Protocol of the Session on December 14, 2006

Jüngst gab es die Feierlichkeiten zum 200-jährigen Jubiläum des Sächsischen Königreichs, eine wenig rühmliche Veranstaltung. Zwar dankte man den Wettinern für ihren Einsatz für Sachsen. Ministerpräsident Milbradt gehörte zu den Festrednern. Er sprach von der Sammelleidenschaft und betonte – Zitat –, „dass die jahrhundertelange monarchische Herrschaft in Sachsen segensreich für unser Land war und in mancherlei Hinsicht bis heute nachwirkt“.

Doch das Volk, dieser Lümmel, es wollte nicht so recht jubeln. Und es will jetzt erst recht nicht jubeln, nachdem es wieder einmal vor Augen geführt bekommt, wie sich

der vorgebliche Segen dieser Herrschaft in einer bestimmten Hinsicht auswirkt. Wie tief kann der Ruf der Wettiner noch sinken, wenn sie sich wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen benehmen und einen Wunschzettel von 1 600 Stücken abliefern, die sie gern auf 3 000 aufrunden würden? Ob zu ihrem Erbe tatsächlich 3 000 Porzellane gehören, das wird noch nachzuweisen sein. Bewiesen haben sie aber bereits, dass sie von ihren Vorfahren wenig geerbt haben, jedenfalls nicht deren Kunstsinn. Die Nachfahren wollen jetzt das, was ihre Ahnen auch in schlechten Zeiten zusammengehalten haben, im wahrsten Wortsinne verscherbeln. Selbst wenn es sich herausstellen sollte, dass sie formaljuristisch im Recht sind; es gibt eine Moral jenseits des Gesetzes: Adel verpflichtet – sollte man meinen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion.PDS, der SPD und der FDP)

An die Wettiner haben wir juristisch betrachtet keine Forderungen zu stellen, ihnen ist aber dringend ein Hauch von Kunstsinn ihrer Vorfahren und ein Hauch von Verantwortungsbewusstsein zu wünschen. Adel verpflichtet, Adel mit Eigentum verpflichtet doppelt.

Aber nicht nur die Wettiner stehen in der Verpflichtung, auch der Freistaat, die Staatsregierung haben einiges zu leisten. Dazu in der zweiten Runde mehr.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion.PDS und der SPD)

Wird von der Linksfraktion.PDS das Wort gewünscht? – Herr Hilker, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Fast jeden Abend kann man auf RTL unter Günther Jauch sehen: „Wer wird Millionär?“ Derzeit erleben wir in Sachsen ein anderes Stück unter der Regie von Ministerpräsident Prof. Georg Milbradt: „Wie bleibt man Millionär?“ Schauen wir sieben Jahre zurück. 1999 gab es einen Vertrag mit dem Hause Wettin. Die Wettiner bekamen 24 Millionen Euro und es wurde offiziell gesagt: Damit ist so gut wie alles erledigt, es sei denn, man findet irgendwo in Sachsen noch einen großen Schatz. Nach sieben Jahren, so können wir feststellen, ist das Geld anscheinend alle, einige Wettiner wohnen zur Miete – ich sage mal, mein Mitleid hält sich da in Grenzen – und wir müssen wieder reagieren.

Wir müssen deshalb reagieren, weil vonseiten der Wettiner doppelt vorgesorgt wurde. Zum einen gab es eine entsprechende Öffnungsklausel im Vertrag. Da frage ich mich, Herr Heitmann, Sie waren damals Justizminister: Wie kam die dort hinein? Haben Sie dort mitverhandelt? Zum Zweiten hat natürlich die Staatsregierung versucht, die Wettiner auf ihre Seite zu ziehen, indem Herr Prinz Alexander von Sachsen als Berater eingestellt wurde, und zwar mit einem Honorar von 90 000 Euro plus entsprechende Spesenkosten. Wenn man den Verlautbarungen glaubt, dann hat dies anscheinend nicht gefruchtet. Man

hat wahrscheinlich genau den Falschen aus der Familie eingestellt, sonst hätte man die heutigen Debatten nicht.

Abgesehen davon, dass Prinz Alexander von Sachsen nicht viel für die Staatsregierung gebracht hat – zumindest wenn man den Aussagen der Staatsregierung glaubt –, kann man nicht nachweisen, welche Ansiedlungen er für 90 000 Euro ermöglicht hat und welche Netzwerke uns genutzt haben. Wir können nur feststellen, dass die Forderungen des Hauses Wettin ins Unermessliche steigen.

