Protocol of the Session on July 19, 2006

Den Fraktionen wird das Wort zur allgemeinen Aussprache erteilt. Zunächst spricht die Einreicherin Linksfraktion.PDS. Frau Dr. Ernst, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin sehr froh, dass von allen Fraktionen Vertreter anwesend sind

(Gottfried Teubner, CDU: Bei euch die wenigsten!)

zur Diskussion eines Themas, das nicht nur meiner Meinung nach sehr wichtig ist. Es hat Jahrzehnte gedauert, bis erkannt wurde, dass die häufigste Form von sexualisierter Gewalt die im häuslichen Bereich ist, dass also Täter und Opfer sich kennen. Ebenso lange hat es gedauert, bis klar wurde, dass häusliche Gewalt keine Privatangelegenheit ist, weil die körperliche und seelische Unversehrtheit ein Menschenrecht ist. Gewalt im häus- lichen Bereich bedarf der öffentlichen Ächtung und staatlichen Handelns. Das ist vielleicht die wichtigste Erkenntnis, die in den letzten Jahren zustande kam, und dafür braucht es auch Gesetze. 25 % aller Frauen haben Gewalterfahrungen in ihrem Leben, ein Drittel von ihnen ständig. 82 % der Gewaltopfer sind Frauen. Das heißt, es sind außerdem noch viele Jungen betroffen. Ein Teil der Frauen sind Migrantinnen, die es besonders schwer haben und hier isoliert leben. 75 % der Fälle sind Körperverletzungen.

Immer noch ist das Thema Gewalt in der Familie ein Tabu. Das sieht man am Anzeigeverhalten. Die Anzahl der Anzeigen ist zwar gestiegen, aber es gibt eine Dunkelziffer, die mindestens bei 1 : 20 liegt.

2002 kam der erste Schritt in Form des Gewaltschutzgesetzes. Mit Ach und Krach – ich habe das im Innenausschuss mitverfolgt – wurde die Wegweisungsregelung für Täter häuslicher Gewalt in Sachsen auf sieben Tage festgelegt.

Grundlegende Fragen der landespolitischen Umsetzung des Bundesgesetzes sind aber seit Jahren offen. Wir haben

zwar ein polizeiliches Wegweisungsrecht für Täter häuslicher Gewalt von bis zu sieben Tagen bei uns in Sachsen. Aber wir haben zugleich auch riesengroße Probleme, wenn zum Beispiel die Wegweisung an Wochenenden stattfindet, wo zum Beispiel zwar nicht alle, aber die meisten Behörden und Ämter nicht geöffnet haben und Gewaltopfer kaum in der Lage sind, erste Schritte zu tun, um aus ihrer misslichen Lage herauszukommen.

„Sieben Tage sind viel zu kurz“, sagten die Fachverbände vor drei Jahren. „Sieben Tage sind viel zu kurz“, sagen sie heute. Daran hat sich auch nichts geändert. Mehr Zeit für die Betroffenen zu gewinnen ist eine vordringliche Aufgabe.

Die Koalition hat in ihrem Koalitionsvertrag 2004 – darüber habe ich mich sehr gefreut – festgehalten, dass die Erweiterung der Wegweisungsdauer auf bis zu 14 Tage als Ziel anvisiert wird. Aber seitdem sind zwei Jahre für diesen wichtigen Schritt vergangen und passiert ist nichts. Deshalb wollen wir mit unserem Gesetzentwurf nicht nur Druck machen, sondern auch eine Möglichkeit anbieten, die Verlängerung der Wegweisung auf 14 Tage tatsächlich zu regeln.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nicht nur dieses Problem ist noch nicht gelöst. Es gibt viele andere offene Fragen. Wir haben einen Lenkungsausschuss zur Koordinierung der Bekämpfung häuslicher Gewalt, der eine unstrittig gute Arbeit leistet. Aber er hat keine geregelten Rechte und Kompetenzen. Wir haben ein wunderschönes Lippenbekenntnis der Koalition zur Entwicklung eines Landesaktionsplanes zur Bekämpfung häuslicher Gewalt. Mehr haben wir aber nicht. Der Aktionsplan sollte im November 2005 kommen. Was kam, war nichts. Nun soll dieser Aktionsplan im Herbst dieses Jahres vorliegen. Aber keiner weiß, was kommt.

