Protocol of the Session on October 13, 2006

Zur Sache selbst! Wir halten es für wichtig, dass die ausländerrechtliche Altfallproblematik auf der Ebene der Innenministerkonferenz vernünftig gelöst wird. Ich bedauere es, dass wir uns hier erneut mit dieser Angelegenheit befassen müssen. Damit helfen wir bei der Erreichung des Ziels, angesichts der außerordentlich schwierigen und kontroversen Diskussionslage in der Innenministerkonferenz zu einer vernünftigen und sachgerechten Lösung zu kommen, ganz bestimmt nicht.

Wir können auch die von Ihnen unter Ziffer 3 Ihres Antrags genannte Konkretisierung der von uns im Juni beschlossenen Kriterien für eine Altfallregelung in dieser Form nicht mittragen, zumal Sie mit diesen, obwohl Sie es besser wissen müssten, Fragen des Bleiberechts für langjährig in der Bundesrepublik Deutschland geduldete Ausländer fröhlich mit Härtefallregelungen vermengen, für die nach den geltenden ausländerrechtlichen Bestimmungen das Härtefallverfahren und eine Entscheidung unserer Härtefallkommission der richtige Lösungsweg wären. Das wissen Sie ganz genau. Sie vermengen dies auch bewusst.

Klar ist aber auch, meine Damen und Herren, wir haben mit unserem Landtagsbeschluss dem Staatsminister des Innern einen Rahmen mit beispielhaften Fällen mit auf den Weg gegeben. Den Staatsminister für Ministerkonferenzen auf Bund-Länder-Ebene per Landtagsbeschluss zu binden ist widersinnig. Die Lösungsfindung der Innenministerkonferenz ist ein in der Sitzung sich entwickelnder Prozess, bei dem man Flexibilität braucht. Natürlich erwarten wir, dass sich unser Innenminister von diesem unserem Mandat leiten lässt und versucht, in dieser Konferenz ein Ergebnis zu erreichen, das unserem Willen möglichst nahe kommt. Wir wollen und werden ihm damit aber sein Abstimmungsverhalten in der Innenministerkonferenz nicht zwingend und im Detail vorschreiben, anders als Sie es wollen, denn – auch das sollten Sie wissen; der Innenminister hat es schon ausgeführt –: Die Beschlüsse der IMK können nur einstimmig gefasst werden.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte schön, Frau Dr. Ernst.

Vielleicht können Sie mir sagen, welche Rolle Sie Landtagsbeschlüssen beimessen. Welche Rolle sollen Landtagsbeschlüsse für die Staatsregierung spielen. Ist das Ermessensfrage?

Damit verbindet sich auch die Frage, inwieweit es rechtens ist, eine Auslegung des Landtagsbeschlusses durchzuführen, die dessen Geist widerspricht.

Ich kann Ihren Ausführungen nicht ganz folgen, Frau Dr. Ernst, denn der Geist unserer vier Kriterien ist unseres Erachtens vom Innenminister voll

ständig erfüllt worden. Ich sehe keine Diskrepanz zwischen dem, was wir im Juni beschlossen haben, und dem, was Herr Innenminister auch in der Presse ausgeführt hat. Wir sehen diese nicht.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Wir wollen und werden also dem Herrn Innenminister in seinem Abstimmungsverhalten in der Innenministerkonferenz nicht zwingend und im Detail vorschreiben, was er zu tun hat. Angesichts der derzeitigen Diskussionslage in Deutschland können wir mit Sicherheit davon ausgehen, dass eine von der Innenministerkonferenz beschlossene Altfallregelung immer einen mühsamen Kompromiss darstellen wird, einen Kompromiss, den letztlich auch der Freistaat Sachsen mittragen muss, auch wenn die Kriterien, die dabei erfüllt werden, nicht für alle von uns wünschenswert sind. Aber wir müssen auch dann – wie in den letzten 16 Jahren – mit den Altfallregelungen und mit dieser Entscheidung der Innenministerkonferenz leben. Wir können nicht Lösungen fordern, wie Frau Herrmann es getan hat, die nur für Sachsen passen, sondern wir brauchen Lösungen für Gesamtdeutschland.

