Protocol of the Session on January 21, 2005

(Beifall bei der FDP)

Die GRÜNEN, bitte, Herr Abg. Lichdi.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Koalitionäre! Wir freuen uns aufrichtig darüber, dass Sie heute diesen Antrag eingebracht haben, zeigt dies doch, dass unsere parlamentarische Initiative vom Dezember erfolgreich war, Herr Dulig. Wir haben Sie veranlasst zu handeln.

Allerdings, liebe Frau Windisch, befinden Sie sich immer noch nicht auf der Höhe des Problems. Die CDU-Fraktion hat Anfang der Woche eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der Sie die Erfolge der sächsischen Luftreinhaltepolitik feiern. Sie haben das heute wieder ausführlich getan.

Es ist richtig, seit 1990 sind die Emissionen an SO2 und von Gesamtstaub, Frau Windisch, um 95 % zurückgegangen. Sie werden sich erinnern, dass ich dies in meiner Rede im Dezember ausdrücklich anerkannt habe. Aber hier geht es um ein anderes Problem: Hier geht es um Feinstaub und NOx.

Zu Punkt 1 Ihres Antrages: Sie fordern die Untersuchung über die Zusammensetzung und die Herkunft des Feinstaubes. Frau Windisch, es gibt bereits Untersuchungen zur Zusammensetzung, Korngrößenverteilung und Herkunft. Da finden sich detaillierte Aussagen im neuen Bericht des Amtes für Umwelt und Geologie auf Seite 80. Dort finden wir zum Beispiel genaue Ausführungen, welche Schadstoffe im Einzelnen im Feinstaub nach derzeitigem Kenntnisstand enthalten sind. Ich darf es zitieren. Es handelt sich um Blei, Kadmium, um Arsen, um Chrom und Nickel, alles Schwermetalle, die meisten im Verdacht, Krebs erregend zu sein – Frau Kollegin Deicke hat es ausgeführt: ohne eine Untergrenze, die unbedenklich ist. Wir wissen jetzt schon sicher, dass an Verkehrsachsen Ruß, polyaromatische Kohlenwasserstoffe, so genannte PAKse und Krebs erregendes Benzo(a)pyren im Feinstaub enthalten sind. Da brauchen wir jetzt nicht auf irgendwelchen Saharastaub abstellen, der dann über die Alpen und über das Mittelmeer zu uns hergeweht kommt und uns Probleme vom Süden ins Land spült. Damit versuchen Sie nur, von den hausgemachten Prob

lemen, die wir hier haben, abzulenken. Ich finde das nicht richtig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Weiterhin ist sicher – das können Sie alle nachlesen im LfUg-Bericht –, dass an den Verkehrsachsen, vor allem an den innerstädtischen Verkehrsachsen, im Feinstaub erhöhte Antimon-, Chrom- und Kupferbelastungen festgestellt werden, die alle giftig sind.

Ich frage mich weiterhin, was Sie eigentlich in Ihrem Punkt 2 mit den „direkten und gezielten Maßnahmen zur Feinstaubminimierung“ meinen. Frau Kipping hat es zu Recht angesprochen, unser Antrag im Dezember war da wesentlich konkreter. Wir haben gefordert, dass die Staatsregierung durch Verwaltungsvorschrift die Regierungspräsidien anweist, die Frage der Luftreinhaltung bei Planfeststellungsverfahren für Straßen zu einer Genehmigungsbedingung auszugestalten. Aber das wollen Sie gerade nicht, denn dann würde ja zutage treten, dass innerstädtisch ohne massive Luftreinhaltemaßnahmen keine Straße mehr gebaut werden darf. Ja genau, Herr Günther, darum geht es! Hier ernten wir die Versäumnisse der letzten Jahre. Sie können doch nicht einfach so tun, als hätten wir jetzt ein Problem und tun so, als ob es nicht existiert, nur weil wir in Dresden Striezelmarkt haben. Das ist nicht das Niveau, auf dem wir Umweltpolitik betreiben können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir wissen es doch ganz genau – ich habe es letztes Mal schon angesprochen – im Fall der Bergstraße in Dresden. Es gibt kaum eine weitere Straße in Sachsen, die dermaßen genau untersucht worden ist. Es werden auch im Augenblick Messungen durchgeführt. Dort gibt es eine Studie, die eindeutig besagt: Wir können die Probleme auf der Bergstraße mit Feinstaub und NOx nur dann lösen, wenn wir den Schwerverkehr von dieser Bergstraße herunternehmen. Genau das ist die Konsequenz, die Sie durch Ihre fatale Politik, dass Sie einen Autobahnzubringer durch den TU-Campus gelegt haben, verursacht haben. Jetzt müssen Sie auch bereit sein, zu den Konsequenzen zu stehen.

Es ist einfach darauf hinzuweisen: Wir bekommen die Luftschadstoffbelastung mit dem Pkw-Verkehr nur dann in den Griff, wenn wir den Fuß- und Radverkehr, Busse und Bahnen nicht wie bisher in diesem Freistaat benachteiligen, sondern wirklich anfangen, einmal zu fördern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie gestatten eine Zwischenfrage? – Das ist mir Recht, bitte sehr.

