Dies sind zwei wesentliche Orientierungspunkte für das Handeln des Gesetzgebers, des Sächsischen Landtages.
Jede geplante Veränderung, jede Reform, insbesondere dann, wenn öffentliche Belange den Gegenstand bilden, steht im besonderen Fokus der Öffentlichkeit. Dass dem so ist, liegt durchaus in der Natur der Sache. Eine Reform verlangt, vorhandene Strukturen und Elemente zu hinterfragen, Gewohntes zu ändern und unter Umständen sogar aufzuheben, um etwas Neues zu schaffen.
Mit der Verwaltungs- und Funktionalreform stellen wir uns der zukünftigen Entwicklung in Sachsen und schaffen die Grundlage dafür, dass auch unter veränderten Rahmenbedingungen den Erfordernissen der Bürgerinnen und Bürger wie auch der Unternehmen Rechnung getragen wird. Die Verwaltung muss auch in Zukunft – bei zurückgehender Bevölkerung – zum Nutzen der Menschen ein kompetenter Ansprechpartner sein, der wirtschaftlich und wirksam seine Aufgaben erledigt. Darin sind wir uns, so denke ich, mit dem Vorredner einig.
Es ist natürlich auch unser Bestreben, dass die Bürgerinnen und Bürger im Freistaat Sachsen auch in Zukunft kurze Wege zu den Behörden haben. Das sind wir ihnen allein aufgrund der Tatsache, dass die Bevölkerung – zum Glück! – immer länger lebt, einfach schuldig. Wenn aber der Vorredner ausführt, künftig seien es „Tagesreisen zum Landratsamt“, dann frage ich mich: Was hat er für ein Auto?
Allerdings dürfen bei diesen Überlegungen die weiteren Betroffenen nicht ausgeschlossen werden. Eine dieser Beteiligungen findet gegenwärtig durch das laufende Anhörungsverfahren der Staatsregierung statt. Offensichtlich ist Ihnen das völlig entgangen.
Ziel der Reform ist, die kommunale Selbstverwaltung zu stärken. Es ist sinnvoll, wenn wir die Landkreise und kreisfreien Städte darin unterstützen, eigene Lösungen zu entwickeln bzw. auszubauen. Veränderte Verwaltungs- und Gebietsstrukturen dürfen und werden nicht dazu führen, dass den Bürgerinnen und Bürgern der Zugang zu Dienstleistungen infolge weiter Wege verwehrt ist.
Eine der wichtigsten Aussagen der kommunalen Ebene ist, die künftig auf sie übertragenen staatlichen Aufgaben gleich gut oder besser zu erledigen. Ich sage noch dazu, es soll nicht gleich gut oder besser funktionieren, sondern auch schneller und damit bürgerfreundlicher.
Die Bündelung von Verwaltungsentscheidungen ist der entscheidende Zielpunkt der Reform. Die Landräte und Kreistage sind doch selbstbewusst genug und in der Lage, die Aufgaben im Sinne ihrer Bürgerschaft optimal zu organisieren.
Wenn die Linksfraktion.PDS in ihrem Antrag formuliert, die Standorte maximal 20 Kilometer vom Wohnort bzw. einer Stunde Fahrzeit entfernt zu errichten, sind genau dies Eingriffe in die kommunale Selbstverwaltung. Die Organisationshoheit für den öffentlichen Personennahver
kehr obliegt den Landkreisen und kreisfreien Städten bereits heute. Sie haben dafür entsprechende Zweckverbände gebildet. Dabei ist wichtig zu wissen: Die gleiche PDS, die im Landtag versucht, den Oberklugen zu spielen, versucht auf kommunaler Ebene ständig Sand ins Getriebe zu werfen, um die Handlungsmöglichkeiten zu erschweren und zu verschleppen. Das sind die Tatsachen in Sachsen.
Wir alle wissen, dass uns die Mittel des Solidarpakts in Zukunft nicht mehr zur Verfügung stehen werden, und wenn man die Stimmen der Hamburger SPD vernimmt, soll dieser noch viel früher infrage gestellt werden. Ich bin dem Ministerpräsidenten dankbar, dass er dies zurückgewiesen hat und dass unser Koalitionspartner dem beigetreten ist. Wir müssen uns dennoch den zukünftigen Veränderungen stellen.
