Meine Damen und Herren! Einen solchen Mumpitz habe ich lange nicht mehr gelesen. Die Wirtschaftsordnung der Republik ist viel stabiler, als unterstellt wird. Ich vermute, sie wird selbst das seltsame Agieren der derzeit regierenden Großen Koalition überleben.
Vielleicht ist das Ganze aber auch nur ein Versehen. Die Initiative der FDP trägt das Datum 09.11.2006. Vielleicht wollten Herr Westerwelle und Kollegen diesen Antrag auf Verfassungsänderung am 11.11. um 11:11 Uhr einreichen und damit die närrische Saison in Berlin eröffnen. – Knapp verfehlt! – So weit zum Anlass.
Nun zum Antrag! Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion, leiden Sie wegen des Antrages der FDP im Bundestag unter unmittelbaren Ängsten? Schlafen Sie schlecht, weil Sie die FDP schon mit einer verfassungsändernden Mehrheit in den nächsten Bundestag einziehen sehen?
Ich glaube, ich kann Sie da beruhigen. Weder wird dieser Antrag im Bundestag eine Mehrheit bekommen, noch werden solche Positionen in Deutschland mehrheitsfähig.
In der Sache stellt Artikel 5 Grundgesetz einen Vorbehaltsartikel dar. Meine politische Fantasie reicht aus, diesen Artikel als notwendig zu erachten. In einem anderen Fall, Artikel 20 Abs. 4 Grundgesetz, heißt es: „Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“ Auch dieser Artikel ist in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nicht zur Anwendung gekommen. Sollen wir ihn deshalb abschaffen?
Die ganze Aktion, der Antrag der FDP im Bundestag und die Initiative der Linksfraktion hier im Landtag, erinnert mich an eine literarische Unterschriftensammlung – Sie werden die Geschichte kennen – mit dem Titel „Norwegen darf nicht türkisch werden“. Das ist zwar richtig, aber derzeit nicht aktuell.
Die Initiative von Bundes-FDP und Landes-Linksfraktion gehören in die gleiche Rubrik. Da wir den Artikel 15 im Grundgesetz behalten wollen, werden wir zustimmen.
Gibt es weiteren Redebedarf vonseiten der Fraktionen? – Wünscht die Staatsregierung das Wort? – Herr Staatsminister Mackenroth, bitte.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich erlaube mir, meinen Redebeitrag zu diesem weltbewegenden Thema zu Protokoll zu geben.
(Beifall bei der CDU und der SPD – Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Nun wollte ich gerade eine Zwischenfrage stellen!)
Gut, nun gibt es noch ein Schlusswort, in diesem kann man die Zwischenfrage vielleicht unterbringen. Herr Bartl, bitte.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Zastrow, wir scheinen die Einzigen im Saal zu sein, die die FDP ernst nimmt. Verbuchen wir das unter dem 11.11., Spaßpartei, okay, kein Problem, wir lassen uns gern belehren.
Herr Bolick, ich habe versucht, unter Hinweis auf Artikel 32 Abs. 2 der Sächsischen Verfassung mit dem gleichen Wortlaut und über die Tatsache, dass, wenn die FDP durchdringen würde, unser Artikel 32 Abs. 2 verfassungswidrig wäre, die Eigenbetroffenheit darzulegen. Also, das ist doch mit dem gesunden Menschenverstand zu erklären. Nur habe ich bei Ihnen keinen gesunden Menschenverstand gefunden, tut mir leid.
Herr Dr. Martens, der Auftrag von der gemischten Plattform ist richtig. Es ist die Fortsetzung dessen, was Reimann als KPD-Vorsitzender einmal sagte: „Wir haben zwar als Einzige gegen die Verfassung gestimmt, aber wir werden die Einzigen sein, die sie verteidigen.“ Deshalb sei noch einmal ernsthaft darauf hingewiesen: – –
Kollege Bartl, wir haben beide Herrn Dr. Martens aufmerksam zugehört. Stimmen Sie mit mir darin überein, dass jemand, dem in der Argumentation nie etwas anderes als die Vergangenheit einfällt, über die Zukunft nur sehr wenig sagen kann?
Ich stimme mit Ihnen darin überein. – Herr Dr. Martens, ich habe den Eindruck, dass Sie nicht begriffen haben, dass wir auf den Gesetzentwurf der FDP reagiert haben. Wir haben doch keinen Artikel eingebracht, die Planwirtschaft ins Grundgesetz einzuführen.
