Protocol of the Session on October 12, 2006

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Herr Herbst, bitte.

Herr Flath, Sie sprachen von den Zahlen vom ersten Halbjahr. Können Sie denn sagen, wie viel Prozent der Steuererklärungen eigentlich bearbeitet wurden? Der 31. Mai ist zwar der Abgabetermin, aber Sie wissen ja, dass es die Möglichkeit gibt, diese zu verlängern. Das heißt, die Zahlen sind unter Umständen gar nicht aussagekräftig.

Die Zahlen, die ich eben genannt habe, sind schon aussagekräftig. Natürlich verstehe ich auch Ihr Interesse an der Anzahl der insgesamt bearbeiteten Fälle. Nur wissen Sie, dass ich heute den Finanzminister vertrete. Ich würde Ihnen aber zusagen, dass Sie darauf eine Antwort bekommen. Können wir so verfahren?

Ja; danke schön.

Das Finanzministerium hat weitere Verbesserungen bei der Durchlaufzeit, insbesondere bei der Verringerung der immensen Unterschiede zwischen einzelnen Finanzämtern, eingefordert. Es ist klar, dass es auch künftig Unterschiede geben wird. Ziel ist es jedoch, diese Unterschiede auf ein vertretbares Maß zu reduzieren und eine Annäherung der

durchschnittlichen Durchlaufzeiten an die besten Länder zu erreichen. Dabei muss immer ein angemessener Ausgleich zwischen Schnelligkeit und Gründlichkeit gefunden werden.

Ein wichtiges Instrument sind die Zielvereinbarungen, die die Oberfinanzdirektion Chemnitz für das Jahr 2006 erstmalig mit allen sächsischen Finanzämtern abgeschlossen hat. Dabei haben die Finanzämter individuelle Vorschläge unterbreitet, über die sachlich und fair verhandelt wurde. Dieses Miteinander verbessert das Verständnis der Beschäftigten für die vereinbarten Ziele, gibt Planungssicherheit und wirkt motivierend. Für 2008 plant das Finanzministerium seinerseits, eine Zielvereinbarung mit der Oberfinanzdirektion Chemnitz abzuschließen.

Nun haben die Vergleiche und Zielvereinbarungen allein nur eingeschränkte Wirkung. Bei schlechten Ergebnissen einzelner Finanzämter führt die Oberfinanzdirektion deshalb Auswertungsgespräche mit dem jeweiligen Finanzamt, in denen das Amt konkrete Gründe für die Ergebnisse und zugleich konkrete Auswege darstellen muss. Bei anhaltend schlechten Ergebnissen erfolgt ein gezieltes und intensives Controlling. Im Extremfall können auch personelle Konsequenzen gezogen werden.

Wenn es also hier und da Probleme bei den Bearbeitungszeiten gibt, dann ist es umso wichtiger, dass Schwachstellen erkannt und Probleme gelöst werden. Der Leistungsvergleich bietet dafür die Basis. Dem Finanzminister liegt daran, effiziente und dienstleistungsorientierte Verwaltungsstrukturen zu fördern. Der Leistungsvergleich zwischen Finanzämtern trägt wesentlich dazu bei, dieses Ziel in der sächsischen Steuerverwaltung zu verwirklichen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Martin Dulig, SPD)

Ich rufe das Schlusswort auf. Wird es gewünscht? – Ich frage die Koalition: Wird noch ein Schlusswort gewünscht? – Wenn das nicht der Fall ist, dann lasse ich jetzt abstimmen. Ich stelle die Drucksache 4/4904 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Ist erledigt! – Heinz Lehmann, CDU, meldet Redebedarf an.)

Herr Lehmann, bitte.

Frau Präsidentin, wir als Einreicher sind der Meinung, dass der Antrag nach dem Bericht der Staatsregierung nach § 37 Abs. 3 Satz 4 der Geschäftsordnung für erledigt zu betrachten ist.