Wichtig ist, dass wir im Ergebnis eine humanitäre Regelung haben, die mit der nötigen Sorgfalt entstanden ist und vielleicht künftige Altfälle vermeiden wird. Dazu kann die heutige Debatte einen Beitrag leisten. Enge bindende Beschlüsse helfen dabei wenig. Wir vertrauen dem Verhandlungsgeschick unseres Innenministers, Herrn Dr. Buttolo, und lehnen Ihren Antrag damit ab.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Spricht von der SPD jemand? – Herr Abg. Bräunig, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Welche Situation haben wir? Auf Anregung der Innenministerkonferenz wurde im Mai dieses Jahres eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die bis zum Herbst ein Konzept für eine Bleiberechtsregelung erarbeiten soll. Angesichts von ungefähr 200 000 geduldeten Ausländern in der Bundesrepublik – die Zahlen werden unterschiedlich ausgelegt – ist die Notwendigkeit einer Bleiberechtsregelung nunmehr innerhalb der Innenministerkonferenz unstrittig.

Deshalb haben sich die Koalitionsfraktionen in der 54. Sitzung des Landtages am 23. Juni dieses Jahres ebenfalls zu dieser Position bekannt und eine entsprechende Beschlusslage des Hohen Hauses herbeigeführt. Darin heißt es – Herr Seidel hat es bereits ausgeführt –, dass es klarer Voraussetzungen für eine humanitäre Altfallregelung bedarf. Humanitär – das sage ich bewusst – bedeutet, dass im Vordergrund einer künftigen Regelung solche Begünstigungstatbestände stehen müssen, die die vielfältigsten Schicksale der Betroffenen widerspiegeln. Der seinerzeitige Antrag hat sich deshalb bewusst darauf beschränkt, eine beispielhafte Kriterienauflistung zu

wählen, die schon rein sprachlich weder abschließend noch einschränkend zu verstehen ist.

Im Übrigen teilen wir als SPD-Fraktion die Einschätzung des Bundesinnenministers Dr. Schäuble, der sich mehrfach öffentlich dahin gehend geäußert hat, dass sich die vielen Altfälle als das eigentliche Problem bei der Integration von Ausländern in Deutschland darstellen. Dr. Schäuble hat sich auch bewusst für mehr Großzügigkeit und ein deutliches Entgegenkommen des Staates in Sachen dauerhafter Aufenthaltserlaubnisse ausgesprochen.

Nun haben die Vorschläge für eine Altfallregelung inzwischen – das ist vielleicht der entscheidende Unterschied vom Juni zu heute – erste und vernünftige Konturen angenommen. Nach aktuellen Medienberichten – die „Süddeutsche Zeitung“ scheint da sehr gut informiert zu sein – zeichnet sich ein Kompromiss innerhalb der Innenministerkonferenz ab, und es wird möglicherweise – man kann im Moment tatsächlich nur spekulieren – eher ein offener Kompromiss sein, der den Ländern letztlich genügend Spielraum gibt, um auf die spezifische Situation vor Ort eingehen zu können.

Meine Damen und Herren! Die Grundausrichtung einer künftigen Bleiberechtsregelung ist aus Sicht meiner Fraktion mit dem Landtagsbeschluss vom 23. Juni 2006 hinreichend beschrieben worden. Uns war es wichtig, zunächst einmal eine moderne Grundrichtung vorzugeben. Herr Staatsminister hat uns soeben versichert, dass auch er die deutliche Beschlusslage des Landtages, die einem Kompromiss zwischen den Koalitionspartnern folgt, zum Gegenstand seiner Verhandlungen in der Innenministerkonferenz machen wird. Deshalb komme ich zu der Schlussfolgerung, dass es heute keiner weiteren Aufforderung des Landtages mehr bedarf.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Wenn ich vielleicht nur kurz auf die Einzelheiten Ihres Antrages eingehen darf: Für die Punkte 1 und 2 – das habe ich eben dargelegt – gibt es schlichtweg keinen Bedarf, eine weitere Beschlusslage herzustellen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, ich gestatte eine Zwischenfrage.

Herr Bräunig, Sie haben zu denjenigen Sozialdemokraten hier in Sachsen gehört, die die Auslegung des Herrn Innenministers in Sachen Bleiberecht für Familien mit Schulkindern kritisiert haben. Stehen Sie heute noch dazu?

