Protocol of the Session on June 7, 2007

Danke. – Meine Damen und Herren! Als Nächster spricht der stellvertretende Ministerpräsident, Herr Thomas Jurk.

Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jede Regierung wird daran gemessen, ob sie den Aufgaben ihrer Zeit gewachsen ist,

(Johannes Lichdi, GRÜNE: In der Tat!)

jede Regierung wird daran gemessen, ob sie die gesellschaftlichen, politischen, ökonomischen und kulturellen Herausforderungen der Zeit versteht, und jede Regierung wird daran gemessen, ob sie die positiven Ansätze verstärkt und negativen Entwicklungen entgegentritt, kurz gesagt, ob sie die Probleme des Landes erkennt und löst.

Sehr verehrter Kollege Porsch, ich habe Ihnen intensiv zugehört, es wäre sehr schön, wenn Sie vielleicht diesen demokratischen Brauch auch einhalten könnten.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Ich höre!)

Diese Koalition, mein sehr verehrter Kollege, meine sehr verehrten Damen und Herren, regiert nicht ins Blaue hinein. Sie hat sich mit der Koalitionsvereinbarung zu Beginn der Legislaturperiode ein klares Regierungsprogramm gegeben. Darin verfolgen wir nachvollziehbare und eben auch abrechenbare Ziele. Innerhalb der Staatsregierung wird darüber auch ziemlich akribisch Buch

geführt. Im Ergebnis sind bis jetzt rund 60 % aller Vorhaben realisiert oder das vereinbarte Ziel ist erreicht. Bei den verbleibenden 40 % der Vorhaben läuft derzeit die Umsetzung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch wenn viele von Ihnen heute hier sitzen und sich andere Konstellationen für eine Regierung in Sachsen vorstellen könnten – – Der Kollege Porsch, gerade beeinflusst von seiner Landesvorsitzenden Ernst, würde herzlich gern eine Minderheitsregierung von Georg Milbradt tolerieren – kein Beifall bei der CDU? –,

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

andere – und jetzt komme ich zur CDU – hätten vielleicht lieber eine Alleinregierung,

(Beifall bei der CDU)

ja, Freunde, manchmal müssen wir euch auf die Sprünge helfen – und die FDP spielt ja auch immer gern mit Farben, sehr geehrter Kollege Zastrow.

Nach der Hälfte der Legislaturperiode sage ich Ihnen heute mit voller Überzeugung: Diese Koalition aus CDU und SPD ist gut für unser Land, den Freistaat Sachsen.

(Beifall bei der SPD und der CDU – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Die Botschaft hör ich wohl, allein, mir fehlt der Glaube!)

Das zeigen doch die Ergebnisse der konkreten Regierungsarbeit. Die Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsdaten sprechen dabei die klarste Sprache. Wir erzielen das höchste Wachstum aller deutschen Bundesländer. Zwischen März 2006 und März 2007 sind mehr als 50 000 neue Arbeitsplätze, und zwar 50 000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze, entstanden, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich stelle fest: Gemeinsam haben wir dies erreicht, gemeinsam haben wir in dieser Koalition die wichtigen und richtigen Entscheidungen getroffen, übrigens auch die schwierigen.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Deshalb danke ich dem Ministerpräsidenten Georg Milbradt und der Fraktion der CDU für die konstruktive Zusammenarbeit.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Die Koalition ist auch deswegen gut für Sachsen, weil sie eben nicht das süße Gift der Harmonie in die Politik träufelt.

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Genau!)

Differenzen werden klar benannt und Kompromisse werden gesucht. Kompromisse zu finden ist kein Zeichen von Schwäche, sondern ein Zeichen von Kraft.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Wer nur Ruhe und Harmonie sucht, der lässt Ärger, Stress und strittige Themen einfach weg. Sachsens Koalition ist einen anderen Weg gegangen. Finanzen, Verwaltungsreform, Demografie, die Weiterentwicklung des Schulsystems oder die Modernisierung unserer Hochschulen, wobei wir auf einem guten Weg sind – die Koalition in Sachsen hat sich der schwierigen Themen angenommen und löst sie, nicht immer auf Knopfdruck, manchmal auch mit dem Schieberegler. Wir fahren das Land weiter hoch und stellen die Probleme ab. Darauf können Sie sich verlassen!

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Frage, wie der Freistaat Sachsen effektiv zu organisieren ist, trieb die Koalitionäre bereits im Jahr 2004 um.

