Protocol of the Session on January 26, 2007

Was ist die Reaktion der Politik? Es wird versucht, lukrative Einstiegsmodelle in die private Vorsorge anzubieten. Stichwort: Riester-Rente mit ihren verschiedenen Facetten. Wobei es – und das sage ich jetzt als Sozialdemokrat – unser Anspruch bleibt, möglichst viele sozial so zu stellen, dass sie sich auch selbst eine solche Vorsorge aufbauen können. Da sind wir dann ganz schnell bei der Problematik: Wie sozial ist eine solche Reform?

Ein Punkt, der in Deutschland bisher ganz wenig greift, aber – das weiß ich aus persönlicher Erfahrung – in Holland, in England und sicher auch noch in anderen Ländern gang und gäbe ist, ist, dass Wohnungs- und Hauseigentum gängige Vorsorgeformen sind, um später zumindest ein Stück weit von den Mieteinnahmen leben zu können. Ich denke, das wird auch bei uns zusätzlich an Bedeutung gewinnen.

Dann gibt es die Initiative 50 Plus. Das ist ein Maßnahmenpaket der Bundesregierung zur Integration älterer Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt. Ich nenne nur Stichpunkte: Kombilohn für Ältere, Eingliederungszuschuss für die Einstellung Älterer, Förderung der beruflichen Weiterbildung, Befristungsregelung ab dem 52. Lebensjahr, die Initiative „Neue Qualität für Arbeit“, ein Beschäftigungspakt für Ältere in den Regionen, das sogenannte Bundesprogramm Perspektive 50 Plus – ein

Bundesprogramm, das 30 000 Zusatzjobs für Ältere ab 58 Jahre schaffen soll – und andere Handlungsfelder.

Weitere Vorschläge aus dem Koalitionsvertrag des Bundes sind ebenso in der Stellungnahme der Staatsregierung aufgezählt. Ich kann mir das hier sparen.

Ich gehe davon aus, dass die Rentenreform voraussichtlich noch vor Ostern den Bundestag passieren wird – so ist es jedenfalls angedacht –, auch unabhängig von den Hakeleien, Herr Dr. Pellmann, die es zurzeit zwischen den Gewerkschaften und der SPD im Besonderen gibt. Das wollen wir nicht verhindern. Ich rede jetzt nicht von den Hakeleien, sondern von der Befassung und Beschlussfassung im Bundestag. Da wir das nicht verhindern wollen – auch nicht über den Bundesrat –, werden wir Ihrem Antrag nicht zustimmen, wenngleich in unserer Fraktion dieses Thema unterschiedlich und sehr kontrovers diskutiert wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsministerin Helma Orosz)

Die NPD, bitte; Herr Petzold.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schön, dass sich auch die Antragstellerin der vorliegenden Drucksache bemüht, die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre abzuwenden. Es ist allerdings traurig anzusehen, wie in Ihrem Forderungskatalog die wesentlichste aller notwendigen Forderungen ausgeklammert bleibt, und zwar aus rein ideologischen Gründen.

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion.PDS: Und zwar?)

Die Aufforderung nach aktiver Bevölkerungspolitik bleibt aus. Dafür fehlt den Postkommunisten der PDS das Verständnis, zumindest wenn es ohne Zuwanderungshirngespinste diskutiert werden soll.

Da wir demografiepolitisch ohnehin in regelmäßigen Abständen Initiativen ergreifen, erübrigt es sich in dieser Hinsicht, einen ergänzenden Änderungsantrag einzubringen. Diese Aufwertung muss der PDS auch unter Zugrundelegung des vorhersehbaren Abstimmungsverhaltens nicht unbedingt zuteil werden.

Man kann zwar Ihrem Antrag zustimmen getreu dem Motto, dass es nicht viel nützt, zumindest jedoch nicht schadet. Aber eines steht fest: In dem Maße, wie die etablierte Politik die Alterspyramide auf den Kopf gestellt hat, bleibt jede Maßnahme, die nicht vorrangig genau an diesem Punkt ansetzt, nichts weiter als hilflose Flickschusterei.

