Protocol of the Session on July 19, 2006

Das haben Sie doch vorhin gerade wieder unterstrichen, Frau Ernst.

(Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS: Ich weiß nicht, was Sie für Studien lesen!)

Die Quellen habe ich Ihnen gerade zitiert.

Männer fürchten diese Art der sekundären Opferrolle – warum, ist klar – und den Verlust einer achtbaren männlichen Identität vor sich selbst und ihren Bezugspersonen. Für Frauen hingegen gibt es eine sozial anerkannte Opferrolle. Durch das Anzeigen und Öffentlichmachen können sie ihre materielle, psychische, soziale und rechtliche Lage verbessern. Deshalb wählen sie einen Weg in die Öffentlichkeit, zu den Experten und den Gerichten. Diese Zusammenhänge sind längst bekannt und ergeben sich aus einer langjährigen intensiven Forschungstradition, insbesondere – aber nicht nur – in den Vereinigten Staaten.

Umso weniger ist es verständlich, wieso die Linksfraktion dies überhaupt nicht zu berücksichtigen scheint. Für die in dem Gesetz geforderten Maßnahmen entwirft die einreichende Fraktion ein geschlechtsspezifisches Bedrohungsszenario,

(Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS: Sie wissen doch überhaupt nicht, was Sie reden!)

das einer erfahrungswissenschaftlichen Prüfung überhaupt nicht standhält. Die Behauptung, häusliche Gewalt ginge fast ausschließlich von Männern aus, ist sowohl bezüglich der Gewalt zwischen Partnern als auch der Gewalt gegen Kinder und Senioren grob falsch. Im Bereich des Schutzes von Kindern, Senioren und Männern dagegen sind die eigentlichen Defizite bei der Bekämpfung häuslicher Gewalt zu verorten, während für Frauen bereits eine Vielzahl von Hilfs- und Beratungsstellen mit nicht unerheblichen finanziellen Mitteln zur Verfügung steht.

Das vorliegende Gesetz zur Verbesserung der Prävention und des Schutzes vor häuslicher Gewalt in Sachsen geht von einem Feindbild Mann aus, das empirisch nicht haltbar ist!

Es fördert nicht den konstruktiven Dialog der Geschlechter. Sein Ziel ist es nicht, häusliche Gewalt zu bekämpfen, sondern nur Männergewalt. Geschützt werden sollen nicht alle in häuslicher Gemeinschaft lebenden Menschen oder gar Ehe und Familie, sondern nur Frauen. Mit diesem Grundtenor wird das Gesetz eine auf das Zusammenleben von Mann und Frau zersetzende Wirkung ausüben und

damit die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger im Freistaat verschlechtern.

Frau Ernst, Sie haben es schon geahnt: Wir werden das Gesetz ablehnen.

Danke schön.

(Beifall bei der NPD)

Für die FDP-Fraktion spricht Herr Dr. Martens.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aus der Tatsache, dass ich als Mann hier vorn spreche, ersehen Sie, dass das Thema „häusliche Gewalt“ nicht nur ein Frauenthema ist,

(Heiterkeit)

sondern in der Tat überall vorkommt. Es ist schon auffällig, warum in dieser Debatte anscheinend grundsätzlich nur die Damen zu Wort kommen sollen. Nein, es ist ein Thema, das alle angeht.

Häusliche Gewalt ist viel zu lange und viel zu weit tabuisiert worden. In manchen Bereichen glaubt man, es gehöre gewissermaßen zum soziokulturellen Hintergrundrauschen, dass es manchmal etwas herzhafter zugeht, um es platt zu sagen. Das Phänomen „häusliche Gewalt“ gehört behandelt, und zwar in der Öffentlichkeit. Es gehört auch gesetzlich behandelt; denn die Betroffenen in ihrer Situation und die Täter mit ihrer Hilflosigkeit, in der sie oftmals nur noch zu prügeln wissen, allein zu lassen, würde dieses Problem nicht lösen. Wir müssen uns dem Problem aber stellen.