Herr Ministerpräsident Milbradt, Sie sagten am 8. September in Pillnitz: „Nicht zuletzt profitiert Sachsen noch heute von der Sammelleidenschaft des Hauses Wettin. Die Staatlichen Kunstsammlungen pflegen heute ein reiches und vielfältiges kulturelles Erbe, das den Vergleich mit den Museen in London, Paris, Sankt Petersburg oder Madrid nicht scheuen muss.“ Doch was stellen wir heute fest? Das Haus Wettin erhebt Anspruch auf circa 15 % der Porzellansammlung. Dies ist nicht das Einzige. Man will insgesamt Forderungen im dreistelligen Millionenbereich stellen. Man stöbert in Museen herum und sucht nach Möbeln. Man geht noch weiter, man sucht sogar nach Immobilien.

Warum dies alles, meine Damen und Herren? Ja, das Haus Wettin leidet unter der Unfähigkeit, Geld zusammenzuhalten. Wie sonst lässt sich erklären, dass man mit den 24 Millionen Euro von vor sieben Jahren nicht ausreicht und in der Öffentlichkeit öfter über seine privaten Lebensverhältnisse berichtet?

Es stellen sich in diesem Zusammenhang viele Fragen. Wer sagt denn, Herr Heitmann, dass das Haus Wettin recht hat? Herr Justizminister Mackenroth, wer sagt denn, was genau in den Verträgen steht? Wieso verhandelt anscheinend der Freistaat Sachsen nicht auf Augenhöhe mit dem Hause Wettin? In anderen Bereichen gibt man teure Gutachten in Auftrag und bezahlt teure Rechtsanwälte, um die Interessen des Freistaates zu sichern. Dies ist derzeit nach meiner Sicht der Dinge im Freistaat Sachsen nicht der Fall.

Weiter ist zu fragen: Herr Heitmann, was steht denn im entsprechenden Vergleichsvertrag? Welche Verträge wurden in der Folge geschlossen? Welche zusätzlichen Vereinbarungen gibt es, welche geheimen Nebenabsprachen?

Ich sage Ihnen klar und deutlich: Dies müssen wir wissen. Wir müssen wissen, welche Grundlagen es gibt, denn wir müssen wissen, was auf den Freistaat noch zukommen wird. Wir alle haben auf die Verfassung geschworen. Wir haben Schaden vom Freistaat Sachsen abzuwenden.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Wird von der CDU-Fraktion noch das Wort gewünscht? – Ich frage die SPD-Fraktion. – Die NPD-Fraktion? – FDP? – Herr Dr. Schmalfuß, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Museum für die Wettiner – das wünschen sich die heutigen Wettiner. Zumindest liest man es so in der „Sächsischen Zeitung“ vom 10. November 2006. Ich zitiere Albert Prinz von Sachsen: „Natürlich gehören diese Kunstwerke nach Sachsen. Schon seit vielen Jahren kämpfen wir darum, in Dresden ein Museum für die Wettiner gründen zu können. In diesem Museum sollten unsere Kunstschätze zu Hause sein.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nun frage ich mich aber: Was sind denn die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden? Sind sie nicht der Ort, an dem die Wettiner Schätze gesammelt, professionell gepflegt, aufbereitet haben und diese ganz im Sinne der Tradition Augusts des Starken ausgestellt werden?

Meine Damen und Herren! Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden sind das Wettin-Museum! Deshalb erklärt sich mir nicht, warum die Wettiner dieses Museum ausräumen, warum sie die Porzellane im Ausland verhökern und damit ihren eigenen Traum, diese angebliche Herzensangelegenheit, zerstören.

Rund 2,2 Millionen Besucher hatten die Staatlichen Kunstsammlungen 2005. Dieses Jahr öffnete das Historische Grüne Gewölbe, wenige Monate später die Ostasiengalerie, eine einmalige Präsentation kostbarer Porzellane, eine in meinen Augen zweite Schatzkammer der Wettiner. Kaum ist die Eröffnung vorbei und die ersten Besucher strömen durch die Ausstellung, schon bedrohen horrende Rückforderungen diese Perle sächsischer Schausammlungen. Nicht nur, dass 15 % der Porzellansammlung auf dem Spiel stehen, auch der Alltagsbetrieb des Museums ist beeinträchtigt. Leihgaben werden gestoppt, Personal wird abgezogen. Die Herkunftsforschung bestimmt den Alltag. Alle arbeiten mit Hochdruck an den Anspruchsforderungen und sie arbeiten daran zu beweisen, dass die Porzellane wirklich den Wettinern gehören, um sie dann abzugeben. Das ist doch verkehrte Welt, meine Damen und Herren!