Wenn ich von offenen Fragen spreche, muss ich auch auf die gut funktionierenden und erfahrenen Frauenschutzhäuser, Interventionsstellen und Projekte der Täterarbeit eingehen. Diese kämpfen alle ums Überleben. Das ist ein

Fakt, den man wahrnehmen muss. Es gibt keinerlei befriedigende Finanzierung dieser Aufgaben. Außerdem reichen diese Angebote nicht aus. Die Anhörung machte deutlich, dass es im ländlichen Raum erhebliche Defizite gibt. Wir haben 16 Frauenschutzhäuser, vier Interventionsstellen und drei Täterprojekte. Es ist ganz klar, dass das nicht ausreicht. Hier muss nachgebessert werden.

Wir standen als Fraktion vor einer ganz praktischen Frage: Warten wir ab, bis sich die Koalition bequemt, irgendwann einmal in dieser Legislatur das Problem mit der Wegweisung zu lösen und den Austausch der Zahl sieben durch die Zahl vierzehn vornimmt, oder handeln wir jetzt und versuchen, solche Regelungen zu finden, die wenigstens den Anspruch formulieren, dem Schutz vor häuslicher Gewalt und der Unterstützung der von Gewalt betroffenen Opfer einen institutionalisierten Rahmen zu geben? Wir haben uns für den zweiten Weg entschieden, wohl wissend, dass der nie perfekt sein kann. Wir haben versucht, Lösungen zu finden, die in der Anhörung kritisch diskutiert wurden. Ihnen liegt ein Änderungsantrag vor, zu dem wir uns, denke ich, gut verständigen können.

Wir schlagen im Einzelnen Folgendes vor:

Erstens. Wir fordern ein eigenständiges Gewaltpräventions- und Opferschutzgesetz. Darin soll der Anspruch von Gewaltopfern auf Information und Beratung gesetzlich gewährleistet werden. Was wir brauchen, ist ein flächendeckendes und wohnortnahes Angebot von Projekten, Beratungen und Informationsmöglichkeiten für Opfer häuslicher Gewalt. Dabei müssen auch spezifische Bedürfnisse berücksichtigt werden. Das betrifft die Herkunft, aber auch weltanschauliche, religiöse, ethnische und kulturelle Bedürfnisse sowie die Belange behinderter Menschen. Darauf wurde auch in der Anhörung besonders hingewiesen.

Zweitens. Wir wollen, dass der Landesaktionsplan gegen häusliche Gewalt gesetzlich festgeschrieben wird, weil wir Inhalt und Umsetzung dieses Planes nicht dem Goodwill der Regierung überlassen wollen. Wir brauchen allgemein verbindliche Standards zur Bekämpfung häuslicher Gewalt, und zwar im Landesmaßstab.

Drittens. Wir wollen, dass der existierende Lenkungsausschuss zur Bekämpfung häuslicher Gewalt eine gesetzliche Grundlage erhält. Ich weiß auch, dass das nicht unkompliziert ist. Wir haben lange darüber diskutiert, welcher der richtige Weg ist, und sind zu dem Schluss gekommen, dass dieses Gremium sehr wohl geeignet ist und wir deshalb dafür Rechte und Rechtsklarheit fordern müssen. Zur Rechtsklarheit gehört beispielsweise die Definition seiner Aufgaben. Wir wollen auch, dass dieser Lenkungsausschuss Rechte erhält. Zum Beispiel soll er in allen Fragen, die die Belange der Bekämpfung häuslicher Gewalt betreffen, gegenüber dem Landtag Stellungnahmen und Empfehlungen abgeben. Ein Anhörungsrecht muss notwendig sein, und es ist notwendig. Bei der Erarbeitung von Rechtsvorschriften sollte dieser Lenkungsausschuss gehört werden.

