Drittens. Diese Regelung gilt für die Jahre 2007 bis einschließlich 2010, also ein Jahr über die Legislaturperiode des Bundestages hinaus.
Viertens – das finde ich ganz entscheidend: Für die ostdeutschen Länder würde durch die Sonderbedarfsergänzungszuweisung eine klare Perspektive aufgezeigt, dass diese nicht 2009 endet, sondern um ein Jahr verlängert wird. An die gleiche Frist ist die Gesamtregelung gekoppelt.
Insofern und auch mit Blick auf die Zeit kann ich die zwei Sätze noch zu Ende führen. Es gibt eine klare Ansage aus dem Bundeskanzleramt. Kanzleramtsminister de Maizière hat am 03.11. bei der Bundesratssitzung noch einmal darauf hingewiesen, dass das Wehklagen der Kommunen nicht zu vernehmen ist. In Sachsen kann ich das nur bestätigen. Auch mit Blick auf den Haushalt 2007 und 2008 haben wir uns im Landeshaushalt eindeutig dazu bekannt, dass wir auch Sonderbedarfsergänzungszuweisungen in Höhe von 268 Millionen Euro pro Jahr für die Weitergabe der Wohngeldeinsparung des Landes an die Kommunen weiterreichen. Das sind für 2007 und 2008 insgesamt 200 Millionen Euro mehr, als 2005 pauschaliert waren. Das ist ein Erfolg. Dass Sie das als Linksfrakti
on.PDS nicht akzeptieren können, verstehe ich. Das ist Ihre Rolle als Opposition. Ich denke, das ist mehr, als wir erwartet haben.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben jetzt Mitte November. Seit etlichen Monaten steht das Thema der Debatte auf der Agenda, und alle Beteiligten wissen seit Langem, dass der 31. Dezember einen unwiderruflichen Schlusspunkt markiert: Zu diesem Datum läuft die bisher geltende Kostenbeteiligungsquote des Bundes an den kommunalen Ausgaben für Hartz-IV-Betroffene aus. 2005 lag diese bei rund 3,5 Milliarden Euro, 2006 bei 3,9 Milliarden Euro. Angesichts der tatsächlichen Belastungen der Kommunen ist dieses ohnehin dürftig, denn 2005 betrugen die Belastungen 13,2 Milliarden Euro, 2006 vermutlich über 15,5 Milliarden Euro.
Es war von vornherein eine der vielen Achillesversen der Hartz-Gesetze, dass sich offensichtlich kein Verantwortlicher Gedanken über den 31. Dezember hinaus gemacht hat – ein klassischer Fall sozialpolitischer Flickschusterei mit dem Effekt, dass sich Bund, Länder und Gemeinden schon seit Monaten auf allen Ebenen darüber zanken, wie es nun ab dem 01.01.2007 weitergehen soll.
Die fixe Kostenbeteiligungsquote des Bundes lag bisher bei 29,1 % – eine rein fiktive Marke; ein Kompromiss, der fauler nicht sein kann. Ursprünglich lag die Verhandlungsposition des Bundes gar nur bei 15 %, während die Länder – was der Realität wesentlich näher kommt – von Anfang an 40 % als erforderlich erachteten. Diese 40 % saugten sich die Länder nicht aus den Fingern, sondern beruhten auf den Daten der Kommunen. Dabei war in diese 40 % nicht einmal eingerechnet, dass gerade in den letzten zwei Jahren zum Beispiel die Mietnebenkosten explodiert sind, in vielen Kommunen teilweise 35 bis 40 % innerhalb eines Jahres. In dieser Länderförderung von 40 % war noch nicht enthalten, dass es auch für die ab 2009 wegfallenden Sonderbedarfsbundesergänzungszuweisungen weit und breit kein tragfähiges Anschlusskonzept gibt. Auch dieser Geldstrom wird den Kommunen unbarmherzig fehlen, und zwar ebenfalls schon nach gut zwei Jahren.
Meine Damen und Herren! Der Berg kreißte und gebar, wie üblich, wenn die Altparteien etwas in die Hände nehmen, eine Maus. Immerhin, weniger als zwei Monate vor Auslaufen der bisherigen Regelung einigten sich Bund und Länder auf eine neue Phantomzahl: nicht 15 %, nicht 40 %, auch nicht wie bisher 29,1 %, sondern 31,8 % oder, in Euro ausgedrückt, 4,3 Milliarden Euro; denn mit dieser Summe will sich der Bund 2007 an den kommunalen Unterkunftskosten beteiligen.