Meine Damen und Herren! Wir verzeichnen bei der Arbeitslosigkeit traurige Höchststände bei den unter 25Jährigen und auch bei den über 50-Jährigen. Jetzt würde jeder, der mit gesundem Menschenverstand ausgestattet ist, meinen, der Schwerpunkt müsse nun so gelegt wer

den, dass die Zukunftsfähigkeit unseres Landes zum Beispiel mit Blick auf das Fachkräfteangebot und die Perspektive junger Menschen zu Beginn ihres Berufslebens gewahrt bleibt.

Doch was geschieht in dieser Narrenrepublik? Denen, die auf das Ende ihres Erwerbslebens zugehen, wird die fragwürdige Perspektive auf zwei weitere Jahre in voraussichtlicher Arbeitslosigkeit eröffnet. Die häufig angeführte Rechnung, durch die steigende Lebenserwartung müsse auch länger gearbeitet werden, geht nicht auf, wenn in der BRD-Realität kaum einer über 50 zu finden ist, außer natürlich in den Parlamenten, in gut bezahlten Chefetagen und Konzernvorständen. Weniger als die Hälfte der Betriebe beschäftigen heute über 50-Jährige.

(Zuruf des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Nicht einmal 40 % der über 50-Jährigen sind überhaupt noch erwerbstätig. Wo sollen denn unter diesen Umständen die Menschen bis zur Rente hin außer zum Arbeitsamt?

Die Forderung nach der Rente mit 67 bedeutet nichts anderes als eine Rentenkürzung durch die Hintertür. Doch dieses wird auch noch potenziert, indem die Betroffenen schmerzhafte Abschläge ertragen müssen, indem sie durch Arbeitslosigkeit zum frühzeitigen Renteneintritt gezwungen werden. Für viele Langzeitarbeitslose verschiebt sich durch die Rente mit 67 auch die Möglichkeit, überhaupt vorzeitig unter Inkaufnahme der Abschläge in die Rente einzutreten, nach hinten.

Dies ist für die Betroffenen im Zeitalter des sozialpolitischen Folterwerkzeuges Hartz IV besonders verhängnisvoll, weil die Menschen der Gefahr ausgesetzt werden, bis zum Renteneintritt ihre Ersparnisse aufbrauchen zu müssen. Das hat nun wahrlich nichts mit sozialer Gerechtigkeit zu tun, zumindest nicht in dem Sinne, wie wir von der NPD sie verstanden wissen wollen.

Meine Damen und Herren! Auch wenn wir demografiepolitische Aspekte im Antrag vermissen und darüber gesprochen hätten, ob der Bezug der vollen Versicherungsleistung an Kinder gekoppelt werden sollte, werden wir dennoch dem Antrag weitestgehend unsere Zustimmung erteilen. Ich betone weitestgehend; denn wir beantragen punktweise Abstimmung, da wir uns bei einem Punkt des Forderungskatalogs doch enthalten möchten. Es handelt sich hier um den Punkt 2. Wir leugnen zwar nicht die zuweilen gravierenden Veränderungen in der Arbeitswelt. Doch genau aus diesem Grunde ist uns eine Politik der lediglichen Berücksichtigung eine zu fatalistische Anpassungsstrategie, weil sie zu wenig politischen Gestaltungswillen in sich trägt.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Für die FDPFraktion erteile ich der Abg. Frau Schütz das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Verarmte Rentner werden zu Kriminellen, proben den Aufstand, sie überfallen Apotheken, unternehmen Geiselnahmen und werden in Altenasyle gepfercht. „Der Aufstand der Alten“, eine Doku-Fiktion über Deutschland im Jahre 2030, war ein mögliches Szenario, das uns erwarten kann. Der Film, im ZDF ausgestrahlt, sollte und wollte aufrütteln; er sollte uns meiner Meinung nach klarmachen, dass der sich in Gang befindende demografische Wandel ohne Reformen in den Sozialsystemen zu einer Gefahr im gesellschaftlichen Zusammenleben wird.

