Protocol of the Session on November 8, 2007

Ich begrüße es auch, dass weiterhin für die Fachschulausbildung Raum bleibt. Damit wird nicht nur der notwendige Nachwuchs an Erzieherinnen gesichert, sondern auch ein gut gemischtes Team in den Kitas etabliert.

(Beifall bei der FDP)

Forderungen nach einer vollständigen Akademisierung halte ich derzeit für unangebracht. Bevor über einen formalen Abschluss gesprochen wird, müssen die Inhalte der Ausbildung geklärt werden.

Im Übrigen – und das finde ich sehr lobenswert – ist nach der Fachschulausbildung problemlos ein BachelorStudiengang möglich. Damit stehen sowohl für die Erzieherinnen als auch für die frühkindliche Bildung zahlreiche Zukunftsoptionen zur Verfügung.

Es gibt derzeit wenig Anlass, die sächsische Sozialpolitik zu loben. Aber bei der Aus- und Weiterbildung der Erzieherinnen will ich das ausnahmsweise tun.

(Beifall bei der FDP – Martin Dulig, SPD: Danke!)

Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Formal wird der Beruf aufgewertet, doch ausreichende Ressourcen für Vor- und Nachbereitung und für die Weiterbildung sind im Kita-Gesetz nicht vorhanden. Dieser Umstand ist eine der großen Baustellen, die im Interesse unserer Kinder endlich beseitigt werden müssen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mittlerweile ist es schon oft gesagt worden, sodass es auch der letzte Ungläubige merken muss: Es ist etwas dran an der Behauptung, dass die ersten Lebensjahre die wichtigsten für den Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen sind. Deshalb müssen wir genau hinschauen, welche Erfahrungen Kinder mit Bildung machen können und ob ihre Neugierde und

Aufmerksamkeit genügend Anregung und Ermunterung erfahren.

Kitas sind neben dem Elternhaus der Ort für diese wichtigen Erfahrungen, in manchen Fällen leider auch der einzige Ort. Deshalb ist es fatal, dass gestern das Landeserziehungsgeld in dieser Form verabschiedet worden ist. Mit dem dort festgeschriebenen Entweder/Oder – entweder Kita oder der Bezug von Landeserziehungsgeld – verbauen Sie Kindern ihre Bildungschance in der Kita.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der Abg. Gitta Schüßler, NPD)

Wenn der Kita eine so wesentliche Bedeutung zukommt, heißt das: Wir brauchen gute Kitas. Die Erzieherinnen und Erzieher brauchen eine Ausbildung, die nicht nur neue Ergebnisse aus Wissenschaft und Forschung zur Grundlage hat, sondern auch vermittelt. Die Professionalität von Erzieherinnen und Erziehern ist entscheidend für die Qualität in den Kitas.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist vor drei Jahren mit der Forderung in den Landtag eingezogen, künftig – wie nahezu überall in Europa – Erzieherinnen und Erzieher an Hochschulen auszubilden. Wenn dieses Ziel jetzt Realität zu werden beginnt, ist das auch ein Erfolg der GRÜNEN. Für uns war dabei immer klar: Die Akademisierung des Berufes darf nicht zum Selbstzweck werden. Es reicht nicht, den theoretischen Ansatz einfach an die Stelle von überkommener Kita-Pädagogik zu setzen. Entscheidend ist, dass wissenschaftliche Kernkompetenzen zur Grundlage des professionellen Handelns von Erzieherinnen und Erziehern werden, und zwar solche Kernkompetenzen wie methodisch abgeleitetes Handeln, Selbstreflexion, Forschungsdrang und Offenheit gegenüber neuen Entwicklungen. Das muss zur Grundlage des Handelns werden, ohne das für diesen Bildungsbereich notwendige „Handwerk“ zu verdrängen.

Für dieses Ziel sind viele Wege vorstellbar, über die wir diskutieren müssen. Die heutige Aktuelle Debatte zeigt, dass es sich gelohnt hat, mit zahlreichen parlamentarischen Initiativen, mit Veranstaltungen, einem Antrag und einer Anhörung dieses scheinbar randständige Thema auf die sprichwörtliche Nummer eins der Tagesordnung zu bringen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu ungeteilter Freude besteht allerdings kein Anlass. Ich erinnere Sie an die unmissverständliche Empfehlung des renommierten Frühpädagogikexperten Prof. Fthenakis in der Anhörung zu unserem Antrag: Bachelor für jede Fachkraft in den Gruppen und Master für die Leitung und alle darüber hinausgehenden Positionen. Unser Antrag wurde auch von anderen Experten in der Anhörung nahezu einhellig bestätigt. Dennoch wurde dieser Antrag in der letzten Sitzung des Sozialausschusses von der Koalition abgelehnt. Sie finden diesen in der Sammeldrucksache zu Tagesordnungspunkt 12 der heutigen Tagesordnung.

