Protocol of the Session on June 7, 2007

Wir haben es geschafft, regional verdichtete Wachstumskerne herauszubilden, die in ganz bestimmten Sektoren, wie dem Automobilbau, der Mikroelektronik oder dem Maschinenbau, Magnetwirkung ausüben. Diesen Ansatz hat die Koalition mit Hilfe des Programms „Regionales Wachstum“ auch auf kleinere regionale Cluster, etwa die technischen Textilien oder die mir so wichtige Bahntechnik, ausgeweitet.

Während in den ersten Jahren Subventionen und niedrige Löhne die einschlägigen Argumente für Ansiedlungen waren, so werden es jetzt immer stärker die Qualifikation unserer Fachkräfte und unsere vorzüglichen Einrichtungen für Forschung und Entwicklung.

In der Wirtschaftspolitik heißt es, frühzeitig zu erkennen, wohin sich die weltweiten Zukunftsthemen und Herausforderungen entwickeln, um industriepolitisch Vorreiter zu sein. Sachsen hat dies im Bereich der Energie und Umwelt geschafft. Wir verstehen Energiepolitik zunehmend in ihrer industriepolitischen Dimension. Das reicht über das klassische, eher infrastrukturelle Verständnis hinaus, welches auf die Sicherstellung der Energieversorgung gerichtet ist, so wichtig das auch sein mag. Heute geht es darum, mit Energie- und Effizienzthemen verbundene wirtschaftspolitische Zukunftschancen zielgerichtet zu verstehen und zu nutzen. Unsere regionale Mitwirkung für den Umwelt- und Klimaschutz ist eben nicht nur ein

moralisches Gebot, es ist auch eine gute Wirtschaftspolitik.

Zu den GRÜNEN, meine sehr geehrten Damen und Herren: Erklären Sie mir doch bitte, wenn Sie auf die Braunkohle verzichten wollen, woraus denn dann der Grundlaststrom gewonnen werden soll. Wollen Sie ihn importieren? Wollen Sie ihn wirklich aus Atomkraftwerken, vielleicht aus Russland, bekommen? Diese Frage müssen wir beantworten. Deshalb brauchen wir die Braunkohle als unseren heimischen Energieträger, und wir sollten alles tun, damit unsere Technologien die besten auf der Welt sind.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung – Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Wir werden nicht verhindern, dass in Schwellen- und Entwicklungsländern die einheimischen Rohstoffe, unter anderem auch die Braunkohle, genutzt werden. Wenn wir es schaffen, die besten Technologien zu verkaufen – auch hinsichtlich der Frage CO2-frei –, dann, meine Damen und Herren, haben wir nicht nur unserer Wirtschaft einen guten Dienst erwiesen, sondern sind auch unserer weltpolitischen Verantwortung gerecht geworden.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung – Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Ich habe Sie jetzt nicht verstanden, Frau Hermenau. Sie könnten vielleicht ans Mikrofon treten; Sie kennen ja die Spielregeln.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch in der Sozial- und Familienpolitik hat diese Koalition eine neue Phase der Entwicklung Sachsens begonnen. Anfang der Neunzigerjahre sahen wir uns zum Beispiel im Bereich der sozialen Infrastruktur einer Situation gegenüber, dass es entweder zu viel oder zu wenig gab. Fast alles war in einem unhaltbaren Zustand. Auch diese Bilder sollte man sich in Erinnerung rufen, wenn man heute über die Leistungen, die in Sachsen in 17 Jahren erbracht wurden, diskutiert. Schauen wir uns einmal die Bilder von Altenheimen und Krankenhäusern an, wie sie 1989/1990 aussahen, und was dort inzwischen geleistet wurde!

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Ja, das ist so. Es gab in unseren Krankenhäusern Tausende Betten zu viel, in den Alten- und Pflegeheimen jedoch Tausende Plätze zu wenig. Nahezu alle Gebäude mussten aufwendig saniert werden. Nach einer ersten Phase, in der die Standards angehoben und die dringendsten Investitionen geleistet wurden, begann Mitte der Neunzigerjahre die zweite Phase, in der die soziale Infrastruktur auf quasi Normalstandard gebracht wurde. So hatten wir im Krankenhaus- als auch im Pflegebereich ein Investitionsprogramm, welches dafür gesorgt hat, dass die sächsischen Krankenhäuser und Pflegeheime mittlerweile den Vergleich mit den westdeutschen Bundesländern – weiß Gott!

nicht mehr scheuen müssen. Wir treten nun in eine dritte Phase ein, in der wir in Sachsen nicht westdeutschen Vor- oder Leitbildern folgen müssen, sondern die Entwicklung mit allen Chancen und Risiken selbst bestimmen können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Bereich der Kindertagesbetreuung und der frühkindlichen Förderung sind wir bereits Vorreiter in Deutschland. Ich gestatte mir den Hinweis; ich bin in der DDR groß geworden: Dabei sollte die gute Tradition der Kinderbetreuung von vor 1990 nicht unerwähnt bleiben. Wir sollten uns das durchaus ohne Scheuklappen anschauen. Ich bin sehr froh darüber, dass die Bundesfamilienministerin dies alles gut beobachtet hat. Über Parteigrenzen hinweg – gerade bei den westdeutschen Politikern – gibt es gewisse AhaEffekte, die durch die Einlassung von katholischen Priestern unterstützt werden und die einfach deutlich machen, worin die Gratwanderung besteht und welche Chancen wir in Deutschland mit einer guten Familienbetreuung haben.