Im Koalitionsvertrag einigten sich CDU und SPD auf die Entwicklung und Umsetzung einer Funktional- und Verwaltungsreform. Nunmehr steht dieses Werk kurz vor der Vollendung. Rund 4 000 bisherige Mitarbeiter des Freistaates werden im Jahre 2008 in die Zuständigkeit der Kommunen wechseln und damit ihren Aufgaben folgen. Die Landkreise werden größer, die Zahl der kreisfreien Städte wird reduziert. Das Ziel, das wir damit erreichen wollen, ist mehr Bürgernähe; denn die Aufgabenerledigung rückt näher an die Aufgaben heran, die der Bürger stellt. Wir haben erreicht, dass durch lange Übergangsfristen die Beschäftigten in diesem Prozess nicht unter die Räder kommen. Wir werden auch dafür sorgen, dass mit unserem in Deutschland einmaligen Kulturraumgesetz, welches wir gerade bis 2011 verlängert haben, im Zuge der Neugliederung der Landkreise die solidarische Finanzierung kommunaler Kultureinrichtungen zwischen Freistaat, Landkreisen und Kommunen weiterentwickelt wird.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Abg. Elke Herrmann, GRÜNE)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Koalition ist ihrem Gestaltungsauftrag auch in ihren strategischen Ansätzen nachgekommen. Ein wichtiges Beispiel ist der Umgang mit den Europäischen Strukturfonds in der in diesem Jahre beginnenden und bis zum Jahre 2013 laufenden Förderperiode. Hier, sehr verehrte Kollegin Hermenau, muss ich Sie ein wenig von Ihrem Kollegen Gerstenberg losreißen, weil Sie das Thema angesprochen haben, aber Sie hören leider nicht zu.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Ich habe zwei Ohren!)

Die Koalition hat hier die Schwerpunkte verlagert: von Investitionen in die klassische Infrastruktur hin zu mehr Förderung von Bildung, Wissenschaft, Forschung und Innovation. Jetzt kommt es, Frau Kollegin: Sachsen ist die europäische Modellregion, die als erste in den neuen Ländern die Unterschrift der Kommission bekommen hat und damit als erste mit der Umsetzung der knapp 5,1 Milliarden Euro – –

(Lang anhaltender Beifall bei der SPD und der CDU – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Lasst ihn mal aussprechen!)

nun klatscht mal nicht zu lange, damit ich den Satz fertig bekomme! –

aus EU-Mitteln und der Kofinanzierung für die kommenden sieben Jahre beginnen kann. Das ist eine hervorragende Grundlage, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Was mir dabei besonders wichtig ist – es ist angesprochen worden –: Der Europäische Sozialfonds kommt genau den Menschen zugute, die es besonders schwer haben, in unserer Wirtschaft Fuß zu fassen. Wir haben deshalb ein Programm für abschlussgefährdete Schüler entwickelt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Linksfraktion.PDS! Es ist keineswegs so, dass ich dabei irgendwo als Wirtschafts- und Arbeitsminister beschnitten wurde. Die Anwendungsbreite des Europäischen Sozialfonds ist viel größer, als Sie meinen. Bei meinem Besuch in Brüssel hat Kommissar Spidla ausdrücklich begrüßt, dass wir uns nicht nur auf beschäftigungspolitische Maßnahmen konzentrieren, sondern die Bandbreite des ESF sehr konsequent für uns ausnutzen.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Fraktionsvorsitzender Weiss hat zu Recht darauf hingewiesen, dass wir neue Initiativen gestartet haben. Es hat mir in der Seele wehgetan, dass wir nicht alle Mittel umsetzen konnten, auch, weil am Ende nicht genügend Anträge da waren. Das gilt unabhängig von den Problemen, die wir hatten.

Ein solches Programm wie die Qualifizierung von Arbeitslosen ohne Berufsabschluss hin zu anerkannten Berufsabschlüssen ist für die Fachkräfteentwicklung unglaublich wichtig und wird in hervorragender Weise nachgefragt. Bei mir hat sich regelmäßig ein junger Mann aus Leipzig erkundigt, der einfach wissen wollte, wie weit die Umsetzung des Projektes ist. Ich glaube, dass die Motivation unserer Leute vorhanden ist. Mit diesem Programm verfolgen wir etwas, das sie wünschen: Sie wollen ein Zeichen von der Gesellschaft, dass sie gebraucht werden. Mit unserem neuen ESF-Programm setzen wir genau diese Zeichen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Auch die ganz langfristigen Herausforderungen geht die Regierungskoalition im Sinne der Nutzung der Chancen zur aktiven Gestaltung an. So haben wir in der Frage der demografischen Entwicklung Sachsens eine differenzierte Sicht gewonnen, die Ansatzpunkte nicht nur für Abbau, sondern auch für Aus- und Umbau liefert. Das gilt besonders für den Umgang mit der wachsenden Zahl älterer Menschen. Auf ihre ganz besonderen Bedürfnisse, die sich von denen unserer Eltern und Großeltern unterscheiden werden, müssen wir uns als Politiker verantwortungsbewusst einstellen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ohne Jugend geht es nicht. Manchmal habe ich den Eindruck, die Debatten, die hier geführt werden, hätte man viel stärker vor zehn Jahren führen sollen. Bei der Frage der Abwanderung wurden sie auch geführt. Die Tendenz ist mittlerweile erfreulicherweise eine andere. Dennoch müssen wir feststellen, dass uns immer noch junge Leute verlassen. Dass diese Zahl geringer geworden ist, darf nicht dazu führen, dass wir dieses Problem aus den Augen verlieren.