Was soll man davon halten? Zu Beginn des Tages eine Aktuelle Debatte zur Ausbildung von Erzieherinnen und

Erziehern und am Abend ein abgelehnter Antrag als Sammeldrucksache, der genau dieses zum Ziel hatte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wo stehen wir in Deutschland? Mittlerweile existieren im gesamten Bundesgebiet 28 elementarpädagogische Studiengänge. In Sachsen gibt es lediglich einen elementarpädagogischen Studiengang, zwei Studiengänge zu sozialer Arbeit – diese bieten als Schwerpunkt die Kita-Leitung an. Das nun verkündete sächsische Modell mit dem Ziel, 20 % der Erzieherinnen und Erzieher an Hochschulen auszubilden, ist der Versuch, bei dem rasanten Tempo der Akademisierung in Deutschland mitzuhalten; zum Vorreiter wird Sachsen dadurch noch nicht.

Zu unseren Kritikpunkten und Forderungen mache ich im zweiten Teil Ausführungen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. Frau Schöne-Firmenich, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Werner, ich denke, wir haben uns dazu verständigt, dass wir über das Thema Betreuungsschlüssel bei den nächsten Haushaltsdebatten noch sprechen müssen. Heute sprechen wir über die Professionalisierung in den Kindertagesstätten und darüber, wie hoch die Quote sinnvollerweise sein sollte.

Sie hätten gern sehr viel mehr als 20 %. Auch Frau Herrmann würde viel lieber eine höhere Quote derjenigen sehen, die mit Hochschulabschluss in die Kindertagesstätten gehen. Aber ich kann Ihnen eines sagen: Es ist nicht immer das bessere Modell, was andere Länder praktizieren. Ich weiß nicht, ob wir wirklich etwas gewinnen, wenn wir danach streben, wenn zum Beispiel 50 % der Beschäftigten in den Kindertagesstätten eine akademische Ausbildung haben und auf der anderen Seite die Träger der Einrichtung für die restlichen 50 % ungelernte Hilfskräfte einstellen. Das ist kein Gewinn und das ist nicht unser Ziel.

(Beifall der Abg. Dr. Gisela Schwarz, SPD)

Mir ist das wichtig, da ich auch die Vorbehalte der Träger und besonders der Kommunen kenne. Der Vorschlag geht von einer Quote bis zu 20 % der Fachkräfte mit akademischer Ausbildung aus. Das betrifft vor allem – das ist schon gesagt worden – die Leitungsbereiche, die Fachkräfte in der pädagogischen Gruppenarbeit und den wissenschaftlichen Nachwuchs für Forschung und Lehre.

Befürchtungen, dass wir jetzt aus allen Erzieherinnen und Erziehern Hochschulabsolventen machen wollen, die die Personalkosten in die Höhe treiben würden, sind unbegründet. Die Träger und der SSG haben sich mit dem Arbeitskreis darüber am 19. Juli 2007 verständigt und dem vorgeschlagenen Modell ihre Zustimmung erteilt. Ich denke, es ist positiv, wenn wir merken, dass die Kommunen und die Wirtschaft zunehmend erkennen, dass gute

Betreuungsangebote in guter Qualität ein wichtiger Standortfaktor im Wettbewerb um hoch qualifizierte Fachkräfte sind. 80 % der Fachkräfte in den Kindertagesstätten erhalten auch zukünftig eine sehr fundierte Ausbildung an den sächsischen Fachschulen und stellen damit eine solide Basis für eine gute Bildungsarbeit in den sächsischen Kindertagesstätten dar.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist ein guter Anfang, der gemacht worden ist. Diese zwei Jahre, die seit der letzten Debatte vergangen sind, waren keine verlorenen Jahre. Im Vergleich zu anderen Bundesländern, in denen es Insellösungen gibt, haben wir ein komplexes Modell entwickelt, mit dem Sachsen deutschlandweit in Führung gehen kann. Sachsen bietet in naher Zukunft alle Möglichkeiten der akademischen Ausbildung in einem Beruf der sozialen Dienstleistungen in hoher Qualität an: Bachelor wie Master sowohl berufsbegleitend als auch grundständig. Zwei Forschungsinstitute, das Institut für frühkindliche Bildung an der Evangelischen Hochschule Dresden und das Zentrum „Kindheit in der Forschung, Wissenschaft und Praxis im Dialog“ an der TU Dresden, sorgen dafür, dass die Definitionshoheit in der Frühpädagogik in Sachsen liegt. Dieser wissenschaftliche Vorlauf macht den Studienstandort Sachsen überregional attraktiv.