(Beifall bei der SPD)

Mit dem Sächsischen Bildungsplan, der Erhöhung der Landesmittel für die Kindertagesbetreuung, der Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten in der Kindertagesbetreuung, der verbesserten Kooperation von Kindertagesstätten und Grundschulen oder dem Schulvorbereitungsjahr sind Bedingungen geschaffen worden, die es in Deutschland sonst kaum irgendwo gibt. Damit sind wir wirklich Vorbild für andere. Das ist eine bemerkenswerte Entwicklung, meine Damen und Herren.

Die wichtigste Aufgabe von Politik ist es, den Menschen zu zeigen, dass sie handlungsfähig ist und dass sie die Dinge nicht treiben lässt, sondern die Probleme erkennt und löst. Nur dann können die Menschen Vertrauen zur Politik wiedergewinnen oder sich im Vertrauen gestärkt fühlen. Unsere Koalition besitzt – das zeigen sächsische Umfragen – dieses Vertrauen. Aber Politik braucht auch die Hilfe engagierter Menschen.

Eine Demokratie von oben ist ein Widerspruch in sich. Deshalb hat die Koalition ausdrücklich die Arbeit unzähliger Initiativen, die für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit in unserer Gesellschaft eintreten, gestärkt und damit deutlich gemacht: In Sachsen ist kein Platz für Rechtsextremismus. Wir haben aus der deutschen Geschichte gelernt. Wir wollen ein Sachsen, das ein Land ist, welches Menschen gern aufsuchen, wo sie Lohn und Brot finden können und wo sie gemeinsam mit uns an der Entwicklung unseres Freistaates wirken können!

(Beifall bei der SPD, der CDU, der Linksfraktion.PDS, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Was wir als Regierung tun können, haben wir getan und werden dies auch weiterhin tun. Das allerdings ist nichts, wenn wir nicht die Bürger hätten, die Sächsinnen und Sachsen, die sich ganz individuell unserem Gemeinwesen verschrieben haben. Menschen, die vor Ort für Demokratie und Toleranz eintreten, Menschen, die sich im Verein

ehrenamtlich für andere einsetzen, und Menschen, die zuerst nicht an sich, sondern an die Allgemeinheit denken – für diese Menschen arbeiten wir, ohne diese Menschen könnten wir all unsere politischen Projekte nicht Realität werden lassen. Für die Menschen in Sachsen werden wir in dieser Koalition die nächsten zweieinhalb Jahre weiterhin engagiert und kraftvoll zum Wohle des Freistaates Sachsen arbeiten.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Danke schön. – Das war der zweite Redebeitrag der Staatsregierung. Jetzt können die Fraktionen darauf reagieren, aber nicht mehr alle haben Redezeit. Die Linksfraktion.PDS hat eine Minute, die CDU hat 22 Minuten.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS – Zurufe von der NPD)

Die anderen Fraktionen haben ihre Redezeit verbraucht. Möchten Sie von dem Angebot Gebrauch machen? – Die Linksfraktion.PDS nicht, die CDU auch nicht.

Meine Damen und Herren! Zu einer Regierungserklärung gibt es keine Abstimmung. Es gibt einen Entschließungsantrag der Linksfraktion.PDS, Drucksache 4/8966. Möchte die Linksfraktion.PDS diesen Antrag begründen? – Anschließend haben die Fraktionen die Möglichkeit, innerhalb von 5 Minuten Redezeit darauf zu reagieren. Bitte schön, Frau Mattern.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Als ich Ihre Rede heute hörte, tauchte ganz spontan vor meinem geistigen Auge das Bild von dem kleinen Jungen auf, der in der Schule etwas ausgefressen hatte und dann am Abend den heimkehrenden Eltern das natürlich nicht erzählte, sondern darauf verwies, er habe die Fenster geputzt, die Blumen gegossen, die leeren Flaschen weggebracht, den Keller aufgeräumt usw. usf. Aus allem, was er sagte, sprach einzig und allein sein schlechtes Gewissen und, wie die Eltern dann im Nachhinein feststellten, auch ein erheblicher Mangel an Ehrlichkeit.

Wir haben uns die Mühe gemacht, aus Ihrer Koalitionsvereinbarung diejenigen Vorhaben auszuzählen, die als neue – als gemeinsame – Vorhaben gelten können. Es sind insgesamt 119 neue Vorhaben. Davon haben Sie bis zum heutigen Tag lediglich 46 erfüllt. Ihre Bilanz liegt also bei 39 % abgearbeiteter gemeinsamer Vorhaben. Es ist also nicht so, wie Herr Milbradt heute sagte, dass das meiste erreicht sei. Nein, diese Bilanz ist mager. Auch das möchte ich Herrn Hähle ins Stammbuch schreiben: Das Einzige, was ich heute hier feststellen konnte, war diese magere Bilanz.

