Protocol of the Session on January 21, 2005

Frau Abg. Kipping.

Ich habe eine Nachfrage zu Ihrem Verständnis von Aktionismus. Betrachten Sie etwa die 17-seitige Orientierungshilfe, die der Deutsche Städtetag zur Umsetzung der Feinstaubrichtlinie herausgegeben hat, in der er auch sehr weitgehende Maßnahmen zur Verkehrseinschränkung benannt hat, als Aktionismus?

(Heinz Lehmann, CDU: Nein!)

Ich habe die Mitteilung des Städte- und Gemeindetages nicht als Aktionismus bezeichnet, sondern ich habe bei dem, was seinerzeit von Ihnen, aber auch von Herrn Lichdi angesprochen worden ist, zumindest darauf hingewiesen, dass es erst einmal darauf ankommt, ordentliche Analysen zu erstellen. Ich komme in meinem weiteren Vortrag noch darauf zu sprechen.

Gestatten Sie eine Nachfrage?

Bitte schön.

Bitte, Frau Kipping.

Sind Sie bereit zur Kenntnis zu nehmen,

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Ja!)

dass sich die von mir benannten Vorschläge allein auf diese Orientierungshilfe bezogen haben?

Ich komme noch dazu, Ihnen darauf zu ant

worten. Ich will aber erst einmal in meinem Vortrag fortfahren.

Herr Minister, ich muss Sie trotzdem noch einmal fragen: Es wünscht noch ein Abgeordneter eine Nachfrage.

(Johannes Lichdi, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Jetzt erst einmal nicht. Dann zum Ende, wenn Herr Lichdi noch Fragen hat, werde ich sie gern beantworten.

Das geht dann nicht mehr, weil es Zwischenfragen sind.

Frau Präsidentin, ich werde Herrn Lichdi die Denkpause einräumen, in der er dann die Frage stellen kann.

Gut.

Also, vom Fraunhofer-Institut werden Herkunft und Zusammensetzung der Partikel in Ballungsräumen bestimmt. Für flächenhafte Aussagen zur Emissionsbelastung werden ausgehend von den punktuellen Messungen im Luftmessnetz Modellrechnungen durchgeführt. Erste regionale Ergebnisse liegen für Leipzig bereits vor. Sie sind Bestandteil des Luftreinhalteplanes Leipzig, der derzeit erarbeitet und bis Oktober dieses Jahres vorliegen wird. Die höchste Belastung durch Feinstaub weist das Luftmessnetz in Sachsen für die Stadt Leipzig aus. Dort wurde 2003 an der Messstation Lützener Straße die zulässige Zahl der Grenzwertüberschreitungen tatsächlich übertroffen. Nach bisherigen Erkenntnissen wurden die Werte auch im Jahr 2004 überschritten. Deshalb wird für die Stadt Leipzig gegenwärtig vom LfUG gemeinsam mit der Stadtverwaltung Leipzig ein Luftreinhalteplan erarbeitet. Das haben wir gestern Abend im Beitrag des MDR durch den dortigen Bürgermeister vernehmen können. Neben der Analyse der Situation wird der Luftreinhalteplan konkrete Maßnahmen zur Verringerung der Feinstaubemissionen enthalten.

Da sich das Maßnahmenpaket in der Abstimmung befindet, kann ich heute allerdings noch nicht über Einzelheiten berichten.

Frau Deicke hat die Bemühungen der Europäischen Kommission im so genannten CAFE-Prozess erwähnt. Die Kommission wird demnächst die entsprechende EURichtlinie überarbeiten mit dem Ziel, diese dem aktuellen Kenntnisstand und den bisherigen Erfahrungen in der Umsetzung der gültigen Rechtslage anzupassen. Es ist zu erwarten, dass mittelfristig Zielwerte für Feinstaub der Größe PM 2,5 festgelegt werden. Aber darauf sind wir in Sachsen vorbereitet. Bereits heute haben wir in Sachsen vier Messstationen, die Partikelfraktionen PM 2,5 messen. Herr Lichdi, da gehen wir über das hinaus, was

die Richtlinie fordert. Ich hatte im Dezember gesagt: Das ist genau das, was vorbeugend von uns getan wird. Wir halten uns aber trotzdem daran, dass wir an den Messstellen PM 10 messen, wo eben akuter Handlungsbedarf besteht.

Das Landesamt für Umwelt und Geologie hat weiterhin in einem Forschungsobjekt die Feinstaubbelastung in Ballungsräumen nach der Korngrößenverteilung ermittelt. Wir haben auf die Internetpräsentation in diesem Zusammenhang hingewiesen.

