Protocol of the Session on November 9, 2007

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Deswegen – sehr geschätzte Frau Kollegin Hermenau – können Sie, denke ich, davon ausgehen, dass sich die Kommunen mit ihren öffentlichen Finanzen genauso wie der Freistaat Sachsen in einer soliden Lage befinden und dass wir letztendlich gemeinsam zur Zukunftssicherheit, was sowohl die kommunale Ebene als auch die des Freistaates betrifft, beitragen werden.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und SPD)

Meine Damen und Herren! Damit ist die 1. Aktuelle Debatte, beantragt von den Fraktionen der CDU und der SPD, zum Thema „Finanzausstattung der sächsischen Kommunen“, beendet.

Wir kommen nun zu

2. Aktuelle Debatte

Schlechte Noten für die Gesundheitspolitik – Ärztemangel wirksam bekämpfen

Antrag der Fraktion der FDP

Als Antragstellerin hat die Fraktion der FDP zuerst das Wort, danach CDU, Linksfraktion, SPD, NPD und GRÜNE.

Die Debatte ist eröffnet, ich bitte die Fraktion der FDP, das Wort zu nehmen. Herr Zastrow, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In der Gesundheitspolitik zeigt sich das soziale Gewissen einer Gesellschaft. Schauen wir doch mal, wie es darum in Sachsen bestellt ist.

Das Bundesgesundheitsministerium hat gerade einen Gewissenstest gemacht. Er hat die Qualität des Gesundheitswesens in einzelnen Bundesländern untersucht und miteinander verglichen. Für Sachsen zeigt diese Studie Licht und Schatten. Insgesamt gehört Sachsen aber leider zum sehr schlechten Mittelmaß. Schauen wir uns die Studie genau an, dann sehen wir Licht – darauf können wir mit unserem Spitzenplatz durchaus stolz sein – bei der niedrigen Säuglingssterblichkeit. Wir sehen Licht, was die zahnärztliche Versorgung in Sachsen betrifft, und wir

sehen Licht, wenn wir den Zustand unserer Krankenhäuser betrachten. Hier zahlen sich offensichtlich die Krankenhausreformen des ehemaligen Sozialministers Geisler aus, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Dramatisch schlecht präsentiert sich der Freistaat Sachsen dagegen beispielsweise hinsichtlich der Arztdichte und in der Versorgung mit Fachärzten. Bei der Arztdichte kommt Sachsen unter den 16 Bundesländern auf Platz 14. Auf 100 000 Einwohner kommen bei uns im Schnitt 316 Ärzte, bundesweit sind es dagegen 352.

Bei der Facharztversorgung liegen wir ebenfalls nur auf dem 14. Platz. 244 Fachärzte kommen hier auf 100 000 Einwohner, bundesweit sind es 280.

Leider sind diese Punkte ganz entscheidende Pfeiler der medizinischen Grundversorgung in unserem Land. Hier spürt jeder Patient am stärksten die Qualität eines Gesundheitswesens. Dass wir gerade bei der Versorgung mit Ärzten und Fachärzten so schlecht dastehen, stellt der

sächsischen Gesundheitspolitik ein sehr miserables Zeugnis aus.

(Beifall bei der FDP)

Es ist noch gar nicht so lange her, als wir hier im Hohen Haus auf Antrag der FDP über den Mangel an Kinderärzten gesprochen haben. Panikmache wurde uns damals vorgeworfen; von einer drohenden Unterversorgung könne keine Rede sein. Angesichts der neuen Studie, meine Damen und Herren, bin ich sehr gespannt, wie sich die Staatsregierung heute wieder einmal herausreden will. Fakt ist: Mit einer „Kopf-in-den-Sand-Politik“ werden wir kein einziges Problem lösen können. Nehmen Sie bitte endlich die Fakten zur Kenntnis!

Nur ein paar Beispiele: In den vergangenen fünf Jahren ist die Zahl der zugelassenen Ärzte um knapp 200 zurückgegangen. Zurzeit sind ungefähr 100 Arztpraxen und 150 Klinikstellen unbesetzt. Aus Altersgründen werden 38,5 % der sächsischen Hausärzte bis 2010 ihre Zulassung zurückgeben.

Im Landkreis Torgau-Oschatz ist die Unterversorgung im Bereich Hausärzte schon heute real. Im Weißeritzkreis fehlen von benötigten sechs Augenärzten und im Mittleren Erzgebirgskreis von benötigten fünf Augenärzten jeweils zwei.

Von den 365 zurzeit in Sachsen praktizierenden Kinderärzten sind bereits 102 niedergelassene Ärzte älter als 60 Jahre, gerade einmal zwölf sind in Sachsen unter 40 Jahre alt.