(Beifall des Abg. Helmut Gregert, CDU, und der Staatsministerin Helma Orosz)

Wenn dann noch der Schritt gelänge, beim Bachelor die Ausbildung im Bereich der Elementarpädagogik schrittweise mit der Primärpädagogik zusammenzuführen, hätten wir die besten Voraussetzungen, um systembedingte Brüche beim Übergang von der Kita zur Schule zu vermeiden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wünsche mir, dass mit der Professionalisierung der Arbeit in den Kitas auch das Ansehen des zu Unrecht in der Gesellschaft unterbewerteten Berufes der Erzieherinnen oder der Erzieher mehr Anerkennung erfährt und damit einhergehend auch attraktiver für junge Männer wird. Wir brauchen nicht nur Mädchen in technischen Berufen, sondern wir brauchen auch junge Männer in solchen Frauendomänen. Das tut nicht nur dem Arbeitsklima gut, sondern nutzt vor allem den Kindern alleinerziehender Mütter, die zu Hause kein männliches Gegenüber erleben.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der Staatsministerin Helma Orosz)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Frau Schüßler, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Schöne-Firmenich hat gerade das gesagt, was ich jetzt eigentlich noch sagen wollte.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Hört, hört! Hört, hört!)

Ich wollte noch einmal auf die Männer in Erziehungsberufen eingehen. Wenn die Frau Staatsministerin für Wissenschaft gerade den Männern den Einstieg in diese eher weibliche Domäne schmackhaft machen wollte mit dem Hinweis auf ein akademisches Studium und den Slogan „Einmal Erzieher, immer Erzieher – das muss nicht sein“, da man später auch in der Kindheitsforschung, -beratung oder -bildung arbeiten könne, dann kann man diese Männer auch gleich als Psychologen, Pädagogen oder Mediziner ausbilden. Mit Arbeit in der Gruppe hat das allerdings weniger zu tun, und gerade das wäre nötig, um ein ordentliches Vaterbild für die Kinder alleinerziehender Mütter vermittelt zu bekommen.

Grundsätzlich, meine Damen und Herren, stellt sich uns als NPD-Fraktion die Frage, ob ein Hochschulabschluss für die Erzieherinnenausbildung zwingend notwendig ist. Kurz gesagt: Ja, für Kindertagesstättenleiter mit mehrjähriger Praxiserfahrung; aber ein klares Nein, was die Erzieherinnen betrifft; denn diese sollten sich erst einmal in der Praxis, also in der Gruppe, in der Arbeit mit dem Kind bewähren.

(Karl Nolle, SPD: Nimm mal die Kartoffel aus dem Mund!)

Nach einer vernünftigen und praxisbezogenen Fachschulausbildung in den altersspezifischen Bereichen sollte fähigen Mitarbeitern die Möglichkeit eines Hochschulabschlusses eingeräumt werden; aber erst, wenn sie praktische Erfahrungen haben, denn sie müssen ja wissen, was sie dann tun. Der Bildungsplan ist dafür eine gute Grundlage und das 20 : 80-Konzept der Staatsregierung ebenfalls. Wenn den Erzieherinnen und Erziehern in der Ausbildung also ein noch stärkerer Praxisbezug mitgegeben werden könnte, wäre das für die frühkindliche Bildung und Erziehung ein enormer Gewinn, also etwas, das wir alle anstreben.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Ich frage die FDP-Fraktion, ob noch das Wort gewünscht wird. – Nein. Die Fraktion der GRÜNEN? – Frau Herrmann, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Schöne-Firmenich, ich gebe Ihnen recht: 20 % sind ein Anfang, und ich denke, dass die Kommunen die Erfahrung machen werden, dass Erzieherinnen, die eine Hochschulausbildung genossen haben, für sie sehr wertvoll sind; denn das Geld, das sie an dieser Stelle einsetzen müssen, brauchen sie später nicht einzusetzen. Auf diese Erfahrung baue ich, deshalb denke ich, dass es eben nur ein Anfang ist und wir durchaus die Forderung aufmachen können, dass wir mittelfristig zu anderen Zahlen kommen.

(Beifall der Abg. Michael Weichert, GRÜNE, und Heike Werner, Linksfraktion)

Insgesamt stellt sich die Frage: Wie will die Staatsregierung dieses Angebot finanzieren? Jährlich 1,8 Millionen Euro sind notwendig, wenn das vollständige Konzept von grundständigen Studiengängen bis zum Graduiertenverbund umgesetzt werden soll. Bisher sind die Hochschulen in Vorleistung gegangen, deshalb fordere ich Sie auf: Sorgen Sie für eine ausreichende Finanzierung dieses Studienangebotes, aber widerstehen Sie der Versuchung, bei den Hochschulen an anderer Stelle zu kürzen!

Zwei wesentliche Faktoren für die Qualitätsentwicklung an Kitas berücksichtigt das vorgestellte Modell nicht: die Fachberatung und die Fortbildung. Es ist nicht geklärt, ob diese an Hochschulen ausgebildet werden sollen, und wir fordern: Angesichts ihrer Bedeutung für den Bildungsauftrag der Kitas muss die hochschulische Aus- und Weiterbildung für Fachberatung sowie Fort- und Weiterbildung verpflichtend werden.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der FDP)