Herr Kollege Lichdi, eine Frage: Halten Sie es in diesem Zusammenhang für sinnvoll, wenn in Großstädten zur Vermeidung von Spitzenbelastungen bei Feinstäuben bisher verkehrsberuhigte Wohnstraßen für den allgemeinen Durchgangsverkehr eröffnet werden, um so insgesamt die Staubemission auf mehr Flächen zu verteilen?

Herr Dr. Martens, die Falle ist aber sehr leicht zu erkennen. Natürlich befürworten wir das nicht, weil wir auch nicht wollen, dass dann bisher unbelastete Bereiche belastet werden. Die Konsequenz ist aber eine andere. Sie wissen es vielleicht – ich habe es das letzte Mal zitiert –: In Brixen, Meran, in Rom und in österreichischen Städten gibt es schlicht und ergreifend Einfahrverbote in Städte. Genau das stelle ich mir vor. Ich habe gerade das Beispiel vom Schwerverkehr gebracht. Ich sehe es wirklich nicht ein, da haben wir wahrscheinlich eine unterschiedliche Meinung, warum der internationale Schwerverkehr zwischen dem Pirnaischen Platz, der Löfflerstraße und der Bergstraße durch Dresden donnern muss. Das sehe ich wirklich nicht ein.

(Zurufe von der CDU)

Ich habe der Pressemitteilung der CDU zusätzlich mit großem Interesse entnommen, dass jetzt auch für Dresden und Chemnitz Luftreinhaltepläne erarbeitet werden sollen. Ich hatte dieses Thema im Dezember auch angesprochen. Dort haben Sie sich geradezu gebrüstet, dass wir gerade in Leipzig einen Luftreinhalteplan erarbeiten. Aber in Dresden und Chemnitz sei das nicht notwendig. Dort müssten erst Messungen abgewartet werden.

Ich bin sehr froh und werde Sie beim Wort nehmen, wenn für Dresden und Chemnitz tatsächlich Luftreinhaltepläne erarbeitet werden sollten. Wir freuen uns, dass Sie sich hier eines Besseren haben belehren lassen. Ich verspreche Ihnen, dass wir Sie hierin beim Wort nehmen und auch genau kontrollieren werden.

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Ja, bitte. Aber das geht nicht auf meine Redezeit?

Nein, die Uhr wird angehalten.

Herr Lichdi, stimmen Sie mir zu, dass der Bau der stadtnahen Variante der Autobahn nach Prag – die von den GRÜNEN abgelehnt und von der FDP befürwortet wurde – ein wichtiger Beitrag ist, die Feinstaubbelastung durch Lkws in Dresden zu verringern?

Nein, da stimme ich Ihnen nicht zu. Zu Punkt 3: Ich freue mich, dass Sie in Ihrem Punkt 3 den CAFE-Prozess ansprechen. Dann sollten Sie aber auch mitteilen – Frau Kollegin Deicke hat das getan –, dass dort verstärkt die Frage der Belastungen durch und die Messungen von PM 2,5 und PM 0,1, also von Ultrafeinstaub, diskutiert wird. Ich bin allerdings gespannt, Herr Tillich, ob Sie jetzt das gesamte Messnetz auf PM 2,5 und PM 0,1 umstellen wollen. Wir wissen ja, es gibt bisher nur vier Stationen, an denen PM 2,5 gemessen wird.

Zu Punkt 4, zum Bundesrat: Zunächst interessiert mich wirklich brennend, ob denn die neue Staatsregierung jetzt ihre Unterschrift unter die Initiative zur Aufweichung der Grenzwerte der ersten Tochter-Richtlinie zurückzieht. Das haben wir im Dezember auch gefordert. Sie sprechen hier den Bundesrat an. Herr Minister, ich erwarte hier Ihre Aussage.

Zu Recht setzten Sie sich für die Nachrüstung von Partikelfiltern in Dieselfahrzeugen ein. Das ist dringend. Ich bedaure ausdrücklich, dass es aufgrund des Druckes der deutschen Autoindustrie auf den „Autokanzler“ so lange gedauert hat, bis das endlich umgesetzt werden kann.

Fazit: Der gute Wille ist anzuerkennen. Sie tun aber so, als ob Sie durch fehlende Informationen am Handeln gehindert wären und im Übrigen die anderen schuld sind, jedenfalls keine sächsische Verkehrspolitik: Stichwort Ferntransport.

Verändern Sie Ihre Verkehrspolitik! Stellen Sie die Gesundheit der Menschen vor ein überholtes Entwicklungsmodell, das glaubt, der Autoverkehr bringe Wohlstand, Fortschritt und Arbeitsplätze!