Immer mehr Ärzte suchen ihr Glück – auch sächsische Ärzte – im Ausland. Immer mehr Ärzte finden, wenn sie in den Ruhestand gehen, keinen Nachfolger für ihre Praxis.

Wer angesichts der vorliegenden Prognosen immer noch vom Abbau von Überkapazitäten oder – wie Sie, Frau Orosz, heute in der „Leipziger Volkszeitung“ – von einem Verteilungsproblem spricht, handelt nicht nur verantwortungslos, er verharmlost die Situation in unverantwortlicher Art und Weise, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der Linksfraktion)

Und wer auf die gravierenden Probleme bei der Arztversorgung im ländlichen Raum mit der Aussage reagiert: „Masse ist nicht gleich Klasse“ – das ist das gleiche Interview mit der „Leipziger Volkszeitung“ von heute –, wie Sie, Frau Orosz, erreicht für uns den Gipfel des Zynismus, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Es ist schlimm, was die Politik aus dem Traumberuf Arzt gemacht hat, meine Damen und Herren. Ich weiß aber auch, dass die alleinige Verantwortung dafür keinesfalls in Sachsen liegt. Die Hauptschuld liegt in keinen oder in den falschen Reformen auf Bundesebene. Ulla Schmidt und ihre Kollegen haben das deutsche Gesundheitswesen ruiniert und treiben mit ihrer Politik hoch qualifizierte, bei

uns in Deutschland ausgebildete Ärzte systematisch aus dem Land.

(Beifall bei der FDP)

Allerdings, meine Damen und Herren, habe ich auch noch nicht gesehen, dass sich unsere Sozialministerin einmal so richtig die Zähne an Ulla Schmidt ausbeißt und zeigt, dass wir es in Sachsen anders machen wollen.

(Zuruf der Staatsministerin Helma Orosz)

Sachsen nickt, Frau Orosz – obwohl wir das Land sind, das viele dieser dramatischen Auswirkungen ganz besonders spürt –, die falschen Weichenstellungen auf Bundesebene immer treu und brav ab. Zeigen Sie endlich einmal Muskeln!

Sie, Frau Orosz, als Staatsministerin und die Staatsregierung sind für die Misere entscheidend mitverantwortlich.

(Beifall bei der FDP)

Bitte zum Schluss kommen.

Leider muss ich Herrn Milbradt – auch wenn er heute nicht unter uns ist – mitteilen, dass er nach den Problemen im Innenressort, im Justizressort und im Finanzressort mit dem Sozialressort eine ganz neue und schwierige Baustelle bekommen hat.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. Frau Strempel, bitte.

Peinlich, Herr Zastrow!

Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Seit dem April dieses Jahres gilt das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung. Herr Zastrow, haben Sie geschlafen? Der Freistaat Sachsen hat im Bundesrat dagegen gestimmt. Guten Morgen! Ihre Kritik ist etwas verpufft.

Warum hat der Freistaat Sachsen dagegen gestimmt? – Weil es in diesem Gesetz tatsächlich keine Lösungen für die finanzielle Absicherung unseres solidarischen Krankenversicherungssystems, für Maßnahmen zur medizinischen Absicherung der Folgen des demografischen Wandels und für die bundesweit seit Jahren bekannte drohende Lücke in der Versorgung mit Fach- und Allgemeinärzten gibt. Auch hier: Guten Morgen! Es gibt nicht erst seit heute die Debatte. Wir debattieren seit 2000. – Hören Sie lieber zu – Sie sind Laie auf diesem Gebiet –, bevor Sie hier sprechen!

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Abgeordneter ist er schon!)

Sie sprechen zu einer Sache, von der Sie wirklich keine Ahnung haben, Herr Zastrow. Warum? Sie sprechen über ein Gutachten, das vom Bundesministerium – das bedaure ich – in Auftrag gegeben wurde. Die Presse hatte nichts

Eiligeres zu tun, als sofort nach Bekanntgabe des Gutachtens den Ruf unserer qualitativ guten Versorgung, den wir in Sachsen nach wie vor noch haben, zu schädigen. Was machen Sie? Sie haben nichts Eiligeres zu tun, als zu sagen: Warte, lieber Freistaat, ich mache jetzt eure Politik schlecht und beantrage eine Debatte! – die wir heute auch führen.

Herr Zastrow, Sie springen auf ein gesatteltes Pferd auf und meinen, im Galopp die Gesundheitspolitik, die wir bisher hier auch als Koalition betrieben haben, schlechtreden zu können. Herr Zastrow, Sie sind allerdings auf einen klapprigen Gaul aufgesprungen: Er bricht unter Ihnen zusammen.

Wenn Sie sich tatsächlich mit der Methode des Gutachtens auseinandergesetzt hätten – jetzt will ich Sie einmal ein bisschen aufklären –, müssten Sie Folgendes wissen:

(Holger Zastrow, FDP: Das Gutachten ist falsch!)