tagebaue mehr, weitere Untersu
chungen für die Klimafolgen der Region und die Vorlage eines alternativen Entwicklungskonzepts für die Lausitz.
Auch in Bezug auf die gerade erwähnte Lausitz, sehr geehrter Herr Prof. Wöller, erwarte ich von Ihnen als neuem Umweltminister, a) dass Sie die Probleme beim Namen nennen und den Menschen in der Lausitz die Wahrheit sagen und b) dass in der Lausitz geschützt wird, was noch zu schützen ist. Man sieht allein schon an den Antworten auf die Fragen, die wir in dieser Großen Anfrage gestellt haben: Ihr neues Amt wird kein einfaches werden.
Die CDU-Fraktion hat jüngst bekundet, die Bemühungen der Bundesregierung um den Klimaschutz zu unterstützen. Solche Aussagen sind angesichts der vorliegenden Antworten auf unsere Anfrage und Ihrer Aktivitäten zur Sicherung der Privilegien der Braunkohlenverstromung reichlich dubios. Zwischen der Bundeskanzlerin und dieser Landesregierung gibt es in Sachen Klimaschutz tiefgreifende Differenzen. Diese sind in den Protokollen von Bundesrat und Bundestag dokumentiert. In unseren Augen wird es Ihre Aufgabe sein, diese Kluft zu schließen.
Bereits im April hat Wirtschaftsminister Jurk seinem Parteifreund Peter Struck, dem Vorsitzenden der SPDBundestagsfraktion, einen Brief geschrieben, in dem es indirekt um den Klimawandel ging. Was unser Staatsminister für Wirtschaft wollte, war aber nicht mehr, sondern weniger Klimaschutz; denn Herr Jurk hatte sich bei Herrn Struck dafür starkgemacht, die Privilegien für die Braunkohle im Emissionshandel zu bekommen. In gleicher Sache hat sich die Staatsregierung mehrfach im Bundesrat eingesetzt.
Wir haben dann folgerichtig die Staatsregierung gefragt: Haben Sie einmal durchgerechnet, welche klimapolitische Bedeutung Ihre Anträge für die Volkswirtschaft auf lange Sicht haben? Und die Staatsregierung hat wenigstens ehrlich geantwortet: Nein, das haben wir nicht berechnet. – Das ist der Stil.
Sie, Herr Prof. Wöller, sind sicherlich in der Lage nachzurechnen, was es klimapolitisch bedeutet hätte, wenn Sachsen sich im Streit um den Emissionshandel der Braunkohle gegen Frau Merkel hätte durchsetzen können. Ich darf gleich die Aufforderung an Sie richten: Wenn diese Landesregierung weiterhin die unseres Erachtens immer noch zu zaghaften Bemühungen der Bundeskanzlerin um mehr Klimaschutz zu torpedieren versucht, sollten Sie sich als zuständiger Minister unseres Erachtens wenigstens zu Wort melden. Ihr Vorgänger, Herr Tillich, kam jedenfalls in der Debatte um Emissionshandel nicht vor. Wir hoffen sehr, Herr Staatsminister Wöller, dass so etwas in Zukunft nicht mehr vorkommt und Sie Ihre Verantwortung für den Klimaschutz ernster nehmen.
Im letzten Jahr haben wir in diesem Landtag einen Antrag eingebracht. Danach wollten wir eine Verbundinitiative Solarwirtschaft gründen. Der eine oder andere erinnert sich. Der Staatsminister für Wirtschaft hat seine Ablehnung des Antrages damit begründet, er hätte längst eine Verbundinitiative regenerative Energien, genannt Renertec, aufgelegt, die bald starten würde. Das ist bereits länger als ein Jahr her, und so wollten wir von der Staatsregierung wissen, wann denn „bald“ ist und endlich die Vorbereitungen für Renertec abgeschlossen seien. „Im dritten Quartal“, bekamen wir zu hören.
Nun debattieren wir die Große Anfrage, es ist November – das ist bei mir im vierten Quartal – und von Renertec ist immer noch nichts zu sehen, es hat das Licht der Welt noch nicht erblickt. Der Klimawandel baut sich über Jahrzehnte auf, aber er ist definitiv schneller als der sächsische Wirtschaftsminister.
Sehr geehrter Herr Staatsminister Jurk, ich darf Ihnen aus eigener Erfahrung raten: Gehen Sie mit dem Kind nicht noch länger schwanger, es ist anstrengend. Übrigens nur Elefanten tragen noch länger aus.