Ich habe in einer ersten Reaktion, wie übrigens auch die Sächsische Ausländerbeauftragte, unser Unverständnis über das geäußert, was in dem Interview geschrieben wurde. Aber der Herr Innenminister hat uns heute, denke ich, ausreichend dargelegt, wie er das verstanden haben wollte.

Zu Punkt 1 und 2 gibt es also schlichtweg keinen Bedarf, eine weitere Beschlusslage herzustellen.

Zu Punkt 3: Da stellen Sie einen Kriterienkatalog auf. Es ist schon angedeutet worden und wir sollten uns noch einmal klarmachen: In der Innenministerkonferenz, meine Damen und Herren, sitzen Vertreter von CDU, SPD, FDP und CSU. Diese müssen zu einem einstimmigen Votum kommen. Ich glaube, dass ein zu enger Kriterienkatalog, wie Sie ihn hier vorlegen, bei den Verhandlungen eher hinderlich als hilfreich sein kann. Gerade deshalb haben wir die Beschlussempfehlung im Juni eher offengehalten.

Zu Punkt 4: Sie wissen, dass ich mich persönlich und für meine Fraktion bereits mehrfach dazu geäußert habe. Wir halten die Nichtanwendung des § 25 Aufenthaltsgesetz in Sachsen für einen Teil des Problems. Es ist in der Tat eine offene Baustelle. Sie machen das auch hier sehr geschickt und verbinden die Diskussion mit dem § 25 mit der anstehenden Innenministerkonferenz. Sie versuchen also hier, die SPD-Fraktion ein Stück weit in die Enge zu treiben und vielleicht einen Keil zwischen die Koalitionsfraktionen zu schlagen.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage Ihnen, das werden wir nicht zulassen. Wir halten es tatsächlich nicht für zielführend. Die Diskussion um die anstehende Altfallregelung mit der Diskussion um die Auslegung des Zuwanderungsrechtes und die praktische Anwendung des Zuwanderungsrechtes zu vermischen führt uns in diesem Fall nicht zum Ziel. Unser Ziel ist zunächst die Bleiberechtsregelung.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Mit der Koalition!)

Ganz klar!

Sie liegt ganz nah und relativ klar vor uns. Wir wollen – das sage ich noch einmal bewusst – den Betroffenen, vor allem den betroffenen Familien mit Kindern, aber nicht nur denen, eine Chance auf einen gesicherten Aufenthalt in ihrer Wahlheimat Sachsen oder auch in Deutschland geben. Vor allem die Kinder sind die Leidtragenden in dieser ganzen Situation. Das sollten wir uns noch einmal vor Augen führen. Sie kennen vielfach nur eine Heimat, und das ist Deutschland, weil sie hier geboren oder aufgewachsen sind. Gerade die Kinder sind es nämlich, die uns täglich die Integration, von der wir so oft und so gern sprechen, vorleben – sei es im Kindergarten oder in der Schule.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Die NPD-Fraktion. Herr Gansel, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Innerhalb von vier Monaten beschäftigen wir uns nun schon zum zweiten Mal mit der Schaffung einer angeblich humanitären Bleiberechtsrege

lung für Ausländer, die nach geltendem Recht – das muss man immer wieder sagen – gar keinen Rechtsanspruch auf Aufenthalt in der BRD haben und deren Aufenthalt lediglich geduldet wird. Dabei wird von den Ausländern, die nach Deutschland kommen, um sich den Asylstatus zu erschleichen, oft schon vor der Einreise alles getan, um ihr Herkunftsland und ihre wahren Asylgründe zu verschleiern.

Der frühere sächsische CDU-Innenminister Klaus Hardraht hat im Juni 2001 in einem Interview mit der Nachrichtenagentur „ap“ vorgeschlagen, Asylbewerber in Beugehaft zu nehmen, wenn sie zur Umgehung ihrer Abschiebung ihre Pässe vernichten. Damit sollte der Druck auf die Betroffenen erhöht werden, bei ihrer Identitätsfeststellung mitzuhelfen.