Nun könnte man sagen – entsprechend triumphalistisch klingt das ja auf Unionsseite auch –, 4,3 Milliarden Euro sind mehr als 3,9 Milliarden Euro. Aber es bleibt dabei: Diese Steigerung um gerade einmal 400 Millionen Euro wird den flächenbrandartigen Dimensionen des Problems ebenso wenig gerecht wie der Dynamik der Kostenexplosion. Außerdem stellt sich unter dem Strich die Frage, wie es ein Jahr später weitergehen soll. Wieder ein Jahr Tauziehen, ein Jahr Planungsunsicherheit, ein weiteres Jahr, in dem die Betroffenen nicht wissen, ob sie ein Jahr später noch ein Dach über dem Kopf haben werden, während auf der anderen Seite den Kommunen weiterhin Perspektivlosigkeit und die Rolle eines Dauerbittstellers beim Bund zugemutet werden.
Meine Damen und Herren! „Flickschusterei“ reicht eigentlich nicht aus, um zu beschreiben, was den Menschen hier an die Beine gebunden wird. Aus guten Gründen war die NPD von Anfang an gegen die Hartz-Gesetze, und diese Gründe werden leider mit jedem Jahr stichhaltiger. Die Frage, auf welchen Kompromiss wir uns nächstes Jahr zur gleichen Zeit freuen dürfen, stellen wir lieber gar nicht erst, da am Ende doch kein Weg um die Einsicht herumführt, dass Hartz IV schlicht und ergreifend ein Holzweg ist. Da hilft auch kein Herumdoktern an der Stelle hinter dem Komma, nein, der Fehler liegt im System!
Sehen Sie, wir hatten diese Debatte im Plenum schon einmal im Juli. Seither sind wir nicht schlauer geworden, und schon damals kam hier zur Sprache, dass es geradezu grotesk ist, dass auf der einen Seite die Sozialhilfekosten eingespart werden, während auf der anderen Seite die Kosten der Unterkunft neu entstanden sind und unaufhaltsam steigen, dass die sonstigen Kosten, die den Kommunen und Landkreisen für Umzüge, für Beihilfen, einmalige Leistungen usw. entstehen, nicht planbar und erst recht nicht kontrollierbar sind. Was soll man über die absurde, menschenverachtende Situation noch sagen: dass Betroffene die Unterkunft inzwischen oft genug aus ihrem Regelsatz bestreiten müssen, der doch ohnehin kaum zum Leben reicht?
Nein, meine Damen und Herren, Hartz IV ist nach wie vor unsozial und geht zulasten derer, die Ihre Politik, meine Damen und Herren, zusehends zur neuen Unterschicht degradiert. Hartz IV gehört weg!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema ist ja nicht neu. Selbst die Titel des Antrages vom 20. Juli und der heutigen Debatte sind wortgleich. Was neu ist, das ist der Kompromiss vom 3. November, wonach der Bund den Kommunen deutlich mehr für die Kosten der Unterkunft zahlt als ursprünglich geplant.
Wir erinnern uns: Herr Steinbrück wollte in guter Tradition seines SPD-Vorgängers Herrn Eichel die Kommunen zunächst erst einmal allein lassen. Die 2 Milliarden Euro, die er im Bundeshaushalt 2007 für die Kosten der Unterkunft vorgesehen hatte, waren von Anfang an als lächerlich anzusehen, im Grund genommen ein Affront gegenüber den Kommunen, auch gegenüber unseren sächsischen Kommunen. Wenn sich Herr Steinbrück durchgesetzt hätte, hätten die sächsischen Kommunen nach deren Berechnung eine Unterdeckung bei den Kosten der Unterkunft in Höhe von 160 Millionen Euro jährlich gehabt. Für 2006 sind im Bundeshaushalt übrigens noch 3,6 Milliarden Euro vorgesehen, was dem Ist 2005 entspricht. Die deutschen Kommunen haben hingegen 5,8 Millionen Euro als Bedarf ausgerechnet. Der jetzige Kompromiss mit einer Bundesquote von 31,8 % bzw. 4,3 Milliarden Euro hat zumindest das Schlimmste verhindert.