Also brauchen wir über den Antrag auch nicht abstimmen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Wir hätten auch gar nicht darüber diskutieren müssen!)

Ich schließe jetzt Tagesordnungspunkt 7 und rufe auf

Tagesordnungspunkt 8

Einsetzung einer Berufsfachschulenkommission zur Untersuchung der Handlungsalternativen im Bereich der staatlichen Förderung von privaten Berufsfachschulen und der entsprechenden sozial- und arbeitsmarktpolitischen Folgen

Drucksache 4/6552, Antrag der Fraktion der NPD

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die NPD beginnt. Es folgen: CDU, Linksfraktion.PDS, SPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht.

Ich erteile Herrn Abg. Gansel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag will die NPD-Fraktion nicht die Debatte über das Haushaltsbegleitgesetz vorwegnehmen, sondern die Staatsregierung zur Rücknahme eines darin enthaltenen Gesetzentwurfs bewegen – dies, weil seine sozialen und damit auch demografischen Folgen sehr problematisch werden könnten, wie man auch in der Expertenanhörung am 26. September erfuhr, und diese Folgen bei der demnächst angesetzten parlamentarischen Beratung im Einzelnen noch gar nicht bekannt sind und eine allgemeine Folgenabschätzung fehlt.

Für die NPD-Fraktion darf ein Gesetz aber nur dann vom Landtag beraten und beschlossen werden, wenn eine klare gesellschaftliche Folgenabschätzung vorliegt. Sind aber von einer gesetzlichen Regelung schwerwiegende soziale Probleme, also sprichwörtlich soziale Kosten zu erwarten, ohne dass diese in der Begründung eines Gesetzentwurfs auch nur angedeutet werden, ist die Regelung weder vertretbar noch verhandelbar.

Genau dieser Fall liegt nach unserer Auffassung bei Artikel 7 des Haushaltsbegleitgesetzes für die Jahre 2007/2008 vor. Dabei handelt es sich um die Änderung des „Gesetzes über Schulen in freier Trägerschaft“. Obwohl gerade diese Berufsfachschulen in freier Trägerschaft in Sachsen von immenser Wichtigkeit sind, werden sie durch die Gesetzesänderung möglicherweise an den Rand des Ruins gedrängt. Die große Bedeutung dieser Schulen für die Berufsbildung in Sachsen ist allgemein bekannt und anerkannt. Das wird von der Staatsregierung, der Wirtschaft und den Gewerkschaften gleichermaßen bestätigt. In einer gemeinsamen Stellungnahme dieser drei aus dem letzten Jahr heißt es beispielsweise – ich zitiere –: „Die Anzahl der Schülerinnen und Schüler an den berufsqualifizierenden Berufsfachschulen ist nach wie vor hoch. Auffällig ist das Übergewicht der Berufsfachschulen in freier Trägerschaft gegenüber den öffentlichen Berufsfachschulen.“

Das ist gewissermaßen ein offizieller Bedeutungsnachweis für diese freien Berufsfachschulen für die außerbetriebliche Berufsausbildung in Sachsen. Bei einigen Berufen, zum Beispiel Ergotherapeuten und Altenpfle

gern, sind sie sogar die Einzigen, die überhaupt eine Ausbildung anbieten.

Ausgerechnet dieser wichtige Schultyp, der Zehntausenden von Jugendlichen, darunter vielen jungen Frauen, eine Berufsausbildung und damit eine Berufsperspektive in Sachsen bietet, soll nach dem Willen der CDU-/SPDKoalitionäre bereits im nächsten Jahr über 30 % der staatlichen Zuschüsse verlieren. Die Folgen wären Schulgelderhöhungen, sinkende Schülerzahlen, geschlossene Schulen, erhöhte Jugendarbeitslosigkeit und eine noch stärkere Abwanderung von Jugendlichen aus Sachsen.

