Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Vorschlag der Linksfraktion.PDS sieht zwar auf den ersten Blick ganz akzeptabel und bürgerfreundlich aus, doch beim näheren Hinsehen merkt man schnell den Pferdefuß. Die vorgeschlagenen Bürgerämter würden nach und nach die Gemeindeverwaltungen ersetzen und damit eine allmähliche Verlagerung aller Verwaltungsstrukturen weg von den Gemeinden hin zu den Landkreisen bewirken. Das muss in Verbindung mit der geplanten Landkreisreform gesehen werden, bei der die Zahl der Landkreise halbiert und dementsprechend die durchschnittliche Größe der verbliebenen Landkreise verdoppelt werden soll, während gleichzeitig die Gemeinden immer stärker unter Druck kommen.
Dies führt zu einer Schwächung der kommunalen Selbstverwaltung auf Gemeindeebene und damit zu einer Schwächung der Gemeinden und ihrer Infrastruktur. Wenn die Gemeinden ihre Selbstverwaltung aufgeben, haben sie bald keine Kraft mehr, gegen ihren weiteren Verfall anzukämpfen. Durch diesen Verfall beschleunigt sich wiederum die Abwanderung, insbesondere von jungen Familien, wodurch die Geburtenzahl sinkt. Das wird nicht zu mehr Verwaltungsstandorten in der Fläche führen, sondern vielmehr zur Schließung von Verwaltungsstandorten aus Kostengründen, ganz egal, ob man sie als Bürgerämter, Gemeindeverwaltungen oder Landratsämter bezeichnet.
Die von der Linksfraktion.PDS geforderten neuen Bürgerämter sind unnötig. Es gibt sie bereits in Form von Hunderten funktionierenden Gemeindeverwaltungen. Wenn kommunale Dienstleistungen aus einer Hand angeboten werden sollen, warum schlägt dann die Linksfraktion.PDS nicht einfach die existierenden Gemeindeverwaltungen hierfür vor? 500 sächsische Gemeinden ergäben sicher ein noch dichteres Netz als die von der Linksfraktion.PDS vorgeschlagenen maximal 20 Kilometer zur nächsten Verwaltungsstelle. Aber auch das müssen wir uns leisten können, wenn es um die Erhaltung eines lebens- und liebenswerten Sachsens geht. Aus vielen kleinen Gemeindeverwaltungen kann durch Arbeitsteilung und moderne Kommunikationstechnik durchaus eine effiziente Gesamtverwaltung werden. Schließlich ist es nicht die Aufgabe der Politik, durch Abwicklung der sächsischen Provinz Geld zu sparen, sondern durch Erhaltung und Reanimierung jedes Zipfels unseres Landes überall eine selbsttragende sozioökonomische Basis aus Leistung und Gegenleistung zu schaffen. Oder geht die Linksfraktion.PDS eher davon aus, dass wir künftig statt 500 Gemeinden maximal 50 zentral gesteuerte Bürgerämter haben sollen?
Zusammenfassend möchte ich sagen, dass der Vorschlag der Linksfraktion.PDS als Dezentralisierungskonzept und Verbesserung der Bürgernähe daherkommt. Aus Sicht der NPD-Fraktion handelt es sich jedoch vielmehr um reine Augenwischerei mit dem Ziel, die fortschreitende Zentralisierung und das Aussterben der Region zu kaschieren. Es sieht beinahe wie eine Schützenhilfe für die Landkreisreform der Staatsregierung aus.
Das lehnt die NPD-Fraktion strikt ab, ebenso wie die gesamte Landkreisreform selbst. Deswegen werden wir auch gegen den vorliegenden Antrag stimmen. Der einzige Weg, den Teufelskreis aus Arbeitsplatzverlusten, Bevölkerungsrückgang und Infrastrukturabbau zu brechen, ist nach unserer festen Überzeugung, die Vielfalt der sächsischen Kommunen und ihrer Selbstverwaltung zu erhalten und gleichzeitig durch Dezentralisierung von Industrie, Gewerbe und Verwaltung bei gleichzeitiger Ansiedlung von jungen, kinderreichen deutschen Familien in den Problemregionen diese mit neuem Leben zu erfüllen.
Das ist der Weg, für den wir uns in der Raumordnungs-, Wirtschafts- und Familienpolitik starkmachen wollen, meine Damen und Herren.
Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! So, jetzt haben wir es gehört. Jetzt wurde die kommunistische Geheimverschwörung zur Abschaffung der Kommunen endlich mal enttarnt. Jawohl!
Mit dem Antragsteller einer Meinung bin ich, was die Bewertung der bisherigen Informationspolitik der Staatsregierung zu dem Vorhaben der Verwaltungs- und Funktionalreform angeht. Das war bisher nicht ausreichend. Wir wissen nicht, wann etwas Ausreichendes kommt. Das Jahr ist ja noch lang. Bis Ende des Jahres soll das beschlossen werden. Wir werden uns weiter in Geduld üben müssen.