Nach geltendem Recht könnten rechtskräftig abgelehnte Asylbewerber nicht abgeschoben werden, wenn sie vorsätzlich ihre Ausweispapiere wegwerfen – so der damalige Innenminister. Etwa 80 % der Antragsteller verfügten nicht über die notwendigen Ausweisdokumente und zeigten sich wenig kooperativ. Nach Hardrahts Ansicht sollte die Dauer der Beugehaft bis zu sechs Monate betragen. Außerdem sollten Asylanten für die Dauer des Verfahrens nur noch Sachleistungen statt Geld erhalten. In offensichtlich unbegründeten Fällen sei die betreffende Person kontrolliert unterzubringen.

Herr Buttolo, die Einlassungen Ihres Amtsvorgängers und Parteifreundes Hardraht belegen, welchen systematischen Rechtsmissbrauch Asylbewerber betreiben, um sich in der Bundesrepublik einen Aufenthaltsstatus zu ergaunern. Für die NPD-Fraktion ist es völlig inakzeptabel, wenn durch ein fehlgeleitetes Verständnis von Gastfreundschaft die Täuschungs- und Betrugsmanöver von Asylbewerbern am Ende noch zu einem unbefristeten Aufenthaltsstatus führen. Herr Buttolo, jetzt einmal Hand aufs Herz! Darf denn heute, im Jahr 2006, ein Innenminister überhaupt kein politisches Rückgrat mehr haben, um diese Wahrheiten gegenüber der deutschen Öffentlichkeit einmal auszusprechen? Muss sich heute ein Mitglied der Staatsregierung den Forderungen linker Überfremdungslobbyisten unterwerfen und aus Feigheit vor einer gutmenschelnden Medienkritik eine Politik gegen die Interessen des eigenen Volkes betreiben, von dem man doch gewählt wurde?

(Höhnisches Gelächter bei der Linksfraktion.PDS)

Die NPD-Fraktion hat bekanntlich kein Problem damit, unbequeme Wahrheiten auszusprechen. Dafür lassen wir uns auch als sogenannte Ausländerfeinde schelten, obwohl wir nur Einwanderungsfeinde sind und gegen Ausländer, da, wo sie hingehören, gar nichts haben.

(Höhnisches Gelächter bei der Linksfraktion.PDS)

Sprechen wir auch diese Wahrheit einmal offen aus: Bei der Gruppe von Ausländern, um die es in diesem Antrag von GRÜNEN und Linksfraktion.PDS geht, handelt es sich nicht um „Flüchtlinge“, sondern um Asylbetrüger. Allein die Begriffe „humanitär“ und „Bleiberecht“, die die Antragsteller verwenden, deuten auf eine Verdrehung

der tatsächlichen Sachverhalte hin. Übrigens bedienten sich die Koalitionsfraktionen in ihrem Änderungsantrag vom 20. Juni dieses Jahres über die sogenannte Aussetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen genau der gleichen gezinkten Wortwahl.

Die Tatsache, dass sich alle Blockparteien hier im Landtag grundsätzlich für ein Bleiberecht für Asylbetrüger aussprachen, ist dokumentiert durch die mehrheitliche Zustimmung zum Antrag vom Juni. Sie zeigt deutlich, dass sie geltendes Recht mit einem zusätzlichen Bleiberecht nicht nur relativieren, sondern bewusst aushebeln. Demgegenüber haben die Verwaltungsgerichte, die mit der Auslegung und Einhaltung der Normen des Ausländer- und Asylrechts tagtäglich befasst sind, ein sachgerechtes Verhältnis zu der Realität des Rechtsmissbrauchs in diesem Land und treffen deshalb oft klare Entscheidungen.

Ich möchte an dieser Stelle einmal den Inhalt einer aktuellen Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes zur Kenntnis geben, die ein Schlaglicht auf das Thema der Debatte wirft. In einer aktuellen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in Hessen ging es um die Klage einer 1992 aus dem Kosovo eingereisten sechsköpfigen Familie, die gegen einen rechtsgültigen Abschiebebeschluss klagte. Die zentralen Feststellungen dieses Urteils des VGH Hessen sind:

1. Ausländer, die jahrelang in Hessen nur geduldet wurden, erwerben durch Anpassung an die hiesigen Lebensverhältnisse kein dauerhaftes Bleiberecht.