Aber das ganze Ausmaß der Entwicklung ist noch nicht einmal abzusehen, weil dafür einfach die Analysen fehlen. Den Abgeordneten dieses Hauses wird also demnächst zugemutet, praktisch blind zu entscheiden. Das ist nach unserer Auffassung nicht verantwortbar. Deswegen stellt die NPD-Fraktion hiermit den Antrag, die Staatsregierung zu ersuchen, Artikel 7 des Haushaltsbegleitgesetzes vorerst zurückzuziehen und stattdessen die möglichen Folgen der im Gesetzentwurf vorgeschlagenen Änderungen durch eine Fachkommission abschätzen und dokumentieren zu lassen. Erst nach Vorlage des Ergebnisses dieser Kommission sollte der – dann möglicherweise überarbeitete – Gesetzentwurf erneut in den Landtag eingebracht werden.

Die NPD-Fraktion stellt diesen Antrag bereits jetzt, also noch vor Beginn der Haushaltsberatungen, weil wir ein Gesetzgebungsverfahren, das sozusagen auf halbem Wege stehen bliebe, für schlecht halten. Diese Vorgehensweise ist verantwortungsbewusst, wenn auch nicht unbedingt üblich. Als Nationaldemokraten nehmen wir uns aber das Recht heraus, Routineabstimmungen über folgenschwere, aber offenbar von den Regierenden nicht zu Ende gedachte Vorlagen zumindest infrage zu stellen.

Artikel 7 des Haushaltsbegleitgesetzes ist ein exemplarischer Fall; denn die zu erwartende Schlechterstellung der Berufsfachschulen wird unweigerlich zu schwerwiegenden Verwerfungen in der Berufsausbildung führen. Falls dies von der Staatsregierung gewollt ist, sollte sie hier im Landtag bereits jetzt die Karten auf den Tisch legen.

Da ist es hilfreich, sich die nach amtlichen Angaben schon für das nächste Jahr abzusehenden Zuschusskürzungen für einige Berufslehrgänge einmal vor Augen zu führen. Durch die Annahme des Gesetzes würden sich zum Beispiel folgende Zuschusskürzungen ergeben: 29,5 % bei der Ausbildung zum Ergotherapeuten, 31,8 % bei der Ausbildung zur Hotelfachfrau, 32,2 % bei der Ausbildung

zur Restaurantfachfrau, 38,1 % Zuschusskürzung bei der Ausbildung zum Physiotherapeuten und sogar 45,2 % bei der Ausbildung zum Masseur oder Bademeister. Diese Kürzungen würden schon im ersten Jahr nach der Gesetzesannahme anfallen. In den Folgejahren wäre mit weiteren Kürzungen zu rechnen, und zwar wegen der vorgesehenen formelmäßigen Koppelung an die Entwicklung der öffentlichen Schulen.

In einem Interview mit der „Freien Presse“ warnte der stellvertretende Vorsitzende des Verbandes sächsischer Bildungsinstitute, Günther Kahle, dass derartige Kürzungen zu Schulgelderhöhungen von 200 bis 300 Euro im Monat statt der bisher ungefähr 60 Euro führen könnten. Herr Kahle erklärte gegenüber der „Freien Presse“ lapidar: „Das geht nicht und ist auch gesetzlich verboten.“

Dies ist richtig; denn nach Artikel 7 Abs. 4 des Grundgesetzes ist eine „Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern“ nicht zulässig. Hier wird klar, dass die vorgesehene Gesetzesänderung die Gefahr der Verfassungswidrigkeit in sich birgt. Die Staatsregierung empfiehlt nämlich den Schulträgern und den Eltern, die Höhe des Schulgeldes bis zu der vom eben genannten Sonderungsverbot gezogenen Grenze frei zu vereinbaren. Diese Grenze ist aber kein genau definierter Betrag, sondern eher eine Grauzone. Wer sich ihr nähert, läuft Gefahr, sie zu überschreiten.

