Protocol of the Session on January 26, 2007

obwohl sie weiß, dass dies kein landespolitisches Thema ist. Offensichtlich ist Ihre ansonsten so hochgelobte

Bundestagsfraktion nicht in der Lage, dem Anliegen dieses Antrages entsprechend Geltung zu verschaffen. Wir kennen das Strickmuster und Herr Kollege Pellmann hat es noch einmal genannt. Er sagt: Umsteuern! Das heißt ja am Ende wohl, den Sozialstaat möglichst überfordern zum allversorgenden Staat, zum allmächtigen Staat und dann zum Kollaps, wie wir es ja aus der jüngsten Geschichte erlebt haben.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Zum Thema selbst, zur Anhebung des Renteneintrittsalters durch die Bundesregierung: Ich gebe zu, dass viele jüngere Bürgerinnen und Bürger die Folgen dieses Beschlusses bedenken, denn auf die heutigen Rentner hat es ja keine direkten Auswirkungen.

Die Anhebung des Renteneintrittsalters ist eine Folge der demografischen Entwicklung, also der steigenden Lebenserwartung, der sinkenden Geburten, und das, sehr verehrter Herr Kollege Pellmann, ist kein Totschlagargument, sondern das ist die Realität in Deutschland.

(Beifall bei der CDU)

Damit werden auf die Rentenversicherungen als Solidarversicherung in den nächsten Jahren ungeheure Lasten zukommen.

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion.PDS: Deswegen muss die Einnahmensituation verbessert werden, mein Lieber!)

Richtig, darüber werden wir gleich reden.

Aber zunächst einmal sind uns die Zeichen dazu bekannt und Sie kennen sie ebenfalls. Wenn Sie vorhin den Ministerpräsidenten zitiert haben, dann haben Sie sicher auch von ihm das Wort gehört, dass wir zurzeit eine Steigerung der Lebenserwartung in Deutschland haben, dass wir die Lebenserwartung in Deutschland im Durchschnitt aller vier Jahre um ein Jahr erhöhen.

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion.PDS: Das stimmt so nicht!)

Das ist eine auch in der Geschichte bisher einmalige Leistung.

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion.PDS: Das stimmt doch nicht!)

Nun hat sich die Enquete-Kommission des Bundestages in dieser Frage in ihren Handlungsempfehlungen dafür ausgesprochen, das gegliederte Alterssicherungssystem beizubehalten. Sie plädiert daneben für einen Ausbau der privaten und betrieblichen Altersvorsorge. Ich habe anlässlich unserer Debatte am 12. Oktober letzten Jahres darauf hingewiesen, dass der Bund bereits heute die Rentenkasse mit circa 80 Milliarden Euro pro Jahr subventioniert. Wir haben uns schon öfter mit diesem Thema beschäftigt, Herr Kollege Pellmann.

Aber die finanzielle Lage der Rentenkasse ist nur die eine Seite der Medaille.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion.PDS, steht am Mikrofon.)

Die andere Seite ist das gestiegene Interesse älterer Bürgerinnen und Bürger, über die derzeit geltende Altersgrenze von 65 Jahren hinaus berufstätig zu sein.

Ich möchte keine Frage zulassen.

Wir haben heute schon die Situation, dass Bürgermeister bereits vor Gericht gegen ihre Pensionierung mit 68 klagen. Unser sächsischer Generalstaatsanwalt hat kürzlich in einem Interview sein zwangsweises Ausscheiden aus dem Amt mit 65 Jahren bedauert. Wir wissen, er arbeitet seither wieder als selbstständiger Rechtsanwalt. Oder wenn Sie die heutige Zeitungsmeldung verfolgt haben: Die Gremien gehen davon aus, dass dem Bahnchef, Herrn Mehdorn, auch eine Amtszeit über die Altersgrenze von 65 hinaus genehmigt wird. Wir in diesem Hohen Hause haben dem Präsidenten des Sächsischen Rechnungshofes, der ja eigentlich auch jetzt in Pension gehen müsste, augenzwinkernd im Dezember eine längere Amtszeit genehmigt. Die Zwangsemeritierung von Professoren ist bereits heute an einigen Stellen ein schwer auszugleichender Verlust. Die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen.

Auch die sächsische Wirtschaft beginnt inzwischen, ingenieurtechnisches Personal für eine längere Berufstätigkeit zu werben. Nach Angaben der sächsischen Wirtschaft fehlen uns bereits jetzt 15 000 Ingenieure hier in Sachsen. Was also soll dieser Antrag? Müssen wir uns nicht gerade gegen Altersdiskriminierung einsetzen? Alter gilt aber immer noch als Makel bei uns, Kinderlosigkeit nicht.