Meine Damen und Herren! Man braucht kein Prophet zu sein, sondern nur die wissenschaftlichen Studien zu lesen, um die Aussage zu treffen, dass der Klimawandel in manchen Gebieten Deutschlands auch katastrophale Züge annehmen wird, und das ist kein Defätismus und kein Pessimismus. In Bezug auf die Lausitz und auf den Alpenraum ist das schon heute offenkundig.
Wir müssen unsere Anstrengungen also intensivieren und uns bleibt da auch nicht mehr viel Zeit. Der Freistaat Sachsen war schon zu DDR-Zeiten die Region mit dem höchsten CO2-Ausstoß weltweit. Da war die DDR spitze. Heute, 17 Jahre nach der Wende, liegen wir nicht mehr ganz vorn, aber wir sind alles andere als beispielgebend. Die Einhaltung des 2-Grad-Ziels als maximale Erderwärmung in den nächsten Jahrzehnten ist gleichbedeutend mit einem Ausstoß von ungefähr 2 Tonnen CO2 pro Einwohner und Jahr. Da liegen wir in Sachsen 600 % darüber und das kann so nicht bleiben.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Große Anfrage „Klimawandel in Sachsen – Herausforderung und Chancen“ ist ein weiterer Versuch der einbringenden Fraktion, so zu tun, als sei sie die treibende Kraft im
Ja, da müssen Sie noch viel lernen, wenn man die Große Anfrage durchliest. Diese naturwissenschaftlichen Schnitzer kann man Ihnen nicht durchgehen lassen. – Aber wir bleiben mal in dem Text, der eigentlich angebracht war:
Also, diese Einschätzung, dass Sie diese Rolle einnehmen wollen, wird vor allem durch einen völlig unangebrachten Duktus bzw. eine Diktion der Formulierungen belegbar, Formulierungen, die generell so tun, als habe die Staatsregierung von den naturwissenschaftlichen sowie den wirtschaftlichen und sozialen Folgen und Auswirkungen eines angenommenen Klimawandels keine Ahnung und tue demzufolge auch viel zu wenig.
Noch schlimmer aber ist für mich der Versuch, so zu tun, als sei nur diese einbringende Fraktion – BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – im Besitz der alleinigen Wahrheit. Denn wie will man anders den Satz in der Antragsbegründung deuten, welcher lautet – ich zitiere –: „Dabei wissen wir schon heute sehr genau, mit welchen klimatischen Veränderungen wir in Sachsen in den nächsten Jahren zu rechnen haben.“
Wenn dem so ist, hätten Sie den Antrag nicht zu stellen brauchen. Aber trotz dieser Selbstüberschätzung – sie klang durch den Zwischenruf schon wieder an – stelle ich noch einmal für meine Fraktion fest: Anzeichen für einen Klimawandel sind ebenso vorhanden wie die Erkenntnis, dass der Mensch an dieser Entwicklung über das Emissionsgeschehen im Zuge seiner Wirtschaftstätigkeit wesentlichen Anteil hat. Aber hinsichtlich der konkreten Auswirkungen gibt es, von Modellsimulationen abgesehen, bestenfalls Tendenzbetrachtungen, aber keine prognostische Sicherheit, vor allem wenn es um regionalisierte Betrachtungen geht oder Sie sich damit beschäftigen sollen.
Wenn Sie doch wenigstens so seriös gewesen wären zu sagen, es handelt sich bei den von Ihnen benannten Klimaprognosen nicht um Vorhersagen, wie etwa beim Wettergeschehen – die sind schon nicht zuverlässig –, sondern um Projektionen, also Aussagen über mögliche Klimaentwicklungen – und nicht mehr. Insofern sind Fragen, ob in 50 Jahren in der Lausitz noch Landwirtschaft betrieben werden kann, ebenso töricht, wie sich zu erkundigen, wie die zukünftige Waldbrandgefahr als Folge verschärfter Niedrigwasserphasen – die haben gar nichts miteinander zu tun – einzuschätzen ist, oder die potenzielle Verdunstung für Zeiträume bestimmen zu wollen, die wir noch gar nicht kennen.