Die Staatsregierung scheint die Berufsfachschulen geradezu zwingen zu wollen, künftig in eben jener Grauzone hohe Schulgeldforderungen zu erheben, um die dramatischen Zuschusskürzungen auszugleichen. Würde dies Wirklichkeit, so hätten wir es nicht mehr mit den heutigen, für alle Bevölkerungsschichten offenen sächsischen Berufsfachschulen zu tun, sondern mit Schulen für den Nachwuchs der Besserverdienenden. Eine solche Entwicklung, die die Schulwahl vom Geldbeutel abhängig macht, lehnt die NPD-Fraktion entschieden ab.

Der Landtag sollte also die Finger von einem Gesetzentwurf lassen, der soziale Ungerechtigkeiten vorzeichnet und zum Ausreizen einer Verfassungsschranke auffordert. Allein deshalb wäre die Staatsregierung gut beraten, den Entwurf zurückzuziehen und überarbeiten zu lassen.

Die Schulträger haben bereits angekündigt, Verfassungsbeschwerde einzulegen; ihre Erfolgsaussicht ist hoch. Die NPD-Fraktion bittet deshalb um Zustimmung zu ihrem Antrag auf Zurückziehung des Artikels 7 des Haushaltsbegleitgesetzes sowie zur Einsetzung einer unabhängigen Fachkommission.

(Beifall bei der NPD)

Das war die einreichende Fraktion. – Herr Rohwer von der CDU-Fraktion spricht für die Koalition.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Machen wir es kurz: Der Antrag ist nicht zielführend. Er ist auch nicht zu Ende gedacht.

(Jürgen Gansel, NPD: Er stellt unangenehme Fragen! Das ist klar!)

Herr Gansel, wenn ich nach dem Durchlesen Ihres Antrags dieser Meinung bin, dann können Sie das doch auch ohne Widerspruch erst einmal zur Kenntnis nehmen. Hören Sie zu, was ich noch zu sagen habe!

Es gibt noch zwei Dinge zu Ihrem Antrag zu sagen. Erstens ist es nicht nur unnötig, sondern auch unsinnig, die Staatsregierung zum Rückzug von Artikel 7 des Haushaltsbegleitgesetzes aufzufordern; denn, Herr Gansel, immer noch sind wir der Gesetzgeber, und auch Sie, meine Dame, meine Herren von der NPD, gehören diesem Gesetzgeber an.

Also, Änderungsvorschläge muss der Gesetzgeber beschließen und sie werden hier beschlossen. Deshalb mein Vorschlag: Tragen Sie Ihr Anliegen doch zum passenden Zeitpunkt vor, also im Rahmen der Haushaltsdebatte. Ich bin jetzt schon gespannt, ob es Ihnen gelingen wird, am 10. November 2006, wenn wir im Schulausschuss genau über dieses Haushaltsbegleitgesetz beraten werden, den Antrag zeit- und fristgerecht an der richtigen Stelle einzubringen.

Punkt 2 betrifft nun die von Ihnen befürwortete unabhängige Kommission zur Bedarfsanalyse und zur Untersuchung von Möglichkeiten staatlicher Förderung etc. der Berufsfachschulen. Artikel 7 des Haushaltsbegleitgesetzes ist ja nun aber nicht von heute auf morgen aus dem Boden gestampft worden. Ihm ging vielmehr eine einjährige Erarbeitungsphase voraus, in deren Zusammenhang freilich auch unabhängige Fachleute im Rahmen einer öffentlichen Anhörung hier in diesem Hause zum Beispiel zu Wort kamen. Ich erinnere nur daran, dass wir im Frühjahr einen Referentenentwurf zur Reform des Gesetzes über die freien Schulen im Freistaat Sachsen diskutiert haben.

Des Weiteren gibt es die Evaluationsarbeit des Ministeriums, der diversen Institute und Institutionen. Wozu also bitte Steuergelder für die Einrichtung einer solchen Kommission ausgeben, die auch nichts anderes tut und am Ende ebenfalls lediglich Handlungsempfehlungen geben kann?