Viertens. Wir verlangen ein Umdenken in der Finanzierung der damit verbundenen Beratungs- und Informationsangebote. Seit dem In-Kraft-Treten des Gewaltschutzgesetzes haben sich die Aufgaben von Frauenschutzhäusern und andere Angebote deutlich erweitert. Der Rückzug des Landes allein auf die Förderung anteiliger Personalkosten und eines Festbetrages von Betriebskosten von 2 500 Euro jährlich wird dem Bedarf einfach nicht gerecht. Wir als Linksfraktion wollen, dass Gewaltschutz und Prävention Pflichtaufgabe werden und dass dies dementsprechend als finanzielle Untersetzung im Haushaltsgesetz verankert wird. Dafür gibt es Beispiele wie bei Schwangerschaftskonfliktberatungen, die nach einem Schlüssel agieren. Hier bedeutet das: eine Vollzeitstelle auf 40 000 Einwohner. Man müsste sehr genau überlegen, wie beispielsweise der Schlüssel für diese Angebote – Frauenschutzhäuer, Interventionsstellen, natürlich auch Täterarbeit – sein müsste. Für Interventionsstellen gibt es einen Vorschlag seitens der LAG Frauenschutzhäuser, nämlich 1 zu 150 000 im Landesmaßstab. Ähnlich muss es auch bei der Täterarbeit einen Schlüssel geben.

Fünftens. Wir wollen im Polizeigesetz mehr geregelt haben als lediglich die Verlängerung der Wegweisung auf 14 Tage. Wir glauben, dass auch ein Rückkehr- und Betretungsverbot für bestimmte Räume in diesem Zusammenhang dazugehört. Zugleich halten wir es für gerechtfertigt, dass im Falle der Beantragung zivilrechtlichen Schutzes eine Verlängerung von bis zu zehn Tagen bei der Wegweisung möglich sein muss. Im Übrigen greifen wir auch die Bitte von Polizeibeamten auf, die immer wieder gesagt haben: Schreibt doch einmal die Aufgaben, die wir zu lösen haben, wirklich im Gesetz fest! Eine der wichtigsten Aufgaben besteht unter anderem darin – das haben auch viele Gewaltopfer immer wieder betont –, dass die Polizei Hilfestellungen für die Kontaktaufnahme der Opfer zu geeigneten Beratungsstellen gibt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Bereich der Arbeit mit Opfern häuslicher und sexualisierter Gewalt entstand in den letzten Jahren sehr, sehr viel an Beispielen für ehrenamtliches Engagement. Vereine und Initiativen haben die anstehenden Probleme thematisiert. Es ist unheimlich viel vor Ort angeschoben worden. Enormes Wissen von Expertinnen und Experten wurde seit der Wende angereichert, Professionalität entstand. Jetzt ist es an der Zeit, den nächsten logischen Schritt zu unternehmen und solche Voraussetzungen zu schaffen, die der Gewaltprävention und dem Schutz vor häuslicher Gewalt eine dauerhafte Grundlage verleihen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Uwe Leichsenring: NPD: Lauter klatschen, ihr seid wenige! – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Wir sind aber besser als viele!)

Ich erteile der CDUFraktion das Wort. – Für die Koalitionsfraktionen Frau Dr. Schwarz, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Noch vor wenigen Jahren wurde das Thema häusliche Gewalt tabuisiert. Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt werden auch als lautlose Krise des 20. Jahrhunderts bezeichnet. Die rot-grüne Bundesregierung hat mit ihrem Gewaltschutzgesetz dazu beigetragen, die Diskussion zu versachlichen und den Betroffenen zu helfen. Die Bundesländer ihrerseits haben gesetzliche Regelungen auf den Weg gebracht, wenn auch unterschiedlich und mit unterschiedlichen Ergebnissen.

In der vergangenen Legislaturperiode hat die SPDFraktion mit einer Großen Anfrage und einem Gesetzentwurf, ganz ähnlich, wie ihn jetzt die PDS-Fraktion vorlegt, versucht, das Thema voranzubringen. Zumindest wurde nach einigen Diskussionen die Wegweisungsmöglichkeit im Polizeigesetz verankert, wenn auch nur für einen Zeitraum von sieben Tagen. Dabei ging es ein bisschen zu wie auf dem Basar, als es dann zu den sieben Tagen kam.

