Protocol of the Session on October 13, 2006

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Aber gern, Herr Hatzsch.

Herr Kollege Külow, wir hatten heute schon Rechenbeispiele. Sagen Sie mir doch bitte schnell: Wie viel Prozent Ihrer Fraktionskollegen sind zurzeit da?

(Vereinzelt Beifall bei der NPD)

Wesentlich mehr als 10 %. Es sind 15 oder 16 und damit etwa 50 %. Die SPD-Fraktion kommt nicht auf 50 %. Zählen Sie einmal durch! Das war also ein klassisches Eigentor.

(Heiterkeit und Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Karl Nolle, SPD: Ich zähle doppelt! – Jürgen Gansel, NPD: Dann ist die Fraktion vollständig!)

Den Karl können wir noch dazuzählen, dann werden es 45 %. Mehr bin ich aber nicht bereit zuzugeben. Die Zwischenfrage passt irgendwie zum „Peter-Prinzip“. Sorry!

Anstatt also dieses gravierende Personalproblem mithilfe einer geräuschlosen Sublimierung oder einer seitlichen Arabeske diskret zu lösen, wurde bei Frau Oexle – gewiss in Absprache mit ihrem jahrelangen Gönner Prof. Milbradt – der paternalistische Zugang gewählt und sie nach oben auf die wesentlich verantwortungsvollere Position der Leiterin des Referats 54 – Städtebau und EUFörderung – im Innenministerium befördert. Dort hat sie lustigerweise auf das von ihr maßgeblich initiierte Projekt „Haus der Archäologie“ einen noch größeren Einfluss als in ihrer bisherigen Funktion, da der Umbau des ehemaligen Kaufhauses Schocken im Wesentlichen über das Städtebauförderprogramm des Sächsischen Staatsministeriums des Innern mit EU-Geldern finanziert werden soll. – Es ist schön, dass Herr Dr. Buttolo zumindest mit einem Ohr zuhört.

(Heiterkeit bei der Linksfraktion.PDS)

Vielleicht noch am Rande eine Bemerkung zu dem kanadischen Soziologen Laurence Peter, der sein berühmtes Buch „Das Peter-Prinzip oder: Die Hierarchie der Unfähigen“ im Jahre 1969 veröffentlichte und dessen Grunderkenntnis vermutlich vor allem die CDU-Fraktion etwas irritieren dürfte. Ich zitiere: „Meine Studien der Vergleichenden Hierarchologie haben zur Genüge gezeigt, dass kapitalistische, sozialistische und kommunistische Systeme durch die gleiche Anhäufung überflüssigen und unfähigen Personals charakterisiert sind.“

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Sein Buch – auch diese Nebenbemerkung kann ich mir nicht verkneifen – ist in der DDR übrigens erschienen, wurde aber seinerzeit möglicherweise von zu wenigen der hier Anwesenden gelesen bzw., wenn gelesen, dann nicht in ausreichendem Maße verstanden.

(Heiterkeit bei der Linksfraktion.PDS)

Aber bekanntlich gibt es drängendere Fragen in der sächsischen Museumslandschaft als das Schicksal eines umstrittenen parteipolitischen Günstlings des sächsischen Ministerpräsidenten. Dazu zählen unter anderem zweifellos die Perspektiven der Landesstelle für Museumswesen, die derzeit alles andere als rosig aussehen.

Mit den beiden Kabinettsbeschlüssen – Herr Hatzsch, hören Sie bitte gut zu! – vom 27. Juni und 18. Juli 2006 zur Verwaltungsreform droht dieser Einrichtung faktisch

die Auflösung und, wenn überhaupt, die Integrierung in die Kulturstiftung. Insbesondere die Landesstelle für Museumswesen – einige Vorredner haben es schon gesagt – ist als anerkannte Fachinstanz für die Bewahrung des kulturellen Erbes in Sachsen in diesem Bereich sowie als entscheidendes kulturpolitisches Steuerinstrument bei der strukturellen Einheit von Fachberatung und Projektbetreuung von über 400 Museen in nichtstaatlicher Trägerschaft in ihrer bisherigen Struktur unverzichtbar. Noch ist Sachsen gerade wegen der Landesstelle unter den neuen Bundesländern ganz klar führend, sowohl im Museumswesen allgemein als auch bei der Museumsberatung und -förderung. Durch ihre mögliche Auflösung oder partielle Zerschlagung droht die Gefahr, dass Fachberatung, Projektbetreuung und Fördermittelvergabe künftig nicht mehr in einer Hand liegen und wir uns somit museumspolitisch selbst zum Schlusslicht degradieren. Hier ist unseres Erachtens Frau Stange persönlich in der Verantwortung, diesen drohenden Kollaps zu verhindern, zumal diese Beschlüsse noch ohne ihr Zutun gefasst worden sind.

