(Beifall bei der SPD und der CDU – Antje Hermenau, GRÜNE: Sie werden an Ihren Worten gemessen werden, Herr Bräunig!)
Wird von der NPD-Fraktion noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Von der FDP-Fraktion? – Herr Dr. Martens, bitte.
Herr Präsident! Herr Bräunig, eine Bemerkung zu dem, was Sie soeben gesagt haben: Wir haben in der Tat sehr unterschiedliche Auffassungen davon, wie viel Zeit notwendig ist, um sich mit einer so umfassenden Reform zu beschäftigen, jedenfalls was das Parlament angeht.
Richtig ist, dass dieser Gesetzentwurf erst im Sommer vorgelegt worden ist und wir jetzt, nach dem Ende der Sommerpause, erst am Anfang der Beratung stehen. Aber nach den Vorgaben der Staatsregierung soll dieses Gesetz bereits im Dezember beschlossen werden. Jeder sollte für sich selbst die Frage beantworten, ob die von Ihnen dann angenommene Beratungszeit von nicht einmal drei Monaten für ein solch umfangreiches Gesetzeswerk mit über 700 Seiten angemessen gewählt ist.
(Beifall bei der FDP – Volker Bandmann, CDU: Für Halbzeitparlamentarier ist das immer ein bisschen schwieriger!)
Diese Frage müssen Sie vor allen Dingen den Bürgern beantworten, insbesondere den Bürgern im Vogtland. Darum beneide ich Sie nicht.
Meine Damen und Herren! Wir haben es in der Tat mit der Frage zu tun, wie man an eine Verwaltungsreform herangeht, inwieweit man bereit ist, tatsächlich neue Gedanken aufzunehmen und den regionalen Besonderheiten – in diesem Fall: den Besonderheiten der Lage Plauens im Vogtland – Rechnung zu tragen.
Plauen befindet sich in einer Randlage des Freistaates Sachsen, in unmittelbarer Grenznähe zu Bayern und Thüringen sowie zur Tschechischen Republik.
Auf der bayerischen Seite befinden sich relativ kleine Städte wie Hof, die nach dem sächsischen Leitbild nicht mehr kreisfrei wären, aber in Bayern sehr wohl kreisfrei sind. Sie haben oberzentrale Funktion und befinden sich im direkten Wettbewerb mit Plauen.
In diesem Bereich ist die Wettbewerbslage. Herr Kollege Brangs, Plauen befindet sich nicht in der Lausitz.
Es gibt regionale Besonderheiten. Auch das ist in der Anhörung deutlich geworden. Dort findet Wettbewerb zwischen Städten statt, die gleiche Verwaltungskraft und eine gleichgeartete oberzentrale Funktion haben sollten. Dem wird dieser Gesetzentwurf überhaupt nicht gerecht. Das ist auch nicht ausgeführt worden; die Gesetzesbegründung beschäftigt sich damit nicht.
Der Gesetzentwurf krankt übrigens nicht nur an der unzureichenden Bewertung der Besonderheiten von Plauen und dem Vogtland insgesamt; er ist auch von Nachlässigkeiten und Versäumnissen durchzogen, was die Bewertung von Aufgaben angeht. Wenn man sich das anschaut, soll die Aufgabenkritik dazu führen, dass Aufgaben entfallen, dass Aufgaben privatisiert werden, und die Kommunalisierung wird als Hauptsäule der Funktionalreform bezeichnet.
Wenn man sich den Gesetzentwurf dann tatsächlich durchschaut, so findet sich dort kaum ein Aufgabenverzicht und echte Privatisierungen sind in diesem Gesetzentwurf überhaupt nicht vorhanden. In der Gesetzesbegründung wird aber gleichzeitig fröhlich weiter auf die Grundzüge der Reform verwiesen.
Es wird einsichtig, dass in diesen Punkten – wie auch am Beispiel Plauen gezeigt werden kann – diese Reform, so wie sie jetzt angelegt ist, eben nicht unbedingt zu einer effizienten, schlanken Verwaltung führt, sondern möglicherweise sogar noch zu mehr Kosten im ersten Anlauf, als sie überhaupt Einsparungen bringt. Eines ist im Fall Plauen besonders deutlich: Sie wird zu einer bürgernahen Aufgabenerledigung mit Sicherheit so nicht beitragen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bräunig, ich kann es wirklich schätzen und kann Ihnen dazu gratulieren, dass Sie von Ihrer Fraktion das Recht erhalten haben, im Gegensatz zu den CDU-Kollegen, hier zur Debatte zu sprechen. Meinen Glückwunsch! Vielleicht kann sich ja Herr Heidan noch melden.
Aber, Herr Bräunig, ich kann nur sagen, getroffene Hunde bellen. Sie nehmen den Mund so voll, weil Sie nichts in der Hand haben.
Wenn Sie immer wieder auf die Ausschussberatungen zurückverweisen, dann möchte ich schlicht und ergreifend auch hier vor dem Hohen Hause und der Öffentlichkeit sagen und klarstellen: Wir haben uns die ganze Zeit inhaltlich an der Debatte beteiligt und haben Anträge gestellt. Der Kollege Friedrich von der Linksfraktion hat es ausgeführt. Wir haben uns diesem Hopplahopp, den Ihre Ausschussvorsitzende mit dem Willen der Koalition durchsetzen wollte, nie angeschlossen und immer aus wohlüberlegten Gründen dagegen gestimmt.