Es ist gesagt worden: Statistisch gesehen wird jede vierte Frau in Deutschland mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von seelischer, körperlicher oder sexualisierter Gewalt. Auch Männer – ich habe es schon gesagt – können Opfer von Gewalt im Nahbereich werden, wobei die hier zitierten Studien insofern einen statistischen Fehlansatz aufweisen, als sie ausschließlich justizförmig bearbeitete Verfahren und damit Fälle der schweren Gewaltausübung, in denen ein nahezu hundertprozentiges Anzeigeverhalten zu verzeichnen ist, zum Gegenstand haben.

Der Gesetzentwurf, den die Linksfraktion.PDS vorgelegt hat, wird diesem Problem allerdings nur in Ansätzen gerecht. Richtig ist, dass die Finanzierung der Arbeit weitergeführt werden muss. Es stellt sich allerdings die Frage, in welchem Umfang dies geschehen soll. Zum Glück ist die ursprünglich vorgesehene unabhängige Landesfachstelle im Änderungsantrag nicht mehr enthalten, sondern man knüpft nunmehr an die Arbeit des Lenkungsausschusses an, die er nach unserer Auffassung gut erledigt hat. Allerdings – das ist der erste Kritikpunkt – ist die Besetzung des Lenkungsausschusses mit 19 verschiedenen Entsendungsgremien nach unserer Auffassung zu umfangreich gestaltet. Hier macht nicht die Masse Klasse. Wir halten eher etwas davon, den Lenkungsausschuss möglichst kompetent und klein zu halten,

statt alle, die dazu etwas sagen könnten oder von denen man meint, dass sie dazu etwas sagen sollten, einzubinden. Letzteres würde den Lenkungsausschuss aufblähen, und wäre seiner Arbeit nicht förderlich.

Als zweiten Punkt möchte ich die vorgeschlagene Regelung in § 21a des Polizeigesetzes ansprechen. In Abs. 5 ist hinsichtlich der Dauer der Wegweisung durch die Polizei ein Regel-Ausnahme-Prinzip vorgesehen. Bisher sind es sieben Tage. Diese Frist hat sich im Ergebnis der Anhörung als zu kurz herausgestellt, insbesondere im Hinblick auf die laufenden Rechtsbehelfsverfahren und die Notwendigkeit, unter Umständen gerichtliche Entscheidungen herbeizuführen, was nicht immer innerhalb dieser Zeitdauer möglich war. Der jetzige Gesetzentwurf der Linksfraktion.PDS sieht als Regeldauer für die Wegweisung grundsätzlich 14 Tage vor. Das halten wir für verfehlt. Es ist eben nicht so, dass bis zu 14 Tage wegverwiesen werden kann; die Wegweisung soll grundsätzlich 14 Tage dauern. Nur im Ausnahmefall kann die Polizei eine kürzere Dauer der Wegweisung verfügen. Ansonsten bleibt es dabei, dass eine Wegweisung grundsätzlich die Dauer von 14 Tagen haben soll.

Diese Regelung ist nach unserer Auffassung falsch. Wir würden uns vorstellen, wenn es dort heißt „bis zu 14 Tagen“, dann ist das in Ordnung. Aber § 21a Abs. 5 – Frau Kollegin Dr. Ernst – lautet in der Fassung des Änderungsantrages: „Wohnungsverweisung, Rückkehr- und Vertretungsverbot enden spätestens mit Ablauf des 14. Tages nach ihrer Anordnung, soweit nicht die Polizei im Einzelfall ausnahmsweise eine kürzere Geltungsdauer festlegt.“

Wenn Sie sagen, spätestens nach 14 Tagen, widerspricht das dem zweiten Absatz. Das ist dann einfach gesetzestechnisch Murks. Das ist einfach schlecht gemacht,

(Beifall bei der FDP)

das muss man als Jurist sagen. Entweder endet es spätestens mit Ablauf von 14 Tagen – das war’s dann – oder aber nach 14 Tagen, und nur im Ausnahmefall kann eine kürzere Geltungsdauer festgelegt werden. Da müssen Sie sich entscheiden, was Sie gesetzestechnisch haben wollen: entweder Regel-Ausnahme-Verhältnis oder grundsätzlich die Möglichkeit bis zu 14 Tagen. Dann müssen Sie das so in das Gesetz schreiben. Deshalb können wir dem Gesetz in dieser Fassung nicht zustimmen. Wir werden uns bei der Abstimmung enthalten.