Auch die schon erwähnte Erosion des Zweckverbandes Sächsisches Industriemuseum muss schnellstmöglich gestoppt werden.

(Beifall der Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg und Johannes Lichdi, GRÜNE)

Es ist grotesk und peinlich zugleich, dass beispielsweise das Industriemuseum Chemnitz im letzten Jahr zum Ankerpunkt in der europäischen Route der Industriekultur ernannt wurde, dessen Direktor aus den Händen der belgischen Königin Fabiola in Brüssel den Europäischen Museumspreis in Empfang nehmen konnte und zugleich jährlich immer weniger Zuschüsse erhält. Es stellt sich vor diesem Hintergrund für uns die Frage, ob die Erinnerung an die traditionsreiche sächsische Industriekultur von interessierter Seite kaputtgespart werden soll.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

„In Sachsen reden Kultur und Politik nicht dieselbe Sprache“, klagte Prof. Martin Roth vor einigen Wochen in dem schon mehrmals zitierten fulminanten Beitrag für das Feuilleton der „Zeit“. Die Staatsregierung sollte diesen kritischen Hilferuf zeitnah zum Anlass nehmen, kulturpolitisch umzusteuern. Das wiederum beginnt mit einer verbesserten Kommunikation zwischen beiden Bereichen. In dieser Hinsicht hat Frau Stange jetzt eine große Chance und eine hohe Verantwortung zugleich. Die Linksfraktion hofft, dass sie beidem gerecht wird.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und des Abg. Holger Zastrow, FDP)

Wird von der SPD-Fraktion noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Dann frage ich die Fraktion GRÜNE. – Bitte, Herr Dr. Gerstenberg.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Um mich auf die Schwerpunkte der bisherigen Diskussion einzustellen, muss ich vielleicht erst einmal mitteilen, dass mit Ausnahme unserer aus Schwangerschaftsgründen fehlenden Fraktionsvorsitzenden die GRÜNEN vollständig anwesend sind.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Weniger geht aber auch nicht!)

Wir können also kulturelle 100 % melden.

Kommen wir aber wieder zu den ernsteren Dingen. Die Äußerungen von Prof. Roth in der „Zeit“ sind mehrfach angesprochen worden. Daraufhin ist er vom Ministerpräsidenten verbal gemaßregelt worden, er habe sich zuerst an die Staatsregierung zu wenden. Das hat Prof. Roth seit Langem getan. Bereits 2002 hatte er in seiner Denkschrift eine Konzeption für die Staatlichen Kunstsammlungen dringend eingefordert. Diese Konzeption gibt es bis heute nicht. Aber wir freuen uns, dass die Sanierung des Schlosses fortgeschritten ist und sich regelmäßig Staatsoberhäupter zur Eröffnung der jeweils fertiggestellten Bauabschnitte treffen. Die Frage, wie wir die Aufsichten in den Museen bezahlen, wurde offensichtlich vergessen.

Prof. Roth hat damals in seiner Denkschrift bereits Vorschläge zur Rechtsform und zur Haushaltsführung der Kunstsammlungen gemacht. Auch alternative Personalstrukturen liegen vor. Wir raten dem SMWK dringend, diese Kreativität der Museumsmitarbeiter in die weiteren Planungen einzubeziehen.

(Beifall der Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE, und Holger Zastrow, FDP)

Für uns steht außer Frage: Kultur ist eine öffentliche Aufgabe. Der Freistaat steht dabei in der Verantwortung. Wie diese Aufgabe aber umgesetzt wird, wie zum Beispiel das Personal strukturiert wird – darin sollten die Museen weitgehende Freiheiten und Eigenverantwortung haben. Einen Personalabbau von außen zu verordnen, der sich einzig und allein nach dem Renteneintrittsalter richtet, ohne Ansehen von Personen und Aufgaben, das kann nicht hilfreich sein.

Herr Wöller hat in Sachen der Äußerungen von Prof. Roth heute noch einmal zu Zurückhaltung gemahnt. Dahinter steht der Gedanke, dass Beamte einen Dienstweg einzuhalten haben. Wir sehen diese Frage anders. Wir sind überzeugt, dass in einer lebendigen Demokratie auch ein beamteter Museumsdirektor verpflichtet ist, an die Öffentlichkeit zu gehen, wenn er die Bewahrung seiner Schätze als gefährdet ansieht.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion.PDS, der FDP und des Abg. Karl Nolle, SPD)

Deshalb haben wir als Fraktion Martin Roths öffentlichen Hilferuf öffentlich unterstützt; denn wir sind überzeugt: Edelsteine verpflichten, das sächsische Erbe verpflichtet.