Wer an die Mär glaubt, die Renten seien zukünftig unter den bisherigen Rahmenbedingungen sicher oder das Rentenalter von 65 Jahren wäre zu halten, nimmt genau das in Kauf, was in diesem Film gezeigt wurde.

Mit dem Zurückdrehen von Reformen, wie Sie, meine Damen und Herren von der Linksfraktion.PDS, es wieder einmal verlangen, werden wir den demografischen Wandel nicht meistern können. Mit einer Politik, welche die Wahrheit nicht sieht, und, viel schlimmer noch, nicht sehen bzw. den Menschen nicht sagen will, wird Deutschland sehenden Auges in eine sozialpolitische Katastrophe steuern. Wenn das das Ziel der Linksfraktion.PDS ist, muss sie nur weiterhin solche Anträge stellen. Wer aber auch zukünftig für eine sozial gerechte Gesellschaft eintreten will, muss dringend die Sozialsysteme reformieren und die Wirklichkeit wahrnehmen. Wir als FDPFraktion werden uns dieser Verantwortung stellen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ihr Antrag, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion.PDS, genügt in vielen Punkten nicht den Herausforderungen der Zukunft. Wenn man wie Sie am Umlageverfahren in der Rentenversicherung festhält, dann kommt man um eine Erhöhung des Renteneintrittsalters nicht herum, denn beides bedingt sich gegenseitig. Eine immer älter werdende Gesellschaft mit immer weniger Erwerbsbevölkerung kann sich ein tatsächliches Renteneintrittsalter von 63,2 Jahren im Jahre 2005 nicht mehr leisten. Bleibt die gesetzliche Rente mit 65 Jahren, wird diese entweder auf Sozialhilfeniveau sinken oder die jungen Menschen werden zukünftig in unverträglicher Art und Weise belastet werden. Es ist nur noch eine Frage des Wann und nicht mehr des Ob, bis ein Erwerbstätiger einen Rentner mitfinanziert.

Glauben Sie ernsthaft, dass dies die junge Bevölkerung hinnehmen wird? Bis zum Jahr 2050 nimmt der Bevölkerungsanteil der über 60-Jährigen im Vergleich der 20- bis 59-Jährigen um 80 % zu. Wer kann, wird vielleicht auswandern. Ein Aufstand der Jungen könnte Wirklichkeit werden.

Wer heutzutage noch innerhalb des Umlagesystems an der Rente mit 65 Jahren festhält, obwohl sich die Lebensarbeitszeit in den letzten 40 Jahren um 20 % verringert hat, nimmt diese Gefahren billigend in Kauf. Altersteilzeit, Abfindungen und Vorruhestand haben dazu beigetragen,

dass das gesetzliche Renteneintrittsalter überhaupt nicht erreicht wird.

Die Forderung der Linksfraktion.PDS wird auch dann nicht plausibler, wenn man mehr Berufsgruppen einbezieht. Wer Beamte und Selbstständige in die Rentenversicherung holt, muss diesen Menschen später auch eine Rente zahlen. Es ist ein Irrglaube der deutschen Linken, mehr Menschen in einem Versicherungssystem würden mehr Einnahmen und weniger Ausgaben bedeuten. Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Ausgaben werden ungleich höher sein. Die Rürup-Kommission stellte im Jahre 2003 fest, dass mit einer Einbeziehung von Beamten und Selbstständigen lediglich kurzfristig niedrigere Beiträge zu erwarten seien, langfristig aber ungleich höhere Belastungen der Sozialsysteme. Dem demografischen Wandel lässt sich so nicht begegnen.

An dieser Stelle ist es mir wichtig zu betonen: Nicht die Zunahme der Lebenserwartung und die Anzahl an älteren Menschen, sondern das Umlageverfahren hat unser Rentensystem in Gefahr gebracht.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Nicht erst die ZDF-Dokumentation müsste uns klargemacht haben, dass es Zeit für ein radikales Umdenken hinsichtlich der Altervorsorge ist. Dabei gilt es, nicht weiter wertvolle Zeit zu vergeuden. Die umlagefinanzierte Sozialversicherung muss durch die Kapitaldeckung ersetzt und durch die Eigenvorsorge ergänzt werden. Um diesen Systemwechsel hin zu einer Versicherung mit Kapitalrücklage kommen wir nicht herum. Wer sich heute allein auf die gesetzliche Renten-, Pflege- oder Krankenkasse verlässt, ist im Alter verlassen und wird arm sein. Frühzeitig ansparen, und sei es nur mit kleinen Monatsbeiträgen, das sind die Zeichen der Zeit.