Wir haben uns in Sachsen dazu bekannt, auch in Zukunft einen Haushalt vorzulegen, der ohne die Aufnahme von neuen Schulden zustande kommt. Ich möchte noch einmal deutlich machen, dass der Staatsminister der Finanzen in der letzten Woche mit der kommunalen Ebene einen Ausgleich für die Kommunen vereinbart hat, die ihren Kreissitz verlieren werden. Es wird ein Gesamtvolumen in Höhe von 28,8 Millionen Euro für einen Zeitraum von fünf Jahren bereitgestellt. Damit können weitere Investitionen in den Gebietskörperschaften verwirklicht werden. Dies kommt den Bürgerinnen und Bürgern unmittelbar zugute.
Meine Damen und Herren! Wir haben nicht nur eine besondere Verantwortung gegenüber der jetzigen Generation, sondern auch gegenüber den zukünftigen Generationen. Ich fordere Sie daher alle auf, diesen in Gang gesetzten Reformprozess zum Wohle unserer Bürgerinnen und Bürger sachgerecht zu unterstützen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst ist es so, dass ich mich natürlich darüber freue, dass sich die Linksfraktion.PDS immer sehr stark mit der
Frage der Verwaltungs- und Funktionalreform auseinandersetzt. Das ist als Opposition richtig so. Das jüngste Beispiel, das Sie uns jetzt präsentiert haben, geht genau in diese Richtung.
Ich muss gleichzeitig sagen – das überrascht Sie nicht –, dass die Idee, die Sie hier vortragen, nicht neu ist. Auch ein Blick in den Koalitionsvertrag auf Seite 72 sagt genau dies aus. Dort geht es nämlich darum, dass wir mit Blick auf die veränderten Verwaltungsstrukturen im Land natürlich anregen und richtig finden, dass die Kommunen beim Aus- und Aufbau von Bürgerbüros unterstützt werden. Ich habe auch schon an der einen oder anderen Stelle nachgefragt und die Erfahrung zeigt, dass das bereits seit langen Jahren Praxis ist. Es gibt schon jetzt eine Reihe von Kommunen, die die Kosten und Mühen nicht gescheut haben, um solche Bürgerbüros einzurichten. Genau mit diesem Willen, der zu Recht dahinter steht, bürgerfreundlich und näher am Geschehen für die Kundinnen und Kunden zu sein, haben sie das getan. Ihnen ist sicher auch klar, dass wir im Rahmen der Debatte innerhalb der Koalition über die Verwaltungs- und Funktionalreform genau dieses Thema angesprochen haben. Wenn Sie das Positionspapier der SPD kennen, finden Sie darin ähnliche Regelungen.
Der Knackpunkt an Ihrem Antrag ist allerdings – das hat Herr Kollege Bandmann in der Tat zu Recht ausgeführt – die Frage der kommunalen Selbstverwaltung. Sie können nicht auf der einen Seite vor sich hertragen, Kollege Friedrich, dass Sie die Einschränkung der kommunalen Selbstverwaltung nicht akzeptieren, und gleichzeitig die Gelegenheit wahrnehmen wollen, dass Sie aus Ihrer Sicht vielleicht zu Recht mit konkret untersetzten Beispielen den Kommunen etwas vorgeben wollen.
Kollege Brangs, Sie haben eben die kommunale Selbstverwaltung zu Recht sehr hochgehalten und uns vorgeworfen, dass wir sie einschränken wollten. Darf ich Sie fragen, ob Sie meine Position teilen, dass die zwangsweise Fusion von Landkreisen ein weit größerer Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung ist als alle anderen jetzt in Rede stehenden Überlegungen?
Es überrascht Sie nicht, dass ich diese Auffassung nicht teile, weil wir als Landesgesetzgeber bei der Frage der Finanzausstattung, der Finanzkraft und der demografischen Entwicklung, also der Bevölkerungsentwicklung, in der Tat regelrecht aufgefordert sind, dazu Vorschläge zu unterbreiten. Der Referentenentwurf, der jetzt vorliegt, hat genau den Zweck, dass jetzt die Stellungnahmen eingehen. Heute ist der 15. Bis heute
sollten die Stellungnahmen eingehen. Ich sehe das Nicken des Ministers. Auf der Grundlage der Stellungnahmen wird noch einmal überprüft, was letztlich aus dem Gesetzgebungsverfahren wird. Dann reden wir über den Gesetzentwurf. Insofern sehe ich den Zusammenhang nicht.
