Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin ein Sachse und ich bin stolz, ein Sachse zu sein. Ich bin auch stolz auf dieses Land.
Es hat eine besondere Bedeutung, wenn ich das sage. Ich bin in Torgau geboren, und wenn man weiß, dass Torgau 1815
Wiener Kongress – nach Preußen „geschlagen“ wurde und sich 1990 in einer Volksabstimmung mit sehr, sehr großer Mehrheit von weit über 90 % dazu bekannt hat, wieder nach Sachsen zu kommen, dann hat dies eine besondere Bedeutung.
Die Menschen im Freistaat Sachsen können mit Stolz darauf sehen, was in den letzten 15 Jahren erreicht wurde. Die neuen Länder hatten 1990 ungefähr das gleiche Ausgangsniveau, und der Freistaat Sachsen hat sich als Musterschüler in den neuen Ländern besonders gut entwickelt. Herr Zastrow deutete es bereits an: Wir haben zurzeit eine Verschuldung von 2 822 Euro pro Einwohner. Wir wären mit einer Fusion bei 5 100 Euro – 81 % Steigerung; dies sagte er. Dies wären 400 Millionen Euro jährlich im Haushalt mehr für den Schuldendienst – 400 Millionen Euro, die uns für den weiteren Aufbau dieses Landes nicht zur Verfügung stehen würden.
Für mich war es bezeichnend, dass ausgerechnet der Finanzminister des Landes Sachsen-Anhalt, des am höchsten verschuldeten Bundeslandes, diesen Vorschlag machte.
Ich kenne nicht viele Zitate, aber mir kam ein Zitat von Konrad Adenauer aus dem Jahre 1962, glaube ich, in den Sinn: „Das Einzige, was die Sozialisten vom Geld verstehen, ist, dass sie es von anderen haben wollen.“
Meine Damen und Herren! Es wird sicher Zusammenarbeiten der Länder Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen auf verschiedenen Gebieten geben. Das ist ganz normal. Der Mitteldeutsche Rundfunk wurde bereits genannt. Man kann auch das Beispiel Mitteldeutsches Verkehrskonzept anführen; dieses war nicht so gelungen. Aber es gibt noch andere Gebiete, auf denen die Verwaltungen zusammenarbeiten. Diese Zusammenarbeit sollte weiter betrieben werden, da gibt es überhaupt keine Frage.
Wir alle wissen, dass die mit viel Pathos gestartete Mitteldeutschland-Initiative wie ein schlaffer Luftballon in sich zusammengestürzt ist. Ich darf nur an unseren Antrag „Fortschrittsbericht Mitteldeutschland-Initiative“ am 9. Dezember 2005 zur 38. Landtagssitzung erinnern. Mein Fraktionsvorsitzender Prof. Dr. Peter Porsch hat dort gesprochen.
Kollege Zastrow hat soeben die eigentlich schon tragikomische Irrfahrt bei einem einfachen und überschaubaren Vorhaben, nämlich einem gemeinsamen Luftverkehrskonzept, beschrieben. Leider ist das nicht das Einzige. Erinnern wir uns an die Hochwasserkatastrophe 2002. Was ging danach los? Ein unsäglicher Kampf um das Abgreifen von Fördermitteln – alles andere als Solidarität zwischen den drei Ländern! –, danach, völlig unsinnig, keine ordentliche Koordination der Hochwasserschutzprojekte.
Ich wohne an der Grenze zu Sachsen-Anhalt. Es kann nicht sein, dass wenige Meter hinter der Landesgrenze die Schutzdämme anderthalb Meter höher gebaut werden als in Sachsen. Da greift sich jeder vernünftige Mensch an den Kopf.
Es herrscht eine unsinnige Standortkonkurrenz. Ich nehme als Beispiel den ehemaligen Saalepark, der jetzt komischerweise „Nova Eventis“ heißt, mit ausufernden Verkaufsflächen zulasten Leipzigs, Halles, Merseburgs und vieler anderer Städte. Die Raumordnungskommission, die dort unter Wahrung der kommunalen Selbstverwaltung für Ordnung sorgen sollte, hat bei diesen großflächigen Verkaufsanlagen kläglich versagt.
Oder denken wir an die unkoordinierte Entwicklung von Windparkanlagen, an Abfallverwertungsbetriebe usw. usf. – überall eine unsinnige Standortkonkurrenz.
Wenn es uns nicht gelingt, selbst bei diesen doch überschaubaren Projekten die Hausaufgaben zu machen, verbietet es sich, über Fusion zu schwätzen.
Deshalb kommt mir die vom frischgebackenen sachsenanhaltischen Finanzminister und designierten SPDBundesvize Jens Bullerjahn und vom Bundesverkehrs- und -ostminister Wolfgang Tiefensee zur Unzeit wechselseitig angefeuerte Fusionsdebatte gegen Kontrahenten wie Matschie aus Thüringen doch etwas vor wie ein verfrühter Hahnenkampf in der Bundes-SPD am völlig untauglichen Objekt, wer denn nun der eigentliche Ost-Obervertreter sein darf und damit ein wichtiges Beta-Tier in der Bundes-SPD. Das ist doch wohl der Hintergrund.