Die Politik, also wir, dürfen es dabei nicht bei Appellen an mehr Eigenverantwortung belassen, sondern wir brauchen ein System, das auf Vorsorge setzt. Die Politik muss den Menschen die Möglichkeit dazu auch lassen und nicht das Geld auf Kosten kommender Generationen verwenden, um Wohltaten für die heutigen Wähler zu finanzieren.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wir brauchen ein System, welches Familien mit Kindern nicht wie heutzutage abstraft, sondern belohnt, wie zum Beispiel das Familiensplitting. Wir brauchen Schutzmaßnahmen, die den Menschen mit gebrochenen Erwerbsbiografien trotzdem ein Alter in Würde ermöglichen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Meine sehr geehrte Damen und Herren! Das Leben von der Hand in den Mund, wie es das Umlageverfahren vorsieht, wird nicht länger funktionieren. Leider hält die Linksfraktion.PDS daran fest, ebenso an der Rente mit 65 Jahren. Ich halte das für ein völlig falsches Signal an die zukünftigen Rentner und Beitragszahler. Ich kann daher nur dazu auffordern, diesen Antrag abzulehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich erteile der Fraktion der GRÜNEN das Wort; Frau Herrmann, bitte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Fünfte Altenbericht der Bundesregierung liegt jetzt vor. Sein Thema: „Potenziale des Alters in Wirtschaft und Gesellschaft“. Der Beitrag älterer Menschen zum Zusammenhalt der Generationen birgt jede Menge Zündstoff. Die Themen reichen von Erwerbsarbeit, Bildung und Einkommenslage im Alter über Chancen der Senioren, der Seniorenwirtschaft, über familiäre und private Netzwerke, Engagement und Teilhabe bis zur Migration. Der Altenbericht wirbt für ein neues Leitbild des produktiven Alters, und das genau ist der Punkt, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Was haben wir für ein Bild vom Alter? Akzeptieren wir den Wunsch älterer Menschen nach eigenständiger Lebensgestaltung, und gehört Erwerbstätigkeit dazu? Wir müssen endlich wegkommen von der reinen Fürsorge um alte Menschen. Auch diese Gruppe unserer Gesellschaft hat ein selbstverständliches Recht auf aktive Teilhabe.

(Beifall des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Wenn für die meisten von uns die Arbeit wichtiger Teil unseres Lebens ist, warum sollte das im Alter anders sein? Wir müssen vielmehr fragen: Wie müssen die Arbeitsbedingungen denn sein, damit ältere Menschen auch aktiv in diesem Bereich bleiben können? Warum sprechen wir immer von einer Last und regen uns gleichzeitig auf, dass manche Menschen Arbeit als Last empfinden und sich davor angeblich drücken wollen? Wie wir sprechen, wird wahrgenommen. Wir sollten vielmehr darüber sprechen, dass die Erfahrungen der Älteren für uns wertvoll sind und dass wir nicht darauf verzichten möchten und können, und zwar völlig unabhängig von irgendwelchen Debatten über Demografie.

Diese Gedanken finden sich zum Teil in Punkt 6 Ihres Antrages wieder. Ansonsten liest sich der Antrag wie ein Rundumsorglospaket zum Thema Rente. Wenn Vater Staat das Heft nur fest in die Hand nimmt, wird alles besser. Da bin ich einfach ein gebranntes Kind. Im Nu verhandeln Sie von der Linksfraktion.PDS in sechs Punkten die gesamte Rentenpolitik. Über jeden einzelnen Punkt könnte man Aufsätze schreiben, aber Sie beauftragen die Staatsregierung, sie solle sich in geeigneter Weise dafür einsetzen, dass …