Worauf ich natürlich auch hinweisen möchte, ist, dass wir Rücksicht darauf nehmen müssen, wie denn tatsächlich die örtlichen Gegebenheiten sind und welche Wünsche es in der Region für die Einrichtung solcher Büros gibt.
Wir dürfen auch nicht die Frage außer Acht lassen, welches Personal und welche Liegenschaften wir zum Einsatz bringen sollen und wie das mit dem Bevölkerungsumfang überhaupt realisiert werden soll. Da bin ich in der Tat der festen Überzeugung, dass dies Menschen machen sollen, die vor Ort damit beschäftigt sind, und insofern soll es auch vor Ort geklärt werden.
Ich habe mir im Vorgriff auf diese Debatte noch einmal angeschaut, welche Erkenntnisse die Fachpresse dazu bringt. Ein Punkt, der mir aufgefallen ist: Es gibt in Niedersachsen zum Beispiel eine Gemeinde, die in ganz enger Kooperation mit anderen Trägern im Bereich sehr erfolgreich die Behördengänge abgekürzt hat bzw. auch mit den Mitteln des Internetauftritts – ich sage auch mal das Stichwort „E-Government“ – eine Vernetzung von Onlinediensten vom Bäcker bis hin zu Post und Tankstelle und dem öffentlichen Dienst hinbekommen hat. Dieses Beispiel zeigt, dass es durchaus wenig technisch versierten Personen möglich ist, sehr schnell ein bedienungsfreundlicheres Büro oder eine bedienungsfreundlichere Verwaltung vorzufinden.
Was ich damit sagen will: Ich glaube, dass sinnvoller Wettbewerb durchaus zu vernünftigen Modellen führt. Das zeigt dieses Beispiel. Deshalb finde ich es richtig und konsequent, dass wir dem Freistaat an dieser Stelle keine Fesseln auferlegen, sondern den Landkreisen und Einrichtungen, die davon betroffen sind, die Möglichkeit geben, ihre Servicekompetenz einzubringen, um mit den örtlichen Gemeinden und Verwaltungsdienstleistern zu einer vernünftigen Regelung zu kommen, wie man die Fläche erreichen kann. Ich glaube auch, dass, wenn man sich das genau ansieht, hier die örtlichen Akteure bereits sehr viele Ideen entwickelt haben. Es ist sinnvoll, dass wir uns als Landesgesetzgeber im Rahmen des Verfahrens zur Verwaltungs- und Funktionalreform, das ich gerade beschrieben habe, zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal damit auseinandersetzen.
Wie ja, ja? Das ist doch besser als nein, nein. Wir sollten uns damit auseinandersetzen. Insofern ist das ja gerade Ihre Zustimmung. Das freut mich.
Also zusammengefasst: Eine gesetzliche Regelung macht nur dann Sinn, wenn man die zu erreichende Zielsetzung umschreibt. Ich halte es nicht für richtig, dass man nur Radien zieht und versucht, rechnerisch ein Mittel zu finden, dass man Kilometerleistungen und Fahrzeiten
zusammenrechnet und sagt, da muss ein Servicebüro hin. Das sollen doch bitte die Kommunen selbst entscheiden. Ich möchte zum Schluss darauf hinweisen, dass es in anderen Bundesländern, zum Beispiel in MecklenburgVorpommern (PDS-Beteiligung), bei der Entscheidung über die Verwaltungs- und Funktionalreform viel größere Gebiete gegeben hat, als wir in Sachsen umsetzen wollen.
Wenn man sagt, man möchte so etwas erreichen, ist das durchaus mit Sympathie zu begleiten; denn auch die SPDFraktion hat im ersten Vorschlag dafür plädiert, fünf größere Strukturen zu schaffen. Interessant ist, dass es in Mecklenburg-Vorpommern keine gesetzliche Errichtungsstruktur für solche Bürgerbüros gibt, obwohl dort noch größere Einheiten geschaffen wurden.
Wenn wir uns in der Debatte weiter über die Verwaltungs- und Funktionalreform austauschen wollen, können wir das gern auf der Basis des vorgelegten Gesetzentwurfs tun. Im Moment sehe ich für den Antrag keine Notwendigkeit.