Unabhängig davon ist Sachsen einen eigenen Weg gegangen und hat einiges auf den Weg gebracht. Ich möchte hier besonders die Initiativgruppe zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen in Sachsen hervorheben und stellvertretend auch einmal den Namen von Gabi Essbach nennen, die sich sehr engagiert hat; die gesamte Gruppe hat sich große Dienste erworben.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Der Runde Tisch gegen Gewalt – auch hier aus dem Hause heraus moderiert – hat ein Empfehlungspapier dazu verabschiedet. Die Staatsregierung hat einen landesweiten Lenkungsausschuss zur Bekämpfung häuslicher Gewalt eingesetzt. Auch die Polizei ist bei diesem Thema wesentlich sensibler geworden. Es haben Schulungen stattgefunden, und es ist Informationsmaterial erarbeitet worden. Auf diesen gewachsenen Strukturen in Sachsen aufbauend, wurde im Koalitionsvertrag ein Landesaktionsplan gegen häusliche Gewalt beschlossen. Er soll im September vorliegen. Es konnte auch nicht so schnell gehen, wie es vielleicht gewünscht wäre. Es sind die Nichtregierungsorganisationen beteiligt und es haben intensive Diskussionen stattgefunden, um diesem Landesaktionsplan gegen häusliche Gewalt auch den nötigen Rückhalt und die notwendigen Ziele zu geben.

Der Doppelhaushalt 2005/2006 hat auch hier Weichenstellungen vorgenommen: den Ausbau der Interventionsstellen und die täterorientierte Beratung. Frau Kollegin Ernst, es ist kein Kämpfen ums Überleben, es ist hier eine verlässliche Finanzierung auf den Weg gebracht worden, und sie wird auch weitergeführt werden.

Frau Dr. Schwarz, gestatten Sie eine Zwischenfrage? – Bitte.

Frau Dr. Schwarz, werden Sie die Umsetzung des Landesentwicklungsplanes auch finanziell im Haushalt untersetzen?

Teile sind bereits untersetzt, indem wir die Interventionsstellen und die täterorientierte Arbeit schon im Haushalt abgesichert haben. Das ist ein Teil. Wir werden, wenn er uns dann vorliegt, auch hier im Parlament eine Diskussion darüber führen und sehen, welche konkreten Aufträge sich für uns als Parlament daraus ergeben.

Der Gesetzentwurf der Linksfraktion.PDS hat die in Sachsen gewachsenen Strukturen nicht berücksichtigt. Dies ist auch in der öffentlichen Anhörung deutlich geworden.

(Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS: Haben Sie den Änderungsantrag gelesen?)

Ich komme dazu, keine Aufregung.

Es war auch so, dass sogar Ihre Kolleginnen und Kollegen im Haushalts- und Finanzausschuss dem ursprünglichen Gesetzentwurf nicht zugestimmt haben. Es wurde durch die einbringende Fraktion ein umfassender Änderungsantrag eingebracht, der zumindest dem Sozialausschuss – das haben wir bedauert – ziemlich kurzfristig vorlag. Er war so umfassend, dass eigentlich eine erneute Anhörung hätte stattfinden müssen. Ich würdige durchaus die Arbeit, die hier geleistet wurde, sowohl mit dem Gesetzentwurf als auch mit dem Änderungsantrag. Aber wir können heute dem vorgelegten Gesetzentwurf nicht zustimmen.

Ich möchte noch einmal die Gründe zusammenfassen. Der Landesaktionsplan steht noch aus. Er wird für uns die Grundlage für eine mittelfristige Planung in diesem Bereich darstellen. Deswegen macht es keinen Sinn, sich heute festzulegen. Der Gesetzentwurf berücksichtigt die in Sachsen gewachsenen Strukturen und die Finanzierung ungenügend. Ein Freibrief für die Kommunen und einseitige Belastung des Landes ist für uns nicht tragbar. Sollen hier nachhaltige Ergebnisse erzielt werden, müssten auch die Kommunen ihren Teil dazu beitragen.