Der Anteil des Ferntransportes an der Luftbelastung beträgt in Sachsen an den unterschiedlichen Messstationen zirka 33 bis 50 %. Ferntransport ist keine Kleinigkeit, sondern ist relevant. Deshalb sind auch für Sachsen überregional wirkende Reduktionsmaßnahmen von erheblicher Bedeutung. Deshalb haben wir mit den anderen Bundesländern im Bundesrat am 11. Juli 2004 gefordert, dass darüber noch einmal neu nachgedacht werden muss, weil natürlich eine Einflussnahme seitens des jeweiligen Bundeslandes nur eingeschränkt möglich ist.

Ebenso haben wir festgestellt, dass eine zeitnahe Ausstattung aller Dieselfahrzeuge mit Rußpartikelfiltern notwendig ist. Ich will noch einmal darauf hinweisen, besonders an Frau Kipping gerichtet: Wir sprechen bei der Verkehrsbelastung mit Feinstaub nicht von Pkws, sondern wir sprechen hauptsächlich von Lastkraftwagen ohne Rußpartikelfilter und nicht von benzinbetriebenen Pkws.

Herr Minister, Herr Lichdi bittet noch einmal um Gehör.

Bitte.

Bitte sehr.

Herr Staatsminister, welche weiteren Maßnahmen außer diesen Rußpartikelfiltern erwägen Sie oder halten Sie für sinnvoll, um die Belastung aus Ferntransporten zu reduzieren?

Wir müssen uns überhaupt in der Bundesrepublik Deutschland und in der Europäischen Union insgesamt Gedanken machen, ob es richtig ist, dass zum Beispiel die Bundesrepublik in bestimmten Bereichen vorbildlichen Umweltschutz betreibt, während in anderen Mitgliedsstaaten darauf eben weniger Rücksicht genommen oder zumindest die Überschreitung von Messwerten einfach hingenommen wird. Das ist der eine Punkt. Der zweite Punkt ist: Es ist richtig, dass wir bei der Gestaltung zum Beispiel von paneuropäischen Korridoren darauf Rücksicht nehmen müssen, wie weit sie Ballungsräume tangieren oder wie weit sie Ballungsräume, wo größere Menschenansiedlungen sind, eben nicht tangieren. Zu diesen Verhältnissen kommt dann noch hinzu, inwieweit zum Beispiel bei der Genehmigung von – Sie sprachen sie erst an – Braunkohlenkraftwerken die Windrichtung dazu führt, dass die Feinstaubbelastung durch diese Anlagen letztendlich Ballungsräume oder

größere Ansiedlungen von Menschen mit belasten oder nicht belasten kann.

Dies alles sind Maßnahmen, die wir mit unseren Nachbarn besprechen können und bei denen wir letztlich glauben, als Sächsische Staatsregierung etwas dazu beitragen zu können.

Lassen Sie mich noch einmal zum Pkw bzw. zum dieselbetriebenen Fahrzeug zurückkommen. Ich möchte eines richtig stellen, denn in letzter Zeit wurde ein gewisses Zerrbild der deutschen Automobilindustrie in der Öffentlichkeit verbreitet, das so nicht stehen bleiben kann. Es ist zwar richtig, dass der Verkehr maßgeblich zur Staubbelastung PM 10 beiträgt. Der Verkehrsanteil an der Messstelle Lützener Straße in Leipzig beträgt immerhin 34 %. Aber davon sind 30 % durch Lkw-Verkehr und nur 4 %, Frau Kipping, durch Pkw-Verkehr bestimmt. Die Aufteilung zwischen Motoremission – Herr Lichdi, wir haben uns darüber im Dezember bereits ausgetauscht – auf der einen und Aufwirbelung und Abrieb – von daher kommen Ihre Werte, zum Beispiel bei Quecksilber oder bei Arsen –, auf der anderen Seite beträgt 50 : 50. Das heißt, der Anteil des Abriebs der Bremsen ist genauso hoch wie zum Beispiel die Belastung durch Rußpartikel.

Lassen Sie mich an alle anderen Kolleginnen und Kollegen noch einmal die Ermahnung verlautbaren: Wenn behauptet wird, dass man mit der Ausrüstung der Pkws mit Partikelfiltern das Problem lösen könne, so trifft das mit Sicherheit für Leipzig nicht zu. Zur Reduzierung der Feinstaubbelastung sind eben nicht einzelne Maßnahmen ausreichend, sondern es ist ein Maßnahmenbündel erforderlich.