Erfreulich für uns in Sachsen ist beim Kompromiss, dass die Hartz-SoBEZs, die für Sachsen immerhin netto 268 Millionen Euro ausmachen und an die sächsischen Kommunen weitergeleitet werden, um ein Jahr, also bis 2010, verlängert wurden. Jetzt kann man lange darüber argumentieren, ob die Staatsregierung die Interessen der sächsischen Kommunen deswegen nicht gewahrt hat, weil nicht die von den Spitzenverbänden geforderten 5,8 Millionen Euro geflossen sind. Das ist aber aktuell nicht der springende Punkt. Sorge machen uns für die sächsischen Kommunen folgende Punkte. Herr Brangs, im Gegensatz zu Ihnen betrachten wir auch Kompromisse kritisch. Wir sehen nämlich, dass
erstens dieser Kompromiss am Freitag, dem 3. November, geschlossen wurde. Das war der Tag, an dem der Arbeitskreis Steuerschätzung Steuermehreinnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe verkündet hatte. Der Kompromiss entspringt danach nicht der Vernunft des Bundes, er entspringt auch nicht einer gemeinsamen Datenbasis von Bund, Ländern und Kommunen – diese gibt es nämlich seit eineinhalb Jahren immer noch nicht –, nein, der Kompromiss entspringt einzig und allein den guten Steuereinnahmen. Insofern kann sich wohl jeder selbst ausrechnen, was passieren wird, wenn die Steuereinnahmen nicht mehr in dieser Höhe fließen werden.
Zweitens. Der größte Brocken steht noch vor uns, nämlich die Verteilung der 4,3 Milliarden Euro unter den Ländern, das heißt, der sogenannte horizontale Ausgleich. Da wird es unserer Meinung nach noch ein Hauen und Stechen geben. Da wird es ein Nord gegen Süd, Stadtstaaten gegen Flächenstaat, West gegen Ost geben. Je nach Berechnungsmethode profitiert mal der eine, mal der andere. Insofern wird sich noch zeigen müssen, dass der Kompromiss vom 3. November auch in echten Geldscheinen hier in Sachsen ankommt.
Der Zeitung kann man zum Beispiel entnehmen, dass Kommunen in Rheinland-Pfalz, in Baden-Württemberg und in Nordrhein-Westfalen einen gesonderten VorwegFinanzausgleich erhalten sollen, der 0,7 % der Bundes
quote ausmacht. Damit wären bereits 100 Millionen Euro belegt. Wir müssen in der Tat aufpassen, dass dabei Sachsen nicht im Gescharre unter die Räder kommt.
Insofern ist der Kompromiss vom 3. November 2006 für uns nur eine Momentaufnahme, der erneut aufzeigt, dass der gesamte Hartz IV-Komplex einer Generalüberholung bedarf. Wenn sich Bund, Länder und Kommunen seit Beginn von Hartz IV, das heißt seit 23 Monaten, immer noch nicht über gemeinsame Berechnungsgrundlagen verständigen können und stattdessen wie auf dem Basar feilschen müssen, zeigt dies deutlich, dass das System offenbar nicht mehr reparabel ist. Was wir im Interesse unserer sächsischen Kommunen brauchen, ist eine Generalrevision von Hartz IV.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich ein wenig über Ihren Titel für die Aktuelle Debatte gewundert. Eigentlich hätte ich von Ihnen erwartet, dass Sie im Titel außer den Interessen von Freistaat und Kommunen auch die Interessen der Langzeitarbeitslosen mit im Blick haben. Sie sind diejenigen, die mit den sogenannten Optimierungsgesetzen unter die Räder gekommen sind.
Wie läuft das aktuelle Verfahren zur Unterstützung der Kommunen bei den Kosten der Unterkunft? Dabei geht es zum einen um den Bundesanteil – das wurde schon ausreichend diskutiert – und zum anderen um die Verteilung dieser Mittel durch das Land an die Kommunen.
Zum Ersten spare ich mir viele Worte. Es stehen 4,3 Milliarden Euro als Kompromiss fest. Wir halten das derzeit für einen annehmbaren Kompromiss, vor allen Dingen unter dem Gesichtspunkt, was ursprünglich vorgesehen war, aber es muss offen sein für weitere Diskussionen. Zu Recht stellt Dr. Landsberg vom Deutschen Städte- und Gemeindebund fest, dass alle Kosten für Hartz IV nur dann nachhaltig sinken, wenn wir den Langzeitarbeitslosen wieder eine Perspektive bieten, um ihren Unterhalt selbst zu bestreiten.
Zum anderen geht es bei dieser Diskussion um die gerechte Verteilung der Mittel durch das Land. Im vergangenen Jahr wurde auf unseren Antrag hin – Herr Scheel, das haben Sie verschwiegen – die Nettobelastungsermittlungsverordnung für die kommunalen Kosten der Unterkunft überprüft.