(Beifall bei den GRÜNEN, vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS und des Abg. Torsten Herbst, FDP)

Wird von der FDP-Fraktion noch das Wort gewünscht? – Das ist der Fall. Herr Zastrow, bitte.

Lieber Herr Hatzsch, Sie haben recht: Ich will tatsächlich mehr, die FDP will mehr. Wir haben in Sachsen Millionen Besucher, die vor allem wegen der einzigartigen Kunst- und Kulturlandschaft hierher kommen. Allein in Dresden sind es mittlerweile 8,8 Millionen. Wenn Ihnen das reicht – von mir aus; mir reicht es nicht.

Ich denke, dass das Potenzial dieser Stadt, dieses Landes viel, viel größer ist. Die Besucher werden noch mehr Geld hier lassen können, als sie es ohnehin schon tun. Das ist ein wesentlicher Grund dafür, dass wir hier Erfolg, Wachstum und die Ansiedlung auch großer Unternehmen verzeichnen und dass sich ein Mittelstand entwickelt hat. Das kann ich nicht bedauern. Bitte mehr davon, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der FDP)

Herr Roth hat vor ein paar Jahren dem damaligen Wissenschaftsminister, Herrn Rößler, versprochen, drei Millionen Besucher in die SKD hereinzuholen. Ich halte dieses Ziel für realistisch und denke, dass sie das schaffen werden. Wir sollten die Staatlichen Kunstsammlungen bei der Erreichung dieses Zieles unterstützen, weil es uns, unserem Land am Ende nur guttun kann.

Ansonsten, lieber Herr Wöller, lieber Herr Heitmann, kann ich alles, was Sie gesagt haben, unterschreiben. Mir ist das nur zu theoretisch. Ich brauche keine Definition dessen, was ein Standort und was ein Museum ist, sondern ich will Taten sehen.

Ich will Taten sehen! Die erste Tat, die ich hier sehen will, ist, die Stellen eben nicht zu streichen und den Leuten den Rahmen zu lassen, damit sie ordentlich wirtschaften können.

Und wenn Sie sagen, Herr Wöller, es gibt einen Einstellungskorridor für Experten – – Jetzt schicken Sie die Experten in die Wüste, die Restauratoren werden entlassen, damit die SKD diese Leute später wieder einstellen können. Das ist doch schizophren. Das machen wir nicht mit!

(Beifall bei der FDP)

Machen wir es doch so, wie der Titel dieser Debatte lautet: Schätze ans Licht! Da sind wir bei dem Mehr. Aus meiner Fraktion hören Sie nicht solch einen Vorschlag, aus dem Japanischen Palais ein Kasino zu machen, ganz gewiss nicht. Aus meiner Sicht ist das ein Standort für Kunst. Dort können wir mehr machen.

Wenn wir allein in die Gemäldegalerie Alte Meister schauen und uns die Situation dort vergegenwärtigen,

dann sehen wir: Es gibt 2 500 Ausstellungsstücke, aber nur knapp ein Drittel kann ausgestellt werden. Wenn Sie dort die Museumsmacher fragen, dann wünschen sie sich durchaus, dass mehr ans Licht kann und nicht so viel in den Katakomben der Gemäldegalerie verschwinden muss. Das wäre eine vernünftige Kultur- und Museumspolitik. Das würde ich mir wünschen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben jede Menge ungenutzte Potenziale, wenn ich zum Beispiel an den weltgrößten Cranach-Bestand denke, der vor Kurzem noch in Chemnitz war und gerade eben in der Gemäldegalerie gezeigt wird. Sie wissen, dass er Anfang des Jahres aus Platzgründen verschwinden muss. Auch er verschwindet im Keller. Kann man sich das leisten? Eigentlich können wir uns das nicht leisten, meine Damen und Herren.

Das betrifft auch die kleineren Museen, zum Beispiel drüben im Jägerhof das Museum für Volkskunst. Wann haben Sie dort das letzte Mal eine Sonderausstellung gesehen? Sonderausstellungen sind aus Platzgründen überhaupt nicht mehr möglich, eben auch, weil das Museumskonzept fehlt. Wie Sie wissen, soll die Puppensammlung eigentlich seit 2001 in das Japanische Palais gehen. Da ist nichts passiert. Das ist kein Ruhmesblatt der Staatsregierung. Das sage ich ganz ernsthaft.