Sehr geehrte Damen und Herren von der Staatsregierung! In welche Situation haben Sie uns gebracht, wenn die Beweislast nun bei den Staatlichen Kunstsammlungen liegt? Der Erhalt von Sachsens Schätzen ist von öffentlichem Interesse. Deshalb fordern wir als FDP-Fraktion die Einbindung des Sächsischen Landtages.

(Beifall bei der FDP, der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Schon nach der Verfassung von 1831 – das hatte ich bereits erwähnt – war es nur in außerordentlichen Notfällen möglich, Kostbarkeiten zu verpfänden. Dies, meine Damen und Herren, war nach § 20 Abs. 3 der Verfassung von 1831 nur unter Zustimmung der Stände möglich. Bei künftigen Verträgen über Sachsens Kulturerbe muss der Sächsische Landtag in seiner Kontrollfunktion eingebunden werden.

Meine Damen und Herren! Als hätten die Staatlichen Kunstsammlungen nicht schon genug mit den Personalkürzungen der Staatsregierung zu kämpfen, müssen sie nun auch noch die Exponatsrecherchen bewältigen. Frau Staatsministerin Stange, Sie haben bereits verkündet – so entnehme ich es zumindest der Presse –, dass Sie kein weiteres Personal für diese Aufgaben genehmigen werden.

Meine Damen und Herren! Unseren Antrag zum Haushalt, der die Stellenkürzungen rückgängig machen sollte, haben Sie vorgestern abgelehnt. Stimmen Sie wenigstens heute unserem Antrag zu, der den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden die zusätzlichen personellen und finanziellen Ressourcen bereitstellt, die für die Bearbeitung der Ansprüche der Wettiner erforderlich sind!

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Herr Dr. Gerstenberg, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte vorhin von den moralischen Ansprüchen an die Wettiner gesprochen. Doch nicht nur die Wettiner stehen in dieser Sache in der Verantwortung. Ganz dringend muss sich das Kunstministerium, muss sich die Staatsregierung mit den für sie tätigen Juristinnen und Juristen fragen lassen, welchen Vertrag sie 1999 ausgehandelt haben – vielleicht im besten Glauben an das Gute im Menschen, also auch an die Wettiner, aber auch mit bestem juristischem Wissen? Waren da Leute am Werk, Juristen, die spezialisiert sind auf die Feinheiten von Restitutionsansprüchen, von Kunstraub und von Kunstrückgabe, von Öffnungsklauseln? Das muss uns die Staatsregierung genauestens darlegen. Wir werden deshalb auch dem FDP-Antrag zustimmen, den wir heute Nachmittag beraten, der genau diese Offenlegung gegenüber dem Sächsischen Landtag fordert.

(Beifall bei den GRÜNEN und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die juristische Materie ist kompliziert und von daher kaum zu beurteilen. Umso wichtiger ist es, dass zumindest die Kunstsammlungen wissen, was eigentlich in ihrem Bestand existiert. In Dresden ist man in dieser Hinsicht bereits weiter als anderswo. Praktisch sieht es so aus, dass sich zwei Wissenschaftler um die Provenienzforschung kümmern. Beide sind ausgewiesene Experten auf diesem Gebiet. Aber wenn wir uns nur einmal vor Augen halten, was es bedeutet, 1 600 Akten in die Hand zu nehmen, sie auch nur auf- und zuzuschlagen, dann wird klar, dass diese Arbeit von zwei noch so großartigen Experten nicht in einem halbwegs akzeptablen Zeitraum zu bewältigen sein wird. Deswegen geht es in dieser Debatte unmittelbar nach den Haushaltsberatungen wieder einmal um Geld, zumindest um Geld für die Finanzierung dieser Aufgaben.