(Beifall bei der FDP – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Sie können einen Änderungsantrag bringen!)

Die Fraktion der GRÜNEN ist an der Reihe. Frau Abg. Herrmann, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir teilen grundsätzlich das Anliegen der Linksfraktion.PDS. Auch wir sind der Meinung, dass sich die Staatsregierung mit dem Landesaktionsplan gegen häusliche Gewalt viel zu viel Zeit lässt.

Auch wir meinen, dass zu wenige Ressourcen für Prävention und Intervention von häuslicher Gewalt zur Verfügung stehen, weil unter anderem die Förderrichtlinien eine zu hohe kommunale Kofinanzierung verlangen. Damit werden das Engagement und die Professionalität der Aktiven in Frauenschutzhäusern, den Interventionsstellen der Täterarbeit und der Polizei verschlissen. Ihre Kraft wird physisch und psychisch viel zu stark durch den ständigen Kampf um die eigenen materiellen Ressourcen gebunden. Auch wir sind der Meinung, dass die nötige Änderung des Polizeigesetzes durch Verlängerung der Wegweisung, des Rückkehr- und Betretungsverbotes auf 14 Tage zu lange auf sich warten lässt. Deshalb ist der Vorstoß der Linksfraktion.PDS wichtig.

Ein Gesetz zur Verbesserung der Prävention und des Schutzes vor häuslicher Gewalt in Sachsen könnte die Situation ganz erheblich verbessern. Aber allein die politische Botschaft nutzt den Betroffenen nichts. Es wäre nötig gewesen, den Gesetzentwurf nach der öffentlichen Anhörung der Sachverständigen gründlich zu überarbeiten. Jetzt liegt uns eine überarbeitete Fassung vor. Aber die sprachlichen Formulierungen sind so oberflächlich und die juristischen Folgen überhaupt nicht bedacht, sodass dem Anliegen in der Umsetzung ein Bärendienst erwiesen wurde.

Die Probleme beginnen schon im § 1 Gesetzeszweck. Hier wurde von den Sachverständigen kritisiert, dass im ursprünglichen Entwurf „Stalking“ – Nachstellung – nicht erfasst wurde. Nunmehr ist Stalking aufgenommen, aber unter dem Begriff häusliche Gewalt. Häusliche Gewalt und Nachstellungen sind aber zwei unterschiedliche Phänomene, die zwar gemeinsam auftreten können, jedoch nicht zwangsläufig gemeinsam auftreten müssen. Zwischen beiden Tatbeständen wird auch im Bundesgewaltschutzgesetz unterschieden.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage? – Bitte.

Frau Kollegin! Ist Ihnen bewusst, dass wir nach dem Gewaltschutzgesetz nur im Bereich der häuslichen Gewalt Regelungen treffen können? Das ist einfach so. Wenn man den Gewaltbegriff erweitern würde, würde man ihn für sämtliche Bereiche erweitern, und das war nicht Anliegen des Gesetzentwurfs. Das würde ich zwar gern wollen, aber ich glaube, dass es keine bundesrechtliche Regelung und keine Ausgangspunkte dafür gibt. Sehen Sie das ähnlich?

Sie haben Stalking aufgenommen und sich damit in Widerspruch zum Bundesgesetz begeben, das nämlich zwischen Stalking und häuslicher Gewalt ganz eindeutig unterscheidet.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Im § 2 wurde unter anderem die Arbeit mit Tätern als eine zentrale Interventionsmöglichkeit zur Unterbrechung des Gewaltkreislaufes aufgenommen. Damit ist die Chance gegeben, dass sich diese Konfliktlösungsstrategie, näm

lich Gewalt, nicht einfach auf die nächste Beziehung verschiebt. Aber wie wurde das im Text umgesetzt?