Meine Damen und Herren! Verwaltung muss bürgernah erfolgen, das heißt, Verwaltung muss für den Bürger erreichbar sein. Damit sind aber, Kollege Dr. Friedrich, und da fängt meine Kritik an dem Antrag an, nicht Behördenstandorte gemeint, sondern es sind Ansprechpartner notwendig. Der Begriff des Servicecenters kann dem nahekommen, aber es geht darum, solche Anlaufstellen bei den Gemeinden vorzuhalten und nicht noch eine zusätzliche Verwaltungseinheit zu schaffen, die im 20-Kilometer-Raster über das Land verteilt werden soll.
Wir setzen uns dafür ein, entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip die Gemeinden als unmittelbare Ansprechpartner für die Bürger auch mit Anliegen zu betrauen, die später bei Kreisverwaltungen bearbeitet werden, damit die Bürger eben nicht 30 oder 40 Kilometer zum Landratsamt fahren müssen. Dieser Antrag ist verfehlt. Er ist isoliert und steht nicht insgesamt vor dem Hintergrund eines vorliegenden Gesetzentwurfes. Eine isolierte Befassung macht nach meiner Auffassung wenig Sinn.
Er ist auch inhaltlich kritikwürdig. Die Einrichtung von Verwaltungszentren durch den Freistaat würde ohnehin der kommunalen Selbstverwaltung widersprechen. Die Landkreise und Städte sind selbst dafür verantwortlich, wie sie ihre Behörden aufbauen und Strukturen vor Ort organisieren. Das hat nicht das Land vorzugeben, Herr Dr. Friedrich. Verwaltungszentren wären Sache der Landkreise und der kreisangehörigen Städte. Viele Landkreise unterhalten jetzt bereits Bürgerbüros in Städten außerhalb ihres Verwaltungssitzes, und das freiwillig. Die Standorte nach einem sturen 20-Kilometer-Raster vorzugeben ist ebenfalls nicht sachgerecht.
Vielen Dank, dass Sie mir die Frage gestatten. – Kollege Dr. Martens, geben Sie mir darin Recht, dass ich in meiner Rede ganz deutlich gesagt habe, dass diese Verwaltungsservicezentren, wie wir sie nennen wollen – man kann sie gern anders nennen –, über einen öffentlichrechtlichen Vertrag zwischen den neuen Landkreisen und den jeweiligen Sitzgemeinden, sprich: Mittelzentren,
gebildet werden sollen und dass der Freistaat dafür die erforderlichen ordnungspolitischen und finanzpolitischen Rahmenbedingungen schaffen möge? Das habe ich gesagt. Mitnichten wollen wir neue Behörden aufbauen. Nichts gibt es so viel wie leer stehende Verwaltungsgebäude. Können Sie mir recht geben, dass das in meiner Rede klar umrissen war?
Ich kann Ihnen insofern recht geben, als Sie gesagt haben, die Einrichtung sollte mit öffentlich-rechtlicher Vereinbarung zwischen den Kreisen und Gemeinden nach Maßgabe dieses Antrages vereinbart werden. Die Maßgabe dieses Antrages ist das, was dem Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden und der Landkreise widerspricht, denn diese haben es selbst zu organisieren. Und die Angaben im Antrag sind so präzise, dass sie die Organisationshoheit der Kreise nach unserer Auffassung unangemessen beeinträchtigen.
Nein, er ist nicht gut gemacht, Herr Prof. Porsch. Es war gut, dass wir wieder einmal über die Verwaltungsreform gesprochen haben. Ich gehe davon aus, dass wir in absehbarer Zeit etwas Handfestes vorliegen haben, mit dem wir solche Fragen im Einzelnen abhandeln können.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! So leid es mir tut, ich muss die antragstellende Fraktion vor Ihnen, Herr Martens, in Schutz nehmen.
Ausdrücklich ist von Gewährleistung und Sicherstellung die Rede. Damit sehe ich mitnichten einen Eingriff in die Organisationsgewalt der Kommunen, die natürlich zu wahren ist.
Nun zum Thema selbst. Die Kreisgebietsreform führt nach den Plänen der Staatsregierung dazu, dass 15 Städte ihren Kreissitz verlieren sollen. Damit fallen per Gesetz 15 Verwaltungsstandorte weg. Folglich werden die Wege der Bürgerinnen und Bürger zum Landratsamt länger. Meine Damen und Herren! Die gesamte Reform ist darauf angelegt, ihre negativen Folgen für die Bürgerinnen und Bürger durch längere Wege und weniger Verwaltungsdienstleistungen zu verschleiern.