Aha, dann kommt das also noch. – Das Ergebnis dieser Überprüfung ist, dass viel Geld in die Kassen der Kommunen gespült wird. Dresden erhält fast 3,5 Millionen
Euro mehr, Leipzig 6,5 Millionen Euro und Chemnitz 2 Millionen Euro. Das ist schon etwas. Das sind auch nur die großen Beträge.
So sieht der Kompromiss derzeit aus. Nunmehr werden die eine Hälfte der Kosten entsprechend den Ist-Ausgaben und die andere Hälfte pauschal auf der Grundlage des Landesdurchschnitts gezahlt. Damit sind wir unseren Vorstellungen ein Stück näher gekommen und damit können wir erst einmal leben.
Die Probleme in der Fläche sind nicht nur die Kosten der Unterkunft für Langzeitarbeitslose, sondern viel stärker leiden diese Regionen unter der Abwanderung von jungen Menschen. Deshalb brauchen wir dort, um eine dauerhafte Veränderung zu erreichen, neue Perspektiven, vor allen Dingen für Kinder und Jugendliche. Der Öko-Landbau und der Tourismus können eine Perspektive für ländliche Kommunen sein. Dabei muss man aber voraussetzen, dass ein schonender Umgang mit Ressourcen gepflegt wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es zeigt sich aber sehr klar, dass wir, wenn wir nur auf die Kosten der Unterkunft schauen und sie möglichst niedrig halten, die Menschen aus dem Blick verlieren, denn die Kosten der Unterkunft sinken auch dann, wenn die Menschen wegziehen.
Eine dauerhafte Entspannung der Lage können wir mit der Fixierung auf die Kosten der Unterkunft nicht erreichen. Wir wissen, eine Zwangsbedarfsgemeinschaft auf der Basis der sozialen Herkunftsfamilien ist nur kurzfristig eine Einsparung. Langfristig wird sie uns zu einer ganzen Reihe von Folgeproblemen führen. Wir verhindern damit Selbstständigkeit und eigene Verantwortung und wir verhindern kreative Modelle, die auch nicht teurer sind, aber eine Herausforderung für junge Menschen darstellen können. Sie ermöglichen ihnen, eigene Erfahrungen zu sammeln. Sie können zum Beispiel in WGs zusammenwohnen und lernen, mit ihren Finanzen zu haushalten. Damit können sie die Übernahme von Verantwortung lernen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Debatte über Hartz IV wird immer eine Debatte über die Möglichkeiten sein, die wir Menschen neu eröffnen, und über Spielräume, die wir schaffen. Nur mit dieser Debatte werden wir die Situation der Kommunen dauerhaft stabilisieren.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich stelle folgende Fragen: Ist es ein Erfolg, wenn jährlich darum
gekämpft werden muss, dass für Pflichtleistungen die entsprechenden Mittel bereitgestellt werden? Kann man das als Erfolg bezeichnen? Ich glaube nicht.
Ich will es konkretisieren. Das SGB II ist ein Gesetz, dessen Ausfinanzierung zu keiner Zeit – auch nicht heute – gesichert ist. Von Anfang an wurde davon ausgegangen, auf Kosten der Kommunen zu sparen. Dieses Grundprinzip hat sich nicht geändert, es hat sich weder durch die Veränderungen auf der Bundesebene und schon gar nicht im Land geändert. Keine einzige Berechnung der tatsächlich notwendigen Mittel ist bis zum heutigen Tag richtig. Falsch waren alle Berechnungen zur Bedarfsgemeinschaft. Falsch waren alle Berechnungen zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die man in den ARGEn und in den Optionskommunen benötigt. Falsch waren alle Kosten für die Eingliederung. Sämtliche Berechnungen und Voraussagen – komplett alle – waren falsch. Sie gingen in die Richtung, man könnte die Kommunen entlasten. Statt Entlastung entstand massive Belastung.
Frau Orosz und Herr Metz, der Freistaat Sachsen setzt mit der Nettobelastungsermittlungsverordnung noch etwas an Ungerechtigkeit drauf. Eines ist Fakt: In keiner Weise kann damit eine seriöse Gewährung der notwendigen Kosten für die Pflichtaufgabe Kosten der Unterkunft im gesamten Land gewährleistet werden. Es war frech, am Anfang trotz der unterschiedlichen Mietkategorien, die es beispielsweise in Großstädten im Vergleich zum flachen Land gibt, bis Mitte dieses Jahres die Mittel für die KdU an die Kommunen auf der Basis eines landesweiten Durchschnittswertes zu berechnen. In Leipzig, in Dresden, in Chemnitz und in Zwickau hat das dazu geführt, dass wir in zweistellige Millionendefizite gekommen sind.