Da Sie immer wieder die Lausitz als regionale Struktur in unserem Land betonen, müssen Sie schon klarmachen, was Sie eigentlich wollen. Die Lausitz ist eine geschichtliche und keine räumlich abgrenzbare Einheit und sie ist als räumlich abgrenzbare Einheit, so wie sie beispielsweise in der geografischen Disziplin verwendet wird, so in sich unterschiedlich, dass die von Ihnen betonten Klimawerte, dass im Juli eine Mitteltemperatur von Neugersdorf bis Weißwasser herrschen soll, einfach schlicht und ergreifend untauglich sind, um irgendeinen Sachverhalt oder eine Prozessdynamik zu beschreiben. Aber auch durch die Palette der rund 60 Fragen in fünf Kapiteln zieht sich wie ein roter Faden die bereits angedeutete Annahme – man könnte sie als Verunglimpfung bezeichnen –, dass die Sächsische Staatsregierung keine Aktivitäten auslöse und indirekt der Bundeskanzlerin in den Rücken falle, weil Sachsen zum Schlusslicht in der bundesweiten Klimapolitik verkomme.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Bundesland, das bereits 2001 ein Klimaschutzprogramm vorgelegt hat, das 2003 im Landesentwicklungsplan umfangreiche Vorgaben für die Träger der Regionalplanung zur weiteren Umsetzung für die regenerativen Energien gemacht hat, das 2005 – dieses Papier hat die Vorrednerin ausdrücklich gelobt – einen Sachstandsbericht zum Klimaschutzprogramm, zur weiteren Umsetzung und zu zusätzlichen Aufgaben vorgelegt hat, und ein Bundesland, das bis Ende 2007 einen Klimaaktionsplan erarbeiten und dem Landtag zuleiten will und parallel eine Nachhaltigkeitsstrategie verfasst hat – wie der Minister kürzlich in der Öffentlichkeit angekündigt hat –, einem solchen Bundesland Untätigkeit vorzuwerfen ist wegen der dahintersteckenden Ignoranz schwer erträglich.
Andererseits hat das Ministerium überall dort, wo es konnte, geduldig geantwortet, sodass aus der Sicht der Antragstellerin sicherlich ein Teilziel erreicht wird.
Meine Damen und Herren! Die Koalitionsfraktionen hatten mit ihrem Antrag vom 19. Juli 2007 hingegen konkrete Erwartungen und Forderungen formuliert, anstatt eine – wie man diese Große Anfrage schon bezeichnen könnte – Hintergrundbetrachtung zu betreiben. In der Antwort haben wir auch konkrete Aussagen – Stichwort: Klimaaktionsplan und anderes – bekommen. Es bleibt daher schwer nachvollziehbar, dass die einreichende Fraktion es abgelehnt hat, die Große Anfrage mit dem Koalitionsantrag heute gemeinsam zu behandeln. Aber vielleicht überwog die Befürchtung, dass die Kluft zwischen Lyrik und Konkretem zu deutlich geworden wäre.
Aus der Erörterung der Großen Anfrage kann folgendes Fazit gezogen werden: Bei aller Unsicherheit hinsichtlich des Verlaufs naturwissenschaftlicher Prozesse und der Wirksamkeit gesellschaftlicher Anpassungsmaßnahmen für den Klimawandel wissen wir lediglich – im Gegensatz zur Fraktion GRÜNE, die vorgeben, alles sehr genau zu wissen –, dass mit einem Klimawandel große Unwägbar
keiten verbunden sind. Inwieweit er auch zu neuen Chancen führen kann, lässt sich heute nicht abschließend klären. Grund genug allerdings, lieber heute als morgen mit konkreten Anpassungsmaßnahmen zu beginnen, um Auswirkungen eines Klimawandels zu beschränken. Aber Ziel, Umfang und Effektivität der Maßnahmen sollten schon vorher genau bestimmt sein.
Die gute Nachricht ist eigentlich, dass jeder von uns einen Beitrag leisten kann, um auch die auf internationaler Ebene verabredeten Ziele – Stichwort: maximale globale Erwärmung um 2 Grad – zu erreichen; denn ob beim Wohnen, beim Bauen, im Verkehrssektor oder bei der unmittelbaren Energienutzung, überall kann das Handeln des Staates auch durch uns selbst positiv beeinflusst werden.
In diesem Sinn, also der Synergie staatlichen und privaten Handelns, hätte das für meine Fraktion eine konstruktive Herangehensweise zu diesem Phänomen bedeutet und nicht die Abfrage von Einzelphänomenen, die womöglich noch mit apokalyptischen Bildern und Szenarien geschmückt werden und eher zur Desorientierung und Verunsicherung in der Öffentlichkeit beitragen. Weil das Thema für Possenspiele zu ernst ist, bleibt die Große Anfrage hinsichtlich einer ganz ernst zu nehmenden Argumentation eine vertane Gelegenheit, diesem Phänomen als Landtag sinnvoll zu begegnen. Eine einseitige Schelte an der Staatsregierung, sie handele nicht, und eine Schelte an unserem Energiemix ist ungerechtfertigt, Frau Kollegin Hermenau.
Sie kommen zum Schluss wieder zu der Frage, ob in Sachsen oder noch in einem nördlich angrenzenden Bundesland der Energieträger Braunkohle abzubauen ist – das ist Ihr eigentlicher Hintergrund,