Der § 2 regelt die Ansprüche jeder von „… häuslicher Gewalt betroffenen oder bedrohten Person“. Dort heißt es: „ Der Anspruch umfasst insbesondere...“, dann kommen vier Punkte und es folgt der fünfte Punkt: „die Beratung und Arbeit mit Tätern häuslicher Gewalt.“

Die bedrohte Person kann aber keinen Anspruch auf die Arbeit mit dem Täter geltend machen. Diesen Anspruch kann nur der Täter selbst haben. Darauf wird auch in Täterberatungsstellen Wert gelegt.

(Beifall bei den GRÜNEN – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Da steht „Betroffene“!)

§ 3 Beratungsangebote: Nach wie vor ist unklar, woran sich ein ausreichendes Angebot an flächendeckender und wohnortnaher Beratung misst. Die Aufzählung der zu fördernden Beratungsangebote erweckt stärker den Eindruck von Doppelstrukturen als von Vernetzung und Ergänzung. Und was, bitte schön, sind ethnische Bedürfnisse der Hilfe suchenden Personen?

Das sind drei Beispiele; ich könnte die Aufzählung fortsetzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr kritisch sehen wir die weitere Verschärfung des Polizeirechts. Wir waren uns einig, dass im ländlichen Raum, insbesondere mit seiner Unterversorgung, 14 Tage nötig sein können, bis die Wege zum Gericht gegangen und die Zivilgerichtliche Verfügung erwirkt ist. Aber wir wissen aus den Erfahrungen der Interventionsstellen auch, dass in den Städten in der Regel sieben Tage ausreichen. Warum machen Sie 14 Tage zu einer Regelwegweisung, die dann sogar noch auf 24 Tage erweitert werden kann?

Die polizeilichen Maßnahmen der Wegweisung, des Rückkehr- und Betretungsverbotes stellen grundrechtsintensive Maßnahmen dar. Die Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahmen muss in jedem Einzelfall abgewogen werden.

(Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS: Das wird in anderen Bundesländern von Ihrer Partei ganz anders gesehen!)

Liebe Kollegen von der Linksfraktion.PDS! Wir hatten drei Änderungsanträge zu Ihrem Antrag vorbereitet, die die verschiedenen Kritikpunkte aufgreifen. Aber in der Arbeit mit diesem Gesetzentwurf ist uns bewusst geworden, dass wir viel mehr ändern müssten und, ehrlich gesagt, sind wir nicht in der Lage – und wollen es auch nicht –, Ihre Schlampigkeit auszubügeln.

(Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS: Das ist eine Frechheit!)

Sie haben hier in Sachsen, liebe Kolleginnen und Kollegen, einige gute Voraussetzungen. Der Lenkungsausschuss vernetzt viele Professionen, die für eine wirksame Interventionskette gegen häusliche Gewalt zusammenar

beiten müssen. Wir haben in der Zwischenzeit auch Erfahrungen mit erfolgter Vernetzung auf kommunaler Ebene, dort also, wo sich die Vernetzung unmittelbar bei den Betroffenen auswirkt. Polizei- und Interventionsstellen, Frauenschutzhäuser und Projekte der Täterarbeit erleben, wie viel besser sie ihren Job machen können, wenn sie sich aufeinander verlassen können und wenn sie wissen, wen sie in der konkreten Gefahrensituation einbeziehen können. Aber alle diese Erfolge sind nicht nur abhängig vom Engagement der Akteure, sondern auch von den finanziellen Möglichkeiten.

Das Hauptproblem bei der Zielstellung dieses Lenkungsausschusses, nämlich der Aufbau handlungsfähiger Netzwerke, ist dabei die Finanzierung durch den Freistaat. Deshalb werden wir in den Haushaltsberatungen eine deutlich bessere Finanzierung dieser Arbeit einfordern; denn sie ist nachhaltig und spart nicht nur dem Land zukünftig Kosten, sondern auch den Betroffenen viel Leid.