Wir haben mehr als 500 Vorschriften und Verordnungen, die heute noch Altersgrenzen enthalten. Die Forderung müsste doch richtiger lauten: mehr Flexibilität beim Renteneintrittsalter!

(Beifall bei der CDU)

Deshalb, meine Damen und Herren, kommen die Punkte 5 und 6 des Antrages noch am ehesten der Realität nahe.

Wie die Staatsregierung in ihrer Antwort deutlich macht, haben sich die Koalitionsparteien in Berlin bereits auf entsprechende Maßnahmen geeinigt. Der Antrag kommt also in diesen Fragen ebenfalls mindestens eineinhalb Jahre zu spät.

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion.PDS: Wie meistens!)

Wir haben gestern in der Zeitung gelesen, Herr Kollege Pellmann, dass 68 % der Rentner gern arbeiten würden, und zwar schon jetzt. Sie sagen, wir wollen lieber in die Sozialkassen einzahlen als von den Sozialkassen leben.

Die Punkte 5 und 6 Ihres Antrages müssten eigentlich, Herr Kollege Pellmann, ein Appell an uns alle – nicht nur an die Staatsregierung oder an die Bundesregierung – sein. Sie gehören eingebettet in eine Gesamtstrategie zur Bewältigung des demografischen Wandels mit einer Erhöhung der Beschäftigung und mit dem Abbau der Arbeitslosigkeit, mit einer Verbesserung der Berufseinstiegschancen auch für Jugendliche, mit einer Verbesserung von Bildung und Ausbildung, mit einer Erhöhung der Beschäftigungschancen Älterer durch zielgerichtete Weiterbildungsprogramme. Die Frühverrentung muss ein Ende haben, und die Lebensarbeitszeit muss wieder verlängert werden. Dazu muss der Paragrafendschungel bei uns verschwinden, damit die Arbeitgeber nicht aus Angst vor Gesetzesverstößen auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze verzichten, und das Tarifrecht muss flexibler gestaltet werden, damit die Löhne und Arbeitszeiten im Betrieb selbst ausgehandelt werden können.

(Beifall bei der CDU)

Aber, meine Damen und Herren, eine Forderung an die Bundespolitik habe ich in diesem Zusammenhang auch: Die Rentenunterschiede Ost-West müssen endlich verschwinden.

(Beifall bei der CDU und der Linksfraktion.PDS)

Das steht bereits im Einigungsvertrag, ist aber immer wieder hinausgeschoben worden.

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion.PDS: So ist es!)

Die Personengruppe, die durch Frühverrentung oder Arbeitslosigkeit bereits heute Rentenabstriche hinnehmen muss, darf nicht noch weiter benachteiligt werden. Im Übrigen, meine Damen und Herren, vertraue ich auch in dieser Frage auf die Zusage der Bundeskanzlerin. Sie sagte: Mit der CDU wird es keine Rentenkürzung geben.

Natürlich werden wir auch weiter über eine Rentenreform diskutieren. Ob in kleinen Schritten à la Rürup oder als Systemwechsel à la Herzog – das wird sicher die Zeit zeigen. Aber die Rente künftig nur aus einem üppigen staatlichen Füllhorn zu erwarten, wie die Linken es sich wünschen, oder eher aus einer begrenzten Grundversorgung, wie Biedenkopf und Miegel es uns vorrechnen – was richtig ist, das wird sich zeigen. Bis dahin wird die Linke sicher das Thema Rente noch öfter auf die Tagesordnung setzen. Der heutige Antrag hilft uns dabei aber nicht weiter und ist deshalb abzulehnen.

(Beifall bei der CDU – Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion.PDS: Schade!)

Die SPD-Fraktion. Herr Abg. Gerlach, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über die schrittweise Anhebung des Renteneinstiegsalters, und zwar ab 2012 zwölf Jahre lang jährlich um einen Monat, ab 2024 bis 2029 jährlich um zwei Monate, sodass

ab 2029 das, worüber sich schon meine Vorredner geäußert haben, greifen wird. Betroffen sind die nach 1946 Geborenen. Richtig komplett greifen wird es bei den heute 45-Jährigen. Wer in Zukunft noch mit 65 Jahren in Rente gehen will, muss einen Abschlag zahlen. Momentan liegt dieser bei 0,3 % pro Monat. Langjährig Versicherte sind diejenigen – Herr Pellmann nannte sie sogenannte Eckrentner, was ein ganz furchtbares Begriffsungetüm ist – die, wenn sie 45 Pflichtbeitragsjahre haben, künftig abschlagsfrei mit 65 Jahren in Rente gehen können.