Sie werden Verständnis dafür haben, sehr geehrter Herr stellvertretender Ministerpräsident Jurk, dass die Linksfraktion dieses Gerangel in der SPD nur mäßig interessiert. Viel mehr interessiert uns, dass es zu einer engen Kooperation – wohlgemerkt Kooperation, nicht Fusion! – zwischen Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen tatsächlich keine vernünftige Alternative gibt.
Ich darf auf ein bemerkenswertes Papier der drei Fraktionsvorsitzenden – damals noch PDS-Fraktion – Petra Sitte, Vorsitzende der damaligen PDS-Fraktion in Sachsen-Anhalt, Bodo Ramelow, Vorsitzender der PDSFraktion in Thüringen, und Prof. Dr. Peter Porsch vom 24. April 2004 verweisen. Damals gab es eine Altenburger Erklärung unter der Überschrift „Kooperation statt Konkurrenz“. Dort steht eigentlich alles Wesentliche drin. Dort steht, dass sich die Linksfraktionen natürlich für ein kooperatives, solidarisches Föderalismusmodell stark machen, dass sie keine Denkverbote aufstellen, aber zunächst einmal sehr irdisch die Kooperationsfragen in den Mittelpunkt stellen.
Im Jahre 2004. In diesem Papier haben wir ganz konkrete Vorschläge unterbreitet, was man machen könnte. Dazu gehört beispielsweise eine effektive Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben, speziell in der Daseinsvorsorge. Hier wäre eine Abstimmung zwischen den drei Ländern zum Beispiel bei der Abfallversorgung, beim öffentlichen Personennahverkehr und auf vielen anderen Gebieten äußerst wünschenswert.
Eine abgestimmte Förderpolitik gibt es nicht. Fehlanzeige! Hier muss viel getan werden. Abgestimmte Landesentwicklungsplanungen speziell im Raum Halle – Leipzig – Altenburg – Jena, also dort, wo industrielle Kerne oder so genannte Leuchttürme sind; unbedingt eine viel, viel höhere Transparenz bei der Länderkooperation. Es kann nicht sein, dass das nur die Exekutive macht. Hier sollte man dafür sorgen, dass die Landtage durch entsprechende parlamentarische Gremien oder Enquete-Kommissionen einbezogen werden. Den Menschen muss verständlich sein, was sich hier entwickelt.
Und schließlich ein Wiedererwachen der so genannten Mitteldeutschland-Initiative, aber auf völlig neuen, demokratischen, transparenten Grundlagen. So wie bisher war es ein Rohrkrepierer.
Ich glaube, die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse darf nicht aus dem Auge verloren werden. Bei all dem ist die weitgehende Mitbestimmung der Betroffenen zu gewährleisten. Wenn wir so herangehen, dann wird es etwas Vernünftiges und dann kann – ob im Jahre 2016 oder im Jahre 2026, lasse ich völlig dahingestellt – zu gegebener Zeit einmal die Frage auftauchen, ob Kooperation ausreicht oder ob weitergehende Überlegungen in Richtung Fusion nötig sind. Aber, bitte schön, das ist eine Frage für die nächste Generation.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin schon einigermaßen überrascht, Frau Hermenau, wie Sie mich hier zum Auslöser einer wilden Debatte machen,
Denkverbote verhindern nämlich den Fortschritt, sie verhindern jede Entwicklung, sie führen zur Stagnation. Das gilt nicht nur in der Wissenschaft. Dort habe ich es gelernt. Es gilt natürlich auch in der Politik, Frau Hermenau. Querdenken ist angesagt.
Mein Kollege Stefan Brangs hat zur Sache eigentlich schon alles gesagt. Er hat gesagt, es gehe nur darum, keine der Handlungsoptionen leichtfertig unter den Tisch fallen zu lassen. Alles andere ist selbstverständlich ferne Zukunftsmusik. Frau Hermenau, Sie werden noch lange das Sachsenlied schmettern können.
Herr Weiss, starke Sprüche retten Sie jetzt auch nicht mehr. Es geht nicht darum, ob es Denkverbote gibt. Gerade wir sind eine querdenkende Fraktion. Uns treffen Sie mit diesem Vorwurf nicht – den müssen Sie an Ihre eigene Adresse richten –, sondern es geht darum, dass man die Ideen, die man hat, auch umsetzt und nicht auf 15 Jahre später verschiebt.
Das ist eigentlich der entscheidende Punkt. Sie sind der Vorsitzende einer Koalitionsfraktion und Sie haben die Verpflichtung, darauf zu achten, was Sie presseöffentlich und medienöffentlich kundtun. Sie haben nach dem, wie Sie heute die Debatte geführt haben, etwas Falsches kundgetan. Jetzt ist es nur noch eine kleine Option. Wissen Sie, Sie können einfach nicht so verantwortungslos damit umgehen.