Dabei ist es sicherlich auch so, dass wir uns der Bildungspolitik widmen müssen. Sächsische Bildungspolitik war nie einfach Kürzen. Bildungspolitik war und ist die Oberstufenreform, war und ist die Fortentwicklung des dualen Ausbildungssystems. Wir haben auch die PISAKritik, dass in Deutschland der schulische Erfolg zu stark von der sozialen Herkunft unserer Kinder abhängt, nicht verdrängt, sondern ernst genommen, selbst wenn wir in Sachsen etwas besser dastehen. Das gilt besonders für den Ausbau der Ganztagsangebote an unseren Schulen. Wir haben auch den Übergang von der Grundschule zu den weiterführenden Schulen erleichtert und somit die Durchlässigkeit zwischen den Schulen erhöht. Die Gemeinschaftsschule, meine sehr verehrten Damen und Herren, entwächst immer mehr den Kinderschuhen.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Das sehe ich aber nicht so!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gerade in der Haushaltspolitik hat die Koalition den Mut gehabt, nicht den leichten, den süßen Weg zu gehen. Es wäre in der Tat einfach gewesen, mit den Steuermehreinnahmen, die der Konjunkturaufschwung in die staatlichen Kassen spült, eine ganz große Party zu feiern. Vielleicht hat es ja den einen oder anderen verwundert, dass die SPD den Weg der Haushaltskonsolidierung und des Schuldenabbaus mitgegangen ist. Diese Verwunderung ist ein Zeichen für Vorurteile. Frau Hermenau hat sie gerade bestätigt.

In Zeiten einer brummenden Konjunktur Geld in die Rückführung von Schulden und Haushaltsrisiken zu stecken, ist nichts anderes als klassische Keynesianische Politik. Hinzu kommen Investitionen für eine gute Zukunft.

Wir müssen in der jetzigen Situation auch aufpassen, dass wir nicht den Eindruck vermitteln, wir würden nur um des Sparens willen sparen oder der Staatsapparat wolle sich nur selbst sanieren. Wir müssen durch die Art, wie wir mit dem Geld des Bürgers umgehen, deutlich machen, dass alle mitgenommen werden, auch die, die im Moment von der Konjunktur vielleicht wenig haben. Es kann nicht darum gehen, was hinten herauskommt, sondern was unten ankommt. Mit „unten“ meine ich zum Beispiel jene 52 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Sachsen, die leider zusätzlich auf Arbeitslosengeld II angewiesen sind, obwohl sie erwerbstätig sind. Deshalb ist es gut, dass für Gebäudereiniger der Tarifvertrag für allgemeingültig erklärt worden ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bildung der CDU-/SPD-Koalition in Sachsen vor zweieinhalb Jahren erfolgte nicht zu einem x-beliebigen Zeitpunkt, sondern fiel mit einer weiteren Entwicklungsstufe unseres Landes zusammen. Ging es in den ersten Jahren um das Einleben, um das Ankommen und Auskommen in den neuen Verhältnissen und danach um Konsolidierung, dann um Stabilisierung und den Wunsch aufzuholen, so sind wir nun in einer Phase der positiven Entwicklung auf der Basis unserer sächsischen Eigenheiten.

In der Wirtschaft wird dies übrigens am besten deutlich. Unsere Unternehmen, und zwar gerade die kleinen und mittelständischen, sind immer weniger jene verlängerten Werkbänke, sondern sie machen heute deutlich, welche Kraft, welche Initiative, welche Zukunftschancen in unserer sächsischen Wirtschaft liegen. Unsere Firmen warten mittlerweile mit eigens entwickelten Produkten und Produktpaletten auf und gehen mit ihnen gezielt in die Expansion. Es ist mir eine Freude, wenn die Unternehmen von Unternehmensreisen zurückkommen und nicht nur sagen, dass sie etwas über jene Länder und ihre wirtschaftspolitischen Mechanismen gelernt haben, sondern dass sie mit konkreten Geschäftsanbahnungen oder sogar -abschlüssen nach Hause kommen. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, macht deutlich: Wir machen auch bei der Außenwirtschaftsförderung das, was das Gebot der Stunde ist. Deutschland ist als Exportweltmeister groß geworden. Der Freistaat Sachsen knüpft immer mehr auch aus eigener Kraft daran an.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Wir haben es geschafft, regional verdichtete Wachstumskerne herauszubilden, die in ganz bestimmten Sektoren, wie dem Automobilbau, der Mikroelektronik oder dem Maschinenbau, Magnetwirkung ausüben. Diesen Ansatz hat die Koalition mit Hilfe des Programms „Regionales Wachstum“ auch auf kleinere regionale Cluster, etwa die technischen Textilien oder die mir so wichtige Bahntechnik, ausgeweitet.