Zu loben ist, dass hier zurzeit eine Stiftung in die Bresche gesprungen ist. Es ist jedoch nach Auffassung unserer Fraktion die Pflicht des Freistaates, die Verantwortung für die Staatlichen Kunstsammlungen auch in dieser Frage zu übernehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der FDP)

Wollen wir es wirklich riskieren, dass wegen der Rückforderung die Porzellansammlung wochenlang geschlossen werden muss, dass die Arbeit an Sonderausstellungen, an Leihgaben, die den guten Ruf des Hauses weithin in die Welt tragen, deswegen liegen bleiben muss? – Nein, das dürfen wir nicht riskieren. Das darf nicht geschehen. Deshalb hat es keinen Sinn, hier die Revolution von 1918 noch einmal aufzurollen und im gewissen Sinne für die Einführung der Räterepublik zu kämpfen, wie es Herr Külow getan hat. Es hat auch keinen Sinn, in populistischen Forderungen die Verträge im Zuge der Wiedervereinigung zu hinterfragen. Die Staatsregierung ist aufgefordert, konsequent alles ihr Mögliche zu tun, um unser kulturelles Erbe auch für die nächsten Generationen zu bewahren.

Frau Staatsministerin Stange, Herr Staatsminister Metz, Sie müssen dafür sorgen, dass dieses Erbe, dass diese wunderbaren und einmaligen Kunstwerke dauerhaft öffentlich zugänglich bleiben.

Ganz nebenbei zum Schluss noch eine Bemerkung: Die Staatsregierung ist außerdem aufgefordert, sehr gründlich zu überdenken, ob ein adliger Berater aus dem Hause Wettin in Wirtschaftsfragen seine hohe Bezahlung wirklich wert ist, wenn es ihm nachgewiesenermaßen an diplomatischem Gespür und an Kunstverstand fehlt.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion.PDS und der FDP)

Ich erteile das Wort der Linksfraktion.PDS. Prof. Porsch, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herrn Müller kann man ja nicht ernst nehmen.

(Zuruf des Abg. Dr. Johannes Müller, NPD)

Aber man muss dann schon im Hause sagen: Einer der größten Kunsträuber aller Zeiten waren die Nazis. Sie haben die geraubte Kunst nicht einmal in Museen ausgehängt, sondern sie haben sie in die geraubten Schlösser gehängt, wo dann Herr Göring residierte. Und sie haben die von ihnen sogenannte entartete Kunst schamlos aus den Museen entfernt und für gutes Geld in der Welt verkauft. Das ist das eine.

(Jürgen Gansel, NPD: Reden Sie zu Ihrem eigenen Antrag!)

Das Zweite: Herr Schmalfuß, das ist ja richtig, dem KoKo kann man nur äußerst kritisch gegenüberstehen. Aber schauen Sie, was heute Kommunen machen müssen, wenn sie keine Mittel mehr haben! Auch die müssen das

Tafelsilber verscherbeln, auch die müssen die Museen zumachen, die müssen Orchester und Theater schließen. Das ist genauso zu kritisieren.

Aber zur Sache. Ich meine, Herr Gerstenberg, man muss schon auf 1918 zurückkommen. Da hat eine Revolution stattgefunden. Danach hat der König abdanken müssen. Der hat das aus Einsicht in die Notwendigkeit von allein und ganz frei getan – das ist vielleicht eine sächsische Besonderheit – und gesagt: „Macht euern Dreck alleene!“ – Zu dem Dreck gehört das Porzellan; das tut mir leid. Das war eine Revolution. Eine Revolution ändert immer Rechts- und Eigentumsverhältnisse. Das hat auch die gemacht, die Herr Heitmann gepriesen hat – die von 1989. Natürlich sind nach 1989 Eigentums- und Rechtsverhältnisse verändert worden.

Das ist das Wesen von Revolutionen, sonst wären sie eigentlich gar nicht nötig. Damit muss man in der Geschichte leben und das muss man akzeptieren. Das müssen auch die Wettiner akzeptieren. Darüber brauche ich mich eigentlich gar nicht sehr aufzuregen. Und es gibt ja Wettiner, die das akzeptiert haben. Ich schätze Rüdiger von Sachsen sehr, der die einstmals wettinischen Güter rund um Schloss Moritzburg zurückgekauft hat. Er bewirtschaftet sie heute, er schafft Arbeitsplätze, er schafft Werte. Das kann man doch nur als vorbildlich herausheben. Die Wettiner sollen so weitermachen

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

und nicht denken, sie könnten sich billig mit dem Porzellan aus der Affäre ziehen, wenn sie einmal ein wenig klamm sind.