Ich sage Ihnen, Herr Bräunig, Sie brauchen sich hier gar nicht zu echauffieren. Sie können sicher sein, wir werden ein Modell für eine Experimentierklausel vorlegen und Änderungsanträge stellen. Wir werden Sie daran messen, ob Sie dem dann zustimmen oder nur heiße Worte verbreiten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ausführungen des Herrn Rechtsanwalts Lichdi zu Demokratie mit großem Interesse verfolgt. Ich muss aber ehrlich sagen, solange ich hier in Dresden sehe, dass seine Partei Demokratie und demokratische Entscheidungen mit Füßen tritt, wo Sie eindeutig wider allen geltenden Rechts handeln, so lange habe ich große Bedenken, den Demokratievorstellungen des Herrn Lichdi zu folgen.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Den letzten Redebeitrag habe ich nicht verstanden, aber wahrscheinlich nicht nur ich.
Warum geht der vogtländische Weg angeblich nicht? Ich sage: weil die Staatsregierung bei dem Widerlegungsversuch einem klassischen Zirkelschluss unterliegt:
Erstens, weil durch die Regierung vom grünen Tisch aus in einem Leitbild für die Kreisgebietsreform, neben auch manchen vernünftigen Prämissen, interessanterweise der natürlich notwendigen interkommunalen Kooperation ein denkbar schlechter Platz eingeräumt wird;
zweitens, weil man danach mit Verwunderung und Bestürzung feststellt, dass ebendieses Leitbild interkommunale Kooperation nicht zulässt.
Genauso gehen Sie vor, Herr Staatsminister Dr. Buttolo. Wer sagt denn, dass das von der Staatsregierung aufgestellte Leitbild für die Kreisgebietsreform das einzig mögliche, das einzig vernünftige und das einzig verfassungsmäßige ist? Niemand sagt das. Ausnahmslos alle Sachverständigen – sowohl die, die für den vogtländischen Weg waren, als auch die, die dagegen waren – haben richtigerweise festgestellt, dass der Sächsische Landtag eine breite Einschätzungsprärogative, also einen breiten politischen Spielraum, besitzt, um dieses Leitbild festzulegen. Es ist eben gerade nicht so, dass wir das von der Staatsregierung vorgestellte Leitbild sozusagen eins zu eins abzunicken hätten. Genauso ist es nicht. Die Elemente des Leitbildes sind eben gerade nicht die Gesetzestafeln, die Moses auf dem Berg Sinai in Empfang nehmen durfte.
Wäre seinerzeit der Vorschlag meiner Fraktion angenommen worden, vor den konkreten Gebietszuschnitten hier im Hause über das Leitbild zu diskutieren und zu beschließen, hätten wir jetzt diesen Ärger nicht. Das sage ich ganz deutlich.
Zu hinterfragen ist vor allem die 200 000-EinwohnerGrenze. Hier wäre eine Differenzierung bei den jetzt noch kreisfreien Städten durchaus angebracht. Ein Blick nach Bayern genügt. Dort sind diese kreisfreien Städte überwiegend deutlich kleiner.
Weiterhin möchte ich auf die ganze Verlogenheit Ihrer Argumentation aufmerksam machen. Ich erwähne den Artikel 24 im Funktionalreformgesetz. In diesem Artikel dürfen den kreisfreien Städten und Gemeinden per öffentlich-rechtlichem Vertrag Aufgaben übertragen werden. Sie wissen selbst, dass Ihr hochgeheiligtes Prinzip der Einräumigkeit der Verwaltung, an dem angeblich der vogtländische Weg scheitert, natürlich massiv durchkreuzt wird. Sie bekommen einen bunten Strauß von Zuständigkeiten, wenn Sie den Artikel 24 beschließen und ernst nehmen. Bei den kreisfreien Städten und Gemeinden soll also etwas möglich sein, ganz bewusst, was Sie bei dem vogtländischen Weg ausschließen wollen. Ich kann das nur verlogen nennen.
Warum stellt sich die Staatsregierung eben gegen solche basisdemokratischen Vorschläge? Die Tatsache, dass der
angeblich vorhandenen ministeriellen Fachkompetenz ein völlig andersgearteter Entwurf von der Basis entgegengestellt wird, ist in den Augen der Staatsregierung renitent hoch drei. Völlig zu Recht geht bei Buttolo, dem Ministerium und auch in der CDU-Fraktion – die SPD-Fraktion hätte dafür keine Gründe – die Angst um, dass sich die kommunale Ebene womöglich ähnlich wie im Vogtland aufschwingen und eigene kreative Vorschläge entwickeln könnte, statt stromlinienförmig dank reichlich fließender Fördermittel einfach im Strom mitzuschwimmen. Ich denke, diese Angst ist berechtigt.
Ein weiterer Ablehnungsgrund dürfte der sklavische Wunsch der Staatsregierung und der regierungstragenden Koalition nach Einhaltung des von vornherein äußerst ambitionierten –, ich sage hier ganz deutlich aus meiner Sicht hochgradig unrealistischen Zeitplanes für die parlamentarischen Beratungen sein. Ich freue mich, dass auch die Vorsitzende des Innenausschusses, Kollegin Weihnert, die Sache ähnlich sieht.
Jede inhaltliche Diskussion bei der Suche nach den besten Lösungen scheitert heute – das zeigt die Aktuelle Debatte leider – an dem Hinterzimmerkompromiss zwischen Staatsregierung und kommunalen Spitzenverbänden, Stichwort: Paketlösung, die angeblich nicht wieder aufzuschnüren ist. Das ist Ihr großes Verdienst, Dr. Buttolo.
Dieses Entweder-oder aber tötet jede Kreativität und bringt schweren Schaden für den Freistaat mit sich.