(Vereinzelt Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf der Abg. Katja Kipping, PDS)

Lassen Sie mich zum gestern im MDR verbreiteten Beispiel noch einmal etwas sagen. Gestern war die Rede davon, dass es in Leipzig Anfang dieses Jahres zu mehreren Überschreitungen der vorläufigen Werte gekommen sei. Sie wissen, dass die Online-Werte vorläufige Werte sind und erst nach einer gravimetrischen Ermittlung der Messwerte tatsächlich belastbare Messdaten feststehen. In Leipzig hat das LfUG den Auftrag von uns bekommen, die Zunahme der Überschreitungen aufgrund der Kornzusammensetzung zu prüfen, vor allem, inwieweit es zur Überschreitung dieser Messwerte durch die Bauarbeiten am Citytunnel kommt. Ich will damit nur sagen, dass es auch andere Quellen gibt, die letztlich zur Feinstaubbelastung innerhalb des Stadtgebietes führen können.

Das heißt, Luftreinhaltepolitik, meine Damen und Herren, ist ein zu komplexes Problem und zu wichtig, als dass wir uns hier einfach nur in Aktionismus und Populismus betätigen könnten. Sie können sich darauf verlassen, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch von der Opposition, dass die Staatsregierung auch im Hinblick auf die Feinstaubproblematik die erfolgreiche Luftreinhaltepolitik der vergangenen 14 Jahre fortsetzen wird. Ich kann auch den Kollegen der FDP, Herr Günther, versichern, dass wir all das tun werden, was uns die Europäische Union in ihren Richtlinien vorschreibt. Wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf verständigt, ge

nau das zu tun – aber auch nicht mehr –, damit die wirtschaftlichen Interessen und der Wiederaufbau im Freistaat Sachsen dadurch nicht behindert werden.

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage, Herr Minister?

Ja, bitte.

Herr Abg. Lichdi.

Herr Staatsminister Tillich, da ich merke, dass Sie zum Ende kommen, möchte ich nicht versäumen, Sie noch einmal ganz konkret an meine Fragen zu erinnern.

Erste Frage: Werden jetzt Luftreinhaltepläne für Chemnitz und Dresden erarbeitet? Wann ist der Beginn und wann ist mit dem Ende zu rechnen?

Zweite Frage, die ich gleich anschließen darf: Werden Sie im Bundesrat Ihre Zustimmung, die Zustimmung Sachsens, zur Aufweichung der Grenzwerte der 1. Tochter-Richtlinie zurückziehen oder nicht?

Herr Lichdi, wenn Sie meinen Ausführungen im Dezember und heute gefolgt sind, werden Sie feststellen, dass ich gesagt habe: Wir werden die Maßnahmen, die uns die Europäische Richtlinie vorschreibt, umsetzen. Ich habe Ihnen im Dezember auch erklärt, dass wir in Leipzig an 35 Tagen die zulässigen Grenzwerte überschritten haben und deswegen in Leipzig ein Luftreinhalteplan erarbeitet wird. In den Städten Chemnitz und Dresden ist es nicht zu einer Überschreitung der Maximalwerte an 35 Tagen gekommen. Deshalb sind die Kommunen mit unseren Behörden dabei, solche Maßnahmen vorzubereiten. Es gibt jedoch keine konkrete Notwendigkeit, diese Luftreinhaltepläne jetzt schon zu erarbeiten, sondern lediglich die Vorbereitungen dafür zu treffen.

In einem Punkt, Herr Lichdi, möchte ich Sie auch korrigieren, da Sie immer das Beispiel Italien bringen und von absoluten Fahrverboten sprechen. Sie möchten ja auch gern, dass die Bergstraße womöglich für den Verkehr gesperrt wird. Wissen Sie, was in Mailand und Como, in Rom oder Florenz, in Brixen, Bozen, Meran und Brunneck passiert? Ich kann es Ihnen gern sagen: In Florenz wird der Kfz-Verkehr für Fahrzeuge, die vor 1997 zugelassen worden sind, untersagt. In Bozen, Meran, Brixen und Brunneck wird der Verkehr für Benzin- und Dieselfahrzeuge mit 3,5 Tonnen und Erstzulassung vor dem 31.12.1994 und für Mopeds und Mofas mit Zweitaktmotor vor 1999 untersagt.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Das habe ich beim letzten Mal zitiert!)

Ja, Herr Lichdi, deswegen ist natürlich Ihre Forderung nach einem totalen Fahrverbot – zumindest am Beispiel von Italien – aus meiner Sicht unangemessen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Vielleicht darf ich die Abgeordneten noch einmal freundlichst darauf hinweisen, dass sie, wenn sie eine Zwischenfrage stellen, bei deren Beantwortung am Mikrofon stehen bleiben. – Jetzt geht es um das Schlusswort. Wird das Schlusswort gewünscht? – Frau Abg. Windisch.