Was sind die Gründe? Ich beginne frei nach Norbert Blüm. Die Rente nach altem Schema ist eben nicht sicher. Finanzprobleme wegen der demografischen Entwicklung sind hier schon genannt worden: weniger junge Arbeitnehmer, längere Rentenbezugsdauer. Die Zahlen sind sehr ausführlich in der Antwort der Staatsregierung genannt. Das muss man nicht wiederholen.

Arbeitsminister Müntefering hat aus meiner Sicht endlich einmal den Mut gehabt zu sagen, was wir in Deutschland eigentlich alle schon wissen: Es kann mit der Rente überhaupt nicht so weitergehen wie bisher, weil der Generationenvertrag, auf dem das Ganze einmal aufgebaut wurde, spätestens von der dritten Nachkriegsgeneration schlicht und einfach gekündigt wurde. Als Generationenvertrag bezeichnen wir ja diese Geschichte, die man Adenauer nachsagt – ich weiß nicht, ob er es wirklich gesagt hat –: Kinder bekommen die Leute immer! So nach dem Motto: Demzufolge sind auch immer genug Leute da, die die Rente bezahlen können für die, die jetzt in Rente sind.

Wir haben es auch hier mit einem gesamteuropäischen Problem zu tun. Die EU fordert bis 2010 50 % Beschäftigungsquote zwischen 55 und 60 Jahren. Wir haben zurzeit einen Durchschnitt von 38,8 Jahren, in Deutschland 37,7.

Ich habe Herrn Rürup in einer Veranstaltung in Leipzig erlebt, bei der er uns verschiedene Dinge vorgestellt und sinngemäß gesagt hat, dass wir Modelle rechnen können, wie wir wollen: Entweder wir kürzen die Bruttorente – das will keiner, und das würde wahrscheinlich auch keiner politisch überleben – oder wir erhöhen das Renteneintrittsalter. Zwischen dem Ganzen kann man sich noch irgendwelche Variationen vorstellen, aber am Ende ist es so.

Welche Probleme haben wir damit? Natürlich besteht die Frage, ob wir länger arbeiten oder ob wir länger arbeitslos sein wollen. Wir haben derzeit ein durchschnittliches Zugangsalter zur Rente von 62,5 Jahren, und nur ein Fünftel geht aus versicherungspflichtiger Arbeit in die Rente. Das ist natürlich ein alarmierendes Zeichen, das wissen wir auch.

Wir wissen, dass mit zunehmendem Alter die Erfahrung der Arbeitnehmer steigt. Aber die berufliche – ich nenne es einmal körperliche – Leistungsfähigkeit nimmt in der Regel ab. Das sind Herausforderungen an Unternehmen. Die arbeitsmarktpolitische sogenannte eierlegende Woll

milchsau lautet heute: jung, dynamisch, flexibel einsetzbar und möglichst 20 Jahre erfolgreiche Berufserfahrung.

Das gibt es aber nicht. Also ist die Frage: Wie können wir uns auch im politischen Rahmen auf diese ganzen Geschichten einstellen?

Dazu gibt es verschiedene Lösungsvorschläge und bereits durchgesetzte Maßnahmen auch von dieser Bundesregierung. BMW hat zum Beispiel schlechte Erfahrungen mit dem neu aufgebauten Betrieb in Regensburg gemacht. Dort sind die Arbeiter etwa alle im gleichen Alter. Das heißt, sie würden, wenn die Zusammensetzung so bliebe, alle irgendwann gleichzeitig in Rente gehen.

Deshalb hat es in Leipzig beim Neuaufbau der BMWWerke eine ganz neue Philosophie gegeben. Man hat – ich kenne die Zahl nicht genau, aber ich glaube, es waren mindestens 5 % – eine Prozentzahl für Arbeitnehmer über 55 Jahre ausdrücklich vorgesehen. Die Firmen, die die Auswahl der Arbeitskräfte dort vorgenommen haben, hatten ausdrücklich die Order, sich genau daran zu halten, weil man eben die gesunde Mischung in dem Betrieb will. Und es war nicht ganz uneigennützig – aber das ist ja durchaus legitim –, dass sie gesagt haben: Warum sollen wir uns die reichhaltige Erfahrung von denen, die älter als 55 sind, als Betrieb entgehen lassen? Das heißt, hier ist auch eine veränderte Personalpolitik angesagt.

Wir wissen heute, lebenslanges Lernen erfordert von Unternehmen neues Denken und vielfältige Maßnahmen, auch gesundheitspräventive Maßnahmen. Unternehmen müssen ebenfalls in den Arbeitsschutz investieren. Ich erinnere an die Arbeitsschutzallianz von Thomas Jurk, die er ins Leben gerufen hat.