Letzte Bemerkung zum Artikel 2, was die Wegweisungspflicht angeht. Sie wissen, dass die Möglichkeit einer Wegweisung von 14 Tagen – Sie sagten es – im Koalitionsvertrag steht. In Kürze wird das Polizeigesetz novelliert. Ich denke, dass in diesem Rahmen auch diese Vereinbarung umgesetzt wird. Deswegen lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Die NPD-Fraktion erhält das Wort; Frau Abg. Schüßler, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Häusliche Gewalt – ein Thema, das sowohl in der Politik als auch im alltäglichen Leben immer mehr Beachtung findet. Immer wieder wird es allerdings, ideologisch aufgeladen und von der Linksfraktion als reine Klientelbedienung missbraucht.

Direkt zum Gesetzentwurf! Trotz formell weitgehend geschlechtsneutraler Formulierungen ist der Entwurf aus unserer Sicht gewollt geschlechtsspezifisch ausgelegt. Bestätigt wird dies auch dadurch, dass Frau Dr. Ernst schon in der Einbringung des Entwurfes am 07.12.2005 vor allem die Gewalt an Frauen thematisierte – das hat sie gerade wieder getan – und damit zeigte, in welche Richtung die Sache gehen soll. Neben den gesetzlichen Änderungen soll sich vor allem auch das gesellschaftliche Klima in diesem Bereich in der Weise ändern, dass Gewalt gegen Frauen allseits geächtet und wirksam bekämpft wird.

Entgegen den Annahmen der Linksfraktion ist aber die Gewalt zwischen Partnern im Wesentlichen zwischen Frauen und Männern gleich verteilt. Sichtbar wird dies, wenn die bei häuslicher Gewalt unbedingt erforderlichen Dunkelfeldstudien herangezogen werden. Eine solche Untersuchung des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen von 1992, die damals vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend herausgegeben wurde, bestätigt diesen in einer Vielzahl empirischer Untersuchungen in anderen Ländern festgestellten Befund, indem sie bei schwerer physischer Gewalt Opferzahlen von 214 000 Männern und 246 000 Frauen pro Jahr in Deutschland angibt. Der Linksfraktion ist dieser Befund vielleicht nicht gegenwärtig oder er wird einfach ignoriert.

Inzwischen liegen aber auch sekundäranalytische Arbeiten vor, in denen die entsprechenden Studien methodisch hinterfragt, gewürdigt und bezüglich der Haupttendenz der Ergebnisse zusammengefasst wurden. Der britische Wissenschaftler John Archer kommt dabei hinsichtlich des geschlechtsspezifischen Aggressionsverhaltens zu folgenden Befunden:

Aggressives Verhalten legen Frauen und Männer nahezu gleich häufig an den Tag, Frauen sogar etwas mehr (bei einer Gesamtberechnung mit 52 % der Fälle). Dieser Befund erwies sich als erstaunlich stabil.

Messmethoden, Art und Größe der Stichproben sowie einige sonstige Unterschiede der in die Analyse einbezogenen insgesamt 82 Untersuchungen bewirkten nur vergleichsweise geringe Abweichungen von diesem Gesamtbefund … Bei den wahrgenommenen Verletzungen gibt es ein leichtes Übergewicht für die Frauen (bei einer Gesamtberechnung mit 62 % der Fälle). Diese Befunde sind nicht ganz so gut gesichert, weil nicht alle Studien hierzu Angaben enthalten, doch ist auch hier die Gesamttendenz eindeutig.

Auch wenn die meisten Statistiken aufzeigen, dass prozentual mehr Frauen Opfer häuslicher Gewalt werden, ist dies sicherlich keine wirkliche gesellschaftliche Abbildung. Die Unterschiede in den geschlechtsspezifischen Quoten häuslicher Gewalt erklären sich vor allem dadurch, dass Frauen und Männer aufgrund von Rollenverständnissen objektiv gleiches Verhalten unterschiedlich wahrnehmen und bewerten und dass das Öffentlichmachen für Frauen in jeder Hinsicht ein Gewinn ist, für

Männer aber eine Katastrophe. Man glaubt ihnen nicht, sie werden ausgelacht – bei Experten beiderlei Geschlechts und vor Gericht –, weil die objektiv unzutreffende Vorstellung verbreitet ist, häusliche Gewalt sei männliche Gewalt.

(Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS: Vorrangig ist das auch so!)

Das haben Sie doch vorhin gerade wieder unterstrichen, Frau Ernst.