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der PDS)

Wird von den Fraktionen noch einmal das Wort gewünscht? – Dann frage ich die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Tillich, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Windisch hat Recht: In Sachsen können wir seit Jahren tatsächlich auf eine erfolgreiche Luftreinhaltepolitik verweisen. Das habe ich im Dezember getan und das unterstreiche ich heute ausdrücklich noch einmal. Richtig ist aber auch, dass wir heute im Immissionsschutz vor neuen Herausforderungen stehen einerseits dadurch, dass neue Umweltbelastungen entstanden sind, aber auch dadurch, dass sich bestehende Belastungen aufgrund von heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen als gesundheitsgefährdend erwiesen haben. So verlangt sicherlich heute Feinstaub die gleiche Aufmerksamkeit von uns, wie wir sie in der Vergangenheit der gesamten Staubbelastung oder den klassischen Luftschadstoffen gewidmet haben.

Frau Kipping, Frau Windisch oder die Staatsregierung haben sich nicht mit fremden Federn geschmückt. Schwarze Pumpe gab es vor 1989, Boxberg gab es vor 1989, eine Hausbrandfeuerung gab es vor 1989. Aber ich weiß nicht, wie alt Sie damals waren. Vielleicht können Sie sich daran nicht erinnern oder haben das gar nicht so wahrgenommen. Diese Werke und diese Feuerungsanlagen jetzt – bei Ihnen zu Hause hoffentlich wie bei uns – gehören zu den modernsten, die es zurzeit auf dem Markt gibt. Wir sind stolz darauf, dass wir das erreicht haben und dort die Schadstoffbelastung reduzieren konnten.

(Beifall des Abg. Gunther Hatzsch, SPD)

Feinstaubpartikel mit einer Korngröße von bis zu 10 Mikrogramm können tief in die menschlichen Atemwege eindringen und damit die Gesundheit beeinträchtigen. Das ist richtig. Wir werden da, wo erforderlich, Maßnahmen ergreifen und Gefährdungen für die Bürgerinnen und Bürger minimieren.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Minister?

Bitte schön, Herr Lichdi.

Herr Lichdi, bitte.

Herr Tillich, halten Sie es als Umweltminister nicht für schlichtweg umweltunverträglich, dass die sächsischen Braunkohlenkraftwerke mit über 60 % des gesamten sächsischen CO2-Ausstoßes wesentlich für die Beschleunigung des Klimawandels und der Klimakatastrophe verantwortlich sind?

(Widerspruch bei der CDU)

Herr Lichdi, ich halte es für bedenklicher, dass wir Spitzentechnologien in diesem Braunkohlenkraftwerken mit einem hohen Wirkungsgrad entwickelt haben, die aufgrund dessen, dass sie eine Grundlastabsicherung für Windkrafträder bringen müssen, in ihrem Wirkungsgrad quasi schlechter gestellt werden und damit letztendlich der Schadstoffausstoß zunimmt. Das ist die richtige Wahrheit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Erkundigen Sie sich bitte. Reden Sie mit den Leuten von der VEAG oder von Vattenfall, Herr Lichdi. Dann werden Sie dies zumindest von den Fachleuten bestätigt bekommen.

Ich begrüße ausdrücklich, meine Damen und Herren, liebe Kollegen, den Antrag der beiden regierungstragenden Fraktionen. In diesem wird die Problematik Feinstaubbelastung in einer Art und Weise in die Öffentlichkeit gebracht, die im Dezemberplenum die von mir eingeforderte Sachlichkeit vermissen ließ. Lassen Sie mich bitte einmal an einem Beispiel verdeutlichen, worüber wir heute sprechen.

In einem Versuch hat die Umweltbetriebsgesellschaft eine typische sächsische Adventssituation nachgestellt. In einem Raum von rund 20 Quadratmetern Größe wurden vier Pyramidenkerzen und zusätzlich während der Brenndauer der Kerzen eine Räucherkerze abgebrannt. Vor dem Versuch betrug die Belastung der Raumluft 25 Mikrogramm Feinstaub je Kubikmeter. Nach der Adventssituation waren es viermal mehr, nämlich 100 Mikrogramm pro Kubikmeter. Nach einer Stunde war der Ausgangswert von 25 Mikrogramm je Kubikmeter wieder erreicht.

Jetzt können Sie die Grenzwerte, welche die 22. BImSchVerordnung vorschreibt, vielleicht besser einordnen. Danach darf der Tagesmittelwert von 50 Mikrogramm je

Kubikmeter nicht an mehr als 35 Tagen im Jahr an den jeweiligen Stellen überschritten werden. Ich will mit diesem Beispiel nicht die Bedeutung, die wir der Feinstaubbelastung beimessen, herabsetzen. Unsere umfangreichen Maßnahmen, die wir schon eingeleitet haben, stünden dazu auch im Widerspruch. Aber wir sollten uns auch vor Überinterpretationen und Aktionismus hüten. Deshalb stehen in Sachsen vor dem Erlass von Verboten und Maßnahmen sorgfältige Analysen der tatsächlichen Situation. So wird auch im Hinblick auf die Feinstaubbelastung an 22 Messstationen in Sachsen kontinuierlich Feinstaub der Korngröße PM 10 gemessen. Die Standorte sind gleichmäßig über das Land verteilt. Sie befinden sich entsprechend den EU-Anforderungen in Ballungsräumen, an stark genutzten Verkehrswegen und in ländlichen Regionen.

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage, Herr Minister?

Frau Kipping, bitte schön.