Es kommt noch schlimmer: Die Staatsregierung möchte die Kommunen sogar hindern, Bürgerbüros einzurichten. Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 der geltenden Landkreisordnung
ist die Errichtung von Außenstellen das Recht der Landkreise. Dieses Recht will die Staatsregierung im Zuge der Gebietsneugliederung de facto abschaffen, denn Verträge zwischen den aufzulösenden Landkreisen über die Errichtung von Außenstellen sollen nach § 8 des Entwurfs des Kreisgebietsneugliederungsgesetzes von der Staatsregierung genehmigungspflichtig sein. Die Staatsregierung behält sich also vor, die Errichtung der Außenstellen zu verbieten; denn wozu benötigen wir sonst eine Genehmigungspflicht?
Herr Dr. Martens, Sie sehen, es verhält sich gerade andersherum: Die Staatsregierung plant hier einen Eingriff in die Organisationsgewalt und nicht die Linksfraktion.PDS.
Wenn die Staatsregierung aufgrund des absehbaren Bürgerdrucks doch noch der Errichtung von Außenstellen zustimmen muss, so ist das kein Beinbruch, weil die Errichtungsverträge nach fünf Jahren außer Kraft treten.
Herr Staatsminister Buttolo, ich habe das Gesetz extra mitgebracht. Es ist der § 8 Abs. 1 und 2 des Kreisgebietsneugliederungsgesetzes. Dort steht es explizit drin.
Auch ist die Finanzierung eines Bürgerbüros mit der in den letzten Wochen in der Presse zu lesenden Anschubfinanzierung durch diese Vorbehalte blockiert. Eine auf fünf Jahre befristete Maßnahme wird wohl kaum im Sinne des § 26 Kreisgebietsneugliederungsgesetz als „investiv“ und „für eine effiziente Neuausrichtung der Verwaltungen“, wie Sie es im Entwurf formuliert haben, geeignet gelten.
Das schwächt die Entscheidungsautonomie der Landkreise und zeigt, dass die Staatsregierung gewillt ist, die Zügel fest in der Hand zu behalten, und dass ihr Bürgernähe de facto durch ihre Taten ausgewiesen lästig ist.
Meine Damen und Herren! Wir halten das für inakzeptabel. Deshalb ist es gut, dass wir nicht nur darüber gesprochen haben und dass dieser Antrag hier eingebracht worden ist, sondern es ist gut, diesen Antrag zu nutzen, um endlich in der Öffentlichkeit darauf hinzuweisen, weil die Presse diese Fakten leider noch nicht aufgenommen hat.
Im Übrigen haben wir eine äußerst seltsame Wahrnehmung von Bürgernähe. Ich erinnere mich an die Prüfung des Landesrechnungshofes über die Verwaltungsorganisation kleiner Kommunen. Dort wurden verschiedene Modelle gegenübergestellt. Das bürgernähere Modell wurde als ineffizient dargestellt. Daran sieht man doch diese seltsame, perverse Denkweise, in der Bürgeraußenstellen als Belastung wahrgenommen werden. Andererseits ist der Antrag der Linksfraktion.PDS in seiner Gänze nicht geeignet, dieses Problem zu lösen.
Die Linksfraktion.PDS sieht die Lösung darin, dass alle 20 Kilometer bis zu einer Stunde Fahrzeit mit dem ÖPNV Bürgerämter eingerichtet werden. Wir unterstützen
ausdrücklich die Idee der Errichtung von Bürgerämtern als Verwaltungsservicecenter und Anlaufstellen – darum kann es de facto nur gehen, nämlich um Anlaufsammelstellen –, um eine Verteilungsfunktion in die einzelnen Zentralbehörden zu übernehmen.
Wir sehen in solchen Bürgerämtern durchaus eine zukunftsträchtige und notwendige Alternative für den ländlichen Raum. Die Mindestanzahl von Bürgerämtern aber anhand einer Entfernung von 20 Kilometern festzumachen halten wir für sachfremd. Dann kämen wir in Sachsen nach überschlägiger Rechnung auf etwa 15 Bürgerämter. Wären diese nach Ihrer Ansicht flächendeckend? Ich weiß es nicht.
Vorzugswürdig ist es, dies eher an bisherigen Kreissitzen und Mittelzentren festzumachen und den finanziellen Spielraum für die Landkreise zu erhalten bzw. zu schaffen – das betraf die Debatte um den § 8 –, um in ihrem Gebiet eigenverantwortlich die Verwaltung zu organisieren. Es gibt derzeit über 25 Bürgerbüros, hauptsächlich in Landratsämtern, aber auch in großen Kreisstädten. Die Frage ist, wie man dieses Niveau ausbauen bzw. erhalten kann.
Aufgrund der unterschiedlichen Auswirkungen des demografischen Wandels werden regional unterschiedliche Lösungen erforderlich sein. Im ländlichen Raum ist der Standort möglicherweise beim zentralen Einkaufszentrum sinnvoller oder etwa in rollenden oder temporären Einrichtungen.