Ihre Partei hat einen Artikel bzw. einen Gesetzentwurf eingebracht, aus dem Grundgesetz einen Artikel zu
streichen, der unter Umständen die letzte Vorkehrung sein soll, dass nicht Bodenschätze etc. pp. gegen das Wohl der Allgemeinheit monopolisiert werden.
Das wollen Sie weghaben, das halten Sie in Ihren wirtschaftspolitischen Vorstellungen für bedrohlich.
Deshalb sind Sie mit diesem Artikel in der Nähe der Verfassungsfeindlichkeit, und Sie haben sich nicht distanziert. Sie können ja unserem Antrag zustimmen, dann haben Sie kein Problem mehr.
Artikel 15 und Artikel 14 Grundgesetz stehen ebenso wie andere Grundrechte und grundgesetzliche Ermächtigungen in einem funktionellen Zusammenhang mit dem Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes. Das ist überall in der Kommentierung klargestellt. Neoliberalismus als verfassungsrechtlichen Kurs festzuschreiben und Sozialisierungsermächtigungen als Instrumentarien für die Beibehaltung einer sozialen Ausformung der Marktwirtschaft aus der Verfassung tilgen zu wollen ist nach unserer Überzeugung – Herr Dr. Martens, vielleicht hören Sie mir einmal zu – nicht mehrheitsfähig. Wir sind doch hier nicht die 124 Leute in diesem Land, die bestimmen, was das Wohl und Wehe der Allgemeinheit ist!
Es gibt auch eine Bevölkerung, der Sie verpflichtet sind und die Sie wählt. Haben Sie einmal gefragt, ob jemand in diesem Land Sachsen bereit ist, den Sozialisierungsartikel mit Ihnen zu streichen, wie viele das sind und ob sie das zur Wende wollten?
Das, was Sie tun, gerät unter diesem Aspekt tatsächlich in fatale Nähe von Vorhaben, die Verfassung im Kern auszuhöhlen.
Letzter Satz: Die Geschichte der Weimarer Republik lehrt, was es bringt, wenn man einmal errungene gesetzliche und verfassungsrechtliche Positionen und Möglichkeiten zur Disposition stellt und die verloren gehen, wenn verfassungsrechtliche Güter ohne Allgemeininteresse beseitigt und tragfähige Prinzipien und Werte, auf die sich das Gemeinwesen stützt, aufgegeben werden.
Meine Damen und Herren! Wir können nun zur Abstimmung kommen. Ich stelle die Drucksache 4/7148 zur Abstimmung. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Keine Stimmenthaltungen. Bei einer ganzen Reihe von Stimmen dafür ist der Antrag dennoch
Wenn sich alle wieder ein wenig beruhigt haben, würde ich gern den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufen.
Nachdem der Abg. Bartl eingeräumt hat, dass der Antrag einer spontanen Verärgerung entsprungen ist, bin ich beruhigt, frage mich aber: Warum nimmt der Antragsteller nicht den Antrag zurück? Der Antrag der Linksfraktion.PDS hier im Sächsischen Landtag und der Antrag der FDPFraktion im Deutschen Bundestag haben eine gegensätzliche Zielrichtung. Die Linksfraktion.PDS will an Artikel 15 GG festhalten, die FDP will ihn aufheben. Beide Anträge haben aber auch eine Gemeinsamkeit: Sie sind aus Sicht der Staatsregierung durchaus überflüssig.
Warum ist der FDP-Antrag in Berlin überflüssig? Weil Artikel 15 GG natürlich keine Bedrohung der Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland darstellt. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Bestimmung seit 1949 im Grundgesetz enthalten ist und Deutschland in der Nachkriegszeit einen beispiellosen wirtschaftlichen Aufschwung erfahren hat. Auch heute gehören wir zu den wohlhabendsten Ländern der Erde. Wir mögen mannigfaltige Probleme haben; wir haben aber jedenfalls kein Problem mit der Eigentumsordnung des Grundgesetzes.
Von Artikel 15 GG ist bislang nicht Gebrauch gemacht worden. Mir sind auch keine Forderungen bekannt, Verstaatlichungen vorzunehmen – der Trend geht vielmehr in die entgegengesetzte Richtung, hin zur Privatisie