Dafür möchte ich Ihnen ein Beispiel nennen. Auf Seite 41 der Koalitionsvereinbarung liest man: „Wesentliche Entscheidungen des Freistaates sollen deshalb hinsichtlich ihrer Auswirkung auf Kinder und Jugendliche überprüft

werden.“ Ich kann dabei nur feststellen: Fehlanzeige – wie bei vielen anderen Plänen, die in Ihrer Koalitionsvereinbarung stehen. Deshalb sagen wir angesichts dieser Bilanz: Die Staatsregierung hat in den zweieinhalb Jahren dieser Wahlperiode eine falsche Strategie verfolgt. Außer der Fortsetzung der rigiden Sparpolitik gab es keine neuen Ansätze auf zukunftsgerichtete Akzente in ihrer Haushaltspolitik.

Versäumt haben Sie, Herr Jurk, in der Tat die Chancen der neuen EU-Strukturfondsperiode. Sie haben versäumt, dafür zu sorgen, dass konkrete Maßnahmen ergriffen werden, zum Beispiel, mit einem öffentlich geförderten Beschäftigungssektor die von Ihnen allen beklagte hohe Arbeitslosigkeit massiv zu bekämpfen. Auch das muss man feststellen: Unter Ihrer Regierung hat sich die persönliche Lebenssituation von arbeitslosen Jugendlichen, arbeitslosen Frauen und arbeitslosen Menschen jenseits der 55 Jahre und natürlich der vielen Langzeitarbeitslosen nicht verbessert. Sie sind auf dem Abstellgleis Hartz IV gelandet und dort nahezu festgekettet.

Sie als Koalitionsfraktionen werden uns mitnichten ausreden können, dass wir immer wieder skandalisieren, was in diesem Land skandalös ist. Hartz IV, meine Damen und Herren, ist der größte soziale Skandal in diesem Land, dem die Sächsische Staatsregierung dieser Wahlperiode nichts, aber auch gar nichts entgegengesetzt hat.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Wie man der heutigen Regierungserklärung entnehmen konnte, gibt es überhaupt keine Botschaft an diese von Hartz IV betroffenen Menschen. Ich halte es für einen Teil dieses Skandals, dass in einer solchen Regierungserklärung das Wort Hartz IV nicht einmal erwähnt und die Lebenssituation dieser Menschen aus der Politik dieser Staatsregierung ausgeblendet wird.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und vereinzelt bei der NPD)

Bevor Herr Prof. Weiss dies wieder als Gezeter und Lamento der Opposition abtut, möchte ich einmal aus einer Erwiderung auf eine Regierungserklärung Ihres persönlichen Vorgängers, nämlich Herrn Jurk, zitieren, was er am 16. Mai 2002 Prof. Milbradt entgegnet hat. Er sagte damals: „Normalisierung in der Politik heißt für mich, dass wir wegkommen von monarchistischer Überheblichkeit der Exekutive, hin zu den respektvollen Umgangsformen einer Republik der Freien und Gleichen.

(Beifall des Staatsministers Thomas Jurk)

Es heißt, Opposition nicht als lästige demokratische Pflichtaufgabe nur zuzulassen, sondern das Prinzip von Rede und Gegenrede zu schätzen, weil sie die notwendige Voraussetzung für die Suche nach dem besten Weg ist.“

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Dieser von Ihnen damals eingeforderte konstruktive lösungsorientierte Meinungsstreit ist eben etwas anderes als die Kritik, die Sie heute an der Harmoniesucht geübt

haben und mit der Sie aus meiner Sicht lediglich diesen Dauerkonflikt in der Koalition zukleistern wollten.

Frau Mattern, auch Sie hatten 5 Minuten, die jetzt verstrichen sind.

Sie sind noch nicht verstrichen.

Sie sind im Minusbereich, Frau Mattern.

(Allgemeine Heiterkeit)

Die Zeit geht automatisch in den Minusbereich über. Sie haben jetzt 26 Sekunden überzogen.

Dann muss ich das in meine Bilanz einbeziehen und Ihnen als letzten Satz sagen: Wir haben Ihnen mit unserem Entschließungsantrag einen Vorschlag für die Suche nach dem besten Weg unterbreitet. Ich bin gespannt auf Ihre Gegenrede.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Danke. – Ich frage die Fraktionen, ob noch Redebedarf besteht. – Ja. Herr Dr. Hähle für die Koalition, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Entschließungsantrag der Linksfraktion.PDS beginnt mit der Feststellung, die Staatsregierung verfolgte in der 4. Wahlperiode des Sächsischen Landtages die falsche Strategie. Ich kenne ähnliche Erklärungen, die 3. Legislaturperiode betreffend, die 2. und die 1. Es war jedes Mal aus Sicht der Opposition die falsche Strategie. Es ist Ihr gutes Recht, das so zu sehen, aber Sie können nicht erwarten, dass die Koalitionsfraktionen diesem Blödsinn zustimmen.

Vielen Dank.